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LG Dortmund: Landesrechtliche Vorschriften zum Ladenschluss sind Marktverhaltensregeln im Sinne von § 3a UWG und ein Verstoß ist wettbewerbswidrig

LG Dortmund
Urteil vom 09.06.2022
16 O 21/21

Das LG Dortmund hat entschieden, dass landesrechtliche Vorschriften zum Ladenschluss Marktverhaltensregeln im Sinne von § 3a UWG sind und ein Verstoß wettbewerbswidrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Öffnung ihrer Gärtenmärkte aus § 3a, § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2 UWG in Verbindung mit §§ 4, 5 LÖG NRW zu, wenn sie dort neben Blumen und Pflanzen weitere Waren außerhalb des Randsortiments zum Kauf anbietet und kein Ausnahmetatbestand nach § 6 LÖG NRW erfüllt ist.

a) Der Kläger ist unstreitig nach § 8 abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.

b) Die Regelungen der §§ 4, 5 LÖG NRW werden von § 3a UWG erfasst. Verstöße gegen landesrechtliche Vorschriften über den Ladenschluss führen zu einer Anwendung des § 3a UWG, da sie Marktverhaltensregelungen auch im Interesse der Mitbewerber darstellen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 40. Aufl. 2022, § 3a Rdnr. 1.263; Ohly/Sosnitza/Ohly, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 7. Aufl. 2016, § 3a Rdnr. 74).

c) Der Kläger verfolgt mit seinem Antrag auch einen Verstoß der Beklagten gegen das Ladenöffnungsgesetz und will entgegen der Ansicht der Beklagten nicht lediglich den Verkauf einzelner Waren unterbinden. Schon aus dem Wortlaut des Antrags folgt, dass der Kläger die Öffnung der Gartenmärkte zum Zwecke des Verkaufs nicht zum Sortiment Blumen und Pflanzen und des dazugehörigen begrenzten Randsortiments gehörender Waren rügt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen auch keine Zweifel daran, dass die Gesetzgebungskompetenz des Landes zur Bestimmung von Ladenöffnungszeiten auch die Befugnis umfasst, die Erlaubnis zur Öffnung von Verkaufsstellen auf bestimmte Sortimente zu beschränken. Wenn dem Landesgesetzgeber die Kompetenz zusteht, durch gesetzliche Regelungen die völlige Schließung von Verkaufsstellen an bestimmten Tagen anzuordnen, ist er erst recht befugt, den Verkauf einzelner Sortimente zu bestimmten Zeiten zuzulassen und den Verkauf anderer Waren zu diesen Zeiten zu untersagen (argumentum a maiore ad minus). Ohne eine so definierte Gesetzgebungskompetenz wäre eine sinnvolle Regelung der Ladenöffnungszeiten nicht möglich, denn es besteht einerseits ein berechtigtes Interesse des Rechtsverkehrs und der Bevölkerung, die Sonn- und Feiertagsruhe sowie die Nachtruhe zu schützen, andererseits aber auch ein unabweisbares Interesse, die Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Waren, z.B. Medikamenten und Kraftstoffen, sicherzustellen und auch die Durchführung von kulturellen und Freizeitveranstaltungen an Sonn- und Feiertagen zu ermöglichen. Dies lässt sich nur erreichen, indem dem Gesetzgeber auch die Befugnis eingeräumt wird, eine differenzierte Regelung des zulässigen Warenangebots zu treffen, sofern hierbei die Regelung der Ladenöffnungszeiten im Vordergrund steht. Falls ein Marktteilnehmer wie die Beklagte nur zu einem Teil Waren anbietet, die einer Privilegierung, z.B. nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 LÖG NRW, unterfallen, hat er dafür Sorge zu tragen, dass er andere Waren an Sonn- und Feiertagen nicht zum Verkauf anbietet. Würde dem Marktteilnehmer eine uneingeschränkte Öffnung gestattet, würde zum einen der Schutzzweck des Ladenöffnungsgesetzes, der Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe, umgangen, zum anderen würden andere Marktteilnehmer, die ein ähnliches Warenangebot außerhalb des privilegierten Warensegments anbieten, benachteiligt, da sie an Sonn- und Feiertagen nicht öffnen dürfen. Als Alternative bliebe nur, allein solchen Verkaufsstellen eine Öffnung an Sonn- und Feiertagen zu erlauben, die stets ausschließlich privilegierte, von der Sonn- und Feiertagsschließung ausgenommene Waren anbieten, vorliegend also Blumenläden, die lediglich Blumen und Pflanzen nebst einem begrenzten Randsortiment in ihrem Sortiment führen. Dies wäre sicherlich nicht im Interesse der Beklagten, was zugleich zeigt, dass die Beschränkung des zulässigen Sortiments an Sonn- und Feiertagen auf Blumen und Pflanzen nebst Randsortiment das mildere Mittel darstellt, welches somit zugleich von der Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers erfasst ist.

d) Mit der Öffnung ihrer Gartenmärkte an den beiden Sonntagen, dem 00.00. und dem 00.00.2020, um die im Klageantrag genannten Gegenstände zum Verkauf oder zur Beratung bereitzuhalten, hat die Beklagte gegen §§ 4, 5 LÖG verstoßen.

Hinsichtlich der Waren Schuhe Cheyenne, Bücher diverse, Tierfutter, Äpfel, Rotwein, Fruchtsaft, Kartoffeln, Flaschentasche und Bild liegt dies auf der Hand. Es handelt sich weder um Blumen oder Pflanzen, noch können diese Waren einem begrenzten Randsortiment zum Kernsortiment Blumen oder Pflanzen zugeordnet werden. Diese Waren haben keinen Bezug zum privilegierten Sortiment „Blumen und Pflanzen“, auch greift der gesetzgeberische Zweck, den Erwerb bestimmter verderblicher Waren zur sofortigen Benutzung zu ermöglichen, nicht ein.

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Auch die Waren Acryl Stern, Metallstern, Kugel Glas, Baumkerzen, Tannenbaum im Topf (künstlich), LED Kette Weihnachtsbaum, Draht Cluster Star (Lichterkette-Sterne), Kerze Wachs (batteriebetriebene Kunststoffkerze) und Sisalstern können nicht dem Randsortiment zu Blumen und Pflanzen zugeordnet werden. Es handelt sich um nicht verderbliche, haltbare Gegenstände, für welche ein besonderes Kaufbedürfnis an Sonn- und Feiertagen nicht feststellbar ist.

Ob der Verkauf dieser Gegenstände zulässig wäre, wenn sie untergeordneter Bestandteil eines floristischen Gebindes wären, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da die Beklagte diese Gegenstände zum isolierten Verkauf angeboten hat. Allein der Umstand, dass sie theoretisch mit Pflanzen kombiniert werden könnten, genügt nicht, um ein zulässiges Anbieten zu bejahen (vgl. OLG Düsseldorf aaO).

e) Der Wettbewerbsverstoß der Beklagten ist auch geeignet, die Interessen von Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, denn die Beklagte hat sich durch das Anbieten der nicht zum Sortiment Blumen und Pflanzen und einem begrenzten Randsortiment gehörenden Waren an einem Sonntag gegenüber Mitbewerbern, die sich regelkonform verhalten und von dem Verkauf solcher Waren in einer Verkaufsstelle abgesehen haben, einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschafft.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Bäckereifiliale mit Cafébetrieb darf auch am Sonntag Brötchen und Backwaren verkaufen

BGH
Urteil vom 17.10.2019
I ZR 44/19


Der BGH hat entschieden, dass ein Bäckereifiliale mit Cafébetrieb auch am Sonntag Brötchen und Backwaren verkaufen darf.

Die Pressemitteilung des BGH:

Sonntagsverkauf von Backwaren in Bäckereifilialen mit Cafébetrieb zulässig

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Verkauf von Backwaren in Bäckereifilialen mit Cafébetrieb an Sonntagen auch außerhalb der Ladenschlusszeiten zulässig ist.

Sachverhalt:

Die Beklagte stellt Brot-, Back- und Konditoreiwaren her und vertreibt diese in ihren Filialen in München. Sie veräußerte in zwei Filialen an Sonntagen über einen Zeitraum von jeweils mehr als drei Stunden Brote und unbelegte Brötchen. In einer anderen Bäckerei-Verkaufsstelle wurden an einem Pfingstmontag eine Brezel, unbelegte Brötchen sowie ein Laib Brot verkauft.

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, meint, die Beklagte habe damit gemäß § 3a UWG unlauter gehandelt, weil sie gegen § 3 Satz 1 Nr. 1 des Ladenschlussgesetzes sowie § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 der Verordnung über den Verkauf bestimmter Waren an Sonn- und Feiertagen verstoßen habe. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich des Verkaufs in der Bäckerei-Verkaufsstelle am Pfingstmontag zu Recht angenommen, die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin habe schon nicht dargetan, dass die Beklagte die Verkaufsstelle selbst betreibt oder von einem Beauftragten betreiben lässt und somit für diesen Verkauf verantwortlich ist. Hinsichtlich des Sonntagsverkaufs von Backwaren in den beiden von der Beklagten betriebenen Filialen hat der Bundesgerichtshof die Beurteilung des Berufungsgerichts gebilligt, diese Verkäufe seien nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 des Gaststättengesetzes erlaubt gewesen.

Bei diesen Filialen handelt es sich um Gaststättengewerbe im Sinne von § 1 Abs. 1 des Gaststättengesetzes, weil die Beklagte dort auch Cafés betreibt, in denen sie Getränke und Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht. Der Anwendung des Gaststättenrechts steht nicht entgegen, dass die Beklagte innerhalb desselben Raums neben einem Café eine Bäckerei-Verkaufsstelle betreibt. Desgleichen kommt es nicht darauf an, dass sie die Speisen und Getränke im Café zur Selbstbedienung bereitstellt.

Die von der Beklagten im Café verabreichten Brötchen und Brote dürfen nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 des Gaststättengesetzes außerhalb der gaststättenrechtlichen Sperrzeiten und ohne Bindung an die gesetzlichen Bestimmungen über den Ladenschluss im Straßenverkauf abgegeben werden. Nach der vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Verkehrsanschauung handelt es sich bei Brötchen und Broten um zubereitete Speisen, also um - durch den Backvorgang - essfertig gemachte Lebensmittel. Diese werden in den Cafés der Beklagten verabreicht. Dass die Beklagte das Brot im Café in geschnittener Form anbietet, im Straßenverkauf aber ganze Brotlaibe veräußert, und die Gäste des Cafés die Brötchen und die Brotscheiben selbst bestreichen oder belegen, ändert an dieser Beurteilung nichts. Da die Zulässigkeit eines Straßenverkaufs nicht voraussetzt, dass die Speisen in der Gaststätte zubereitet worden sind, kommt es ferner nicht darauf an, wo die Brötchen und Brote gebacken wurden. Eine zulässige Abgabe zum alsbaldigen Verzehr liegt zwar nur vor, wenn der Betreiber der Gaststätte annehmen darf, dass die abgegebenen Waren im Wesentlichen zum sofortigen Verbrauch erworben werden. Davon durfte die Beklagte aber im Blick auf Art und Menge der bei den beanstandeten Verkäufen abgegebenen Backwaren ausgehen.

Vorinstanzen:

LG München II - Urteil vom 20. April 2018 - 12 O 4218/17

OLG München - Urteil vom 14. Februar 2019 - 6 U 2188/18 (GRUR-RR 2019, 227)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 3 Satz 1 Nr. 1 LadSchIG

Verkaufsstellen müssen zu folgenden Zeiten für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein:

1.an Sonn- und Feiertagen,

(…)

§ 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 SonntVerkV

(1) Abweichend von der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Ladenschluß dürfen an Sonn- und Feiertagen geöffnet sein für die Abgabe

(…)

2. von Bäcker- oder Konditorwaren:

Verkaufsstellen von Betrieben, die Bäcker- oder Konditorwaren herstellen, für die Dauer von drei Stunden,

(…)

(2) Absatz 1 Nr. 1 bis 3 gilt nicht für die Abgabe am 2. Weihnachts-, Oster- und Pfingstfeiertag.

§ 7 Abs. 2 Nr. 1 GastG

(2) Der Schank- oder Speisewirt darf außerhalb der Sperrzeit zum alsbaldigen Verzehr oder Verbrauch

1.Getränke und zubereitete Speisen, die er in seinem Betrieb verabreicht,

(…)

an jedermann über die Straße abgeben.

§ 1 Abs. 1 GastG

(1) Ein Gaststättengewerbe im Sinne dieses Gesetzes betreibt, wer im stehenden Gewerbe

1. Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht (Schankwirtschaft) oder

2. zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht (Speisewirtschaft),

(…)

wenn der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich ist.



OLG München: Verkauf von unbelegten Brötchen und Broten durch "Bäckerei-Cafe" am Sonntag ganztägig zulässig

OLG München
Urteil om 14.02.2019
6 U 2188/18


Das OLG München hat entschieden, dass der Verkauf von unbelegten Brötchen und Broten durch "Bäckerei-Cafe" am Sonntag ganztägig zulässig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. scheitert auch im Berufungsverfahren vor dem OLG München mit seiner Klage betreffend "Semmelverkauf" an Sonn- und Feiertagen

Das Oberlandesgericht München hat heute die Berufung des Klägers - der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs - zurückgewiesen und damit die Entscheidung des Landgerichts München II bestätigt.

Der Kläger verlangt von der Beklagten, einer Bäckerei, die Brot-, Back- und Konditoreiwaren herstellt und in Filialen in München vertreibt, wegen angeblicher Verstöße gegen die Bestimmungen des Ladenschlussgesetzes es zu unterlassen, Backwaren zum Mitnehmen an Sonn- und Feiertagen über eine Dauer von mehr als drei Stunden zum Verkauf anzubieten. Das Landgericht München II hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hiergegen blieb nun ohne Erfolg.

Anlass des Rechtsstreits sind einige Testkäufe, bei denen in Filialen der Beklagten in München an verschiedenen Sonn- bzw. Feiertagen Vollkornsemmeln, Römer-Semmeln, Brezen, Brote und andere Backwaren verkauft wurden und zwar in einem Zeitraum, der über die drei Stunden hinausgeht, die das Ladenschlussgesetz und die Verordnung über den Verkauf bestimmter Waren an Sonn- und Feiertagen vorsehen. Die Beklagte unterhält in diesen Filialen Bäckerei-Verkaufsstellen mit Sitzgelegenheiten zum Verzehr von Speisen und Getränken vor Ort. Ob es sich hierbei um den Betrieb einer Gaststätte im Sinne des Gaststättengesetzes handelt, ist zwischen den Parteien umstritten.

Das Landgericht hatte die Klage auf Unterlassung des Verkaufs von unbelegten Semmeln und Broten an Sonn- und Feiertagen über einen Zeitraum von mehr als drei Stunden abgewiesen, weil es davon ausging, dass die Verkäufe, die der Kläger der Beklagten zur Last legt, durch das Gaststättengesetz gedeckt seien. Danach, d.h. nach der Regelung in § 7 Abs. 2 Nr. 1 des Gaststättengesetzes dürfe der Schank- oder Speisewirt auch außerhalb der Sperrzeit zum alsbaldigen Verzehr oder Verbrauch zubereitete Speisen, die er in seinem Betrieb verabreiche, an jedermann über die Straße abgeben. Einen Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz verneinte das Landgericht.

Der 6. Senat des Oberlandesgerichts München hat in seiner heutigen Entscheidung nun bestätigt, dass dem Kläger keine Unterlassungsansprüche gegen die beklagte Bäckerei zustehen. Die streitgegenständlichen Verkäufe von unbelegten Brötchen und Broten begründen nach Auffassung des OLG keinen Verstoß gegen die Regelungen des Ladenschlussgesetzes (§§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 12 LadSchlG) und der Sonntagsverkaufsverordnung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SonntVerkV), weil sie nach dem Gaststättengesetz (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 GastG) erlaubt seien.

Der Senat stellte zunächst fest, dass der Verkauf von Backwaren durch die Beklagte an Sonn- und Feiertagen über einen Zeitraum von mehr als drei Stunden an den genannten Tagen unstreitig sei. Diese Verkäufe seien jedoch durch die Ausnahmeregelung im Gaststättengesetz gedeckt und damit zulässig. Dies deshalb, weil die Beklagte in den jeweiligen Filialen ein Gaststättengewerbe betreibe, da in den Filialen Sitzgelegenheiten vorhanden seien, an denen die Kunden vor Ort Speisen und Getränke zu sich nehmen könnten. Es handle sich um sog. Mischbetriebe aus Ladengeschäft und Cafébetrieb. Dabei komme es auch nicht darauf an, welcher Teil überwiege. Ausreichend sei, dass die Bewirtungsangebote mit Sitzgelegenheiten in Bäckereibetrieben mit angeschlossenen Cafés auch tatsächlich genutzt würden.
Die weiteren Voraussetzungen für die Ausnahmeregelung des Gaststättengesetzes bejahte der Senat. Insbesondere könne sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es sich bei den an der Verkaufstheke verkauften Backwaren nicht um "zubereitete Speisen" i.S.d. Gaststättengesetzes handeln würde. Denn bei den von der Beklagten hergestellten Brote und Brötchen handele es sich um verzehrfertige Nahrungsmittel, deren Rohstoffe durch den Backvorgang zum Genuss verändert worden seien. Die Brote und Brötchen würden auch im jeweiligen Betrieb der Beklagten verabreicht. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass die Gäste eines Cafés mit angeschlossener Bäckerei dort auch unbelegte Brötchen und/oder Brot und sonstige Backwaren bestellen können, etwa im Rahmen eines Frühstücks. Solange es sich bei dem Straßenverkauf nicht um größere Mengen handle, sei davon auszugehen, dass die verkaufte Ware auch zum alsbaldigen Verzehr bzw. Verbrauch bestimmt sei.

Der Senat hat dem Kläger die ebenfalls geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten nicht zuerkannt und die Anschlussberufung der Beklagten, die mit Widerklage ihre vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von dem Kläger erstattet verlangt, ebenfalls zurückgewiesen.

Der Senat hat die Revision zum BGH zugelassen, weil er davon ausging, dass über die Auslegung der maßgeblichen Vorschrift im Gaststättengesetz bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden ist und sich diese Frage in einer Vielzahl weiterer Fälle stellen kann.


BVerwG: Verkaufsoffener Sonntag nur bei Vorliegen eines ausreichenden Sachgrundes

BVerwG
Urteil vom 17.05.2017
8 CN 1.16

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass ein verkaufsoffener Sonntag nur bei Vorliegen eines ausreichenden Sachgrundes zulässig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Kein verkaufsoffener Sonntag ohne Sachgrund

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Rechtsverordnung der Stadt Worms zur Freigabe der Ladenöffnung an einem Sonntag unwirksam war. Die Verordnung sah vor, dass am 29. Dezember 2013 sämtliche Verkaufsstellen im Gemeindegebiet von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet sein durften.

Der Normenkontrollantrag einer Gewerkschaft hatte vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz keinen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil der Vorinstanz geändert und festgestellt, dass die Rechtsverordnung über die Freigabe der sonntäglichen Ladenöffnung unwirksam war.

Die zur Prüfung gestellte Rechtsverordnung war rechtswidrig, weil § 10 Ladenöffnungsgesetz Rheinland-Pfalz (LadöffnG) sie bei der gebotenen grundgesetzkonformen Auslegung nicht rechtfertigt. Das Oberverwaltungsgericht ist zwar im Einklang mit Bundesrecht davon ausgegangen, dass jede Ladenöffnung an einem Sonn- oder Feiertag für sich genommen nach § 10 LadöffnG i.V.m. Art. 57 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz durch einen Sachgrund gerechtfertigt sein muss. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sind die bundesverfassungsrechtlichen Anforderungen des Sonntagsschutzes jedoch nicht schon erfüllt, wenn der Verordnungsgeber alle für und gegen die Ladenöffnung sprechenden Belange berücksichtigt und im Rahmen einer Gesamtabwägung vertretbar gewichtet hat. Als Sachgrund reicht das alleinige Umsatz- und Erwerbsinteresse der Handelsbetriebe und das Shoppinginteresse der Kundschaft nicht aus. Ein darüber hinausgehendes öffentliches Interesse muss hinreichend gewichtig sein, um die konkret beabsichtigte Ladenöffnung in ihrem zeitlichen, räumlichen und gegenständlichen Umfang zu rechtfertigen. Ein solcher Sachgrund für die in Rede stehende stadtgebietsweite sonntägliche Ladenöffnung lag bei Erlass der Verordnung jedoch nicht vor. Der nachträglich im Gerichtsverfahren angeführte Silvestermarkt war damals noch nicht einmal beantragt.

BVerwG 8 CN 1.16 - Urteil vom 17. Mai 2017

Vorinstanz:
OVG Koblenz 6 C 10122/14 - Urteil vom 20. Mai 2014


Auszug aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland:

Art. 140

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

Art. 139 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

Auszug aus der Verfassung für Rheinland-Pfalz:

Art. 57

(1) Der 8-Stunden-Tag ist die gesetzliche Regel. Sonntage und gesetzliche Feiertage sind arbeitsfrei. Ausnahmen sind zuzulassen, wenn es das Gemeinwohl erfordert.

(…)

Auszug aus dem Ladenöffnungsgesetz Rheinland-Pfalz:

§ 3 Allgemeine Ladenschlusszeiten

Verkaufsstellen müssen zu folgenden Zeiten für den geschäftlichen Verkehr mit Kundinnen und Kunden geschlossen sein:

1. an Sonn- und Feiertagen,

(…)

§ 10 Verkaufsoffene Sonntage

Verbandsfreie Gemeinden, Verbandsgemeinden und kreisfreie und große kreisangehörige Städte können durch Rechtsverordnung bestimmen, dass Verkaufsstellen abweichend von § 3 Satz 1 Nr. 1 allgemein oder in bestimmten Teilen des Gemeindegebiets an höchstens vier Sonntagen pro Gemeinde in einem Kalenderjahr geöffnet sein dürfen und diese Tage sowie die Lage der zugelassenen Ladenöffnungszeiten festsetzen. (…)