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LG Hamburg: Albi-Saftflasche stellt unlautere nachschaffende Nachahmung der Granini-Saftflasche dar und verletzt zudem Marke von Granini

LG Hamburg
Urteil vom 13.01.2022
312 O 294/21


Das LG Hamburg hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass die Saftflasche der Edeka-Tochter Albi eine unlautere nachschaffende Nachahmung der Granini-Saftflasche darstellt und zudem Markenrechte von Granini verletzt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin zu 1) ergibt sich aus §§ 8, 3, 4 Nr. 3 a UWG, derjenige der Antragstellerin zu 2) aus § 14 II Nr. 2, V MarkenG.

1.

Die Antragstellerin zu 1) hat gegen die Antragsgegnerinnen einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 4 Nr. 3 a UWG.

Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz besteht, wenn ein Unternehmer das Leistungsergebnis eines Mitbewerbers, das über wettbewerbliche Eigenart verfügt, nachahmt und auf dem Markt anbietet, sofern besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen, und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt (§ 4 Nr. 3 lit. a) UWG). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die die Unlauterkeit begründende Herkunftstäuschung und ihre Vermeidbarkeit zu stellen und umgekehrt (vgl. BGH, Urteil vom 2.12.2015, I ZR 176/14, GRUR 2016, 730, Rz 31 - Herrnhuter Stern, m.w.N.).

a.

Die g.-Flasche ist von ursprünglich durchschnittlicher, durch Benutzung gesteigerter wettbewerblicher Eigenart.

Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (ständ. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 14.9.2017, I ZR 2/16, Rz 20, Leuchtballon) und die Art der Gestaltung nicht technisch notwendig ist (vgl. BGH, GRUR 2015, 909, Rz 18 - Exzenterzähne). Für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist auf den Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses abzustellen, wobei sich der Verkehr grundsätzlich nur an den äußeren Gestaltungsmerkmalen orientieren kann (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2015 - I ZR 109/14, Rz 22, Hot Sox). Dabei genügt es, wenn der angesprochene Verkehr aufgrund der Ausgestaltung oder der Merkmale des Erzeugnisses die Vorstellung hat, das Erzeugnis könne wohl nur von einem bestimmten Hersteller oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen stammen (vgl. BGH, Urteil vom 14.9.2017, I ZR 2/16, Rz 20, Leuchtballon; BGH, Urteil vom 24.5.2007, I ZR 104/04, Rz. 23 - Gartenliege; BGH, Urteil vom 22.1.2015, I ZR 107/13, Rz 11, Exzenterzähne). Die wettbewerbliche Eigenart muss sich gerade aus den übernommenen Gestaltungsmerkmalen des Erzeugnisses ergeben. Es müssen also gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sein, im Verkehr auf eine bestimmte betriebliche Herkunft oder auf die Besonderheit des jeweiligen Erzeugnisses hinzuweisen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rz. 3.24). Das ist immer dann der Fall, wenn sich das Produkt - unabhängig von der Anzahl der Merkmale - von anderen Produkten im Marktumfeld so abhebt, dass der Verkehr es einem bestimmten Hersteller zuordnet (BGH; Urteil vom 24.1.2013, I ZR 136/11, Rz. 24, Regalsystem).

b.

Vorliegend wird die wettbewerbliche Eigenart der g.-Flasche begründet durch die Gestaltung mittels eines zylindrischen Flaschenbauches und eines ebenfalls zylindrischen und lotgerecht angeordneten Flaschenhalses, wobei die Dimensionen von Flaschenbauch und Flaschenhals ungefähr im Verhältnis 3:2 stehen, was den Größenverhältnissen bei einer Ananas entsprechen soll. Der gesamte Flaschenbauch weist regelmäßig verteilte rundliche Einkerbungen, sogenannte Grübchen, auf, ähnlich den an der Außenschale einer Ananas befindlichen Noppen. Flaschenbauch und -hals sind optisch getrennt, der schmalere Flaschenhals sitzt auf einer kurzen und abgerundeten Verjüngungsstufe auf. Die Flasche hat einen breiten Schraubverschluss mit einer geringen Verjüngung vom Flaschenhals, das Etikett ist ausschließlich auf dem Flaschenhals aufgebracht. Das Material der Flasche ist durchsichtig transparent und lässt die Farbe des Inhalts erkennen.

Die Kombination dieser Merkmale ist nicht technisch bedingt und hebt sich deutlich vom Marktumfeld ab. Dies ergibt sich aus der als Anlage AG 17 eingereichten Marktübersicht, die zwar vielfach transparente Saftflaschen mit farbigen Deckeln zeigt, die jedoch in den Proportionen gänzlich unterschiedlich gestaltet sind und überwiegend das Flaschenetikett auf dem unteren Teil der Flasche und nicht - oder jedenfalls nicht ausschließlich - auf dem Flaschenhals tragen.

Ein Etikett ausschließlich auf dem oberen Teil der Flasche zeigen lediglich die Produkte "hohes C Naturelle", "hella", "Lambda" und "Tymbark", wobei bei diesen Produkten - mit Ausnahme von "Lambda" - der obere Teil der Flasche jeweils nicht als Flaschenhals ausgestaltet ist, sondern die Flasche die Form eines Zylinders - im Fall von "Tymbark" mit einer "Taille" etwa in der Mitte des Zylinders, hat, der sich hin zum Ausguss und Flaschendeckel verjüngt. Gleiches gilt für die Produkte, die das Etikett - wie "Sinalco" - in mittlerer Höhe tragen, wobei auch hier die Flaschen keinen deutlich ausgebildeten Flaschenhals haben. Ausschließlich auf einem - deutlich ausgebildeten - Flaschenhals trägt nach der Anlage AG 7 nur das - kanarische - Produkt "Lambda" sein Etikett.

Auch die Proportionen der zwei aufeinander stehenden Zylinder finden sich so im angezeigten Markt - mit Ausnahme der Flasche von "Lambda" - nicht wieder. Auch die Flasche "Valensina 100 % direkt gepresst Valencia Orange" ist weder in den Proportionen noch in der Positionierung des Etiketts noch in der Gesamtgestaltung der Flasche der g.-Flasche "nahezu identisch", wie die Antragsgegnerinnen meinen. Der untere Zylinder ist nahezu vollständig durch das Flaschenetikett verdeckt und soweit ersichtlich nicht haptisch gestaltet. Der obere Zylinder, zu dem eine deutlich weichere und längere Verjüngung als bei der g.-Flasche führt, verjüngt sich nach oben in Richtung Flaschendeckel weiter und trägt hier Reliefs mit dem Schriftzug "Valensina". In den Proportionen und der Positionierung des Flaschenetiketts ganz ähnlich muten lediglich die Flasche von Lambda und die streitgegenständliche Flasche von a. an. Die Flasche von Lambda, über deren Präsenz im deutschen Markt im Übrigen nichts bekannt ist, besitzt aber keine den unteren Zylinder vollständig bedeckende haptische Gestaltung, sondern weist, soweit ersichtlich, lediglich eine Verzierung in Form einer Knospe oder eines nach oben zeigenden Pfeils oder Dreiecks auf.

Vor diesem Hintergrund ist der Grad der wettbewerblichen Eigenart der g.-Flasche ursprünglich mindestens als durchschnittlich, aufgrund langjähriger umfangreicher und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachter Benutzung aber jedenfalls als gesteigert und damit jedenfalls leicht überdurchschnittlich einzuordnen.

c.

Die streitgegenständliche Flasche von a. stellt eine nachschaffende Nachahmung der g.-Flasche dar.

aa.

Eine Nachahmung liegt vor, wenn das angegriffene Produkt dem Originalprodukt so ähnlich ist, dass es sich in ihm wiedererkennen lässt. Hierfür ist zu prüfen, ob das angegriffene Produkt die prägenden Gestaltungsmerkmale des Originalprodukts übernimmt, die dessen wettbewerbliche Eigenart ausmachen. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit ist auf die Gesamtwirkung der einander gegenüberstehenden Produkte aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Eine nahezu identische Nachahmung liegt vor, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 11.1.2018, I ZR 187/16, Rz 50, Ballerinaschuh m.w.N.). Eine nachschaffende Nachahmung liegt vor, wenn die fremde Leistung nicht identisch oder nahezu identisch nachgeahmt, sondern lediglich als Vorbild benutzt und nachschaffend unter Einsatz eigener Leistung wiederholt wird, somit eine bloße Annäherung an das Originalprodukt vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 22.9.2021, I ZR 192/20, Rz 38. Flying V; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rz 3.37). Entscheidend ist, ob die Nachahmung wiedererkennbare prägende Gestaltungselemente des Originals aufweist oder sich deutlich davon absetzt. Geringfügige Abweichungen vom Original sind unerheblich, solange das Original als Vorbild erkennbar bleibt (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rz 3.37). Zu berücksichtigen ist bei der Beurteilung des Gesamteindrucks, dass es weniger auf die Unterschiede und mehr auf die Übereinstimmungen der Produkte ankommt, weil der Verkehr diese erfahrungsgemäß nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seiner Auffassung aufgrund eines Erinnerungseindrucks gewinnt, in dem die übereinstimmenden Merkmale stärker hervortreten als die unterscheidenden (vgl. BGH, Urteil vom 22.9.2021, I ZR 192/20, Rz 40, Flying V).

bb.

Aufgrund der aufgezeigten Unterschiede in Größe, Proportionen und haptischer Gestaltung, handelt es sich vorliegend jedenfalls um eine nachschaffende Nachahmung, da die streitbefangene Flasche "a." wiedererkennbare prägende Gestaltungselemente der g.-Flasche aufweist und die g.-Flasche als Vorbild erkennbar bleibt. Diese Merkmale werden in einer Weise von der angegriffenen Flasche aufgenommen, dass diese im Gesamteindruck die optische Wirkung der g.-Flasche hat:

Auch die neue Flasche von a. besteht aus zwei zylindrischen Elementen, der Flaschenhals steht lotgerecht auf einer kurzen und abgerundeten Verjüngungsstufe auf dem unteren Zylinder, dem Flaschenbauch. Der untere Zylinder ist ebenfalls länger als der Flaschenhals, das Verhältnis beträgt etwa 3:1. Der Flaschenbauch ist ebenfalls insgesamt haptisch gestaltet, allerdings nicht mit gleichmäßig verteilten rundlichen Einkerbungen / Grübchen, sondern reliefartig mit als Pflanzen anmutenden Motiven, dem Schriftzug "100% PET" und auf der gegenüberliegenden Seite "a.". Die Flasche hat einen breiten Schraubverschluss mit einer geringen Verjüngung vom Flaschenhals, das Material der Flasche ist durchsichtig transparent und lässt die Farbe des Inhalts erkennen. Das in der Grundfarbe "Grün" gehaltene Etikett befindet sich ebenfalls ausschließlich auf dem Flaschenhals, es zeigt neben Fotos von Äpfeln und Kirschen die Aufschrift "a." sowie "Apfel Kirsch".

Insoweit stellt die neue Flasche jedenfalls eine nachschaffende Nachahmung der g.-Flasche dar. Im Gesamteindruck erreichen die übernommenen Merkmale der Proportionen der aufeinander stehenden Zylinder, der haptischen Gestaltung des Flaschenbauchs, der Etikettierung (ausschließlich) auf dem Flaschenhals, der Transparenz des Materials und die Gestaltung des (farbigen) Schraubverschlusses die optische Wirkung der nachgeahmten g.-Flasche. Besonders deutlich wird die Ähnlichkeit der Flaschen im Gesamteindruck auf dem im Schriftsatz vom 20.12.2021, Rz 34 (Bl 161 d.A.), eingeblendeten Foto eines Ladenregals, in dem sich beide Produkte befinden.

d.

Die Nachahmung ist unlauter, es besteht die Gefahr einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn. Eine Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck gewinnen können, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originals oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen.

Vorliegend besteht die Gefahr einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn. Hierfür genügt es, wenn der Verkehr bei der Produktnachahmung annimmt, es handle sich um eine neue Serie oder um eine Zweitmarke des Originalherstellers oder es bestünden lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen zwischen den beiden Unternehmen (vgl. BGH, Urteil vom 1.7.2021, I ZR 137/20, Rz 52, Kaffeebereiter; BGH, GRUR 2019, 196, Rz 15, Industrienähmaschinen; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 4 Rz 3.44). Gegen eine solche Annahme spricht zwar in der Regel, wenn die unterschiedliche Herstellerangabe auf den Erzeugnissen deutlich erkennbar und auffällig angebracht ist (vgl. BGH, GRUR 2009, 1069, Rz 16, Knoblauchwürste). Von einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn kann bei Vorliegen weiterer Hinweise aber dennoch ausgegangen werden. Ein solcher Hinweis kann z.B. darin liegen, dass die Beklagte zuvor Originalprodukte der Klägerin vertrieben hat (vgl. BGH, Urteil vom 22.9.2021, I ZR 192/20, Rz 51, Flying V; BGH, Urteil vom 1.7.2021, I ZR 137/20, Rz 62, Kaffeebereiter; BGH, GRUR 2019,196, Rz 20, Industrienähmaschinen; BGH, Urteil vom 24.5.2007 - I ZR 104/04, GRUR 2007, 984, Rz 36 - Gartenliege) oder die Parteien früher einmal durch einen Lizenzvertrag verbunden waren (BGH, Urteil vom 1.7.2021, I ZR 137/20, Rz 52, Kaffeebereiter; BGH, GRUR 2019, 196, Rz 20 - Industrienähmaschinen).

Wegen der jedenfalls bis vor kurzem und teilweise möglicherweise noch bestehenden Vertriebssituation, in der die Antragsgegnerinnen die g.-Säfte in den streitgegenständlichen g.-Flaschen und damit die Originalprodukte in ihren Läden in den Saftregalen hatten, geht der Verkehr von einer Verbindung der Parteien trotz der Kennzeichnung der neu aufgenommenen Flaschen mit dem Zeichen "a." aus, es besteht die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft der Ware i.S.d. § 4 Nr. 3a UWG.

2.

Der Antrag der Antragstellerin zu 2) ist aus § 14 II Nr. 2, V MarkenG aus der Verfügungsklagemarke 1) DE... (im Folgenden auch "Marke 930") begründet.

a.

Die Marke 930 wurde überwiegend wahrscheinlich gemäß § 26 I, III MarkenG rechtserhaltend genutzt. Der Unterlassungsanspruch ist nach Erhebung der Nichtbenutzungseinrede durch die Antragsgegnerinnen nicht gemäß § 25 I MarkenG ausgeschlossen.

aa.

Die rechtserhaltende Benutzung einer Marke im Sinne von § 26 I MarkenG erfordert, dass die Marke ernsthaft in üblicher und sinnvoller Weise für die Ware verwendet wird, für die sie eingetragen ist.

Die rechtserhaltende Benutzung der Klagmarke 1) ergibt sich zum einen aus einem Prospekt aus dem Jahr 2019. In diesem ist die Flasche abgebildet mit einem in grün gehaltenen Etikett und rotem Deckel, wobei das grüne Etikett, an dessen oberen Rand ein rotes Rechteck zu sehen ist, auf dem in weißer Schrift der Schriftzug "g." steht (im Folgenden auch "g.-Rechteck"), auf dem Flaschenhals angebracht ist (Anlage AG 8 und Anlage AG 10, dort Anlage 1). Die Flasche zeigt nach Auffassung der Kammer ebenso wie diejenige, die in der mündlichen Verhandlung - mit der Abbildung einer anderen Frucht - vorlag, eine Nutzung der Verfügungsmarke 930. Die Nutzung der Klagmarke 1) ergibt sich zum anderen aus der Nutzung gemäß der Antragsschrift, Seite 3 Mitte, mit einem überwiegend orangefarbenen Etikett, bei dem das g.-Rechteck am unteren Rand steht, und einem grünen Flaschendeckel.

Die Nutzung der Marke in diesen abweichenden Formen genügt für eine rechtserhaltende Nutzung, die prägenden Merkmale der eingetragenen Kombinationsmarke sind jeweils erhalten geblieben.

Dass die Klagmarke 1) bei den beiden beschriebenen Benutzungsformen in veränderter Form benutzt wurde - zum einen weil das in der Markeneintragung - mit Ausnahme des rot-weißen "g.-Rechtecks" - einheitlich in Dunkelgrün gestaltete Flaschenhalsetikett in changierenden Grüntönen mit Aufdruck von Früchten (vgl. AG 8, AG 10) bzw. auch mit Aufdruck von Fotos grüner Blätter gestaltet wurde, zum anderen weil die Flasche in der Gestaltung mit dem überwiegend orangefarbenen Etikett mit aufgedruckten Früchten und nach unten versetztem rot-weißen "g.-Rechteck" und grünem Deckel (vgl. Antragsschrift, Seite 3 Rz 1) sowohl farblich als auch graphisch verändert wurde, ist unschädlich. Denn die Benutzung einer Marke ist auch in veränderter Form gemäß § 26 III Satz 1 MarkenG rechtserhaltend, soweit die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern. Das ist der Fall, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, d. h. in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2014, I ZR 114/13, Rz 12, PINAR; vgl. BGH, Urteil vom 5.12.2012, I ZR 135/11, Rz 31, Duff Beer; Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Aufl. 2021, § 26 Rz 197).

Bei der Bestimmung der Verkehrsauffassung kann zur Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise, zum Maßstab des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers und zu den Regeln über die Feststellung der Verkehrsauffassung auf die zur Verwechslungsgefahr entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. BGH, Urteil vom 5.12.2012, I ZR 135/11, Rz 31, Duff Beer). Zur Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise ist auf die Abnehmer abzustellen, die die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen nachfragen. Dabei sind die Waren oder Dienstleistungen ihrer gattungsmäßigen Art nach und nach ihren objektiven Merkmalen zugrunde zu legen (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2014, I ZR 114/13, Rz 21, PINAR).

bb.

Vorliegend ist die Klagmarke 1 in der Warenklasse 32 für Fruchtgetränke und Fruchtsäfte eingetragen. Sie beansprucht damit Schutz für Getränke, die von einem breiten Publikum von Verbrauchern, Erwachsenen wie Jugendlichen und Kindern, nachgefragt werden.

Der kennzeichnende Charakter der Marke wurde durch die beiden vorliegenden Benutzungsformen nicht verändert. Es handelt sich bei der als "dreidimensionale" Marke eingetragenen Marke 930 um eine Kombinationsmarke aus Form- und Bildelementen sowie- einem Wortelement. Das Formelement beinhaltet dabei die konkrete Gestalt der Flasche, die in den Proportionen der beiden aufeinander stehenden "Zylinder" und der Oberflächengestaltung des unteren, leicht bauchig ausgestalteten Zylinders durch die aufgebrachten "Grübchen" einer Ananas nachempfunden ist, die Bildelemente zum einen das einheitlich grüne Etikett auf dem Flaschenhals und zum anderen das darauf aufgebrachte rote "g.-Rechteck" mit "g." als Wortelement sowie die (rote) Farbgestaltung des Deckels.

Im Gesamteindruck zeigen die beiden beschriebenen veränderten Gestaltungen der Flasche keine Veränderungen des kennzeichnenden Charakters der Flasche. Es ist davon auszugehen, dass der angesprochene Verkehr auch bei Wahrnehmung der Unterschiede zwischen der eingetragenen Kombinationsmarke und den beiden Benutzungsgestaltungen in diesen noch dieselbe Marke sieht. Denn im Gesamteindruck ist die Flasche in der Gestaltung der Proportionen und des unteren Zylinders mit den Grübchen sowie der Position des Etiketts auf dem Flaschenhals(-zylinder) und dem Abstand vom Flaschendeckel zum Etikett unverändert geblieben. Auch das rote "g.-Rechteck" ist weiter auf dem Flaschenhalsetikett angebracht, wenn auch bei der auf Seite 3 der Antragsschrift abgebildeten Flaschengestaltung über dem unteren Rand des Etiketts. Diese abweichende Positionierung des integrierten Wort-Bildzeichens "g.-Rechteck" zeigt keine ersichtliche Veränderung im optischen Gesamteindruck der Kombinationsmarke. Bei der aus dem Prospekt aus dem Jahr 2019 gemäß Anlage AG 8 ersichtlichen Gestaltung ist das rote "g.-Rechteck" zudem entsprechend der Markeneintragung am oberen Rand des Flaschenhalsetiketts verblieben. Bei der aus der Anlage AG 8 ersichtlichen farblichen Gestaltung des Etiketts durch changierende Grüntöne mit aufgedruckten Früchten handelt es sich ebenfalls nicht um wesentliche den Gesamteindruck verändernde Abweichungen. Denn die einheitlich grüne Farbe des Flaschenhalsetiketts ist in dieser Gestaltung im Grünton jedenfalls erhalten und lediglich durch weitere Angaben wie den Aufdruck von Früchten im Zusammenhang mit der Geschmacksrichtung gestaltet. Gleiches gilt für die Flasche mit einem durch Fotos von grünen Blättern in (uneinheitlich) Grün gehaltenen Etikett, aber einer anderen Fruchtabbildung, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen hat und erörtert wurde. Aber auch in der Gestaltung der Flasche mit einem überwiegend orangefarbenen Etikett und der Abbildung einer Orange und einem von der Eintragung (mit rotem Flaschendeckel) farblich abweichenden grünen Flaschendeckel sieht die Kammer keine wesentliche Veränderung des Gesamteindrucks der Marke. In der Rechtsprechung werden Modernisierungen regelmäßig als unschädlich angesehen, ebenso unschädlich sind Veränderungen in graphischen Bestandteilen, die nur eine Verzierung darstellen oder aus anderen Gründen vom Verkehr als bedeutungslos für den kennzeichnenden Charakter der Marke angesehen werden. Dies wird bejaht bei bloßen Veränderungen der Schriftfarbe oder der bildlichen Ausgestaltung von Anfangsbuchstaben. Entsprechend ist die Änderung der Grundfarbe des Flaschenhalsetiketts in der vorliegenden Konstellation die unwesentliche Änderung einer Verzierung, die im Gesamteindruck der Flasche keine wesentliche Bedeutung erlangt.

Dass die transparente Flasche bei Benutzung durch die Farbe des enthaltenen Safts farbig wirkt, stellt keine abändernde Benutzung dar. Denn ersichtlich ist eine für Fruchtsaftgetränke eingetragene transparente Flasche dazu gedacht, Säfte, die regelmäßig farbig sind, aufzunehmen. Weiter ist ersichtlich ein - bis auf das "g.-Rechteck" - leeres Etikett dazu gedacht, weitere Informationen zum Inhalt der Flasche zu tragen. Wesentliche Änderungen im Gesamteindruck der Marke liegen in der praktischen Nutzung des als Marke eingetragenen realen Gegenstands mitsamt dem Etikett nicht.

cc.

Der Umfang der ernsthaften Nutzung ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwalt H. P. R. gemäß Anlage Ast 7 und den dort versicherten Umsatz- und Absatzzahlen für die Jahre 2016-2021, die sich jeweils im mittleren oder oberen zweistelligen Millionenbereich bewegen.

Sowohl die mit der eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemachten Umsatzzahlen "betreffend die g.-Säfte in der ikonischen g.-Flasche" von 79.728.060 € im Jahr 2016, von 67.673.353 € im Jahr 2017, von 91.015.470 € im Jahr 2018, von 88.104.624 € im Jahr 2019, von 95.377.739 € im Jahr 2020 und von 54.011.776 € in den ersten drei Quartalen des Jahres 2021 als auch die für dieselbe Ware angegebenen Absatzzahlen in verkauften Litern mit 65.925.000 in 2016, 54.067.000 im Jahr 2017, 71.540.000 im Jahr 2018, 68.506.000 im Jahr 2019, 75.159.000 im Jahr 2020 und 39.772.000 in den ersten drei Quartalen 2021 belegen ohne weiteres die ernsthafte Nutzung der Klagmarke.

b.

Die Nutzung der angegriffenen Flaschen auf Seiten der Antragsgegnerinnen erfolgt markenmäßig.

Zwar wird die Form einer Ware in der Rechtsprechung in erster Linie als funktionell und nicht als Herkunftshinweis gesehen (vgl. EuGH, Urteil vom 20.10.2011, C-344/10 P u.a., GRUR 2012, 610, 611, Nr. 46, Freixenet; BGH, Urteil vom 28.11.2002, I ZR 204/00, GRUR 2003, 712, 714, Rz 31, Goldbarren). Eine andere Beurteilung kann aber geboten sein, wenn Kennzeichnungsgewohnheiten auf einem spezifischen Warengebiet dazu führen, dass der Verkehr in der Form einen Herkunftshinweis sieht. Dies wird zum Beispiel bejaht für die Formgestaltung von Kühlergrills oder für Parfümflakons (OLG Frankfurt, Urteil vom 17.11.2016, 6 U 220/15, GRUR-RR 2017, 105, Rz 16, Parfümflakon-Blütenstöpsel). Ein markenmäßiger Gebrauch kann auch vorliegen, wenn die betreffende Verpackungsform sich im Verkehr als Markenzeichen eines Inhabers durchgesetzt hat und über gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt. Schließlich wird ein markenmäßiger Gebrauch auch angenommen, wenn eine erhebliche Abweichung vom Branchenüblichen vorliegt (vgl. EuGH, C 344/10, Urteil vom 20.10.2011, Rz 53, 38, 46; BGH, GRUR 2007, 780 Rz 28, Pralinenform; OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014, 6 U 55/14, Rz 24 ff. Capri-Sonne).

Davon kann vorliegend ausgegangen werden. Die vorliegende Marktübersicht einschließlich der eingereichten Flaschen zeigt, dass die Saftflaschen im Markt in Proportionen und Etikettierung völlig anders gestaltet sind als die g.-Saftflasche, die einer Ananas nachempfunden wurde. Auf die (oben unter 1. stehenden) Ausführungen zum Marktumfeld im Rahmen der wettbewerblichen Eigenart wird Bezug genommen.

Dass Hersteller anderer Fruchtsaftflaschen sich bemühen mögen, ihre Waren ebenfalls so zu gestalten, dass der Verbraucher sie zumindest auch als Herkunftshinweis empfindet, weil die Säfte selbst nicht hinreichend zur Unterscheidung geeignet sind, wie das Landgericht Köln annimmt (vgl. Urteil vom 7.1.2022, 33 O 218/21, S. 17/18), kommt nur hinzu.

c.

Es besteht - unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wechselwirkung - Verwechslungsgefahr zwischen der Klagmarke 1 und der angegriffenen Flasche im Sinne des § 14 II Nr. 2 MarkenG.

Dabei ist im Bereich von Fruchtsäften und Fruchtnektaren, für die die Klagmarke 1 eingetragen ist und für die die angegriffene Flasche benutzt wird, von Warenidentität sowie von zumindest leicht gesteigerter Kennzeichnungskraft der ursprünglich jedenfalls durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Marke auszugehen. Die gesteigerte Kennzeichnungskraft ergibt sich aus der umfangreichen und mit eidesstattlicher Versicherung der erzielten Umsätze glaubhaft gemachten Nutzung.

Weiterhin liegt auch deutliche Zeichenähnlichkeit vor. Der Gesamteindruck des eingetragenen dreidimensionalen Zeichens in Form einer Flasche ist geprägt durch die aus zwei aufeinander stehenden Zylindern mit unterschiedlichem Durchmesser gebildete Form, wobei der untere Teil leicht bauchig geformt ist und eine gleichmäßige Struktur mit runden Einkerbungen/Grübchen aufweist, während der obere, den Flaschenhals bildende Teil, das farbige Etikett trägt, über dem ein farbiger Deckel in der Signalfarbe rot steht. Dieser Formgestaltung entspricht die angegriffene Flasche, die eine in den Proportionen hochgradig ähnliche Aufteilung in einen Flaschenbauch mit größerem Durchmesser und einen darauf aufstehenden schmaleren Zylinder als Flaschenhals, der das Etikett trägt, aufweist, und deren Flaschenbauch zudem mit gleichmäßigen Reliefstrukturen verziert ist. Im Gesamteindruck sind die beiden Flaschen einander hochgradig ähnlich. Dass beide Flaschen jeweils einen Schriftzug "g." bzw. "a." auf dem Etikett und die "a."-Flasche zusätzlich als Einprägung innerhalb des Reliefs aufweisen, ändert an der hohen Ähnlichkeit nichts. Denn im Gesamteindruck bleiben die Flaschen, deren Etikett- bzw. Reliefaufschrift weder im Warenregal im Laden noch bei späteren Aufbewahrungen unbedingt zu sehen bzw. zu lesen sind, sehr ähnlich. Gleiches gilt für den Schraubverschluss, der bei der angegriffenen Flasche nicht in der Signalfarbe rot, sondern in einem dunklen Grün gehalten ist. Die Farbe des Deckels wird angesichts der im Markt üblichen Deckelfarben, die sich aus der Anlage AG 17 ergeben und die regelmäßig grün und rot, zudem goldfarben, weiß, blau, gelb, silberfarben, violett, orange und schwarz sind, vom Verkehr nicht als wesentliches oder besonderes Merkmal wahrgenommen.

d.

Die Löschungsanträge der Antragsgegnerinnen stehen dem Anspruch nicht entgegen. Die Kammer ist insoweit an die Eintragung der Marken gebunden. Dass eine Löschung der Marken mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorstehe, ist nicht erkennbar. Im Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerinnen steht eine solche Situation auch nicht der Dringlichkeit entgegen.

Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Widerspruchsverfahren aufgrund der nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 23.12.2021, vom 4.1.2022, vom 5.1.2022 und vom 7.1.2022 besteht nicht.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Hamburg: Keine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit "Bestes 5G-Netz" unter Hinweis auf Chip-Test mit Einblendung von Logo und Siegel

LG Hamburg
Urteil vom 20.07.2021
416 HKO 63/21


Das LG Hamburg hat entschieden, dass keine wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung mit "Bestes 5G-Netz" unter Hinweis auf Chip-Test bei Einblendung von Logo und Siegel vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Die einstweilige Verfügung vom 26. März 2021 ist aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückzuweisen. Der Antragstellerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Unterlassungsanspruch gegen die streitgegenständlichen Werbeaussagen zu.

1. Als Anspruchsgrundlage kommen allein die §§ 8 Abs. 1, 3, 5, 5a UWG in Betracht.

Sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin sind auf dem Markt der Telekommunikation unternehmerisch tätig und sind deshalb Mitbewerberinnen i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Bei der Werbung auf der Website der Antragsgegnerin sowie in den TV-Spots handelt es sich auch um geschäftliche Handlungen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

Diese Werbung ist aber nicht irreführend i. S. v. §§ 3, 5, 5a UWG. Nach § 5 Abs. 2, Abs. 1 S. 2 UWG sind Angaben irreführend, die unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthalten.

Die Frage der Irreführung bemisst sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Aussagen nicht nach den Kriterien der Alleinstellungswerbung, sondern nach denen der Testhinweiswerbung (I.). Die Werbung mit dem Testergebnis ist nicht irreführend, weil sie korrekte Angaben enthält (II.).

Für die Beurteilung, ob eine Irreführung vorliegt, ist die Verkehrsauffassung des Verkehrskreises maßgeblich, an den sich die Werbung richtet (BGHZ 13, 244 (253)= GRUR 1955, 38 (40) - Cupresa Kunstseide; BGH GRUR 1961, 193 (196) - Medaillenwerbung; BGH GRUR 1987, 171 (172) - Schlussverkaufswerbung I; BGH GRUR 1991, 852 (854) - Aquavit mwN; BGH GRUR 1995, 612 (614) - Sauerstoff-Mehrschnitt-Therapie). Die Antragsgegnerin spricht in ihren bundesweit ausgestrahlten TV-Spots und mit der Anzeige auf ihrer Website den Kreis aller Verbraucher an. Bei der Frage nach dem Sinngehalt der Aussagen ist somit vorliegend auf den Empfängerhorizont eines durchschnittlich verständigen, informierten und aufmerksamen Verbrauchers abzustellen. Das hier zugrunde zu legende Verkehrsverständnis kann von der Kammer selbst beurteilt werden, da für diese Beurteilung keine besondere Sachkunde erforderlich ist und die Mitglieder der Kammer ebenfalls zu dem hier relevanten Empfängerkreis gehören.

2. Es handelt sich bei der streitgegenständlichen Werbung nicht um eine Allein- oder Spitzenstellungswerbung. Eine solche ist gegeben, wenn der maßgebliche Verkehrskreis die streitgegenständliche Aussage als Selbsteinschätzung der Antragsgegnerin versteht. Das ist in der Regel der Fall, wenn die Werbung keinen Bezug zu einem unabhängigen Test bzw. Testergebnis aufweist.

Vorliegend ist die Verbindung der Aussage "Bestes 5G-Netz" zu dem abgebildeten Testsiegel, das auf einen unabhängigen Test verweist, in der Werbung aber jeweils deutlich zu erkennen. Der Verkehr stellt bei den streitgegenständlichen Werbeaussagen zwingend einen Bezug zu dem Testsieger-Siegel her. Das Siegel ist jeweils gut erkennbar, mit einem von unten kommenden grünen Streifen hervorgehoben und mit dem Wort "NETZTEST" überschrieben. Auch die Ähnlichkeit der Aussagen "Bestes 5G-Netz" und "Bestes Netz" spricht für eine Verbindung der Werbeaussage mit dem Siegel. In unmittelbarer Nähe zu dem Siegel befinden sich jeweils auch keine anderen Angaben, auf die sich das Siegel beziehen könnte.

In den TV-Werbespots erscheint das Testsiegel jeweils mittig unmittelbar unter der streitgegenständlichen Aussage. Die phonetische Aussage "Bestes 5G-Netz" erfolgt zeitgleich zu der Anzeige, sodass die Verbraucher auch sie mit dem Siegel in Verbindung bringen.

Bei der Anzeige auf der Website ist das Logo zwar mit einiger Entfernung rechts von der streitgegenständlichen Werbeaussage angeordnet, von ihr aber nur durch das Bild einer Familie und das eigene 5G-Logo der Telekom getrennt. Auch hier sind für den Verbraucher keine anderen Aussagen ersichtlich, auf die sich das Logo beziehen könnte.

3. Die Werbung mit den Testergebnissen ist nicht irreführend, weil bei dem maßgeblichen Verkehrskreis eine Vorstellung erweckt wird, die den Testergebnissen entspricht.

Ein durchschnittlich verständiger, informierter und aufmerksamer Verbraucher wird die Angabe "Bestes 5G- Netz" in Verbindung mit dem eingeblendeten CHIP-Logo "Bestes Netz", das mit "NETZTEST" überschrieben ist, so verstehen, dass die Antragsgegnerin den Gesamtsieg im Test errungen und darüber hinaus die Kategorie des 5G-Netzes gewonnen hat. Die Verwendung des CHIP-Logos "Bestes Netz" statt des separaten 5G-Netz-Logos ist insofern unschädlich. Für die Zulässigkeit einer Werbung mit den 5G-Netz-Messungen kann es keinen Unterschied machen, ob die Veröffentlichung der Testergebnisse der Kategorie "5G" eigenständig oder als Bestandteil eines umfassenderen Tests erfolgt. Entscheidend ist, ob die 5G-Netze eigenständig geprüft und bewertet wurden.

Unstreitig ist die Antragsgegnerin Gesamtsiegerin des in Rede stehenden Tests. Die Antragsgegnerin hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass das 5G-Netz im maßgeblichen Test eigenständig getestet wurde und die Antragsgegnerin in dieser Kategorie Testsiegerin wurde. Dass "5G" als eine der Kategorien getestet wurde, ergibt sich bereits aus der Tabelle auf S. 82 der Printversion der Auflage 01/2021 der CHIP-Zeitschrift (Anlage ASt 10a), in der "5G" als eigene Kategorie aufgeführt wird. Die Antragsgegnerin hat ihren Testsieg in der Kategorie "5G" glaubhaft gemacht, indem sie die Ergebnisse des Netztests für die Telekom eingereicht hat. Dort ist bei dem Unterpunkt "5G" als Ergebnis "SIEGER (SEHR GUT)" aufgeführt. Dies entspricht sinngemäß der Aussage "Bestes 5G-Netz".

Der Umstand, dass das Logo für den Sieg in der Kategorie "5G" nicht auf der CHIP Internetseite oder in der Printversion abgebildet ist, ist insoweit irrelevant. Dem steht auch nicht die BGH-Entscheidung "Bestes Netz" entgegen (BGH, GRUR 2019, 631), denn die Antragsgegnerin hat die Testergebnisse nicht zu ihren Gunsten verändert, sondern sie lediglich in der Werbung wiedergegeben.

Die durch CHIP vergebene Auszeichnung wurde in einem seriösen Verfahren vergeben und nicht erschlichen.

Zwar kann die Werbung mit einem Testsiegel ausnahmsweise irreführend sein, wenn dem Testsiegel aufgrund besonderer Umstände - etwa wegen des Fehlens von objektiven Kriterien für die Prüfung der untersuchten Dienstleistung - nur eine begrenzte Aussagekraft zukommt (BGH GRUR 2005, 877 (879) - Werbung mit Testergebnis; BGH GRUR 2019, 631 (637) - Das beste Netz). Dies ist bei dem Testsieg in der Kategorie "5G" jedoch nicht der Fall. Insbesondere vermindert die Tatsache, dass die Ergebnisse der Kategorie "5G" nur zu 3 % in das Gesamtergebnis eingeflossen sind, nicht die Aussagekraft des Testsiegels. Entscheidend ist insofern, dass die Zeitschrift CHIP die Kategorie "5G" als Teil des in Bezug genommenen Gesamttests getestet hat und der Antragsgegnerin den Testsieg zuerkannt hat. Die Antragstellerin hat auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass das 5G-Netz nur in fünf Städten getestet worden ist. Vielmehr ergibt sich schon aus aus dem Text und der Tabelle auf S. 82 der durch die Antragstellerin eingereichten Printversion der Zeitschrift (Anlage ASt 10a), dass die 5G-Verfügbarkeit auch außerhalb der fünf Großstädte entlang der Fahrtstrecke mit dem Auto gemessen wurde. Auf S. 81 der Printversion der Zeitschrift finden sich Angaben zur 5G-Verfügbarkeit "in den restlichen Städten", in der Tabelle auf S. 82 zur 5G-Verfügbarkeit außerhalb der Städte. Wegen des Testsiegs der Antragsgegnerin in der Kategorie "5G" ist es auch unerheblich, ob die Antragstellerin teilweise besser abgeschnitten hat als die Antragsgegnerin. Entscheidend ist insofern allein die Gesamtwertung der CHIP-Zeitschrift in Bezug auf die Kategorie "5G". Unerheblich ist auch, dass es sich bei dem Test um eine "Momentaufnahme" des Zustandes der 5G-Netze handeln soll. Es liegt in der Natur der jährlich stattfindenden Tests, dass sich die Qualität der Netze und das Rangverhältnis der Netzbetreiber ändern kann. Die CHIP-Zeitschrift hat die Netze der Parteien zum Testzeitpunkt anhand objektiver Kriterien beurteilt und zu diesem Zeitpunkt die Antragsgegnerin als Siegerin der Kategorie ausgezeichnet. Dass sich die 5G-Netze noch im Aufbau befinden und gegebenenfalls schneller entwickeln als andere Netze, ist dem maßgeblichen Verkehrskreis ohnehin bewusst, zumal der Ausbau und die Vorteile von 5G-Netzen regelmäßig Gegenstand der öffentlichen Debatte sind und von Verbrauchern erwartet werden.

Auf Grund dieser Umstände unterlag die Antragsgegnerin entgegen der Überzeugung der Antragstellerin auch keiner Aufklärungspflicht nach § 5a UWG. Die durch die Werbung erweckte Vorstellung entspricht den Tatsachen. Es ist keine wesentliche Information ersichtlich, die die Antragsgegnerin dem maßgeblichen Verkehrskreis vorenthalten hätte.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Hamburg: DNS-Resolver kann als Störer für Urheberrechtsverletzung haften wenn dieser trotz konkretem Hinweis auf Rechtsverletzung untätig bleibt

LG Hamburg
Beschluss vom 12.05.2021
310 O 99/21


Das LG Hamburg hat entschieden, dass ein DNS-Resolver als Störer für Urheberrechtsverletzungen haften kann, wenn dieser trotz konkretem Hinweis auf Rechtsverletzung untätig bleibt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Antragstellerin hat die Voraussetzungen des Verfügungsanspruchs nach § 97 I UrhG dargelegt und glaubhaft gemacht.

3. Die Antragsgegnerin ist als Störerin für die Rechtsverletzungen mitverantwortlich.

Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden kann, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Verhaltenspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Das richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat. Bei der Auferlegung von Kontrollmaßnahmen ist zu beachten, dass Geschäftsmodelle, die nicht in besonderer Weise die Gefahr von Urheberrechtsverletzungen schaffen oder fördern, nicht wirtschaftlich gefährdet oder unverhältnismäßig erschwert werden dürfen (BGH, Urt. v. 15.10.2020 - I ZR 13/19, GRUR 2021, 63, 64 Rz. 13 m.w.N. - Störerhaftung des Registrars).

a)

Die Antragsgegnerin haftet für die vorgenannte Rechtsverletzung weder als Täterin noch als Teilnehmerin, denn sie betreibt keine der beiden genannten Internetseiten und hat die vor genannten Verlinkungen nicht selbst gesetzt. Auch eine wissentliche Mitwirkung an den Linksetzungen und deren Veröffentlichungen wirft die Antragstellerin der Antragsgegnerin nicht vor.

b)

Die Antragsgegnerin leistet mit ihrem Dienst einen willentlichen, adäquat-kausalen Beitrag zur Erreichbarkeit der Verlinkungen auf der Internetseite und der über die Verlinkungen erreichbaren Speicherplätze für die Nutzer des Internets.

(1) Unabhängig von der Haftung für Täterschaft und Teilnahme kann im Urheberrecht derjenige als Störer zur Unterlassung verpflichtet sein, der in irgendeiner Weise - sei es auch ohne Verschulden - willentlich und adäquat kausal zu einer Urheberrechtsverletzung beigetragen hat. Dabei kann als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH 15.10.1998,1 ZR 120/96, GRUR 1999,418, 419 - Möbelklassiker).

Ein adäquat-kausaler Beitrag zu einer rechtswidrigen öffentlichen Zugänglichmachung geschützte Inhalte im Internet ist allerdings bereits dann zu bejahen, wenn der Beitrag für die Erreichbarkeit des Inhalts für die Nutzer des Internets von erheblicher Relevanz ist; dabei steht es der Kausalität nicht entgegen, wenn die Website, unter der die betroffenen Inhalte aufrufbar sind, auch noch auf andere Weise erreichbar ist, denn hypothetische Kausalverläufe stehen der Ursächlichkeit eines tatsächlichen Verhaltens für eine Rechtsverletzung nicht entgegen (BGH, Urt. v. 15.10.2020 - I ZR 13/19, GRUR 2021, 63, 64 f. Rz. 19 m.w.N. - Störerhaftung des Registrars - dort zur Erheblichkeit des Domainnamens für die Erreichbarkeit von Internetseiten).

Es kommt mithin für die Störerhaftung darauf an, ob der Beitrag des Störers die für die Erreichbarkeit des rechtsverletzenden Angebots mittels einer spezifischen Folge von auf den Abruf gerichteten Befehlen von erheblicher Relevanz ist und ob es dem Störer rechtlich und tatsächlich möglich ist, die Erreichbarkeit der rechtsverletzenden Inhalte auf diesem spezifischen Abrufweg zu verhindern, unabhängig davon, ob die Inhalte auf anderen Abrufwegen weiterhin erreichbar sind.

(2) Diese Voraussetzungen treffen auf den Dienst der Antragsgegnerin zu.

Die Antragstellerin hat zur Funktionsweise des Domain Name System (DNS) und den Abfragen der Aufschlüsselungen von Domains in numerische IP-Adressen folgendes vorgetragen:

"Das Domain Name System (DNS) dient dazu, textbasierte Anfragen, z.B. für Internetseiten, in IP-Adressen zu übersetzen. Es wird teils mit einem Telefonbuch verglichen. Gibt ein Nutzer an seinem Rechner, Smartphone o.ä. einen Domainnamen in die Adresszeile des Internetbrowsers ein, um die Seite aufzurufen, findet zunächst - falls die IP-Adresse nicht bereits in dem Gerät zwischengespeichert ist-ein DNS Lookup statt. Das Endgerät fragt den voreingestellten DNS Server nach der IP-Adresse für die Domain. Dieser beantwortet die Anfrage aus seinem Speicher oder verbindet sich im Hintergrund mit einem oder mehreren DNS Servern, um die IP-Adresse dort abzufragen. Erst im zweiten Schritt verbindet sich der Webbrowser des Nutzers für den Aufruf der Website mit dem Server unter der ihm mitgeteilten IP-Adresse. [Abs.] In den Voreinstellungen von Internetprovidern (z.B. Deutsche Telekom, Vodafone, Telefonica) ausgelieferter Router ist in der Regel der eigene DNS Resolver des jeweiligen Internetproviders eingestellt."

Dieser Vortrag kann als überwiegend wahrscheinlich der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Er korrespondiert u.a. mit der Beschreibung der Funktionsweise eines DNS-Resolvers in der Entscheidung OLG Köln, Urteil vorfi 9.10.2020 - 6 U 32/20 (LG Köln), NJW 2021, 319, 324 Rz. 89 und 90:

"Ein DNS-Resolver ist ein Softwaremodul, dass auf dem Rechner eines DNS-Teilnehmers installiert ist. Es hilft dem Internetnutzer dabei, Domainnamen in numerische IP-Adressen aufzulösen. Jeder Schritt im Internet beginnt mit einer DNS-Abfrage. Die für die Auflösung von Domainnamen erforderlichen Informationen sind in dem Domain Name System -nicht dem DNS-Resolver - weltweit auf Tausenden von Servern in hierarchischer Weise verteilt. Der DNS-Resolver ist der erste Anlaufpunkt im sogenannten DNS-Lookup und ist für den Umgang mit dem Nutzer verantwortlich, der die Abfrage gestellt hat. Der DNS-Resolver startet die Abfragefolge, die schließlich dazu führt, das die vom Nutzer angefragte URL in die benötigte IP-Adresse übersetzt wird. Regelmäßig gibt es dabei bis zu zehn Schritte, die durchgeführt werden müssen. Wenn der Nutzer einen Domain-Namen eingibt, fragt der DNS-Resolver einen DNS-Root-Nameserver ab. Der antwortet dann mit der Adresse eines Top- Level-Domain-Servers (zB .com, .de), der die Informationen für seine Domains speichert. Bei einer .com- Seite wird die Suche auf die com. TLD verwiesen. Dieser antwortet mit einer IP-Adresse des Nameservers der gesuchten Domain. Sodann sendet der rekursive Resolver eine Anfrage an den Nameserver der Domain. Die IP-Adresse wird dann vom Nameserver an den Resolver zurückgegeben. Der DNS-Resolver antwortet dann auf den Webbrowser des Nutzers mit der IP-Adresse. Sobald die acht Schritte des DNS-Lookups die gesuchte IP-Adresse zurückgegeben haben, kann der Browser die Anfrage auf die Webseite stellen. [...] Danach ist die Inanspruchnahme eines DNS-Resolvers bei dem sogenannten DNS-Lookup für den Internetnutzer unverzichtbar. Erst der DNS-Lookup ermöglicht dem Internetnutzer, dem die IP-Adresse der hier streitgegenständlichen Domain unbekannt ist, den Zugang zur Seite."

Die Antragsgegnerin bietet nun einen DNS-Resolver-Dlenst an, mittels dessen Internetnutzer (nach dem Vortrag der Antragstellerin)

"in den Netzwerkeinstellungen ihres Rechners bzw. lokalen Netzwerks bzw. bei Smartphones mit einer Applikation den Q... Domain Name Server 9.9.9.9 als standardmäßigen DNS-Resolver einstellen. Dann verbindet sich der verwendete Rechner bei einer DNS-Ab-frage mit dem DNSResolver 9.9.9.9. Dieser vermittelt die Anfrage an einen Stamm-Name-server, einen Top Level Nameserver und schließlich an den autoritativen Nameserver, in dessen Zone die Domain verwaltet wird. Die Antwort des autoritativen Nameservers wird von dem rekursiven DNS-Resolver an den Internetnutzer als Antwort zurückgesendet. Viele dieser Informationen werden vom DNS-Resolver in seinem Cache zwischengespeichert."

Auch dieser Vortrag ist glaubhaft und überwiegend wahrscheinlich, denn er korrespondiert mit der Selbstdarstellung der Antragsgegnerin auf ihrer Website, mit der die besondere Dienstleistung der Antragsgegnerin für ihre Kunden beschrieben wird (Anlage Ast 1 S. 1 oben, dort in Englisch, nachfolgend wiedergegeben in der Übersetzung der Antragstellerin S. 15 der Antragsschrift):

"Wenn Ihr Computer eine Internet-Transaktion ausführt, die DNS verwendet (und die meisten Transaktionen tun dies), blockiert Q... die Suche nach böswilligen Hostnamen aus einer aktuellen Liste von Bedrohungen. Diese Blockierungsaktion schützt Ihren Computer, Ihr Mobilgerät oder Ihr IoT-System vor einer Vielzahl von Bedrohungen wie Malware, Phishing, Spyware und Botnetzen und kann neben der Gewährleistung der Privatsphäre auch die Leistung verbessern."

Damit stellt sich die Handlung der Antragsgegnerin als adäquat kausal für die auf der Webseite www... bzw. www... stattfindende Rechtsverletzung durch Verlinkung auf rechtswidrige Downloadangebote dar. Denn den Internetnutzern, die den DNS-Resolver der Antragsgegnerin nutzen, wird die Seite erst öffentlich zugänglich, wenn sie mithilfe des DNS-Resolvers der Antragsgegnerin die Übersetzung des Domainnamens in die IP-Adresse erreichen. Ohne den DNS-Resolver ist ihnen ein Zugriff "verwehrt" (so die Wertung der Störerhaftung des Betreibers eines DNS-Resolvers in OLG Köln, Urteil vom 9.10.2020 - 6 U 32/20 (LG Köln), NJW 2021, 319, 324 Rz. 90) bzw. sind sie darauf angewiesen, einen anderen technischen Abrufweg unter Vermeidung der Dienstleistung der Antragsgegnerin wählen zu müssen.

Denn bei Beibehaltung der DNS-Resolver-Einstellungen und damit bei Nutzung des DNS-Resolvers der Antragsgegnerin ist die Auffindbarkeit von deren Dienstleistung abhängig. Die Antragstellerin hätte hier die technische und rechtliche Möglichkeit, die Erreichbarkeit auf diesem spezifischen Abrufweg zu unterbinden, da sie - womit sie selbst wirbt - durch Filtermöglichkeiten den quasi Übersetzungsvorgang für www... und www... sperren kann. Dazu wäre die Antragsgegnerin auch rechtlich in der Lage, weil sie vertraglich zwar mit dem ihren Service benutzenden Internetuser, nicht aber mit den Betreibern der Seite www... verbunden ist.

Wählt der Internetuser aber, wenn er z.B. feststellen würde, dass der Dienst der Antragsgegnerin die Übersetzung der URL in eine IP-Adresse nicht mehr ermöglicht, in den Voreinstellungen seines Endgeräts oder Routers einen anderen DNS-Resolver, so würde der Nutzer den spezifischen Abrufweg, unter dem das rechtsverletzende Angebot erreichbar ist, abändern. Die alternative Erreichbarkeit unter einem anderen Abrufweg stellt aber die adäquate Kausalität des Beitrags der Antragsgegnerin bzgl. des über ihren Dienst möglichen spezifischen Abrufwegs nicht in Frage (vgl. oben (1)). Zu derselben Wertung gelangt OLG Köln, Urteil vom 9.10.2020 - 6 U 32/20 (LG Köln), NJW 2021, 319, 324 Rz. 90 unter Bezugnahme auf die BGH-Rechtsprechung zur Access-Provider-Haftung:

"Die Annahme der Ag., dass die Seite (...) ohne Beteiligung und Zutun des DNS-Resolvers der Ag. bereits öffentlich zugänglich gemacht sei, sobald die Webseite online sei, und damit sogar die Kausalität als solche fehld, geht fehl. (...) Dass es im Internet eine Vielzahl von Anbietern von DNS-Resoh/ern gibt, spielt für die Frage der Kausalität ebenso wenig eine Rolle wie es eine Vielzahl von Access-Providern gibt, auf die ausgewichen werden kann (vgl. BGHZ 208, 82 = NJW 2016, 794 - Störerhaftung des Access Providers)."

c) Die Antragsgegnerin hat gegen Prüf- und Verhaltenspflichten verstoßen, indem sie auch nach dem 26.03.2021, 16 Uhr, weiterhin ihren DNS-Resolver u.a. die hier streitgegenständlichen URLs der Verlinkungen auf der Seite www... in IP-Adressen übersetzen ließ.

(1) Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die weder als Täter noch als Teilnehmer für die begangene Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden können, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Verhaltenspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Prüfung oder Überwachung zur Verhinderung von Verletzungshandlungen Dritter zuzumuten ist. Das richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGH, Beschluss 13.09.2018,1 ZR 140/15, NJOZ 2019, 25, 29 Rz. 48 - YouTube).

Die Störerhaftung für als rechtsverletzend beanstandete Inhalte im Internet unterliegt nach der Rechtsprechung des BGH - je nach Ausgestaltung von Funktion und Tätigkeit des Inanspruchgenommenen - unterschiedlichen Anforderungen (vgl. Übersicht zu verschiedenen Arten von Internet-Dienstleistern BGH, Urt. v. 15.10.2020-1 ZR 13/19, GRUR 2021, 63, 65 Rz. 21 ff.). Die Frage, ob anlasslose Überprüfungspflichten bestehen, kann jedoch offen bleiben, wenn der als Störer in Anspruch genommene auf eine klare und ohne Weiteres feststellbare Rechtsverletzung hingewiesen wird, die er durch seinen Beitrag ermöglicht, wenn es ihm zumutbar ist, einem solchen Hinweis nachzugehen und seinen Beitrag zu der Rechtsverletzung zu beenden (vgl. BGH a.a.O. Rz. 30). Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - der Rechtsinhaber die Störerhaftung erst für die Zeit seit Erteilung des Hinweises geltend macht. Aus dem vom Rechtsinhaber erteilten Hinweis müssen sich die Umstände, die eine Prüf- oder Überwachungspflicht auslösen können, hinreichend klar ergeben. Dies gilt zunächst insbesondere für die geltend gemachte Rechtsverletzung (so zur Störerhaftung des Registrars BGH, Urt. v. 15.10.2020 - I ZR 13/19, GRUR 2021, 63, 65 Rz. 35 m.w.N.).

(2) Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass am 24.03.2021 Mitarbeiter ihres Dienstleisters ... unter ausschließlicher Nutzung des DNS-Resolvers der Antragsgegnerin die Verlinkungen des Users "Smiler10" und des User "beatnik" auf www... die zu den Speicherplätzen mit dem streitgegenständlichen Album auf www... führten, aufrufen konnten und dass von dem von "Smiler10" verlinkten Speicherplatz ein Download der dort gespeicherten rechtswidrigen Kopie des streitgegenständlichen Albums unternommen und in einem Hörvergleich die Übereinstimmung mit den Aufnahmen des Originals festgestellt wurde (eidesstattliche Versicherung K... Anlage Ast 3 zur Antragsschrift, dort Ziffer 2).

Mit Schreiben vom 26.03.20212 (Anlage Ast 4) wurde die Antragsgegnerin durch die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin aufgefordert, bis zum 26.03.2021,16 Uhr, den Zugriff auf das rechtsverletzende Angebot zu unterbinden. Dabei wurde in dem Schreiben mitgeteilt, welche URLs bzgl. der Verlinkung und der Speicherung des streitgegenständlichen Albums über den Dienst der Antragsteller aufrufbar gewesen waren.

Es war der Antragsgegnerin zumutbar, diesem Hinweis nachzugehen und die Mitursächlichkeit ihres DNS-Resolver-Dienstes für die Erreichbarkeit des rechtsverletzenden Angebotes zu prüfen. Unabhängig davon, ob jeglichem DNS-Resolver-Dienst eine solche Prüfung zumutbar war, trifft dies im Falle der Antragsgegnerin jedenfalls deshalb zu, weil sie damit wirbt, solche Domainname-Übersetzungen in ihrem Dienst zu unterbinden, die für ihre Kunden eine Gefährdung darstellen. Zwar bezieht sich dieses Angebot ersichtlich in erster Linie auf die Verhinderung von Seiten, die bei der Datenübertragung ungewollte Schadsoftware auf den Rechner des Kunden der Antragsgegnerin aufspielen könnten oder Daten der Kunden ausspähen könnten. Das Angebot zeigt jedoch, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Geschäftsmodells die Prüfung von Inhalten und Funktionsweisen der Websites, zu denen der von ihr betriebene DNS-Resolver die Erreichbarkeit herstellt, unternimmt. Dann bestehen keine Gründe, warum der Antragsgegnerin nicht zumutbar sein soll, eine klar erkennbare und feststellbare Urheberrechtsverletzung auf über ihren DNS-Server erreichbaren Seiten zu kontrollieren, wenn - wie vorliegend - die dafür erforderlichen Hinweise in dem von dem Rechtsinhaber erteilten Hinweis enthalten sind.

(3) Die Antragsgegnerin hat weiter glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin ihren durch den Hinweis Ast 4 ausgelösten Prüf- und Verhaltenspflichten nach dem 26.03.2021 nicht nachgekommen ist.

Nach Fristablauf 26.03.2021,16 Uhr, hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin (der dies zur Glaubhaftmachung anwaltlich versichert) überprüft, dass der DNS-Resolver der Antragsgegnerin weiterhin die Domain www... und deren Subdomain www... zu den jeweiligen IP-Adressen auflöste. Auch der "Blocked Domains Tester" auf der Website der Antragsgegnerin führte zu dem Ergebnis, dass die Domain www... von der Antragsgegnerin nicht blockiert worden war. Der Prozessbevollmächtigte hat sich weiterhin davon überzeugt, dass der Beitrag mit dem streitgegenständlichen Angebot noch auf www... weiterhin verfügbar war. Dies ist ergänzend glaubhaft gemacht durch Vorlage der drei Screenshots Anlage Ast 5 zur Antragsschrift.

4. Die Antragsgegnerin kann sich nicht auf eine Haftungsprivilegierungen für Diensteanbieter gem. §§ 7 bis 10 TMG berufen.

a) Nach § 8 I 1 und 2 TMG sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, unter näher bezeichneten Voraussetzungen nicht verantwortlich und können dann wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers weder auf Unterlassung der Rechtsverletzung noch hinsichtlich der Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche in Anspruch genommen werden. Diensteanbieter in diesem Sinne sind nach § 7 II TMG nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit Hinweisen.

Diensteanbieter iSv § 2 S. 1 Nr. 1 TMG ist, wer eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält, Zugang zur Nutzung vermittelt oder bei audiovisuellen Diensten auf Abruf die Auswahl und Gestaltung der Inhalte wirksam kontrolliert. Der Begriff des Diensteanbieters ist funktionell zu bestimmen. Er muss durch seine Weisungen oder seine Herrschaftsmacht über Rechner und Kommunikationskanäle die Verbreitung oder das Speichern von Informationen ermöglichen und nach außen als Erbringer von Diensten auftreten. So ist etwa der Admin-C kein Diensteanbieter, weil er nur die Abwicklung der Domainregistrierung erleichtert, aber weder Informationen bereithält noch Zugang zu diesen vermittelt. Der Registrar stellt Nutzern ebenfalls keine Informationen bereit und vermittelt keinen Zugang zur Nutzung von Telemedien, sondern nimmt lediglich die administrative Abwicklung der Domainregistrierung vor, indem er der Registrierungsstelle die für die Registrierung der Domain erforderlichen Daten mitteilt. Er ist insbesondere kein Zugangsvermittler iSv § 8 TMG, weil er weder Zugang zu einem Netz vermittelt noch Informationen durchleitet (BGH, Urt. v. 15.10.2020 - I ZR 13/19, GRUR 2021, 63, 64 Rz. 15-17 m.w.N.).

b) Die Privilegierung nach § 8 I TMG ist vorliegend nicht anwendbar. Weder unmittelbar noch im Wege der erweiternden Auslegung oder entsprechenden Anwendung findet § 8 I TMG auf einen DNS-Resolver Anwendung. (Eine Anwendung auf einen DNS-Server - also auf diejenigen Rechner, auf denen die Übersetzungen unmittelbar und autoritativ hinterlegt sind von denen die Abfrage seitens der DNS-Resolver-Dienste erfolgt -, lässt die Kammer offen, denn die Antragstellerin macht nicht geltend, dass die Antragsgegnerin einen solchen Dienst betreibt, und auch aus der Selbstbeschreibung des Dienstes der Antragsgegnerin ergeben sich insofern keine Hinweise).

Zur nicht unmittelbaren Anwendbarkeit des § 8 I TMG führt das OLG Köln (Urteil vom 9.10.2020 -6 U 32/20 (LG Köln), NJW 2021, 319, 325 Rz. 99) aus:

"Der DNS-Resolver leitet jedoch nur die Abfrage nach der passenden IP-Adresse an die DNS-Server weiter bzw. die ermittelten Antworten an den Webbrowser des Internetnutzers zurück, damit anderweitig - und gerade nicht über den DNS-Resolver, der nur für die IP-Adressen-Abfrage zuständig ist - eine Verbindung mit der gesuchten Internetseite hergestellt werden kann. Der DNS-Resolver macht zwar (...) einen wichtigen Bestandteil bei der Übersetzung eines Domainnamens in eine IP-Adresse aus. Er übermittelt aber weder die Informationen auf der gesuchten Webseite weiter noch vermittelt der Resolver selbst einen Zugang dazu. Er stößt nur die IP-Adressen-Abfrage gegenüber den DNS-Servern an."

Eine erweiternde Auslegung des § 8 I TMG oder dessen entsprechende Anwendbarkeit auf DNS-Resolver lehnt das OLG Köln (a.a.O.) mit folgender Begründung ab:

"Selbst wenn DNS-Server (...) dem § 8 I TMG unterfallen sollten, ist eine Gleichbehandlung des DNS-Resolvers jedenfalls nicht angezeigt, weil die Vorschrift des § 8 TMG gerade die Haftung für fremde übermittelte Informationen bzw. für fremde Informationen, zu denen der Zugang vermittelt wird, regelt und die Privilegierung nicht jedweden adäquat kausalen Beitrag im Zusammenhang mit der Übermittlung/Zugangsvermittlung einbezieht. Als ausnahmsweise Haftungsprivilegierung lässt sich die Vorschrift auch nicht ohne weiteres dahingehend erweiternd auslegen, dass jede adäquat kausale Handlung im Zusammenhang mit der Übermittlung von Informationen oder der Zugangsvermittlung zu Informationen Dritter vom Haftungsauschluss erfasst würde. Anhaltspunkte für eine solche weite Auslegung lassen sich weder in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/12202) noch in der E-Commerce-Richtlinie finden."

Das erkennende Gericht schließt sich diesen Beurteilungen an.

c) Die Privilegierung nach § 9 I TMG ist nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift sind Diensteanbieter für eine automatische, zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung, die allein dem Zweck dient, die Übermittlung fremder Informationen an andere Nutzer auf deren Anfrage effizienter zu gestalten, unter bestimmten Umständen nicht verantwortlich. Ein solches Caching erfolgt nicht bzgl. der eigentlichen rechtsverletzenden Information, dehn weder macht die Antragstellerin geltend noch lässt Anlage Ast 1 erkennen, dass im Dienst der Antragsgegnerin Zwischenspeicherungen der rechtsverletzenden Dateien von den Speicherplätzen auf www... erfolgen, wenn die Dateien von einem Kunden der Antragsgegnerin abgerufen werden.

Auch die Privilegierung nach § 10 S. 1 TMG greift nicht ein. Nach dieser Vorschrift sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, unter bestimmten Umständen nicht verantwortlich. Ein solches Hosting der rechtsverletzenden Dateien erfolgt im Dienst der Antragsgegnerin ebenfalls nicht (vielmehr erfolgt es auf www... bzw. bzgl. der Verlinkung auf www... bzw. www...).

Auch der Umstand, dass im Dienst der Antragsgegnerin Speicherungen von zu blockierenden Domains und/oder URLs vorgenommen werden, um bei Abfragen der eigenen Kunden bzgl. "gefährlicher" Websites eine Übersetzung durch den eigenen DNS-Resolver gerade zu verhindern, führt nicht zur Anwendbarkeit von §§ 9,10 TMG. Denn die Erreichbarkeit der rechtsverletzenden Angebote wird ja gerade nicht durch eine entsprechende Speicherung von Blockade-Informationen ermöglicht, sondern das Unterlassen der Speicherung zur Übersetzungs-Blockade ist derjenige Beitrag, für den die Antragstellerin die Antragsgegnerin als Störerin in Anspruch nimmt.

5. Eine Inanspruchnahme der Antragsgegnerin ist vorliegend auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Subsidiarität der Störerhaftung nach der Täter-/Teilnehmer-Haftung ausgeschlossen. Denn die Inanspruchnahme der unmittelbaren Täter und Teilnehmer der Rechtsverletzungen erscheint - zumindest mit der im einstweiligen Verfügungsverfahren ausreichenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit - als für die Antragstellerin aussichtslos.

(1) Die Störerhaftung ist gegenüber der Inanspruchnahme des Täters im Grundsatz nicht subsidiär (BGH NJW 2007, 2558 = GRUR 2007, 724 = WRP 2007, 795 Rn. 13; BGHZ 173, 188 = NJW 2008, 758 Rn. 40 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).

Allerdings hat der BGH zur Inanspruchnahme des Access-Providers eine solche Subsidiarität unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einerseits und der Vermeidung von sonst bestehenden Rechtsschutzlücken andererseits angenommen (BGH GRUR 2016, 268, 278 Rz. 83 - Störerhaftung des Access-Providers):

"Im Hinblick darauf, dass der Access-Provider ein von der Rechtsordnung gebilligtes und in Bezug auf Rechtsverletzungen Dritter neutrales Geschäftsmodell verfolgt, ist es im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit von Überwachungs- und Sperrmaßnahmen angemessen, eine vorrangige Rechtsverfolgung gegenüber denjenigen Beteiligten zu verlangen, die - wie die Betreiber beanstandeter Webseiten - entweder die Rechtsverletzung selbst begangen oder zu der Rechtsverletzung - wie der Host-Provider der beanstandeten Webseiten - durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben. Dagegen kommt die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Zugangsvermittler unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nur in Betracht, wenn der Inanspruchnahme des Betreibers der Webseite jede Erfolgsaussicht fehlt und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde. Für dieses Ergebnis spricht auch der Umstand, dass der Betreiber der Webseite und sein Host-Provider wesentlich näher an der Rechtsgutsverletzung sind als derjenige, der nur allgemein den Zugang zum Internet vermittelt."

Auch bzgl. der Störerhaftung des Registrars hat des BGH eine solche nur subsidiäre Haftung angenommen und dies zusätzlich mit der Belastung des neutralen Geschäftsmodells mit der Prüfung konkreter Inhalte von rechtsverletzenden Seiten begründet (BGH GRUR 2021, 63, 66 Rz. 31 - Störerhaftung des Registrars):

"Anders als eine Zeichenverletzung, die an der Domainbezeichnung selbst ablesbar sein kann, erfordert die Prüfung einer Beanstandung, die sich auf den unter der Domain bereitgestellten Inhalt bezieht, Feststellungen zum Seiteninhalt, von dem der Registrar Im Regelfall keine Kenntnis hat. Auch bei einer klaren Rechtsverletzung kann dies einen nicht unerheblichen Aufwand erfordern. Bei der Abwägung der beteiligten Grundrechte [...] ist der Gefahr, dass hieraus eine unverhältnismäßige Belastung des Registrars und damit eine Gefährdung seines Geschäftsmodells folgt, durch die Annahme seiner lediglich subsidiären Haftung Rechnung zu tragen, die erst eintritt, wenn der Rechtsinhaber erfolglos gegen diejenigen Beteiligten vorgegangen ist, die - wie der Betreiber der Internetseite -die Rechtsverletzung selbst begangen haben oder - wie der Host-Provider - zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben, sofern nicht einem solchen Vorgehen jede Erfolgsaussicht fehlt. Die Haftung des Registrars ist ebenso wie diejenige des Internetzugangsvermittlers ultima ratio, wenn auf andere Weise der Urheberrechtschutz nicht effektiv sichergestellt werden kann [...]".

Nach der Rechtsprechung des BGH müssen sich im Falle der nur subsidiären Störerhaftung aus dem vom Rechtsinhaber erteilten Hinweis die Umstände, die eine Prüf- oder Überwachungspflicht des Störer auslösen sollen, hinreichend klar ergeben, und zwar nicht nur bzgl. der geltend gemachten Rechtsverletzung selbst. Vielmehr muss im Falle der Subsidiarität der Störerhaftung der Rechtsinhaber im Hinweis darlegen, dass er erfolglos gegen den Betreiber oder den Host-Provider der Domain vorgegangen ist oder dass einem solchen Vorgehen jede Erfolgsaussicht fehlt (vgl. BGH GRUR 2021, 63, 66 Rz. 35und Rz. 40, dort zu den fehlenden Tatsachenfeststellungen diesbezüglich in der dortigen Berufungsinstanz).

(2) Die Antragsgegnerin betreibt mit der Vermittlung des Zugangs zum Internet ein von der Rechtsordnung gebilligtes und gesellschaftlich erwünschtes Geschäftsmodell, das als solches nicht in besonderer Weise die Gefahr von Urheberrechtsverletzungen schafft. Mangels vertraglicher Verpflichtungen und Bindungen gegenüber dem rechtsverletzenden Webseitenbetreiber ist ihr Verhalten auch grundsätzlich neutral. Damit ist in diesem Fall eine vergleichbare Interessenlage wie im Fall des Access-Providers gegeben und von einer lediglich subsidiären Haftung auszugehen (so auch schon OLG Köln, Urteil vom 9.10.2020 - 6 U 32/20 (LG Köln), NJW 2021, 319, 324 Rz. 94). Die Antragstellerin hat jedoch glaubhaft gemacht, dass eine Inanspruchnahme der unmittelbaren Täter der angegriffenen Verletzungen keine Aussicht auf Erfolg verspricht und sie diesen Umstand der Antragsgegnerin auch im Rahmen der Hinweise auf die Rechtsverletzungen, die die Störerpflicht der Antragsgegnerin auslösen sollten, mitgeteilt hat.

Unmittelbare Täter der Verletzungshandlungen sind diejenigen Personen, die auf den Speicherplätzen von www... die rechtsverletzenden Kopie-Dateien hochgeladen und die Speicherplätze über die Linksetzungen auf www... öffentlich zugänglich gemacht haben. Diese Personen verbergen sich (bzgl. der Verlinkung) hinter den User-Pseudonymen "Smiler10" und "beatnik". Es ist derzeit nicht erkennbar, wie deren Klarnamen aufgeklärt werden können.

Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie eine Löschung der rechtswidrigen Uploads auf www... zu erreichen versucht hat, dass ein weiteres Vorgehen hier aber keine Aussicht auf Erfolg bietet. Es ist eidesstattlich versichert worden (Anlage Ast 3 unter Ziffer 1), dass die Mitarbeiter der Dienstleisterin ... nach dem 11.03.2021 und dem 18.03.2021 die beiden URLs der Speicherplätze mit den rechtswidrigen Kopien des streitgegenständlichen Albums an den Sharehostingdienst "...org" zur Löschung gemeldet haben, dass von dort aber keine Reaktion erfolgt ist und keine Löschung vorgenommen worden ist. Es ist weiter eidesstattlich versichert worden, dass der Sharehosting-Dinest dafür bekannt sei, auf derartige Löschungsanfragen nicht zu reagieren, und dass allein die ... bei diesem Dienst knapp 8000 anhängige Löschungsaufforderungen hat, die bisher unbeantwortet sind, die älteste seit 18.10.2019 (Anlage Ast 3 Ziffer 1). Daraus wird ersichtlich, dass der Betreiber des Dienstes sich ersichtlich allen Löschungsaufforderungen widersetzt und seinerseits seinen nach entsprechenden Hinweisen entstehenden Störer-Prüfpflichten nicht nachkommt. Es kann danach offen bleiben, ob eine Subsidiarität der Haftung der Antragsgegnerin als Störerin überhaupt auch gegenüber dem Dienst www... als einem anderen Störer mit einer "größeren Nähe" zur eigentlichen Verletzungshandlung besteht.

Die Antragstellerin hat weiter glaubhaft gemacht, dass sie eine Ermittlung der Täter über eine Inanspruchnahme der Betreiber von www... versucht hat, auch über eine Inanspruchnahme der diesen Dienst unterstützenden weiteren Dienstleister, dass aber auch dieses Vorgehen keinen Erfolg bzgl. einer Beendigung der öffentlichen Zugänglichmachung des streitgegenständlichen rechtsverletzenden Downloadangebots verspricht:

- Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass durch die Mitarbeiter ihres Dienstleisters ... am 23.3.2021 über ein auf der Seite vorgesehenes Kontaktformular unter der URL http://..../memberlist.php?mode=contactadmin eine Nachricht an den Administrator des ... versandt worden ist, in der auf insgesamt 95 rechtsverletzende Angebote der Website hingewiesen worden ist, unter anderem auf die oben unter Ziffer 2. genannten zwei Verlinkungen bezüglich der rechtswidrigen Kopien des streitgegenständlichen Albums. Dem Administrator ist Frist zum 24.3.2021 gesetzt worden, die Verlinkungen zu löschen. Dem ist ersichtlich nicht nachgekommen worden, weil am 8.4.2021 der Download über die Verlinkungen weiterhin möglich war (eidesstattliche Versicherung K... Anlage ASt 3, dort Ziffer 4.). Auch am 12.04.2021 waren die Angebote weiter auf verlinkt (eidesstattliche Versicherung Ast 3 Ziffer 5).

- Die Antragstellerin hat durch anwaltliche Versicherung (Antragsschrift S. 9) weiter glaubhaft gemacht, dass auf der Website www... kein Impressum verfügbar sei und Whois-Einträge zum Domain-Inhaber nicht verfügbar seien. Die Antragstellerin hat ferner anwaltlich versichert, dass über PopMyAds Werbung auf der Website www... geschaltet werde, sowie, dass über Buy Me a Coffee Donations für die Website www... geleistet werden könnten. Zur Ermittlung der Betreiber der Website www... sind mit Anwaltsschreiben vom 23.03.2021 der Werbevermarkter PopMyAds und der Zahlungsdienst Buy Me a Coffee unter Fristsetzung zum 26.03.2021 um 11 Uhr zur Auskunft über die Betreiber aufgefordert worden (Glaubhaftmachung Schreiben Anlagen Ast. 8 und Ast. 9 zur Antragsschrift). Es erfolgten von beiden Diensten keinerlei Reaktionen, wie anwaltlich versichert worden ist (Antragsschrift S. 9).

- Einen weiteren Versuch der Sperrung der Website www... hat die Antragstellerin ferner dadurch unternommen, dass sie sich an den Host-Provider der Seite gewandt hat. Die Website ... und die Angebote der Subdomain .... werden unter den IP-Adressen 46.148.26.xxx und 46.148.26.xxx bereitgehalten (Glaubhaftmachung Screenshot nslookup-Abfrage Seite 10 der Antragsschrift). Eine Recherche bei RIPE.net ergibt, dass sowohl die IP-Adresse 46.148.26.xxx als auch die IP-Adresse 46.148.26.xxx in den Adressbereich 46.148.16.0 - 46.148.31.255 fallen, für die als verantwortliche Organisation die Firma Infium UAB. ..., LT-06145 Vilnius gelistet ist und als administrativer und technischer Kontakt die Firma Infium Ltd, ...., ..., 61129, Kharkov, Ukraine; das ist glaubhaft gemacht durch Vorlage der entsprechenden Rechercheergebnisse gem. Anlage Ast. 10 zur Antragsschrift. Sowohl die Infium UAB als auch die Infium Ltd. wurden mit per Email versandten Anwaltsschreiben vom 23.03.2021 über die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen informiert und zur Sperrung dieser Angebote bis zum 26.03.2021 um 11 Uhr aufgefordert (Glaubhaftmachung durch Vorlagen der Anlagen Ast. 11 und Ast. 12). Eine Reaktion erfolgte jedoch nicht, was anwaltlich versichert worden ist (Antragsschrift S. 10).

Die erfolglosen Versuche, die unmittelbar verantwortlichen Täter oder die "näher" an der Rechtsverletzung befindlichen Störer, die Betreiber der Seiten www... und www... in Anspruch zu nehmen, hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin mitgeteilt, vgl. dazu zunächst Hinweisschreiben vom 26.03.2021, Anlage Ast 6, dort S. 3 unten bis S. 5 oben, entspricht im Wesentlichen der Schilderung in der Antragsschrift).

6. Die von der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin verlangte Sperrung ist auch verhältnismäßig.

a) Auch wenn der Rechtsinhaber zuvor erfolglos gegen vorrangig Verantwortliche von Rechtsverletzungen auf bestimmten Internetseiten vorgegangen ist, so ist eine Haftung desjenigen Störers, der die Erreichbarkeit dieser Seiten ermöglicht, auf Beendigung dieser Seitenerreichbarkeit insgesamt nur dann gegeben, wenn die Sperrung der beanstandeten Internetseite mit Blick auf dort verfügbare legale Inhalte als verhältnismäßig erscheint (BGH, Urt. v. 15.10.2020 - I ZR 13/19, GRUR 2021, 63, 65 Rz. 25 zur Störerhaftung des Registrars).

Diese Erwägung gilt grundsätzlich auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in welchem die von der Antragstellerseite begehrte Sperrung sich nur auf den spezifisch von der Antragsgegnerin ermöglichten Zugangsweg zu den rechtsverletzenden Inhalten beschränkt und das "Overblocking" daher nur diesen spezifischen Zugangsweg erfasst, nicht aber etwa alternative Zugangswege. Die Antragsgegnerin muss es gleichwohl nicht hinnehmen, dass ihr DNS-Resolver-Dienst Blockaden vornehmen muss, die nicht auf ihrem speziellen Geschäftsmodell zum Schutz von Schadsoftware und dergleichen beruhen, sondern der Sperrung rechtsverletzender Inhalte dienen, dabei aber gleichzeitig legale Inhalte mitgesperrt werden, so dass die Funktionalität des DNS-Resolvers der Antragsgegnerin aus Sicht ihrer Kunden als eingeschränkt im Vergleich zu anderen DNS-Resolver-Angeboten erscheinen mag.

Allerdings ist von einer Verhältnismäßigkeit der Sperrung des Zugangswegs zur betroffenen Internetseite dann auszugehen, wenn es sich dabei um eine strukturell rechtsverletzende Internetseite mit weit überwiegend illegalen Angeboten handelt. Hierzu hat der BGH im Zusammenhang mit der Störerhaftung des Registrars ausgeführt (BGH, Urt. v. 15.10.2020 - I ZR 13/19, GRUR 2021, 63, 65 Rz. 26):

"Im Hinblick auf das Grundrecht der Internetnutzer auf Informationsfreiheit (Art. 11 I EU-GRCh, Art. 5 I 1 GG) verlangt der EuGH, dass einem Internetzugangsvermittler auferlegte Sperrmaßnahmen streng zielorientiert sind, indem sie die Urheberrechtsverletzung beenden, ohne den Nutzern die Möglichkeit zu nehmen, rechtmäßig Zugang zu Informationen zu erlangen (EuGH GRUR 2014, 468 Rn. 56 = WRP 2014, 540 - UPC Telekabel). Eine Sperrung kann allerdings nicht nur dann zulässig sein, wenn ausschließlich rechtswidrige Informationen auf der Webseite bereitgehalten werden, weil sich der Anbieter eines auf Rechtsverletzungen angelegten Geschäftsmodells sonst hinter wenigen legalen Angeboten verstecken könnte (BGHZ 208, 82 = GRUR 2016, 268 Rn. 55 - Störerhaftung des Access-Providers, mwN). Im Rahmen der Grundrechtsabwägung, in die neben dem Grundrecht des Zugangsvermittlers auf unternehmerische Freiheit (Art. 16 EU-GRCh) und Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) auch das Grundrecht des Inhabers von Urheberrechten auf Schutz seines geistigen Eigentums (Art. 17 II EU-GRCh, Art. 14 I GG) einzustellen ist, hat der EuGH das Kriterium der strengen Zielorientierung dahingehend formuliert, dass die ergriffenen Sperrmaßnahmen den Internetnutzern die Möglichkeit, in rechtmäßiger Weise Zugang zu den verfügbaren Informationen zu erhalten, "nicht unnötig" vorenthalten dürften (EuGH GRUR 2014, 468 Rn. 63 - UPC-Telekabel). Es ist daher auf das Gesamtverhältnis der rechtmäßigen zu den rechtswidrigen Inhalten, die über die beanstandete Domain erreichbar sind, abzustellen und zu fragen, ob es sich angesichts eines weiten Überwiegens illegaler Inhalte um eine nicht ins Gewicht fallende Größenordnung von legalen Inhalten handelt (vgl. BGHZ 208, 82 = GRUR 2016, 268 Rn. 55 - Störerhaftung des Ac-cess-Providers, mwN)."

Beruft sich der Rechteinhaber auf in diesem Sinne strukturell rechtsverletzende Inhalte der angegriffenen Internetseite, so hat er im Verletzungsprozess gegen den Störer darzulegen und zu beweisen bzw. glaubhaft zu machen, dass die vom BGH beschriebenen Voraussetzungen eines weiten Überwiegens illegaler Inhalte zum einen tatsächlich vorliegen und dass dieser Umstand zum anderen bei den zur Auslösung der Prüfpflichten erteilten Hinweisen gegenüber dem als Störer aufgezeigt worden sind (BGH, Urt. v. 15.10.2020-1 ZR 13/19, GRUR 2021, 63, 66 Rz. 35, vgl. ferner Rz. 39 und 41).

b) Im vorliegenden Fall fällt die danach erforderliche Abwägung der betroffenen Interessen und Grundrechte zugunsten der Antragstellerin aus. Die zur Auslösung der Störerpflichten der Antragsgegnerin erforderlichen Mitteilungen der Umstände, die die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin bewirken, sind der Antragsgegnerin mit den Hinweisen auf die Rechtsverletzungen mitgeteilt worden.

(1) Die Antragstellerin hat aufgezeigt, dass sie keine anderweitige effektive Möglichkeit hat, gegen die unmittelbaren Täter oder die Webseitenbetreiber von www... oder www... vorzugehen.

Entsprechende Mitteilung war bereits unter dem 23.03.2021 erfolgt (vgl. Ast 4).

(2) Die Antragsgegnerin ist - wie ausgeführt - technisch in der Lage, die Übersetzung der Domain bzw. URL www... in eine IP-Adresse zu unterbinden, denn derartige Blockaden sind - wenn auch aus anderen rechtlichen Gründen-Teil des Geschäftsmodells der Antragstellerin.

Rechtlich ist der Antragsgegnerin das Überprüfen konkreter, eindeutig erkennbarer Hinweise auf Rechtsverletzungen, wie im vorliegenden Fall, zumutbar. Es bestehen keine vertraglichen Bindungen gegenüber den Seitenbetreibern von www...

Die unternehmerische Freiheit der Antragsgegnerin ist mit Blick auf einen etwaigen "Overblocking"-Effekt einer Blockade der Domain-Übersetzung für www... oder www... nicht über Gebühr berührt, denn es besteht kein legitimes Interesse der Kunden der Antragsgegnerin, einen Zugang zu diesen Seiten zu erhalten. Denn die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass es sich bei den Angeboten unter www... weit überwiegend um Verlinkungen auf rechtswidrig in das Internet eingestellte, urheberrechtlich geschützte Inhalte handelt.

Hierzu näher:

Die Antragstellerin hat insofern vorgetragen (Antragsschrift S. 5-6):

"Es handelt sich um eine Direct Download Site. In dem Dienst werden Musikinhalte gelistet und kategorisiert. Die Inhalte werden nicht auf eigenen Servern bereitgehalten, sondern per Hyperlink auf Sharehosting-Diensten verfügbar gemacht. Von den Sharehostern können die Inhalte direkt heruntergeladen werden (Direct Download).

Der Dienst bietet ohne vorherige Anmeldung Downloads von Ton bzw. Bildtonaufnahmen in den Kategorien Charts, Maxis / Singles, Alben, Sampler, Einzelne Songs, Mixe, Musikvideos und Hörbücher.

Mittels einer Suchfunktion kann ein Nutzer der Seite in allen oder in ausgesuchten Rubriken suchen."

Diese technische Funktionsweise der Seite www... ist glaubhaft gemacht durch die Screenshots in der Antragsschrift S. 5-6.

Die Antragstellerin hat weiter geltend gemacht (Antragsschrift S. 5 und 6):

"... ist eine strukturell urheberrechtsverletzende Website, auf der Musik- und Hörspielalben ohne Zustimmung der Berechtigten zum Download angeboten werden....

Die Gesamtzahl der Angebote belief sich laut einer Untersuchung der Firma ... Gesellschaft zum Schutz geistigen Eigentums mbH am 08.01.2021 auf insgesamt 49.239 Produkte von Musik-, Musikvideo- und Hörspielveröffentlichungen. Eine gutachterliche Auswertung der Angebote ist zum Ergebnis gelangt, dass es sich fast ausschließlich um nicht autorisierte Veröffentlichungen geschützter Ton- bzw. Bildtonaufnahmen handelt."

Dieser Vortrag ist glaubhaft gemacht worden durch Vorlage des Privatgutachtens Anlage Ast 2 des Herrn A... F..., Dipl.-Ingenieur der technischen Informatik und MBA vom 22.02.2021. Bei dem Gutachten wurden von der Seite www... verlinkte Inhalte zufällig ausgewählt und darauf überprüft, ob an ihnen ein urheberrechtlicher Schutz bestand; dies war bei allen 80 der Fall. Das Gutachten schließt daraus im Wege der Hochrechnung, dass auf der Seite www... der Anteil ungeschützter Produkte gegen Null gehe (Ast 2 S. 9).

Dabei bestanden die Dateiinhalte in den Bereichen Charts, Maxi/Singles, Alben, Sampler, Einzelne Songs, Mixe, Musikvideos, Hörbücher. Es ging mithin um Inhalte, bei denen nicht erwartet werden kann, dass die Rechteinhaber einer Bereithaltung auf über www... verlinkten Speicherplätzen zugestimmt haben, sondern dass es sich um Uploads von Usern solcher Inhalte handelte. Das zeigt auch der Blick auf die Liste Ast 2 S. 10-17 mit der namentlichen Aufführung der Inhalte, bei denen viele von allgemein- und gerichtsbekannten Künstlern und erkennbar kommerziell weiter auswertbar sind, so dass nicht mit einer Genehmigung kostenfreier Downloads aus dem Internet gerechnet werden kann.

Alle diese Umstände machen es zumindest überwiegend wahrscheinlich, dass es sich bei der Internetseite www... tatsächlich weit überwiegend um Verlinkungen auf illegal im Internet bereit gehaltene, urheberrechtlich geschützte Inhalte handelt.

Auf die technischen Funktionsweise und die Qualifikation der verlinkten Inhalte bei www... ist seitens der Antragstellervertreter in der Benachrichtigung der Antragsgegnerin am 23.03.2021 (Anlage Ast 4 S. 2-3) und in der Abmahnung vom 26.03.2021 (Anlage Ast 6 S. 2-3) ausreichend deutlich hingewiesen worden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Hamburg: Kündigung per Brief muss auch bei online geschlossenen Verträgen möglich sein - Anderslautende AGB-Klausel unwirksam

LG Hamburg
Urteil vom 29.04.2021
312 O 94/20


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine Kündigung per Brief auch bei online geschlossenen Verträgen möglich sein muss. Eine anderslautende AGB-Klausel, die nur elektronische Kommunikation zulässt, ist unwirksam.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Hamburg: Für Anspruch auf Unterlassung rechtswidriger Äußerungen auf Website einer Behörde ist der Verwaltungsrechtsweg und nicht der Zivilrechtsweg eröffnet

LG Hamburg
Beschluss vom 21.01.2021
324 O 462/20

Das LG Hamburg hat entschieden, dass für einen Anspruch auf Unterlassung rechtswidriger Äußerungen auf der Website einer Behörde der Verwaltungsrechtsweg und nicht der Zivilrechtsweg eröffnet ist.

Die Entscheidung:

Für die Klage gegen den Beklagten zu 1) und gegen die Beklagte zu 2) wird der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen.

Die Kläger nehmen die Beklagten auf Unterlassung, Löschung und Widerruf von Äußerungen auf der Webseite „N. G.“ in Anspruch. Der Beklagte zu 2) ist Herausgeber dieser Webseite (Anlage 1), bei der Beklagten zu 2) handelt es sich um die Agentur, die die Veröffentlichungen nach Weisung des Beklagten zu 1) technisch und inhaltlich umsetzt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob für den Rechtsstreit die ordentlichen Gerichte oder die Verwaltungsgerichte zuständig sind.

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist sowohl hinsichtlich des Beklagten zu 1) als auch hinsichtlich der Beklagten zu 2) unzulässig; es handelt sich vielmehr insgesamt um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die gemäß § 13 GVG i.V. mit § 40 Abs. 1 VwGO die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig ist. Die Beurteilung, ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Maßgeblich für die Abgrenzung ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstellt, nicht dagegen der Umstand, dass sich der Kläger auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (BGH, Beschluss vom 5.6.1997, I ZB 3/96, Juris Rn. 16 m.w.Nw.).

Danach stellt der Streitfall hinsichtlich des Beklagten zu 1) eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit dar. Maßgeblich dafür ist es, dass es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen um Informationen handelt, die der Beklagte zu 1) als Bundesbehörde im Rahmen seiner hoheitlichen Aufgaben verbreitet. Amtliche Erklärungen einer solchen Behörde bzw. eines Amtsträgers unterfallen dem öffentlichen Recht, wenn sie im Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben erfolgen. Ansprüche auf Richtigstellung bzw. Widerruf oder künftige Unterlassung sind vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen. Gleichgültig ist, ob sich die Erklärung ihrem Inhalt nach auf einen privatrechtlichen Sachverhalt bezieht; entscheidend ist allein, in welcher Funktion die angegriffene Erklärung abgegeben wurde und in welcher Funktion darum auch der erstrebte Widerruf erfolgen müsste (grdl. BGHZ 34, 99; BVerwG NJW 1970, 1990; Schoch/Schneider, VwGO/Ehlers/Schneider, 39. EL Juli 2020, VwGO § 40 Rn. 433 m.w.Nw.). Danach ist vorliegend von einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit auszugehen, da der Beklagte zu 1) mit dem „N. G.“ Informationen über Themen rund um Gesundheit und Pflege verbreitet, was als staatliches Informationshandeln zu seinen öffentlichen Aufgaben gehört (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.6.2002, 1 BvR 670/91, BeckRS 2002, 22850 Rn. 73, beck-online).

Auch hinsichtlich der Beklagten zu 2) handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S. des § 40 Abs. 1 VwGO. Zwar handelt es sich bei der Beklagten zu 2) um ein privates Unternehmen. Sie ist im Rahmen ihrer Agentur- und Redaktionstätigkeit jedoch als unselbstständige Verwaltungshelferin tätig, sodass ihr Verhalten dem Beklagten zu 1) zuzurechnen ist. Verwaltungshelfer sind natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, die nicht selbstständig, sondern für eine Behörde nach außen, im Auftrag, im Namen und nach Weisung der Behörde tätig werden und die Behörde im Rahmen einer untergeordneten Tätigkeit, vorbereitend oder rein ausführend bei der Wahrnehmung der weiterhin der Behörde zugewiesenen Aufgaben unterstützen. Sie handeln ohne eigene verwaltungsrechtliche Kompetenz, üben also keine eigene Hoheitsmacht aus, weshalb ihre Handlungen der Verwaltung zugerechnet werden (Schoch/Schneider VwGO/Ehlers/Schneider, 39. EL Juli 2020, VwGO § 40 Rn. 281). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Beklagten zu 2) erfüllt, da sie nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten zu 2) weisungsgebunden für den Beklagten zu 1) tätig ist und ihre Redaktion im Rahmen von Veto- und Initiativrechten der Kontrolle des Beklagten zu 1) unterliegt. Die rein unterstützende Tätigkeit der Beklagten zu 2) tritt auch im Außenverhältnis zu Tage, da auf der Webseite des „N. G.s“ ausdrücklich ausgeführt wird (vgl. Anlage B 1), dass es sich um einen Service des Beklagten zu 1) handelt und Herausgeber der Beklagte zu 1) ist. Das dem Beklagten zu 1) derart zuzurechnende Handeln der Beklagten zu 2) ist gleichermaßen als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren. Öffentlich-rechtlich können die Handlungen des Verwaltungshelfers nur sein, wenn auch die Handlungen der Verwaltung bei unmittelbarer Leistungserbringung öffentlich-rechtlich einzustufen gewesen wären; bei Realakten ist entscheidend, dass die Handlung des Verwaltungshelfers in einen öffentlich-rechtlichen Sachzusammenhang eingebunden ist (Schoch/Schneider VwGO/Ehlers/Schneider, VwGO § 40 Rn. 286). Eine solche Einbindung ist einen öffentlich-rechtlichen Sachzusammenhang ist vorliegend gegeben, da sämtliche Vorbereitungs- und Durchführungshandlungen der Beklagten zu 2) dazu dienen, das staatliche Informationshandeln des Beklagten zu 1) umzusetzen. Der öffentlich-rechtliche Charakter des Handelns des Beklagten zu 1) und der Umsetzungshandlungen der Beklagten zu 2) lassen sich insoweit nicht trennen.

Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen, da dieses nach § 52 VwGO örtlich zuständig ist.

LG Hamburg: Kein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden bzw. Schmerzensgeld aus Art. 82 DSGVO durch Datenschutzverstoß allein - Schaden z.B. durch Persönlichkeitsrechtsverletzung erforderlich

LG Hamburg
Urteil vom 04.09.2020
324 S 9/19


Das LG Hamburg hat entschieden, dass kein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden bzw. Schmerzensgeld aus Art. 82 DSGVO allein aufgrund eines Verstoßes gegen die Normen der DSGVO besteht. Vielmehr muss auch tatsächlich ein Schaden z.B. durch eine Persönlichkeitsrechtsverletzung entstanden sein.

Aus den Entscheidungsgründen:

1) Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten zu, allerdings nur nach einem Gegenstandswert von € 3.000,--.

Dabei kann dahinstehen, ob der Anspruch auf § 1004 Abs. 1 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB oder auf § 1004 Abs. 1 BGB analog, § 823 Abs. 2 BGB, Art. 6 Abs. 1, 17 Abs. 1 lit. d DSGVO gestützt wird, da in jedem Fall eine Abwägung der Interessen zugunsten der Klägerin ausfällt.

Der Beklagte ist Verantwortlicher i.S.d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO für die ordnungsgemäße Verarbeitung der personenbezogenen Daten (Art. 4 Nr. 1 DSGVO) der Klägerin. Er hat die Daten der Klägerin durch die Erfassung in dem Terminsformular seiner Webseite verarbeitet und durch die öffentliche Freischaltung auch verbreitet (Art. 4 Nr. 2 DSGVO). In die Verbreitung ihrer Daten hat die Klägerin auch nicht eingewilligt.

Der Beklagte kann sich nicht durch einen Verweis auf seinen Dienstleister exkulpieren, da dies nichts an der Verantwortlichkeit des Beklagten ändert.

Die Höhe des Erstattungsanspruchs richtet sich nach dem zugrunde liegenden Gegenstandswert, welcher mit € 3.000,-- anzusetzen ist, § 2 Abs. 1 RVG. Der Gegenstandswert ist nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG nach billigem Ermessen festzusetzen. Es liegen auch die notwendigen tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Schätzung vor, so dass nicht von einem Regelstreitwert i.H.v. € 5.000,-- nach § 23 Abs. 3 S. 2 HS 2 RVG auszugehen ist. Insbesondere sind der Umfang und die Bedeutung der Sache zu berücksichtigen. Vorliegend handelt es sich um einen Vorfall von geringem Umfang und nicht erheblicher Bedeutung. Die Daten der Klägerin wurden vom Beklagten zwar im Internet frei verfügbar abrufbar vorgehalten, allerdings nur über einen Zeitraum von nicht mehr als ca. 6 Wochen.

Allerdings verbreitete der Beklagte die Daten nicht aktiv, indem er auf diese z.B. auf seiner Webseite oder in anderer Weise hingewiesen hätte. Die regelmäßig von der Kammer angenommenen Streitwerte für eine pressemäßige Verbreitung sind damit nicht zugrunde zu legen. Der Verstoß war auch leicht feststellbar. Die Bedeutung der Sache erscheint zuletzt auch deshalb nicht besonders erheblich, weil die Daten zwar private, wohl aber nicht intime Aspekte der Klägerin betrafen.

Zusammenfassend ist der Gegenstandswert daher mit € 3.000,-- richtig bemessen.

Auch die von der Klägerin angeführten und von anderen Gerichten getroffenen Festsetzungen von Gegenstandswerten führen bereits deshalb zu keiner anderen Einschätzung, da dort Datenschutzverstöße gegenständlich waren, die – soweit erkennbar – jeweils erheblich größeren Ausmaßes waren.

Der Zahlungsanspruch nebst Zinsen bemisst sich i.Ü. wie vom Amtsgericht dargelegt, so dass auf die dortigen zutreffenden Ausführungen verwiesen wird.

2) Der Klägerin steht gegen den Beklagten auch kein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden („Schmerzensgeld“) aus Art. 82 DSGVO oder sonst einem rechtlichen Aspekt zu. Für die Zubilligung eines Schadensersatzanspruchs bedarf es des Eintritts eines Schadens. Diesen hat die Klägerin weder dargelegt noch ist er sonst ersichtlich. Allein der Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften führt nicht zu einer Verpflichtung des Verantwortlichen zur Zahlung von Schadensersatz (so auch LG Karlsruhe, Urteil vom 2.8.2019 – 8 O 26/19 = ZD 2019, 511). Voraussetzung eines Anspruchs auf Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO, der im nationalen Recht unmittelbar Anwendung findet und andere Anspruchsgrundlagen nicht ausschließt (Nemitz, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 82 Rn. 7), ist ein Verstoß gegen die DSGVO und ein hierdurch verursachter Schaden, was ein Kläger darzulegen und zu beweisen hat (LG Karlsruhe a.a.O.).

Nach dem Erwägungsgrund 146 ist der Begriff des Schadens weit auszulegen, so dass Betroffene einen wirksamen Ersatz erhalten. Erwägungsgrund 85 besagt, dass eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten einen physischen, materiellen oder immateriellen Schaden für natürliche Personen – wie etwa Verlust der Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten oder Einschränkung ihrer Rechte, Diskriminierung, Identitätsdiebstahl oder -betrug, finanzielle Verluste, unbefugte Aufhebung der Pseudonymisierung oder Rufschädigung – nach sich ziehen kann, wenn nicht rechtzeitig und angemessen reagiert wird.

Es bedarf danach zwar keiner schweren Verletzung des Persönlichkeitsrechts, um einen immateriellen Schaden geltend zu machen (Gola/Piltz, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 82 Rn. 13). Dennoch führt nicht bereits jeder Verstoß gegen die DSGVO zu einer Ausgleichspflicht, denn der Verpflichtung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens muss eine benennbar und insoweit tatsächliche Persönlichkeitsverletzung gegenüberstehen, die z.B. in der mit einer unrechtmäßigen Zugänglichmachung von Daten liegenden „Bloßstellung“ liegen kann (LG Karlsruhe a.a.O.).

Eine solche „Bloßstellung“ ist vorliegend allerdings nicht erfolgt. Ferner hat die Klägerin den Eintritt von Nachteilen nicht behauptet, sondern lediglich vorgetragen, dass sie Nachteile befürchtet.

Auch der Vortrag der Klägerin zu dem von ihr abgemahnten ehemaligen Mitarbeiter bleibt unsubstantiiert. So ergibt sich aus dem Vortrag nicht, wann genau die Abmahnung erfolgt ist, so dass nachvollziehbar sein könnte, ob der betreffende Mitarbeiter überhaupt die Daten hätte abrufen können, als er ein Interesse daran hätte haben können.

Hinsichtlich der mitgeteilten Urlaubsabwesenheit erschließt sich der Kammer – im Einklang mit dem Amtsgericht – nicht, warum sich einem potentiellen Einbrecher, der nach den Daten der Klägerin gesucht hätte, hätte erschließen sollen, dass die eingetragenen Urlaubsabwesenheiten sich tatsächlich auf das Jahr 2019 beziehen sollten. Denn aus dem Anmeldeformular (Anlage K2) ergibt sich insbesondere nicht, dass dieses abgesendet wurde, als die in dem Formular mitgeteilten Zeiten bereits verstrichen waren.

Die Klägerin hat zuletzt auch nicht behauptet, das der unberechtigten Veröffentlichung der Wohnungsanzeige auf Immonet die auf der Webseite des Beklagten verfügbaren Daten zugrunde gelegen hätten.

Auch der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf (BeckRS 2020, 11910) führt zu keiner anderen Einschätzung. Dort hat das Gericht einen auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO gestützten Schadensersatzanspruch angenommen, nachdem der Auskunftsanspruch des dortigen Klägers aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO verletzt worden war. Dieser Verstoß hielt nach den Ausführungen des Gerichts offenbar mindestens fünf Monate an, in denen der Kläger über die Datenverarbeitung durch die Beklagte im Ungewissen war. Damit dürfte anzunehmen sein, dass der dortige Verantwortliche im Einklang mit Erwägungsgrund 85 „nicht rechtzeitig und angemessen reagiert“ hatte, was sodann den Eintritt des konkreten Nachteils, nämlich der Ungewissheit des dortigen Klägers, hätte nach sich ziehen können.

Insoweit handelt es sich allerdings um einen anderen und nicht mit dem hiesigen vergleichbaren Fall, da hier von einer deutlich kürzeren Zeitspanne der freien Abrufbarkeit der Daten auszugehen ist, und die Klägerin nicht erfolglos einen Auskunftsanspruch gegen den Beklagten geltend machte.

Die Kammer kann abschließend auch nicht erkennen, warum und inwieweit die Rechtsprechung zur Verletzung des Rechts am eigenen Bild im Internet analog heranzuziehen wäre. Weder begründet eine derartige Verletzung ohne weiteres einen Schadensersatzanspruch noch liegt eine vergleichbare Interessenlage notwendiger Weise vor.


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LG Hamburg: Art. 2 InfoSoc-RL gilt nicht für Lichtbilder im Sinne von § 72 UrhG und Ausschnitte aus Lichtbildwerken die allein keinen Werkscharakter aufweisen

LG Hamburg
Urteil vom 22.05.2020
308 S 6/18


Das LG Hamburg hat entscheiden, dass Art. 2 InfoSoc-RL gilt nicht für Lichtbilder im Sinne von § 72 UrhG und Ausschnitte aus Lichtbildwerken die allein keinen Werkscharakter aufweisen.

Das Gericht hat die Revision zum BGH zugelassen.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehen die von ihr geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Sie folgen insbesondere nicht aus §§ 97 ff. UrhG. Der Beklagte hat die ausschließlichen Nutzungsrechte der Klägerin an der streitgegenständlichen Fotografie nicht verletzt.

a) Es liegt keine rechtswidrige Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG vor.

aa) Die von der Klägerin als Klagemuster angeführte Fotografie genießt Schutz als Lichtbildwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG. Die sorgsam gestaltete Bildkomposition, die insbesondere in dem gewählten Bildausschnitt und der offensichtlich gezielt eingesetzten Verteilung von Schärfe im Bildvordergrund und Unschärfe im Bildhintergrund ihren Ausdruck gefunden hat, bringt ein für die Eröffnung von Werkschutz ausreichendes Maß an persönlicher geistiger Schöpfung zum Ausdruck.

Zudem kann sich eine Vervielfältigungshandlung im Sinne des § 16 UrhG auch auf einzelne Teile eines Werkes beschränken, sofern der betreffende Werkteil auch für sich genommen urheberrechtlich schutzfähig ist (Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 16, Rn. 9). Letzteres ist vorliegend der Fall. Zwar hat das Amtsgericht zu Recht ausgeführt, dass dem fraglichen Bildausschnitt – der aus dem Bildhintergrund herausgelösten Abbildung des Soldaten – für sich genommen kein Werkschutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG zugebilligt werden kann. Die Abbildung des Soldaten weist für sich genommen weder im Hinblick auf das Motiv noch bezüglich des Blickwinkels, der Verteilung von Licht und Schatten, des Zusammenspiels von Schärfen und Unschärfen oder sonstigen gestalterischen Elementen Besonderheiten auf, in denen ein besonderer schöpferischer Gehalt zum Ausdruck kommt. Der fragliche Bildausschnitt genießt jedoch Lichtbildschutz nach § 72 UrhG, denn nach dieser Vorschrift sind auch kleinste Teile eines Fotos urheberrechtlich schutzfähig. Auf eine hinreichende Individualität kommt es insoweit nicht an, es genügt allein die rein technische Leistung (Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 72, Rn. 15).

Das Amtsgericht hat ebenfalls zu Recht festgestellt, dass die angegriffene Gestaltung des Beklagten als freie Benutzung im Sinne des § 24 UrhG zulässig ist. Bei der Prüfung, ob eine Bearbeitung i.S.v. § 23 UrhG oder eine freie Benutzung nach § 24 UrhG vorliegt, kommt es auf die Übereinstimmung im Bereich der objektiven Merkmale an, durch die die schöpferische Eigentümlichkeit des Originals bestimmt wird. Es ist deshalb durch Vergleich der sich gegenüberstehenden Werke zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eigenschöpferische Züge des älteren Werkes übernommen worden sind. Maßgebend dabei ist ein Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der Gestaltungen, in dessen Rahmen sämtliche übernommenen schöpferischen Züge in einer Gesamtschau zu berücksichtigen sind (BGH GRUR 2016, 1157, Rn. 21 – auf fett getrimmt; BGH, GRUR 2015, 1189, Rn. 41, 72 – Goldrapper; BGH, GRUR 2014, 258, Rn. 40 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm I). Beschränkt sich die Vervielfältigung auf einen Teil des Werkes, ist bei dieser Prüfung nicht das gesamte Werk, sondern allein der vervielfältigte Teil des Werkes der neuen Gestaltung gegenüberzustellen (BGH, GRUR 2017, 390, Rn. 46 - East Side Gallery). Für die Abgrenzung zwischen einer (unfreien) Bearbeitung i.S.d. § 23 UrhG und einem in freier Benutzung geschaffenen Werk gem. § 24 UrhG, das ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werks veröffentlicht und verwertet werden darf, kommt es auf den Abstand an, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält. Von einer freien Benutzung im Sinne dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere dann auszugehen, wenn für ein neues Werk zwar eigenpersönliche Züge eines geschützten älteren Werkes übernommen werden, diese aber angesichts der Eigenart des neuen Werkes in der Weise verblassen, dass die Benutzung des älteren Werkes durch das neuere nur noch als Anregung zu einem neuen, selbstständigen Werkschaffen erscheint (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 28.07.2016 – I ZR 9/15, GRUR 2016, 1157, Rn. 19 ff. – Auf fett getrimmt). Darauf kommt es vorliegend allerdings bereits nicht an, da nach den obigen Ausführungen der in Rede stehende Ausschnitt des Klagemusters schon keine eigenpersönlichen Züge aufweist, die einen eigenständigen Werkschutz begründen könnten. Vielmehr kann sich die Klägerin insoweit – wie bereits ausgeführt – nur auf den Lichtbildschutz des § 72 UrhG berufen. Wird eine auf einem bloßen Lichtbild abgebildete Person abgemalt, liegt angesichts des geringen Schutzumfanges des § 72 UrhG regelmäßig eine freie Benutzung im Sinne des § 24 UrhG vor, denn die fotografierte Person hat der Fotograf nicht geschaffen, sodass er an deren Umrissen und Gestalt grundsätzlich keine Rechte besitzt (so: Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 72, Rn. 17, i.V.m. § 24, Rn. 36, unter Berufung auf HansOLG, Urt. v. 12.10.1995 – 3 U 140/95, ZUM 1996, 315, 316 f. – Big Nudes). Eine andere Beurteilung kann insoweit allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn außer der fotografierten Person auch die besonderen Gestaltungsmittel der Fotografie (Licht und Schatten, Grautöne, Schärfen und Unschärfen etc.) und die ggf. individuelle Auswahl und Anordnung des Motivs (Gruppierung von mehreren Personen, Wahl des Blickwinkels etc.) in der Zeichnung wiederkehren (Schulze, a.a.O.). Dies ist vorliegend jedoch schon deshalb nicht der Fall, weil, wie bereits ausgeführt, die streitgegenständliche Fotoaufnahme des aus dem Bildhintergrund herausgelösten Soldaten keine derartigen besonderen Gestaltungsmittel aufweist. Hinzu kommt, dass der Beklagte durch die Art und Weise seiner „Übersetzung“ des Fotos in eine sehr kontrastreiche Schwarz-Weiß-Zeichnung mit eher geringer Detailgenauigkeit gegenüber der Abbildung des Soldaten im Klagemuster eine erhebliche Abstrahierung und Entpersonalisierung herbeigeführt und zudem durch die Hinzufügung des Textelementes („Und ob ich schon wanderte...“) auch einen neuen Assoziationsansatz geschaffen hat, wodurch sich sein Motiv im Ergebnis noch weiter von der Ausgangsabbildung entfernt hat.

bb) Die Regelungen der InfoSoc-Richtlinie stehen diesem Ergebnis nicht entgegen.

Zwar darf nach der Rechtsprechung des EuGH ein Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht keine Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die Vervielfältigungsrechte gemäß Art. 2 InfoSoc-RL vorsehen, die nicht in Art. 5 dieser Richtlinie vorgesehen sind (so in Bezug auf das Recht des Tonträgerherstellers gemäß Art. 2 lit. c) der InfoSoc-Richtlinie: EuGH Urt. v. 29.07.2019 – C-476/17, BeckRS 2019, 15823, Rn. 65 – Sampling als unerlaubte Vervielfältigung).

Die vorliegend erfolgte Übernahme der aus dem Bildhintergrund herausgelösten Figur des Soldaten fällt jedoch schon gar nicht in den Schutzbereich des Art. 2 InfoSoc-RL. Zwar betrifft das Vervielfältigungsrecht nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 2 InfoSoc-RL auch Vervielfältigungen von Teilen des jeweiligen (Gesamt-)Schutzgegenstands. Dies gilt auch für Werke, da dem Richtlinienrecht insoweit nichts Gegenteiliges zu entnehmen ist. Die vervielfältigten Teile müssen dann jedoch Elemente enthalten, die die eigene geistige Schöpfung des Urhebers zum Ausdruck bringen (vgl. EuGH, EuZW 2009, 655, Rn. 39 - Infopaq; Leenen, in: Wandtke/Bullinger, InfoSoc-RL, 5. Aufl., Art. 2, Rn. 10 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr enthält – wie bereits ausgeführt – die aus dem Bildhintergrund herausgelösten Figur des Soldaten gerade keine eigenschöpferischen Elemente und kann daher keinen Werkschutz, sondern nur den Lichtbildschutz des § 72 UrhG in Anspruch nehmen.

In Art. 2 lit. b)-e) InfoSoc-RL wird das Vervielfältigungsrecht zwar über den Werkschutz hinaus auch auf weitere Schutzgegenstände erstreckt, nämlich auf:


- Aufzeichnungen der Darbietungen ausübender Künstler (lit. b),

- von Tonträgerherstellern hergestellte Tonträger (lit. c),

- Originale und Vervielfältigungsstücke von Filmen (lit. d) und

- Sendungsaufzeichnungen von Sendeunternehmen (lit. e).

Lichtbilder im Sinne des § 72 UrhG sind in diesem Schutzkatalog aber gerade nicht aufgeführt. Darin liegt zugleich der wesentliche Unterschied zum Sachverhalt der oben zitierten Sampling-Entscheidung des EuGH, denn im dortigen Fall unterfiel auch noch das streitgegenständliche Audiofragment dem unmittelbaren Schutz der InfoSoc-RL, nämlich als Teil einer Tonträgeraufnahme im Sinne des Art. 2 lit. c) InfoSoc-RL.

Eine Übertragung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf reine Lichtbilder ist auch nicht deshalb vorzunehmen, weil Lichtbilder nach § 72 Abs. 1 UrhG „in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1“ geschützt werden. Zwar bringt der Gesetzgeber hierdurch zum Ausdruck, dass der Schutz von Lichtbildwerken und von Lichtbildern – bis auf die in § 72 Abs. 2 und Abs. 3 UrhG enthaltenen Besonderheiten – weitgehend übereinstimmend geregelt werden soll. Dass sich eine in Bezug auf Lichtbildwerke notwendige richtlinienkonforme Auslegung des § 24 UrhG auch auf Lichtbilder erstreckt, folgt hieraus aber nicht. Da der deutsche Gesetzgeber bei den Regelungen zu Lichtbildern nicht die Vorgaben der genannten Richtlinien beachten muss, ist ohne eine Gesetzesänderung nicht davon auszugehen, dass europarechtlich erforderliche Beschränkungen des Anwendungsbereichs des § 24 UrhG auch für Lichtbilder gelten.

b) Aus den gleichen Gründen sind vorliegend auch eine rechtswidrige Verbreitung (§ 17 UrhG) und ein rechtswidriges öffentliches Zugänglichmachen (§ 19a UrhG) durch den Beklagten zu verneinen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revisionszulassung beruht auf § 543 ZPO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Fragen, ob sich der Schutzbereich des Art. 2 InfoSoc-RL auch auf bloße Fragmente aus Lichtbildwerken erstreckt, die für sich genommen nur Schutz gemäß § 72 UrhG beanspruchen können, und wie sich dies auf die Anwendbarkeit des § 24 UrhG auswirkt, können sich in einer Vielzahl weiterer Fälle stellen, sind höchstrichterlich aber noch nicht geklärt.



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Hamburg: Facebook muss automatisch und ohne Zustimmung des jeweiligen Unternehmens bzw. Betroffenen generierte Facebook-Seite löschen

LG Hamburg
Urteil vom 13.02.2020
312 O 372/18


Das LG Hamburg hat entschieden, dass Facebook eine automatisch und ohne Zustimmung des jeweiligen Unternehmens bzw. Betroffenen generierte Facebook-Seite löschen muss. Insofern liegt ein rechtswidriger Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor.

LG Hamburg: Spiegel-Berichterstattung über Zuwendung von Pharmafirma an einen Arzt zulässig - auch kein Verstoß gegen Datenschutz da Medienprivileg gilt

LG Hamburg
Urteil vom 20.09.2019
324 O 305/18

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Dem Kläger steht der gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Hier gelten die Erwägungen wie im Rechtsstreit zum Az. 324 O 236/16 entsprechend. Die Kammer hat im Urteil ausgeführt:

„a. Ein solcher Unterlassungsanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK, da die streitgegenständlichen Datenbank-Einträge den Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen. Bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt sich um einen offenen Tatbestand, bei dem die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung eine ordnungsgemäße Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalles unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraussetzt (Palandt-Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Auflage 2018, § 823 BGB Rn. 95). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Im Streitfall hat eine Abwägung zwischen dem Recht des Klägers auf Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK auf der einen Seite und dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK auf der anderen Seite zu erfolgen. Unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte ergibt die Abwägung vorliegend, dass die streitgegenständlichen Veröffentlichungen den Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen. Im Einzelnen:

(1) Sofern sich der Kläger darauf beruft, dass die streitgegenständlichen Datenbank-Einträge unwahre Tatsachenbehauptungen enthielten, ist davon prozessual nicht auszugehen. Zwar kommt es bei der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Freiheit der Meinungsäußerung für die Zulässigkeit einer Äußerung maßgeblich mit darauf an, ob es sich um wahre oder unwahre Tatsachenbehauptungen handelt. Denn Tatsachenbehauptungen, die nicht zur verfassungsmäßig vorausgesetzten Meinungsbildung beitragen können, sind nicht geschützt; das ist bei bewusst oder erwiesen unwahren Tatsachenbehauptungen der Fall (BVerfG, Beschluss vom 16.03.1999, 1 BvR 734/98, Juris Rn. 30; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Auflage 2018, Kap. 6 Rn. 14). Wahre Tatsachenbehauptungen sind dagegen in weitem Umfang hinzunehmen, denn das Persönlichkeitsrecht verleiht seinem Träger keinen Anspruch darauf, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.03.1998, 1 BvR 131/96 – Missbrauchsvorwurf, Juris Abs. 4. b)). Prozessual ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die Datenbank-Einträge dem Rezipienten ein unwahres Verständnis vermitteln.

(a) Nach dem Verständnis des unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsempfängers (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Kap. 4 Rn. 4 m.w.Nw.) sind die Datenbank-Einträge dahingehend zu verstehen, dass die Beklagte behauptet, der Kläger habe tatsächlich Zuwendungen im Wert von insgesamt 534,00 Euro erhalten. Dagegen ist nicht auf das von der Beklagten zu Grunde gelegte Verständnis abzustellen, die Pharmaindustrie habe angegeben, dass der Kläger Zuwendungen im Wert von 534,00 Euro erhalten habe.

So enthält bereits der die Datenbank von 2015 präsentierende Artikel (Anlage K 1) ausgehend vom Wortlaut zahlreiche Aussagen dahingehend, dass die Datenbank tatsächlich erfolgte Zahlungen dokumentiert (Überschrift „W. v. G. h. m. A. b.?“; „Für mehr als 20.000 Ärzte und Fachkreisangehörige in Deutschland ist jetzt bekannt, wie viel Geld sie 2015 von Pharmafirmen erhalten haben.“; „Die Recherche von "C." und S. O. zeigt, wohin das Geld geflossen ist.“; „Hat Ihr Arzt 2015 von Pharmafirmen Geld angenommen?“; „Wem und wofür wurde das Geld gezahlt? Offengelegt wurden die Zahlungen an Ärzte, Apotheker und Angehörige medizinischer oder pharmazeutischer Heilberufe - zusammengefasst als "Angehörige der Fachkreise". Ärzte und Fachkreisangehörige haben Geld für Vorträge, Fortbildungen und Beratung erhalten, dazu gehört auch die Übernahme von Reise- und Übernachtungskosten sowie Tagungs- und Teilnahmegebühren. Medizinische Institutionen bekamen zudem Geld für Sponsoring, Spenden und Stiftungen.“). Zwar wird in dem Artikel auf die Quelle der Daten hingewiesen („Die Daten haben Rechercheure von "C." und S. O. aus mehreren Dutzend Listen zusammengetragen, die von den Pharmaunternehmen einzeln veröffentlicht wurden“) und es wird mitgeteilt, dass die zusammengetragenen Daten mitunter von zweifelhafter Qualität waren bzw. Unstimmigkeit enthielten („Auch die Qualität der Daten erschien in einzelnen Fällen zweifelhaft, etwa wenn die angegebenen Summen nicht mit den aufgelisteten Zahlungen übereinstimmen“; „Haben Sie eine Anmerkung zu den Daten oder eine Unstimmigkeit in den Angaben entdeckt? Dann melden Sie sich bitte unter der Adresse e.@ c..org, damit wir die Datenbank weiter optimieren können.“). Für den Leser entsteht im weiteren Kontext aber das Verständnis, die Beklagte habe die Daten bereinigt, d.h. geklärt („In unserer Datenbank können Sie die zusammengeführten und bereinigten Angaben für rund 20.000 Ärzte und Fachkreisangehörige im Detail erkunden.“). Aufgrund dessen geht der Rezipienten davon aus, dass die Beklagte tatsächlich erfolgte Zahlungen dokumentiert und sich somit sich auf die Richtigkeit der Angaben der Pharmaunternehmen beruft.

Gleiches gilt für die Datenbank 2016 (Anlage K 2), die mit einem inhaltlich weitgehend gleichlautenden Artikel präsentiert wird. Darüber hinaus insinuieren auch weitere, in 2016 gegenüber dem Vorjahr neuen Äußerungen, dass die Datenbank tatsächlich erfolgte Zuwendungen darstellt („Mehr als 562 Millionen Euro ließen Pharmakonzerne im vergangenen Jahr Ärzten, Apothekern, Heilberuflern und medizinischen Institutionen zukommen. Ein Teil davon lässt sich bis ins Detail nachvollziehen: Mehr als 16.500 Ärzte und Fachkreisangehörige haben zugestimmt, als Zahlungsempfänger namentlich genannt zu werden. Die Recherche von S. O. und "C." zeigt, wohin das Geld geflossen ist.“; „Sind an einer Adresse mehrere Personen oder Institutionen eingetragen, dann zeigt das Tooltip den Empfänger mit der höchsten Gesamtsumme. Über einen Link im Tooltip können Sie in der Datenbank alle weiteren Empfänger sowie eine Aufschlüsselung nach Kategorien einsehen.“).

(b) Sofern die streitgegenständlichen Datenbank-Einträge also die Behauptung der Beklagten enthalten, der Kläger habe in den Jahren 2015/2016 Zuwendungen in Höhe von insgesamt 534,00 Euro von Pharmakonzernen erhalten, ist diese Behauptung prozessual als wahr anzusehen. Angesichts der Ehrenrührigkeit der Tatsachenbehauptung trägt grundsätzlich die Beklagte analog § 186 StGB die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit der von ihr getroffenen Aussage. Unstreitig hat das Pharmaunternehmen B.- C. AG die in den Einträgen genannten Beträge an Reisekosten betreffend den Kläger veröffentlicht (vgl. Anlage B 15). Daraus ergibt sich zwar nicht zwangsläufig die Richtigkeit der Zuwendung, aber jedenfalls in einem ersten Schritt, dass das Pharmaunternehmen eine solche Zahlung veröffentlicht hat. Der Kläger bestreitet die Richtigkeit der behaupteten Zuwendung lediglich mit Nichtwissen. Angesichts des substantiierten – und unstreitigen – Vortrags der Beklagten dürfte dieses Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen jedoch nicht ausreichend sein. Denn das Ob und Wie der Zuwendung fällt grundsätzlich in die Sphäre des Klägers, sodass sich diese nicht einfach auf ein behauptetes Nichtwissen zurückziehen kann. Das gilt sowohl für direkte Zuwendungen (Honorare) als auch die hier allein fraglichen indirekten Zuwendungen (Übernahme von Reisekosten). Denn auch wenn es richtig sein mag, dass der Kläger keine genaue Kenntnis über die Höhe der von dem Pharmaunternehmen übernommenen Reisekosten haben mag, so ist er jedenfalls in der Lage, Angaben dazu zu machen, ob er im betreffenden Zeitraum eine Veranstaltung besucht hat, für die überhaupt von dem Pharmaunternehmen zu tragende Reisekosten anfallen konnten, und wenn ja in welchem Umfang (Ort, Dauer, Transportmittel, Unterkunft, etc.). Zu all diesen Umständen hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen. Mangels substantiierten Bestreitens ist prozessual somit von der Wahrheit der mit den Datenbank-Einträgen verbreiteten Tatsachenbehauptung auszugehen.

(2) Entgegen der Argumentation des Klägers wird er auch nicht dadurch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, dass die Datenbank-Einträge schwerwiegende Auswirkungen für ihn haben. Bei den Datenbank-Einträgen handelt es sich prozessual um wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre des Klägers. Berichterstattungen aus der Sozialsphäre dürfen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung droht (BGH, Urteil vom 20.12.2011, VI ZR 261/10 – Kommunistischer Bund; Urteil vom 17.11.2009, VI ZR 226/08; Urteil vom 21.11.2006, VI ZR 259/05). Ein solcher Fall schwerwiegender Auswirkungen ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Im Einzelnen:

(a) Die Datenbank-Einträge führen nicht zu einer Stigmatisierung des Klägers. Nach dem Bundesverfassungsgericht können Stigmatisierungen aufgrund gesellschaftlicher, also nicht allein der Verantwortung des Betroffenen zuzuschreibender, Einschätzungs- und Verhaltensmechanismen einen Entzug der sozialen Anerkennung, eine soziale Isolierung und eine grundlegende Verunsicherung und Selbstentwertung des Betroffenen in zahlreichen Lebensbereichen zur Folge haben. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit wird dadurch nachhaltig erschwert, ohne dass dies zu den üblichen Grenzen der Entfaltungschancen oder zu den nachteiligen Reaktionen anderer gezählt werden könnte, die man als Folge eigener Entscheidungen oder Verhaltensweisen hinzunehmen hat (BVerfG, Beschluss vom 24.03.1998, 1 BvR 131/96 – Missbrauchsvorwurf, Juris Rn. 48).

Eine solche Stigmatisierung ergibt sich nicht aus den streitgegenständlichen Datenbank-Einträgen selbst. Zwar enthält ein Datenbank-Eintrag mit einem roten Punkt die Aussage, der betreffende Arzt habe Geld in einer bestimmten Höhe von der Pharmaindustrie angenommen. Im Zusammenspiel mit der weiteren Berichterstattung der Beklagten wird dem Leser auch das Verständnis vermittelt, dass sich daraus jedenfalls das Risiko ergibt, dass der Arzt Entscheidungen betreffend Verschreibung von Medikamenten, Behandlungen o.ä. trifft, die in irgendeiner Art und Weise davon beeinflusst sind. Dies ist für den Arzt grundsätzlich ehrabträglich. Die Kritik wird durch die Präsentation der Beklagten noch verstärkt, weil die ursprünglich nur schwer zugänglichen Daten hier in einer sehr leicht auffindbaren Form präsentiert werden, die Ärzte mit einem roten Punkt markiert werden und neben ihnen ein wenig schmeichelhaftes Symbol eines Männchens mit einem Geldsack erscheint. Dennoch führt diese Darstellung zur Überzeugung der Kammer nicht zu einem derart starken Entzug der sozialen Anerkennung und Isolierung des Betroffenen, dass von einer Stigmatisierung die Rede sein könnte. Zu berücksichtigen ist zum einen, dass hier Kritik an der – prozessual wahren – Tatsache der Zuwendungen der Pharmaindustrie an Ärzte, konkret den Kläger, geäußert wird. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass es sich um Zuwendungsbeträge im zwei- bzw. unteren dreistelligen Bereich handelt, was auch nach dem Verständnis des Lesers nicht zu einer gravierenden Einwirkung auf das berufliche Verhalten der Ärzte führen dürfte. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Ärzte selbst in die Veröffentlichung der Daten eingewilligt haben, wenn auch wohl nicht mit der Vorstellung einer derart nutzerfreundlichen Datenbank.

Die Präsentation in der Datenbank ist auch nicht deshalb rechtswidrig – so die Argumentation des Klägers – weil zusammen mit den Einträgen, anders als bei den Veröffentlichungen der Pharmaunternehmen, nicht der Transparenzkodex veröffentlicht wird, aus dem hervorgeht, dass alle Zuwendungen mit der geltenden Rechtslage übereinstimmten. Denn die Beklagte erweckt in ihrer Berichterstattung an keiner Stelle wahrheitswidrig das Verständnis, dass diese Zuwendungen strafbar seien, weshalb ein ausdrücklicher Hinweis auf den Transparenzkodex im Rahmen der Datenbankeinträge nicht erforderlich ist.

Eine Stigmatisierung des Klägers folgt auch nicht aus dem Inhalt der begleitenden Artikelserie unter dem Stichwort „Euros für Ärzte“ (Anlagenkonvolut B 2). Diese ist zur Auslegung des Inhalts der streitgegenständlichen Datenbank-Einträge zwar heranzuziehen. Die Argumentation des Klägers, ihm werde durch die Berichterstattung insgesamt vorgeworfen, dass er korrumpierbar sei, sich grundlos bereichert habe und ein Spielball der Pharmaindustrie sei, überzeugt jedoch nicht. Zwar ist es richtig, dass die Serie „Euros für Ärzte“ deutliche Kritik an finanziellen Zuwendungen der Pharmaindustrie an Ärzte äußert. Es wird in der gesamten Berichterstattung aber nicht die Behauptung aufgestellt, dass Ärzte, die solche Zuwendungen erhalten, korrupt seien (was ja auch ein strafrechtlich relevantes Verhalten voraussetzte), noch dass dies konkret für den Kläger gelte. Die Berichterstattung zeigt lediglich Zusammenhänge und mögliche Risiken auf, die im Rahmen der Zusammenarbeit von Ärzten mit Pharmaunternehmen entstehen können.

Schließlich folgt eine Stigmatisierung des Klägers auch nicht aus der Gegenüberstellung der Ärzte mit einem roten Punkt auf der einen Seite und der Ärzte mit einem grünen Punkt (sog. „Null-Euro-Ärzte“) auf der anderen Seite. Zwar verlässt die Beklagte hier ihr selbst erklärtes Ansinnen, lediglich die von der Pharmaindustrie veröffentlichten Daten aufzubereiten, und trifft eine eigene Aussage über „saubere“ Ärzte. Das erscheint schon deshalb problematisch, weil die Beklagte nicht überprüft, ob die sich registrierenden Ärzte tatsächlich keine Zuwendungen erhalten haben. Allein ein Abgleich mit den veröffentlichten Namenslisten ist nicht ausreichend, weil auch die Möglichkeit besteht, dass die betreffenden Ärzte zwar Zuwendungen erhalten haben, der Veröffentlichung ihres Namens aber nicht zugestimmt haben. Allerdings trifft die Beklagte nach dem Verständnis des Rezipienten über die „Null-Euro-Ärzte“ nicht die Aussage, diese hätten tatsächlich keine Zuwendung erhalten. Vielmehr enthält der Eintrag eines „Null-Euro-Arztes“ lediglich die Aussage, der betreffende Arzt bzw. die betreffende Ärztin habe gegenüber C. versichert, keine Zuwendung erhalten zu haben; eine eigene Aussage über die Richtigkeit dieser Angabe trifft die Beklagte also gerade nicht. Angesichts dessen erscheint die Gegenüberstellung grüner und roter Punkte nicht in vergleichbarem Maße ehrabträglich, da den Angaben der Pharmaindustrie lediglich die eigenen Aussagen von (anderen) Ärzten gegenübergestellt werden.

(b) Auch eine Prangerwirkung betreffend den Kläger ist vorliegend zu verneinen. Diese wird von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung dann erwogen, wenn ein – nach Auffassung des Äußernden – beanstandungswürdiges Verhalten aus der Sozialsphäre einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirkt, was insbesondere dort in Betracht kommt, wo eine Einzelperson aus der Vielzahl derjenigen, die das vom Äußernden kritisierte Verhalten gezeigt haben, herausgehoben wird, um die Kritik des als negativ bewerteten Geschehens durch Personalisierung zu verdeutlichen (BVerfG, Beschluss vom 18.02.2010, 1 BvR 2477/08, Juris Rn. 25). Eine solche Prangerwirkung ist hier aber schon deshalb zu verneinen, weil der Kläger von der Beklagten gar nicht aus der Masse derjenigen, die Zuwendungen von der Pharmaindustrie erhalten haben, herausgehoben wird.

(c) Die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung folgt auch nicht aus datenschutzrechtlichen Erwägungen. Sofern der Kläger argumentiert, dass für die Veröffentlichung der Daten durch die Beklagte seine Einwilligung erforderlich gewesen sei, die er zwar ursprünglich erteilt habe, die aber nicht wirksam gewesen sei, und die er jedenfalls mittlerweile widerrufen habe, greift diese Argumentation ebenfalls nicht durch.

Im Ausgangspunkt darf über wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre grundsätzlich berichtet werden. Es gibt keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie man es selbst wünscht und man sich selbst sehen möchte; ein allgemeines oder gar umfassendes Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person gewährt das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht (BVerfG, Beschluss vom 24.03.1998, 1 BvR 131/96 – Missbrauchsvorwurf, Juris Rn. 45). Eine Einwilligung des Klägers in die Veröffentlichung ist damit grundsätzlich nicht notwendig. Allerdings kann sich nach den Grundsätzen des Datenschutzrechts ein anderes Abwägungsergebnis ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.2011, VI ZR 345/09 – Internetarchiv ksta.de, Juris Rn. 23). Nach der hier maßgeblichen DSGVO ist in bestimmten Fällen die Einwilligung des Betroffenen Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO). Jedoch gilt vorliegend für die Beklagte das Medienprivileg des § 57 Abs. 1 S. 6 RStV, wonach die ausschließlich journalistisch-redaktionelle und literarische Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten weitgehend von den ansonsten einzuhaltenden Datenschutzbestimmungen ausgenommen ist (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.2011, VI ZR 345/09, Juris Rn. 23ff. zu § 57 RStV a.F.). Ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aufgrund datenschutzrechtlicher Erwägungen scheidet somit aus.

Darüber hinaus hat der Kläger, ohne dass es darauf ankäme, auch nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass seine Einwilligung unwirksam ist. Denn das in Anlage K 7 vorgelegte Formular über die Erteilung einer Einwilligung wurde nur beispielhaft vorgelegt und gilt für den Kläger (der Zuwendungen eines ganz anderen Pharmaunternehmen erhalten haben soll) gar nicht.

Angesichts des Medienprivilegs, auf das sich die Beklagte berufen kann, kommt es auch auf einen etwaigen Widerruf der Einwilligung des Klägers nicht an.

(d) Schwerwiegende Auswirkungen für den Kläger folgen auch nicht aus einem von ihm behaupteten Eingriff in das Arzt-Patienten-Verhältnis. Ein solcher Eingriff mit schwerwiegenden Auswirkungen für den Kläger erscheint schon deshalb kaum nachvollziehbar, weil sich die Ärzte – darunter auch der Kläger – einmal selbst dem Ziel verschrieben haben, für mehr Transparenz betreffend die Zusammenarbeit von Ärzten mit Pharmaunternehmen zu sorgen. Dann ist die Kenntnis der Patienten über etwaige Zuwendungen an den Kläger zwangsläufig die Kehrseite dieses von der Pharmaindustrie wie den Ärzten gleichermaßen verfolgten Transparenz-Anliegens. Zudem führt diese Argumentation nicht insoweit zu einer Rechtswidrigkeit der Berichterstattung, als der Eingriff nicht die Schwere einer Stigmatisierung erreicht (s.o.).

(e) Ein Unterlassungsanspruch des Klägers lässt sich auch nicht damit begründen, dass sogar Suchmaschinenbetreiber dazu verpflichtet seien, die Erreichbarkeit von Internetbeiträgen durch bloße Eingabe des Namens der von diesen Beiträgen in erheblicher Weise betroffenen Person zu unterbinden (vgl. EuGH, Urteil vom 13.05.2014, C-131/12, Celex-Nr. 62012CJ0131 – Google Spain, Juris). Der „Erst-Recht-Schluss“ vom Suchmaschinenbetreiber auf die Presse greift schon nicht durch. Zudem scheitert der der „Google Spain“-Entscheidung des EuGH zu Grunde liegende datenschutzrechtliche Anspruch am Medienprivileg, auf das sich die Beklagte berufen kann (s.o.).

(f) Vor dem Hintergrund der bereits diskutierten Aspekte scheidet auch ein Anspruch des Klägers auf Anonymitätsschutz aus. Zwar ist die prozessual wahre Aussage, dass der Kläger Zuwendungen von der Pharmaindustrie angenommen hat, nach dem Gesamtverständnis der Berichterstattung der Beklagten ehrabträglich. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ist aber nicht derart schwer, dass nicht identifizierbar über ihn berichtet werden dürfte, da ihm erkennbar kein strafbares Verhalten vorgeworfen wird, die genannten Zuwendungsbeträge sich im zwei- bzw. unteren dreistelligen Bereich bewegen und er ursprünglich selbst in seine Namensnennung eingewilligt hat.

b. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers folgt auch nicht aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog wegen der Verletzung seines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb scheidet schon deshalb aus, weil der Eingriff der Beklagten nicht betriebsbezogen ist. Denn die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder sozial übliche Behinderung hinausgehen; mittelbare Beeinträchtigungen des Gewerbebetriebs lösen daher keine Haftung nach Abs. 1 aus, insbesondere Schadensereignisse, die nicht mit der „Wesenseigentümlichkeit“ des Betriebs in Beziehung stehen, sondern die Schädigung bestimmter Rechtsgüter betreffen, auf einer Reaktion des Unternehmens auf einen Test beruhen oder lediglich den Verdienst schmälern, aber die berufliche Tätigkeit an sich nicht beeinträchtigen (BeckOGK/Spindler, BGB, § 823 Rn. 207-210, beck-online). Diese Voraussetzung eines betriebsbezogenen Eingriffs ist vorliegend nicht erfüllt.

2. Dem Kläger steht darüber hinaus auch nicht der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten zu, da die Veröffentlichung der Datenbank-Einträge rechtmäßig war.“



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LG Hamburg: Warnhinweis gem. §12 Abs. 2 VermAnlG muss in Werbevideo bzw YouTube-Video während der gesamten Dauer des Videos für Zuschauer deutlich erkennbar sein

LG Hamburg
Urteil vom 28.11.2019
312 O 279/18


Das LG Hamburg hat entschieden, dass der Warnhinweis gem. §12 Abs. 2 VermAnlG in einem Werbevideo bzw YouTube-Video während der gesamten Dauer des Videos für Zuschauer deutlich erkennbar sein muss.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Dem Kläger steht hingegen ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte bezüglich der Werbevideos ohne den deutlich hervorgehobenen Warnhinweis: „Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen“ aus § 2 Abs. 1 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 2 VermAnlG zu.

1. Bei § 12 Abs. 2 VermAnlG handelt es sich um ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne von § 2 Abs. 1 UKlaG. Zu den nicht ausdrücklich in § 2 UKlaG genannten Verbraucherschutzgesetzen gehören alle sonstigen Vorschriften, die Verhaltenspflichten des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher begründen und deren Verletzung Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigt. Dazu gehören auch alle spezialgesetzlichen Vorschriften über die Informations- und Verhaltenspflichten gegenüber Verbrauchern (Köhler/Bornkamm, 37. Aufl. 2019, UKlaG § 2 Rn. 30). Das VermAnlG statuiert in § 12 Abs. 2 derartige Informations- und Verhaltenspflichten und ist deshalb ein Verbraucherschutzgesetz.

2. Die Beklagte ist Anbieterin im Sinne des § 12 Abs. 2 VermAnlG. Anbieter ist derjenige, der für das öffentliche Angebot der Vermögensanlage verantwortlich ist und den Anlegern gegenüber nach außen erkennbar als Anbieter auftritt (RegE VermAnlG, BT-Drucks. 17/6051, S. 32; Assmann in Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb (Hrsg.), WpPG/VermAnlG 3. Aufl. 2017, § 12 Rz. 3). Dass die Beklagte tatsächlich nur eine Vermittlungsplattform für Vermögensanlagen betreibt, ist unerheblich, weil sie in den streitgegenständlichen Werbespots für den Verkehr erkennbar als Anbieterin auftritt. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte lediglich Vermittlerin der Vermögensanlagen ist, enthalten die Videos nicht. Selbst wenn man eine Stellung der Beklagten als Anbieterin verneinen würde, dann würde sie jedenfalls eine Haftung als Gehilfin treffen.

3. Es handelt sich bei den beiden Videos auch um Werbung für öffentlich angebotene Vermögensanlagen im Sinne von § 12 Abs. 2 VermAnlG. Die Regelungen in § 12 VermAnlG sollen einen wirksamen Anlegerschutz gewährleisten. Vor diesem Hintergrund ist der Begriff der Werbung weit zu verstehen und umfasst jede Äußerung, die mit dem Ziel erfolgt, den Absatz der Vermögensanlagen zu fördern (RegE Kleinanlegerschutzgesetz, BT-Drucks. 18/3994, S 45; Assmann a.a.O. § 12, Rz. 5). Die Werbung muss daher nicht selbst ein konkretes öffentliches Angebot für Vermögensanlagen enthalten, um die Pflichten nach § 12 Abs. 2 VermAnlG auszulösen. Sie muss sich lediglich auf ein solches Angebot beziehen. Wie der Vergleich mit § 12 Abs. 1 VermAnlG zeigt, ist dabei gerade nicht erforderlich, dass die Werbung die wesentlichen Merkmale der Vermögensanlage enthält (vgl. LG Hamburg, Urteil v. 4.12.2018 – 406 HKO 74/18, Anlage K 4; Assmann a.a.O. § 12 Rz. 17).

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei den Werbevideos auch nicht um allgemeine Imagewerbung für die Tätigkeit der Beklagten. Denn bei den Videos ist ein hinreichender Bezug zu den von ihr vermittelten Vermögensanlagen gegeben. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass sie nur Nachrangdarlehen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 VermAnlG und Kreditforderungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 7 VermAnlG vermittelt. Darüber hinaus werden weitere Eckdaten (Online-Investition in Immobilien, Volumen ab EUR 500,00, jährliche Rendite bis 6%) in den Videos genannt. Weitere Einzelheiten sind für die Auslösung der Hinweispflicht nach § 12 Abs. 2 VermAnlG nicht erforderlich.

4. Der nach § 12 Abs. 2 VermAnlG erforderliche Warnhinweis wurde in den angegriffenen Werbevideos nicht deutlich hervorgehoben. Hierfür muss er während der gesamten Dauer des Videos für den Zuschauer deutlich erkennbar sein (Bußalb/Schermuly, WM 2016, 2005, 2008). Der Hinweis ist in den Videos jedoch nur für rund zwei Sekunden sichtbar und überdies in einer zu kleinen Schrift verfasst.

5. Die durch den Verstoß geschaffene Wiederholungsgefahr ist durch die strafbewehrte Unterlassungserklärung (Anlage K 3b) nicht entfallen. Denn angesichts des vorliegenden Verstoßes genügte eine Strafbewehrung von EUR 2.000,00 nicht. Zudem ist die Erklärung insoweit ungenügend, als sie sich lediglich auf die Dauer des Hinweises, nicht jedoch auf die Größe bezieht."

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LG Hamburg: Bezeichnung "Deutsche Stimmklinik“ für eine Arztpraxis ohne Betten irreführend - Kooperationsvertrag mit Krankenhaus reicht nicht

LG Hamburg
Urteil vom 15.11.2019
315 O 472/18


Das LG Hamburg hat entschieden, dass die Bezeichnung "Deutsche Stimmklinik“ für eine Arztpraxis ohne Betten irreführend ist. Verbraucher gehen bei der Verwendung des Begriffs "Klinik" davon aus, dass es sich um ein Krankenhaus oder die Abteilung eines Krankenhauses mit Betten für eine stationäre Versorgung über Nacht handelt. Ein Kooperationsvertrag der Arztpraxis mit einem Krankenhaus genügt nicht. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


LG Hamburg: Grundpreis muss nicht in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis angegeben werden - Europarechtskonforme Auslegung von § 2 Abs. 1 PAngV im Sinne der EU-Preisangabenrichtlinie

LG Hamburg
Urteil vom 20.08.2019
406 HKO 106/19

Das LG Hamburg hat entschieden, dass der Grundpreis nicht in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis angegeben werden muss. Dies folgt - so das Gericht - aus der gebotenen europarechtskonformen Auslegung von § 2 Abs. 1 PAngV im Sinne der EU-Preisangabenrichtlinie.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der zulässige Widerspruch ist begründet. Die einstweilige Verfügung erweist sich unter Berücksichtigung des Parteivorbringens im Widerspruchsverfahren im Umfang des Widerspruchs als zu Unrecht ergangen, weil bei europarechtskonformer Auslegung des § 2 Abs. 1 der Preisangabenverordnung abweichend von dessen Wortlaut eine Angabe des Grundpreises in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises nicht erforderlich ist.

Wie auch von Antragstellerseite zu Recht nicht in Zweifel gezogen wird, dürfen die Vorschriften der Preisangabenverordnung wegen der Vollharmonisierung dieses Rechtsgebietes keine strengeren Anforderungen stellen als die maßgeblichen Normen des Europarechtes. Hinsichtlich des Grundpreises heißt es hierzu in Art. 4 Abs. 1 der EU-Preisangabenrichtlinie: „Der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit müssen unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein.“ Entgegen der Auffassung des Antragstellers setzt dies nicht notwendig voraus, dass der Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises angegeben wird. Dem Wortlaut der Norm nach ist eine unmissverständliche, klar erkennbare und gut lesbare Angabe des Grundpreises auch an anderer Stelle als in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises möglich.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ergibt sich auch nicht aus Art. 6 der Erwägungsgründe der Richtlinie ein Anhaltspunkt dafür, dass die vorgenannte Regelung eine Grundpreisangabe in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises erfordert. Nach dem 6. Erwägungsgrund trägt die Verpflichtung, den Verkaufspreis und den Preis je Maßeinheit anzugeben, merklich zur Verbesserung der Verbraucherinformation bei, da sie den Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten biete, die Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen und somit anhand einfacher Vergleiche fundierte Entscheidungen zu treffen. Dieser Erwägungsgrund spricht im Gegenteil dafür, dass bereits die Regelung der Grundpreisangabe in Art. 4 Abs. 1 optimale Möglichkeiten zum Preisvergleich biete, ohne dass es zusätzlicher, im Wortlaut der Norm nicht enthaltener Anforderungen bedürfe. Soweit der Antragsteller geltend macht, Grundpreis und Gesamtpreis müssten auf einen Blick wahrnehmbar sein, weil nicht ersichtlich sei, wie ein optimaler Preisvergleich möglich sein solle, wenn nicht beide Preise von dem Verbraucher auf einen Blick wahrgenommen werden können, verkennt der Antragsteller, dass Gegenstand des Preisvergleiches nicht Grundpreis und Gesamtpreis sind, sondern die Grundpreise verschiedener Artikel. Damit lässt sich kein Anhaltspunkt dafür feststellen, dass die EU-Preisangabenrichtlinie über ihren Wortlaut hinaus eine Grundpreisangabe in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises gefordert hätte. Vielmehr geht die Richtlinie davon aus, dass optimale Möglichkeiten des Preisvergleiches auf einfachste Weise bereits dann bestehen, wenn der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sind. Dies entspricht auch den Tatsachen. Wenn die Grundpreisangabe unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar ist, bietet sie dem Verbraucher tatsächlich optimale Möglichkeiten des Preisvergleiches. § 2 Abs. 1 der Preisangabenverordnung ist daher europarechtskonform dahin auszulegen, dass es ausreicht, wenn der Grundpreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar angegeben wird, auch wenn dies nicht in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises erfolgt.


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LG Hamburg: Instagram-Posts über selbst gekaufte Produkte nicht immer eine geschäftliche Handlung - Nur 5000 Follower Indiz gegen Schleichwerbung

LG Hamburg
Urteil vom 31.01.2019
312 O 341/18


Das LG Hamburg hat entschieden, dass Instagram-Posts über selbst gekauften Produkte nicht immer eine geschäftliche Handlung darstellen und als Werbung zu kennzeichnen sind. Das Gericht führt aus, dass die im vorliegenden Fall geringe Followerzahl von ca. 5000 gegen eine unzulässige Schleichwerbung sprechen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Jedoch steht der Antragstellerin kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1, 5a Abs. 6 UWG ebenso wenig wie aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3a UWG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG zu.

Die Antragsgegnerin verstößt mit den streitgegenständlichen Postings nicht gegen eine Kennzeichnungspflicht nach § 5a Abs. 6 UWG. Es mangelt schon an einer hierfür erforderlichen geschäftlichen Handlung.

Unlauter handelt nach § 5a Abs. 6 UWG, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UWG jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.

Der geltend gemachte Verfügungsanspruch setzt danach zunächst das Vorliegen einer „geschäftlichen Handlung“ im Sinne des UWG voraus. Dies erfordert, dass die streitgegenständlichen Postings der Antragsgegnerin nicht privater Natur, sondern Werbung im geschäftlichen Sinne sind. Erforderlich dafür ist im Grundsatz ein Tätigwerden aufgrund eines entgeltlichen Vertrages oder jedenfalls in der Erwartung eines Entgelts oder einer Gegenleistung. Diese Voraussetzung hat die Antragstellerin im Ergebnis nicht glaubhaft gemacht.

Die Schwierigkeit des Nachweises einer geschäftlichen Handlung im Bereich des „Influencings“ liegt gerade darin, dass der entgeltlich-werbende und damit geschäftliche Charakter von Werbung auf Instagram oft wesensmäßig verschleiert wird, um durch eine privat erscheinende Präsentation der Postings glaubhafter zu erscheinen und größeres Interesse zu erwecken, als erkennbare „echte“ Werbung der Unternehmen selbst. Andererseits ist jedoch auch der Grundsatz der Meinungsfreiheit zu beachten, der es Privaten auch erlaubt, sich zu wirtschaftlichen Fragen und auch zu Unternehmen und Produkten zu äußern und in dem Zusammenhang ebenso negative wie positive Empfehlungen auszusprechen (BGH Urt. vom 20.03.1986 – I ZR 13/8 – Gastrokritiker, WRP 1986, 547).

Demgemäß kommt es vor allem auf die Begleitumstände an, die indiziellen Charakter für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung haben können. Maßgeblich kommt es darauf an, ob entweder ein Entgelt bezahlt wurde (OLG Celle Urteil vom 08.06.2017 – 13 U 53/17, GRUR 2017, 1158) oder sonstige Vorteile, wie z.B. Rabatte oder Zugaben gewährt oder wenigstens in Aussicht gestellt wurden (KG Berlin, Beschluss vom 11. Oktober 2017 – 5 W 221/17, Rz. 10 – zitiert nach juris; Beschluss vom 17. Oktober 2017 – 5 W 233/17, Rz. 9 – zitiert nach juris). Daneben ist aber auch zu berücksichtigen, dass auch private Posts mit selbst gekauften Produkten dazu dienen können, Aufmerksamkeit bei potentiellen Werbekunden zu erzeugen und den Marktwert für zukünftige Werbeaktionen zu steigern. Damit kann zumindest auch das eigene gewerbliche Handeln gefördert werden. (vgl. LG Heilbronn, Urteil vom 08.05.2018 – 21 O 14/18, Rz. 48ff – zitiert nach juris). Ein Indiz kann ferner sein, dass die betroffene Person eine „Influencerin“ mit einer hohen Followerzahl ist. Hieraus kann sich ein grundsätzliches Bestreben ergeben, andere Nutzer zum Kauf von Produkten zu animieren und damit selbst Geld zu verdienen oder geldliche Vorteile zu ziehen (vgl. LG Osnabrück Urteil v. 12.06.2018 – 14 O 135/18, Rz. 42 ff.). Auch die Verlinkung bei einer Vielzahl von Produkten auf die jeweilige Unternehmerseite kann ein Indiz für eine geschäftliche Handlung sein (LG Berlin, Urteil v. 24. Mai 2018, Az. 52 O 101/18, zitiert nach Anl. Ast. 8, Abs. 19; KG, Beschluss v. 11.10.2017, Az. 5 W 221/17, zitiert nach juris, Abs.11).

Unter Berücksichtigung des Vorgesagten ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin mit ihren Produktpräsentationen mehr als nur eine private Meinung kundtun wollte. Für eine geschäftliche Handlung spricht vor allem, dass bei zahlreichen Produkten eine Verlinkung auf die Seite des jeweiligen Unternehmens angebracht ist. Ebenfalls spricht für eine solche geschäftliche Handlung, dass einige wenige Produkte auch bei der Influencerin Frau D. identisch präsentiert und dort als Werbung gekennzeichnet sind. Insoweit hat die Antragstellern allerdings keinen Vortrag dazu gehalten, in welchem Verhältnis Frau D. zu den Unternehmen der vorgestellten Produkte steht und ob sie etwa ein Entgelt für die Präsentation der Produkte erzielt.

Demgegenüber hat die Antragsgegnerin an Eides statt u.a. versichert, dass sie weder auf ihrem Instagram-Account, noch in sonstigen Medien gegen Entgelt als Werbende für irgendwelche Unternehmen oder Produkte auftritt, dass sie nicht geschäftlich oder mit Gewinnerzielungsabsicht tätig ist und noch nie Geld, Rabatte oder sonstige Gegenleistungen von einem Unternehmen erhalten hat. Weiter hat die an Eides statt versichert, alle Kleidungsstücke, Accessoires, Reisen, Hotelaufenthalte, Restaurant- und Barbesuche selbst finanziert oder von ihren Eltern bezahlt bekommen zu haben. Glaubhaft gemacht ist Letzteres durch eine große Anzahl von Rechnungen (Anl. AG 5), die belegen, dass die Antragsgegnerin nachweislich einen großen Teil der präsentierten Produkte entgeltlich erworben hat. Dies gilt auch in Ansehung des Vortrags zu dem Veranstalter „T. B. C.“ und den hierzu vorgelegten Anl. Ast 10 bis 13. Die Kammer sieht den Vortrag der Antragstellerin als richtig unterstellt, selbst dann keinen Widerspruch zu Ziff. 4 der eidesstattlichen Versicherung, wenn der Antragsgegnerin die vorgestellte Jacke für die Dauer der Aufnahmen unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. In der eidesstattlichen Versicherung vom 3. November 2018 hat die Antragsgegnerin insoweit angegeben, alle ihre Kleidungsstücke und Accessoires, die sie auf den Bildern auf Instagram trage, selbst bezahlt oder als Geschenk von ihren Eltern erhalten zu haben. Nichts davon sei ihr von einem Unternehmen unentgeltlich oder vergünstigt als Gegenleistung für einen Post überlassen worden. Richtig ist zwar im Ausgangspunkt, dass nach dem Vortrag der Antragstellerin die Jacke der Antragsgegnerin für die Dauer der Aufnahmen unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde und damit der erste Teil von Ziff. 4 der eidesstattlichen Versicherung bei rein grammatikalischer Betrachtungsweise falsch ist. Die Kammer versteht allerdings die Angaben im Zusammenhang mit dem zweiten Teil der Ziff. 4 so, dass die Antragsgegnerin keinerlei Vorteile durch die Unternehmen für die Veröffentlichung der Aufnahmen auf Instagram erhalten hat. Von einem solchen Vorteil kann nach Auffassung der Kammer nur dann die Rede sein, wenn ihr die Jacke über die Dauer der Aufnahmen hinaus unentgeltlich oder vergünstigt überlassen worden wäre. Für eine solche Annahme bestehen jedoch keine Anhaltspunkte.

Schließlich streitet auch der Umstand für die Antragsgegnerin, dass sie verglichen mit anderen Profilen mit ca. 5.000 relativ wenige „Follower“ hat. In den bereits zitierten Fällen des Landgerichts Heilbronn und des Landgerichts Osnabrück waren es 100.000 bzw. 60.000.

Auch in der zitierten Entscheidung des Landgerichts Berlin (Urteil vom 24.05.2018 – 52 O 101/18) lag der Fall deutlich anders. Die dortige Antragsgegnerin hatte mehr als 50.000 Follower und hat sich zudem dahingehend geäußert, dass das Einzige, was man auf ihrem Blog nicht sehe, private Bereiche seien, die sie nicht ins Internet tragen möchte. Außerdem beschäftigte die Antragsgegnerin eine Projektmanagerin und verfügte über eine Geschäftsanschrift in den Räumen einer Werbeagentur. Über dies alles verfügt die Antragsgegnerin nicht, so dass letztlich lediglich die Verlinkung als Anhaltspunkt für eine geschäftliche Handlung verbleibt, was nach dem soeben Gesagten nicht ausreicht.

Ein geschäftliches Handeln der Antragsgegnerin ist nach allem nicht glaubhaft gemacht. Aus diesem Grunde scheitern auch etwaige Ansprüche aus § 5a Abs. 6 UWG oder §§ 8, 3, 3a UWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG."


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LG Hamburg: Auch wahre geschäftsschädigende Tatsachen dürfen nach § 4 Nr. 1 UWG von Mitbewerber nur sehr zurückhaltend geäußert

LG Hamburg
Urteil vom 09.07.2019
406 HKO 22/19

Das LG Hamburg hat entschieden, dass auch wahre geschäftsschädigende Tatsachen nach § 4 Nr. 1 UWG von einem Mitbewerber nur sehr zurückhaltend geäußert werden dürfen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zu I.1. und I.3. streitigen Äußerungen sind nach § 4 Nr. 1 und 2 UWG unlauter. Nach diesen Vorschriften sind geschäftsschädigende Äußerungen über Mitbewerber unlauter, wenn sie die geschäftlichen Verhältnisse des Mitbewerbers herabsetzen oder verunglimpfen (§ 4 Nr. 1 UWG) oder wenn sie Tatsachenbehauptungen enthalten, die nicht erweislich wahr sind (§ 4 Nr. 2 UWG). Nach § 4 Nr. 2 UWG trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Wahrheit geschäftsschädigender Tatsachenbehauptungen über Mitbewerber den Äußernden. Dies gilt auch bei Äußerungen über geschäftsinterne Vorgänge des Mitbewerbers. Eine sekundäre Behauptungslast des betroffenen Mitbewerbers kommt hier allenfalls unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht. Geschäftsschädigende Tatsachenbehauptungen über interne Vorgänge der Konkurrenz führen nicht dazu, dass der betroffene Konkurrent zur Wahrung seiner Rechte interne Vorgänge offenlegen müsste. Dies kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Äußernde bereits in erheblichem Umfang Tatsachen dargelegt und nachgewiesen hat, die die Richtigkeit seiner Behauptungen stützen.

Auch wahre geschäftsschädigende Tatsachen dürfen nach § 4 Nr. 1 UWG im Wettbewerb nur sehr zurückhaltend geäußert werden. Zulässig sind wahre, aber geschäftsschädigende Tatsachenbehauptungen nur, soweit ein sachlich berechtigtes Informationsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise besteht. Außerdem muss der Wettbewerber einen hinreichenden Anlass haben, den eigenen Wettbewerb mit der Herabsetzung des Mitbewerbers zu verbinden. Schließlich muss sich die Kritik nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen halten. Die Grundrechte aus Art. 5 Grundgesetz unterliegen daher nach § 4 Nr. 1 UWG insofern einer Einschränkung, als auch wahre geschäftsschädigende Tatsachen über die Konkurrenz nur bei gegebenem Anlass und in einer inhaltlich zurückhaltenden Art und Weise verbreitet werden dürfen.

Die hier streitigen Äußerungen sind im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb des von Beklagtenseite angebotenen Qualitätssiegels getätigt worden. Die Äußerungen dienen ausschließlich der Förderung der Verbreitung des von Beklagtenseite angebotenen Qualitätssiegels durch Beeinträchtigung des Absatzes des von Klägerseite angebotenen Qualitätssiegels. Der Beklagte fördert mit diesen Äußerungen sowohl die Verbreitung des von ihm angebotenen Qualitätssiegels, wobei es auf eine Gewinnerzielungsabsicht nicht ankommt, als auch den Wettbewerb seiner Kunden, die mit dem Qualitätssiegel versehene Mineralwässer anbieten.

Die zu I.1. streitige Äußerung, das von Klägerseite vergebene Qualitätssiegel sei ein „Schein-Bio-Siegel“, enthält zunächst einen tatsächlichen Kern, indem dort behauptet wird, das Qualitätssiegel der Klägerin sei kein echtes Qualitätssiegel für eine Bio-Qualität von Mineralwasser. Diese Äußerung wird von vielen Lesern dahingehend verstanden, das Qualitätssiegel der Klägerin sei in keiner Weise an die Voraussetzungen für ein Bio-Mineralwasser geknüpft, es sei insofern nicht nur ein minderwertiges Qualitätssiegel, sondern der Sache nach letztlich gar kein Qualitätssiegel, also ein Scheinsiegel. Damit enthält die Äußerung im Kern eine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung, dass nämlich das Qualitätssiegel der Klägerin die Anforderungen für eine Bio-Qualität in keinerlei Weise erfülle. In diesem Sinne wird die streitige Äußerung jedenfalls von nicht unbeträchtlichen Teilen der angesprochenen Leser verstanden werden.

Der Beklagte hat bereits nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die Vergabe des Qualitätssiegels der Klägerin in keiner Weise an die für eine Bio-Qualität relevanten Kriterien geknüpft ist.

Der Verkehr erwartet von einem Bio-Mineralwasser, dass es die Reinheitserfordernisse von „normalem“ Mineralwasser übertrifft. Eine völlige Reinheit wird der Verkehr in diesem Zusammenhang allerdings nicht erwarten. Denn er hat Erfahrungswissen dahin gebildet, dass nahezu überall Schadstoffe anzutreffen sind und dies selbst für solche Lebensmittel gilt, die die Reinheitsbezeichnung „natürlich“ oder „Bio“ tragen. Mit dem Begriff „Bio“ verbindet ein erheblicher Teil des Verkehrs jedoch die Erwartung, dass das so bezeichnete Produkt weitestgehend frei von Rückständen und Schadstoffen ist und nur unvermeidbare Geringstmengen deutlich unterhalb der rechtlich zulässigen Grenzwerte enthält. Der Verkehr erwartet danach von einem als „Bio-Mineralwasser“ bezeichneten Mineralwasser, dass es nicht nur unbehandelt und frei von Zusatzstoffen ist, sondern im Hinblick auf das Vorhandensein von Rückständen und Schadstoffen auch deutlich reiner ist als herkömmliches Mineralwasser (BGH, Urteil v. 13.09.2012, I ZR 230/11 - Bio-Mineralwasser).

Bezüglich dieser Verkehrserwartung weisen die Anforderungen des Qualitätssiegels zwar eine Reihe von Defiziten auf, wie zu I.2. noch weiter auszuführen ist. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass das Qualitätssiegel der Klägerin die Anforderungen an eine Bio-Qualität in keiner Weise erfüllt und daher der Sache nach als ein Scheinsiegel bezeichnet werden könnte. Derartiges ist von Beklagtenseite nicht ansatzweise dargelegt worden. Die Klägerin hat vielmehr unwiderlegt vorgetragen, dass die Qualitätsanforderungen ihres Siegels die Reinheitsanforderungen an herkömmliches Mineralwasser in einer ganzen Reihe von Punkten deutlich übersteigen. Selbst wenn man entgegen dem oben ausgeführten diesbezüglich von einer sekundären Behauptungslast der Klägerin ausgehen wollte, wäre diese vorliegend erfüllt. Der Begriff „Schein-Bio-Siegel“ beinhaltet zudem über die unzutreffende Tatsachenbehauptung hinaus eine unnötige Abwertung und Herabsetzung des Qualitätssiegels der Klägerin. Selbst wenn das Qualitätssiegel in keiner Weise strengere Qualitätskriterien als bei herkömmlichem Mineralwasser vorsehen würde, wäre dies in einer zurückhaltenderen Art und Weise zu kommunizieren als durch Verwendung des an Täuschung und Betrug erinnernden Begriffes „Schein“.

Die zu I.2. streitige Äußerung ist sachlich zutreffend, weil das Qualitätssiegel der Klägerin in der Tat eine Reihe von Defiziten aufweist, die in klarem Widerspruch zu den Anforderungen der BGH-Entscheidung „Bio-Mineralwasser“ aus dem Jahr 2012 und zu Verbrauchererwartungen stehen.

Bei einer Reihe von Schadstoffen, nämlich den Pestiziden, sind die Anforderungen des Qualitätssiegels der Klägerin nicht strenger als die gesetzlichen Anforderungen an Mineralwasser. Daran ändert sich jedenfalls für die einzelnen Schadstoffe auch nichts dadurch, wenn das Qualitätssiegel der Klägerin eine Obergrenze für die Summe an Pestiziden vorsieht, wie dies die Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung behauptet hat. Auf die Rechtzeitigkeit dieser Behauptung kommt es daher nicht an.

Der Grenzwert für Nitrat ist bei dem Qualitätssiegel der Klägerin doppelt so hoch wie der Grenzwert bei dem Beklagten, so dass das Qualitätssiegel der Klägerin bei Nitrat nicht lediglich die unvermeidbare Restmenge dieses Schadstoffes zulässt. Hinsichtlich Chrom VI sieht das Qualitätssiegel der Klägerin keine Beschränkung vor. Auch schließt es eine radioaktive Bestrahlung des Mineralwassers nicht aus und widerspricht damit der Verkehrserwartung, dass Bio-Mineralwasser unbehandelt ist. In diesem Zusammenhang kommt es ausschließlich auf die Qualitätsanforderungen des von Klägerseite vergebenen Siegels an und nicht darauf, ob mit diesem Siegel versehene Produkte tatsächlich radioaktiv bestrahlt worden sind. Die Qualitätskriterien des Siegels der Klägerseite schließen dies jedenfalls nicht aus und verbürgen daher nicht die Verkehrserwartung an Bio-Mineralwasser als ein unbehandeltes Mineralwasser. In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht darauf an, ob eine etwaige Bestrahlung des Mineralwassers gesundheitlich bedenklich ist.

Entsprechendes gilt für den durch das Qualitätssiegel der Klägerin nicht ausgeschlossenen Zusatz von Industriekohlensäure. Das Qualitätssiegel der Klägerin verbürgt damit nicht die Verkehrserwartung an ein Bio-Mineralwasser als ein von Zusatzstoffen freies Mineralwasser, ohne dass es auf gesundheitliche Vor- oder Nachteile des Zusatzes nicht natürlich hergestellter Kohlensäure ankäme.

Insgesamt weist das Qualitätssiegel der Klägerin daher gleich in mehreren Punkten (nur unvermeidbare Schadstoffe, unbehandelt und frei von Zusatzstoffen) Defizite auf. Die zu I.2. streitige Äußerung ist daher sachlich zutreffend.

Die zu I.2. streitige Äußerung weist jedenfalls unter Berücksichtigung des Grundrechtes der Meinungsfreiheit auch keine unzulässig herabsetzenden Formulierungen auf. Es handelt sich vielmehr um eine sachlich formulierte und sachlich begründete Kritik an dem Qualitätssiegel der Klägerin, die diese auch im Wettbewerb hinnehmen muss.

Dies gilt jedoch nicht für die zu I.3. streitige Äußerung, die Klägerin passe „die Zertifizierung und ihren Umfang den Anforderungen des jeweiligen Kunden individuell an. Damit werden mögliche Verstöße und sich daraus ergebende Konsequenzen, wie etwa eine Aberkennung des Siegels, praktisch ausgeschlossen.“ Dass eine gewisse Anpassung der Zertifizierung an die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Kundenproduktes erfolgt, ist zwar dargelegt. Dass dies in sachlicher Hinsicht die uneingeschränkte Behauptung rechtfertigt, die Klägerin passe die Zertifizierung und ihren Umfang den Anforderungen des jeweiligen Kunden individuell an, erscheint dabei jedoch bereits als zweifelhaft. Denn dies erweckt den Eindruck, dass die Zertifizierung uneingeschränkt, also ohne Rücksicht auf die Qualitätskriterien für Bio-Mineralwasser, in der dem Kunden jeweils genehmen Art und Weise individuell angepasst wird, was von Beklagtenseite bereits nicht substantiiert dargelegt ist. Darauf kommt es aber letztlich nicht an, denn jedenfalls durch den zweiten Satz der hier streitigen Äußerung enthält diese einen Aussagegehalt, dessen Richtigkeit von Beklagtenseite in keiner Weise dargelegt und unter Beweis gestellt worden ist. Die Behauptung, dass damit mögliche Verstöße und sich daraus ergebende Konsequenzen, wie etwa eine Aberkennung des Siegels, praktisch ausgeschlossen würden, suggeriert dem Leser, dass auch grob verunreinigte Mineralwässer von Klägerseite problemlos zertifiziert werden. Dass dies zutreffend ist, hat der Beklagte nicht substantiiert dargelegt, und zwar auch nicht in einem eine sekundäre Behauptungslast auslösenden Umfang.

Die zu I.1. und I.3. streitigen Äußerungen sind daher von Beklagtenseite nach §§ 3, 4 Nr. 1 und 2, 8 UWG zu unterlassen. Die zu I.1. und I.3 streitigen Äußerungen sind sowohl für sich genommen als auch in dem konkreten Zusammenhang der Pressemitteilungen gemäß Anlagen A und B unlauter. Die Pressemitteilungen enthalten keine Relativierungen der streitigen Äußerungen zu I.1. und I.3., die zur Zulässigkeit der Äußerungen in dem konkreten Zusammenhang führen und einem Wettbewerbsverstoß daher entgegenstehen würden. Auch gewinnen die Äußerungen ihre Unzulässigkeit nicht erst durch den weiteren Inhalt der streitigen Pressemitteilungen. Sie sind vielmehr auch bei isolierter Verwendung unlauter. Daher richtet sich der Unterlassungsanspruch der Klägerin unter Berücksichtigung des Gebotes effektivem Rechtsschutzes über die konkrete Verletzungsform hinaus auch auf die Äußerung der streitigen Behauptungen in anderem Zusammenhang.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




LG Hamburg: Hinweis "Sponsored Content" genügt nicht um Influencer-Werbung in Online-Magazin als Werbung zu kennzeichnen

LG Hamburg
Urteil vom 21.12.2018
315 O 257/17


Das LG Hamburg hat entschieden, dass der Hinweis "Sponsored Conten" nicht genügt, um Influencer-Werbung in einem Online-Magazin als Werbung zu kennzeichnen.

Aus den Entscheidungsgründen:

2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus den §§ 8, 3, 5 a Abs. 6 UWG zu. Nach dieser gesetzlichen Regelung handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

a) Ein Nichtkenntlichmachen im Sinne der Regelung liegt vor, wenn das äußere Erscheinungsbild der geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass der Verbraucher ihren kommerziellen Zweck nicht klar und eindeutig erkennen kann. Maßgeblich ist insoweit die Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers oder des durchschnittlichen Mitglieds der angesprochenen Verbrauchergruppe (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. § 5 a UWG, Rdnr. 7.24).

Im Streitfall geht es um die Fallgruppe des sog. Influencer-Marketing im Internet. Dabei handelt es sich in der Regel um bekannte und beliebte Personen, die sich dafür bezahlen lassen, dass sie im Zusammenhang mit einem bestimmten Produkt abgebildet werden. Grundsätzlich handelt es sich insoweit um eine Erscheinungsform der Schleichwerbung durch Produktplatzierung. Sie verstößt dann gegen die gesetzliche Norm, wenn kein unmissverständlicher, sofort erkennbarer Hinweis auf den werblichen Charakter der Darstellung erfolgt. Ein lediglich versteckter Hinweis, etwa mit dem Hashtag #ad innerhalb oder am Ende eines Beitrags, genügt dafür nicht (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. § 5 a UWG, Rdnr. 7.80a mit weiteren Nachweisen).

b) Im Streitfall enthält die streitgegenständliche Werbung nicht den geforderten unmissverständlichen Hinweis auf den werblichen Charakter der Darstellung.

aa) Dass es sich im Streitfall um werbliche Anzeigen handelt, ist zwischen den Parteien unstreitig.

bb) Der werbliche Charakter der streitgegenständlichen Darstellungen in der Zeitschrift „x.“, und zwar der Darstellungen Anlage K 1, Seiten 8 und 9, wird aus dem Kontext des Beitrages nicht hinreichend deutlich. Es werden unter der Überschrift „Die cleversten #CAR-TRICKS“ für Mädels“ Produkte bzw. Dienstleistungen vorgestellt, unter anderem die kommerzielle App Find my car sowie das intelligente Multimediasystem „perfectmusic“. Der Artikel liest sich wie ein redaktioneller Beitrag; er ist eine Mischung aus kostenlosen Tipps und kommerziellen Angeboten, die von einer guten Freundin stammen könnten. Von dieser erwartet man gerade aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise allerdings nicht, dass sie von Dritten für ihre guten Ratschläge bezahlt wird.

cc) Auch der Hinweis „Sponsored Content“ verdeutlicht den kommerziellen Werbecharakter des Beitrages nicht hinreichend. Der Begriff bedeutet übersetzt „unterstützter Inhalt“ und macht nicht hinreichend deutlich, dass es sich bei diesem redaktionellen Beitrag um eine kommerzielle Werbeanzeige handelt. Der Begriff des Sponsors wird in der Alltagssprache eher mit einer auch uneigennützigen Unterstützung eines Projekts verbunden. Bekannt ist der Begriff aus dem Sport; so ist der Trikotsponsor jemand, der ein Sportprojekt oder eine Mannschaft unterstützt und dafür als Gegenwert eine Werbemöglichkeit erhält, beispielsweise auf dem Trikot einer Mannschaft. Dabei überwiegt in der Regel der unterstützende Anteil; der Sponsor erhofft sich durch seine Zahlung eine Beteiligung am guten Image der unterstützten Mannschaft. Ein gekaufter redaktioneller Werbebeitrag unterfällt nicht dem Begriff des „Sponsoring“. Dies kann die Kammer auch aus eigener Kompetenz beurteilen. Sie gehört zwar nicht zur Zielgruppe der jungen Frauen im Alter von 18 bis 24 Jahren; allerdings handelt es sich hier um das Verständnis eines sprachlichen Begriffs, den die Mitglieder der Kammer aus ihrem Sprachverständnis beurteilen und bewerten können.

Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe mit zwei Befragerinnen 111 Frauen zur Bedeutung des Begriffs „Sponsored Content“ interviewt, ist dies ohne hinreichende Aussagekraft und kann die obige Bewertung nicht erschüttern. Dies liegt schon an der Art der Befragung, denn die befragten Personen sind von vornherein mit einer geschlossenen Frage konfrontiert worden. Bei den möglichen vorgegebenen Antworten

A) Es ist ein ganz normaler Artikel
B) Es handelt sich um einen mit Werbung finanzierten Beitrag
C) Ich weiß es nicht

verwundert es den Leser, dass sich nicht 100 % der befragten Personen für die Antwort B) entscheiden, denn Antwort A) scheidet von vornherein aus, da normale Artikel bekanntermaßen nicht mit „Sponsored Content“ überschrieben werden. Jedenfalls veranlasst die von der Beklagten vorgenommene Befragung die Kammer nicht zur Durchführung einer sachverständigen Verkehrsbefragung.

Nach Auffassung der Kammer ist die Aussage „Sponsored Content“ nicht hinreichend deutlich und aussagekräftig; die Aussage soll vielmehr dazu dienen, den Werbecharakter des redaktionellen Beitrags zu verschleiern. Erforderlich ist die Kennzeichnung mit einem deutlich herausgestellten Begriff wie „Anzeige“.

3. Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten folgt aus § 12 Abs. 1 UWG.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: