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LG Landshut: Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO setzt eine nicht nur unbedeutende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus

LG Landshut
Urteil vom 06.11.2020
51 O 513/20


Das LG Landshut hat entschieden, dass ein Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO eine nicht nur unbedeutende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraussetzt.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) kein Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu.

1. Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

Die Nennung der Wohnung des Klägers sowie die Nennung des Namens des Klägers als Eigentümer der Wohnung und auch die Nennung des KBE-Wertes stellen keinen Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO dar. Die Nennung erfolgte sowohl bei der Übersendung der Tagesordnung als auch in der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung durch die Beklagte zu 1) als Verwalterin ausschließlich gegenüber den weiteren Wohnungseigentümern der streitgegenständlichen Wohnungseigentümergemeinschaft. Es ist zwar nicht zutreffend, dass innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft die Datenschutzvorschriften nicht zur Anwendung kämen. Die Beklagte ist jedoch als Hausverwaltung vertraglich gegenüber den Eigentümern und der Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet, den gesetzlichen und vertraglichen Pflichten einer Hausverwaltung nachzukommen. Andere Wohnungseigentümer haben nach §§ 13, 14 WEG einen Anspruch darauf zu erfahren, in welchen Wohnungen eine Legionellenprüfung vorgenommen wird oder wurde und auch, ob es insoweit einen Legionellenbefall und in welchem Umfang gegeben hat oder nicht. Insoweit ist zunächst die Nennung der Wohnung und auch die Nennung der Prüfungsergebnisse zulässig. Die Nennung war hier sowohl in der Tagesordnung als auch in der Eigentümerversammlung als Grundlage für die „Aussprache und Beschlussfassung über weitergehende Maßnahmen zum Legionellenbefall und deren Finanzierung“ erforderlich und unabdingbar. Ohne Nennung der Zahl der Wohnungen, der konkreten Lage der jeweiligen Wohnung und des konkreten Befalls wäre eine Beurteilung und entsprechende Entscheidung in der Eigentümerversammlung nicht möglich gewesen. Nach Auffassung des Gerichts war hier auch die Nennung des Eigentümers aus den genannten Gründen zulässig. Im Hinblick auf die Finanzierung und im Hinblick auf weitergehende Maßnahmen war auch die Nennung der betroffenen Eigentümer erforderlich, gegebenenfalls auch zur Prüfung von Ausgleichsansprüchen gegenüber anderen Eigentümern. Damit lagen die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 lit. b) und c) vor.

2. Schadensersatzansprüche sind jedenfalls der Höhe nach ausgeschlossen.

a) Materielle Schäden wurden vom Kläger weder substantiiert vorgetragen noch belegt. Soweit der Kläger behauptet, ein potentieller Käufer seiner Wohnung habe auf Grund der ihm aus den Reihen der informierten Eigentümer zugetragenen Information des Legionellenbefalls den Kauf abgesagt, nachdem er zunächst versucht habe, den Kaufpreis auf Grund des Legionellenbefalls zu reduzieren, stellt dies bereits nicht die Darlegung eines konkreten Schaden dar. Darüber hinaus scheidet hier ein Schaden bereits deshalb aus, weil der Kläger als Verkäufer einer Wohnung bei einem konkreten Legionellenbefall - wie vorliegend unstreitig gegeben - gegenüber dem Käufer seiner Wohnung aufklärungspflichtig wäre. Die durch Legionellen hervorgerufene Legionärskrankheit kann unbehandelt einen lebensgefährlichen Verlauf annehmen, ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht dabei insbesondere beim Duschen. Von daher wäre es zudem unverantwortlich, den Legionellenbefall in der Wohnanlage nicht insbesondere den Mietern bzw. auch potentiellen Käufern zu offenbaren. Da der Kläger damit selbst aufklärungspflichtig wäre, kann ihm durch die Weitergabe von Informationen darüber hinaus kein Schaden entstehen.

b) Auch ein Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens steht dem Kläger nicht zu. Art. 82 Abs. 1 DSGVO sieht zwar eine Erstattungspflicht für immaterielle Schäden vor. Diese Pflicht ist auch nicht nur auf schwere Schäden beschränkt. Allein die Verletzung des Datenschutzrechts als solche begründet allerdings nicht bereits für sich gesehen einen Schadensersatzanspruch für betroffene Personen. Die Verletzungshandlung muss in jedem Fall auch zu einer konkreten, nicht nur unbedeutenden oder empfundenen Verletzung von Persönlichkeitsrechten der betroffenen Person geführt haben (vgl. Landgericht Hamburg, Urteil vom 04.09.2020 -324 S 9/19- juris). Es ist zwar eine schwere Verletzung des Persönlcihkeitsrechts nicht (mehr) erforderlich. Andererseits ist auch weiterhin nicht für einen Bagatellverst0ß ohne ernsthafte Beeinträchtigung bzw. für jede bloß individuelle empfundene Unannehmlichkeit ein Schmerzensgeld zu gewähren; vielmehr muss dem Betroffenen ein spürbarer Nachteil entstanden sein und es muss um eine objektiv nachvollzeihbare, mit gewissem Gewicht erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gehen (Plath, Art. 82 DSGVO Rn. 4 c, d). Würde man hier einen Datenschutzverstoß durch den streitgegenständlichen Tagesordnungspunkt bejahen, läge hiernach den genannten Kriterien kein Fall vor, der die Zuerkennung des Schmerzensgeldes rechtfertigen könnte. Bei der Nennung von Art und Höhe des Befalls handelt es sich um objektive Umstände. Eine erhöhte Kolizahl im Trinkwasser beruht zumeist auf fehlender Wasserzirkulation und Wassertemperaturen im Bereich von 25 bis 50 Grad Celsius. Die Ursache liegt also nicht in der Person des Wohnungseigentümers oder Mieters, sondern in der Regel in der Warmwasseraufbereitung und den Rohrsystemen der Wohnungseigentümeranlage. Die Weitergabe dieser objektiven Befunde an die anderen Wohnungseigentümer ist damit nicht geeignet, den Ruf des Eigentümers zu schädigen oder diesen gar bloßzustellen. Zudem wäre den Eigentümern im Hinblick auf die Wohnungsnummer eine Zuordnung zum Eigentümer durch die Teilungserklärung sowieso möglich.

II. Dem Kläger stehen gegen die Beklagten auf Grund der Weitergabe der E-Mail-Adresse an den Beklagtenvertreter keine Ansprüche zu.

Es liegt kein Verstoß gegen Art. 82 Abs. 1 DSGVO vor. Die Beklagten haben in berechtigtem Interesse gehandelt. Der Kläger selbst hat wie sich aus dem Klagevortrag ergibt mit den Beklagten überwiegend per Email kommuniziert. Wie der Beklagtenvertreter zu Recht eingewandt hat, ist die E-Mail-Adresse des Klägers auch im Anwaltsportal zugänglich. Deshalb läge hier jedenfalls eine Bagatellverletzung vor, die nicht geeignet ist, Schadensersatzansprüche zu begründen.

Soweit der Kläger Ansprüche zudem auf die Sichtbarkeit der E-Mail-Adresse im Adressfeld des per Post übersandten Schreibens des Beklagtenvertreters stützt, sind hierfür nicht die Beklagten, sondern der Beklagtenvertreter verantwortlich, der vorliegend jedoch nicht in Anspruch genommen wurde.

III. Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 2) kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu.

1. Der Beklagte zu 2) ist als Datenschutzbeauftragter nicht „Verantwortlicher“ im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Verantwortlicher für Verarbeitung von personenbezogenen Daten im datenschutzrechtlichen Sinne war bezüglich der Versendung der Tagesordnung nur die Beklagte zu 1). Soweit klägerseites der Verstoß auch auf die Nennung in der Wohnungseigentümerversammlung gestützt wurde, war auch hier nicht der Beklagte zu 2), sondern die Beklagte zu 1) verantwortlich.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Landshut: Tabakwerbeverbot gilt auch für Webseite eines Tabakherstellers ohne Bestellmöglichkeit - Unternehmenswebseite als Dienst der Informationsgesellschaft

LG Landshut
Urteil vom 29.06.2015
72 O 3510/14


Das LG Landshut hat entschieden, dass das Tabakwerbeverbot auch für die Webseite eines Tabakherstellers gilt auch wenn die Webseite keine Bestellmöglichkeit bietet. Es liegt eine unzulässige Werbung vor, wenn die produzierten und vertriebenen Produkte auf der Webseite dargestellt werden.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die streitgegenständliche Abbildung verstößt gegen § 21 a Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 4 VTabakG.

Bei der streitgegenständliche Abbildung auf der Homepage der Beklagten handelt es sich um Werbung. Dabei ist es nicht erforderlich, direkt den Konsum eines bestimmten, bezeichneten Produkts zu bewerben. Der Begriff der Werbung in Art. 2 lit. b der Richtlinie 2003/33/EG, die durch § 21 a VTabakG umgesetzt ist, erfasst auch eine kommerzielle Kommunikation, die den Verkauf eines Tabakerzeugnisses indirekt fördert. Nach dem Beklagtenvortrag werden u.a. die produzierten und vertriebenen Produkte auf der Webseite dargestellt und Hinweise zu ihrer kor­rekten Anwendung sowie gesundheitlichen Risiken dargestellt. Damit ist mindestens von einer in­direkten Werbewirkung der Anzeige der Beklagten auszugehen, weil sich die Beklagte damit als ein professionelles und verantwortungsbewusstes Unternehmen darstellt. Die von der Anzeige angesprochenen Verkehrskreise werden eher geneigt sein, die Produkte eines solchen – problembewussten – Unternehmens zu kaufen als die eines Wettbewerbers, der sich um die Gefah­ren des Rauchens keine Gedanken macht. Der Nachweis einer konkreten Absatzsteigerung der Zigarettenmarken nach Veröffentlichung der streitgegenständlichen Anzeige ist nicht erforderlich. Für die Werbewirkung reicht vielmehr die Eignung zur Verkaufsförderung aus (BGH GRUR 2011, 631,632).

§ 21 a Abs. 3 S. 1 VTabakG verbietet die Werbung für Tabakerzeugnisse in der Presse oder einer anderen gedruckten Veröffentlichung. Gemäß Abs. 4 gilt dieses Verbot für die “Werbung für Ta­bakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft entsprechend”. § 21 a Abs. 1 Ziff. 3 VTabakG regelt, dass unter dem Begriff “Dienste der Informationsgesellschaft” Dienste der Infor­mationsgesellschaft im Sinne des Artikels 2 Buchstabe d der Richtlinie 2003/33/EG erfasst wer­den, der wiederum auf Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 98/34/EG verweist. Letztgenannte Vor­schrift definiert “Dienst” als “eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d.h. jede in der Re­gel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers er­brachte Dienstleistung”.

Die Homepage der Beklagten stellt einen “Dienst der Informationsgesellschaft” im Sinn des § 21 a Abs. 3 VTabakG dar. Es handelt sich um eine Internetseite, die zu Absatzförderungszwecken (Werbung) betrieben wird. Eine solche Darstellung wird vom Begriff der Veröffentlichung “in Diensten der Informationsgesellschaft” erfasst. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung ist damit gemeint Internet, soweit es zu wirtschaftlichen Zwecken genutzt wird, namentlich für Wer­bung, Datensuche und Datenabfrage sowie für Online-Verkäufe (Amtl. Begr. BT-Drucks. 16/1940 S. 7; vgl. auch Freytag/Dr. Rahnfelder, in Erbs/Kohlhaas, VTabakG, § 21 a Rz. 4, 10; vgl. auch OLG Hamburg, GRUR 2008,318,319 f.). Sinn und Zweck des § 21 a Abs. 4 V TabakG ist, durch das Verbot der Werbung tür Tabakerzeugnisse im Internet zu verhindern soll, dass das für ge­druckte Veröffentlichungen geltende Verbot auf Grund der Medienkonvergenz durch einen ver­stärkten Einsatz dieser Medien umgangen wird (OLG Hamburg, GRUR 2008, 318, 320). Damit ist der Internetauftritt der Beklagten von § 21 a Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 3 VTabakG als eingeschlos­sen zu betrachten. Der Argumentation der Beklagten ist entgegenzuhalten, dass auch bei einer Tabakwerbung auf beispielsweise Spiegel Online dem Nutzer gegenüber keine entgeltliche Dienstleistung im Fernabsatzweg erbracht wird. Dass eine entsprechende Werbung dem gesetz­lichen Verbot analog zum Verbot der Werbeanzeige in einer Printausgabe des Spiegel unterfällt, dürfte außer Frage stehen. Für eine Einschränkung auf Werbung, mit der der Nutzer bei Inan­spruchnahme einer anderen Leistung oder eines anderen Inhalts sachfremder Weise konfrontiert wird, lässt sich dem Gesetz nichts entnehmen. Das Argument der Beklagten, die erforderliche Vergleichbarkeit der Webseiteninhalte mit “anderen gedruckten Veröffentlichungen” i.S.d. § 21 a Abs. 3 S. 1 VTabakG sei vorliegend nicht festzustellen, verfängt nicht. Der nationale Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Erstreckung des Verbots auf das Medium Internet durch § 21 a Abs. 4 VTabakG ebenso wie der Richtliniengeber in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/33/EG davon abgese­hen, zulässige Internetwerbung für Tabakerzeugnisse differenziert zu regeln. Damit stellen sich die von der Beklagten angesprochenen Abrgenzungsfragen nach der Intention des Normgeber gerade nicht."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Landshut: Unzulässige Online-Durchsuchung durch Screenshot-Trojaner - Online-Überwachung

LG Landshut
Beschluss vom 20.01.2011
4 Qs 346/10 LG Landshut
Online-Überwachung


Das LG Landshut hat entschieden, dass der Einsatz eines Trojaners durch die Ermittlungsbehörden nicht ohne Weiteres von einer richterlichen Anordnung gedeckt ist, welche die Überwachung und Aufzeichnung des Telekommunkationsverkehrs anordnet. Der Trojaner der Ermittlungsbehörden war derart programmiert, dass er alle 30 Sekunden einen Screenshot erstellte und an die Ermittlungsbehörden übermittelte.

Aus den Entscheidungsgründen:
"Jedoch war der Vollzug des Beschlusses vorn 02.04.2009 insoweit rechtswidrig als im zeitlichen Abstand von 30 Sekunden Screenshots von der Bildschirmoberfläche gefertigt wurden, während der Internet-Browser aktiv geschaltet war. Denn nach Auffassung der Kammer besteht für das Kopieren und Speichern der grafischen Bildschirminhalte, also der Fertigung von Screenshots, keine Rechtsgrundlage , weil zum Zeitpunkt dieser Maßnahmen noch kein Telekommunikationsvorgang stattfindet"

Vom Beschluss gedeckt war - so das LG Landshut - hingegen die Überwachung des SKYPE-Nutzung.