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LG München: Ansprüche gegen TikTok wegen Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Videos - keine bestmögliche Anstrengungen zur Lizenzierung nach § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG

LG München
Urteil vom 09.02.2024
42 O 10792/22


Das LG München hat entschieden, dass Rechteinhaber Ansprüche gegen den Betreiber der Plattform TikTok wegen Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Videos zustehen. Der Plattformbetreiber hat keine bestmögliche Anstrengungen zu Lizenzierung im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG unternommen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
„Verhandlungspflicht für digitale Plattform“
Die für das Urheberrecht zuständige 42. Zivilkammer hat heute eine digitale Plattform zu Unterlassung und Auskunft für das öffentliche Zugänglichmachen von Filmproduktionen verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadenersatz festgestellt, da die Plattform bestmögliche Anstrengungen im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG hat vermissen lassen, um die seitens der Klägerin hierfür angebotenen Nutzungsrechte zu erwerben (42 O 10792/22). Eine derartige Obliegenheit fordert das Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Dienstanbietern für das Teilen von Online-Inhalten zur Anwendung vom 21.05.2021, das die sogenannte DSM Richtlinie im deutschen Recht umsetzt.

Die Beklagte betreibt eine digitale Plattform insbesondere zum Erstellen und Teilen von Videos. Die vornehmlich von Nutzern generierten und hochgeladenen Videos werden von der Beklagten gespeichert, organisiert und anderen Nutzern öffentlich zugänglich gemacht. Die Klägerin hat die Beklagte auf diverse unberechtigte Veröffentlichungen verschiedener Filme auf ihrer Plattform hingewiesen und angeboten, diese kostenpflichtig zu lizenzieren. Die zwischen den Parteien geführten Verhandlungen blieben allerdings ohne Ergebnis.

Die Beklagte ist antragsgemäß zu verurteilen, da sie für die erfolgten öffentlichen Wiedergaben der Filmproduktionen urheberrechtlich verantwortlich ist und sich nicht auf eine Enthaftung nach § 1 Abs. 2 UrhDaG berufen kann. Während die Klägerin ihren Obliegenheiten bei den Lizenzverhandlungen nachgekommen ist und ein konkretes Angebot unterbreitet hat, hat die Beklagte die erforderlichen bestmöglichen Anstrengungen im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG vermissen lassen, um die seitens der Klägerin angebotenen Nutzungsrechte zu erwerben.

Ob der Diensteanbieter bestmögliche Anstrengungen unternommen hat, ist auf Grundlage einer umfassenden Betrachtung des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beurteilen. Nach den Leitlinien zu Art. 17 der RL 2019/790/EU sind die Verhandlungen zwischen den Diensteanbietern und Rechteinhabern fair und zügig zu führen, wobei für die konkrete Ausgestaltung auf die bereits in Art. 16 der RL 2014/26/EU statuierten Verhandlungsgrundsätze zurückgegriffen werden kann, die im deutschen Recht ihre Umsetzung in § 36 VGG gefunden haben und Ausdruck verallgemeinerbarer Grundsätze sind.

Das konkrete Verhalten der Beklagte ließ nicht das Ziel erkennen, alsbald zu einem beiderseits interessengerechten Ergebnis zu gelangen. Die Verhandlungen waren vielmehr von einem einseitigen Informationsfluss von der Klägerin zur Beklagten geprägt.

Da die Beklagte gegen ihre Lizenzobliegenheit nach § 4 UrhDaG verstoßen hat, kann dahinstehen, ob die Beklagten ihre Pflichten zur einfachen und qualifizierten Blockierung nach §§ 7, 8 UrhDaG erfüllt hat. Um in den Vorteil der Enthaftung zu kommen, hat die Beklagte die Pflichten aus §§ 4, 7 bis 11 UrhDaG kumulativ zu erfüllen. Die folgt nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus dem regulatorischen Kontext der genannten Vorschriften. Die §§ 1 ff. UrhDaG bezwecken in Umsetzung von Art. 17 der RL 2019/790/EU diejenigen, deren urheberrechtlich geschützte Inhalte auf Upload-Plattformen genutzt werden, an der dabei stattfindenden Wertschöpfung partizipieren zu lassen. Die Entwicklung des Marktes für die Vergabe von Lizenzen zwischen Rechteinhabern und Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten soll gefördert und den Rechtsinhabern die Erzielung höherer Lizenzeinnahmen ermöglicht werden. Die angestrebte Teilhabe des Rechteinhabers an der Wertschöpfung liefe indes leer, wenn es der Diensteanbieter in der Hand hätte, in den Fällen des § 4 Abs. 2 UrhDaG zwischen Lizenzierung und Blockierung zu wählen und sich im Falle eines Verstoßes gegen die Lizenzierungsobliegenheit auf die getroffenen Maßnahmen zur qualifizierten Blockierung (§ 7 UrhDaG) und einfachen Blockierung (§ 8 UrhDaG) zurückzuziehen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.



Zum Hintergrund:

Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Dienstanbietern für das Teilen von Online-Inhalten

§ 4 UrhDaG - Pflicht zum Erwerb vertraglicher Nutzungsrechte; Direktvergütungsanspruch des Urhebers
(1) Ein Diensteanbieter ist verpflichtet, bestmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um die vertraglichen Nutzungsrechte für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben. Der Diensteanbieter erfüllt diese Pflicht, sofern er Nutzungsrechte erwirbt, die

1.
ihm angeboten werden,

2.
über repräsentative Rechtsinhaber verfügbar sind, die der Diensteanbieter kennt, oder

3.
über im Inland ansässige Verwertungsgesellschaften oder abhängige Verwertungseinrichtungen erworben werden können.
(2) Nutzungsrechte nach Absatz 1 Satz 2 müssen

1.
für Inhalte gelten, die der Diensteanbieter ihrer Art nach offensichtlich in mehr als geringfügigen Mengen öffentlich wiedergibt,

2.
in Bezug auf Werke und Rechtsinhaber ein erhebliches Repertoire umfassen,

3.
den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes abdecken und

4.
die Nutzung zu angemessenen Bedingungen ermöglichen.

(3) Hat der Urheber das Recht der öffentlichen Wiedergabe eines Werkes einem Dritten eingeräumt, so hat der Diensteanbieter für vertragliche Nutzungen gleichwohl dem Urheber eine angemessene Vergütung für die öffentliche Wiedergabe des Werkes zu zahlen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der Dritte eine Verwertungsgesellschaft ist oder der Urheber den Dritten als Digitalvertrieb einschaltet.

(4) Der Urheber kann auf den Direktvergütungsanspruch nach Absatz 3 nicht verzichten und diesen im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abtreten. Er kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.




LG München: Wettbewerbswidrige Werbung für Bier Wunderbräu mit Münchner Adresse auf Bieretikett wenn Bier woanders gebraut wird

LG München
Urteil vom 08.12.2023
37 O 2041/23


Das LG München hat entschieden, dass die Werbung für das Bier Wunderbräu mit Münchner Adresse auf dem Bieretikett eine wettbewerbswidrige Herkunftstäuschung ist, da das Bier woanders gebraut wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
„Klimaneutrales Bier?“
Die für das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige 37. Zivilkammer hat heute ein Handelsunternehmen für Getränke dazu verurteilt, es zu unterlassen, das von ihm vertriebene Bier als WUNDERBRAEU zu bezeichnen, wenn dies in Zusammenhang mit einer auf der Bierflasche abgedruckten Münchner Adresse geschieht, an welcher das Bier jedoch nicht gebraut wird. Dies stelle eine Herkunftstäuschung dar.

Zudem muss das beklagte Unternehmen in Zukunft die Bewerbung des Biers mit „CO2 positiv“ bzw. „klimaneutrale Herstellung“ auf der Bierflasche unterlassen (Az. 37 O 2041/23). Die Bewertungsmaßstäbe, aufgrund derer diese Äußerungen getroffen würden, seien auf den Etiketten der Flaschen nicht hinreichend transparent offengelegt.

Die Beklagte hatte argumentiert, dass die Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ für sich nicht irreführend sei. Zudem habe sie ihren Verwaltungssitz an der angegebenen Münchner Adresse und es sei gesetzlich vorgeschrieben, die Adresse auf der Flasche abzudrucken.

Dem folgte das Landgericht München I nicht. Die für sich gesehen nicht eindeutige Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ sei jedenfalls mit der auf dem rückwärtigen Etikett enthaltenen Adresse einer für Brauereien bekannten Straße in München irreführend. Durch die fragliche Aufschrift werde ein Bezug des Produktes mit einer Anschrift in München hergestellt, obwohl dort unstreitig nicht die Produktionsstätte, sondern allein der Sitz des Handelsunternehmens sei. Zwar möge die Bezeichnung für sich gesehen auch für die Beklagte als Vertriebsunternehmen zulässig sein und die Angabe auch insgesamt den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Das ändere aber nichts daran, dass die Aufschrift im Zusammenhang den Eindruck erwecke, die angegebene Anschrift bezeichne den Herkunftsort des Produktes selbst. Dies sei unzulässig.

Eine Täuschung über die Herkunft des Bieres sei auch geeignet, die Entscheidung der Verbraucherinnen und Verbraucher zu beeinflussen.

Die weiteren, von dem klagenden Verband beanstandeten Angaben „CO2 positiv“ und „klimaneutrale Herstellung“ stellen laut Gericht ebenfalls eine unzulässige Irreführung dar und wurden dem beklagten Unternehmen deshalb, so wie es die Angaben verwendet hatte, verboten.

Die Beklagtenseite hatte angeführt, dass ein QR-Code auf der Flasche zu den gewünschten Informationen über die Bedeutung der beanstandeten Angaben zur Klimabilanz führe.

Dies reichte der Kammer nicht aus. Gerade in der heutigen Zeit, in der Unternehmen in den Verdacht des sogenannten „Greenwashing“ kämen und in dem Ausgleichsmaßnahmen kontrovers diskutiert würden, sei es wichtig, die Verbraucher über die Grundlagen der jeweiligen werbenden Behauptung aufzuklären. Verbraucher hätten daher ein maßgebliches Interesse daran, inwieweit behauptete Klimaneutralität durch Einsparungen oder durch Ausgleichsmaßnahmen und wenn ja durch welche Ausgleichsmaßnahmen erreicht würden. Daher müssten den Verbrauchern die Bewertungsmaßstäbe für die werbenden Angaben „CO2 positiv“ und „klimaneutrale Herstellung“ auf der Bierflasche offengelegt werden:

Die 37. Zivilkammer führte hierzu aus: „Im vorliegenden Fall enthält die entsprechende Werbung zur Klimaneutralität und CO2 positiven Bilanz jedoch schon keinen Hinweis darauf, dass weitere Informationen auf der Homepage verfügbar sind. Der abgedruckte QR-Code ist auch nicht in so engem räumlichen Zusammenhang zu der umweltbezogenen Werbung aufgedruckt, dass es sich dem Kunden ohne weiteres erschließen würde, dass die für ihn notwendigen Informationen auf diese Weise verfügbar wären.“ Für einen etwaig zulässigen sog. „Medienbruch“ sei eine Verweisung mit einem klaren und eindeutigen Link erforderlich. Zudem führe der fragliche QR-Code auch nicht direkt auf eine Seite zur Erläuterung der klimaschonenden Maßnahmen, sondern allgemein auf die Homepage der Beklagten, von wo aus die Verbraucherinnen und Verbraucher sich dann zu den gewünschten Informationen erst durchklicken müssten, so die Kammer.

Letztendlich bestünden zudem erhebliche Zweifel daran, ob die auf der Homepage des beklagten Unternehmens aufgeführten Informationen ausreichend wären. Denn genaue Angaben zur berechneten Klimabilanz und Angaben darüber, in welchem Umfang die Klimaneutralität durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden sollen und in welchem Umfang durch Einsparung, fänden sich dort gerade nicht.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.



LG München: Bestellbutton mit "Jetzt Mitglied werden" genügt nicht den Anforderungen der Buttonlösung gemäß § 312j Abs. 3 BGB

LG München
Urteil vom 19.06.2023
4 HK O 9117/22


Das LG München hat entschieden, dass ein Bestellbutton mit dem Text "Jetzt Mitglied werden" nicht den Anforderungen der Buttonlösung gemäß § 312j Abs. 3 BGB genügt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Gemäß § 312 j Abs. 3 BGB muss ein Unternehmer bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr die Bestellsituation so gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers aus Satz 1 nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar und mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.

Dies war bei dem Button der Beklagten „Jetzt Mitglied werden“, mit dem eine Zahlungspflicht nach dem kostenlosen Probemonat ausgelöst wurde, unstreitig nicht der Fall.

Dies hat zur Folge, dass dem Kläger diesbezüglich ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 3 a UWG i.V. m. 312 j Abs. 3 Satz 2 BGB, 5 a Abs. 2, Abs. 5 UWG zusteht.

Das Argument, „zahlungspflichtig bestellen“ oder „kaufen“ bringe nicht die Dauerhaftigkeit der Vertragsbeziehung zum Ausdruck oder passe auf einen Abonnementvertrag nicht, ändert hieran nichts. Der Beklagten stünden zahlreiche Formulierungen zur Verfügung, die die Zahlungspflichtigkeit auch im Rahmen eines Abonnements unmissverständlich (nach Ablauf eines Testmonats) zum Ausdruck bringen, z. B. „kostenpflichtig abonnieren (1 Probemonat kostenlos)“.

2. Gemäß § 312 j Abs. 2 BGB muss ein Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr dann, wenn der Verbraucher durch den Vertrag zur Zahlung verpflichtet wird, der Unternehmer die Informationen gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 5 bis 7, 8, 14 und 15 EGBGB unmittelbar, bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stellen.

Nach der Gesetzesbegründung (BT Drucksache 17/7 745 S. 10) sind die Voraussetzungen nach § 312 j Abs. 2 BGB nur dann erfüllt, wenn die Informationen und die Schaltfläche bei üblicher Bildschirmauflösung gleichzeitig zu sehen sind, ohne dass der Verbraucher scrollen muss.

Auch dies war bei der Website der Beklagten unstreitig nicht der Fall mit der Folge, dass die Beklagte hierdurch gegen §§ 3, 3 a UWG i.V. m. § 312 j Abs. 2 BGB verstößt und der dem Kläger hieraus deswegen ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 3 a UWG zusteht.

3. Warum sich aus der Überschrift „zufriedene Privatanleger bilden das Herzstück unseres Tuns“ für den Verbraucher ergeben soll, „ob und wie“ die Beklagte sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von echten Kunden der Beklagten stammen, erschließt sich der Kammer nicht.

Vielmehr fehlte dieser nach § 5 b Abs. 3 UWG erforderliche Hinweis auf der Website der Beklagten mit der Folge, dass dem Kläger auch diesbezüglich ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 5 b Abs. 3 UWG zusteht.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Kein Anspruch auf Rückzahlung der Vermittlungssumme von 7.400 Euro bei erfolgloser Partnervermittlung

LG München
Urteil vom 31.08.2023
29 O 11980/22


Das LG München hat im vorliegenden Fall einen Anspruch auf Rückzahlung der Vermittlungssumme von 7.400 Euro gegen eine Partnervermittlungsagentur wegen erfolgloser Partnervermittlung abgelehnt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kein Rückzahlungsanspruch bei erfolgloser Partnervermittlung

Die 29. Zivilkammer des Landgerichts München I hat die Klage einer Kundin gegen eine Agentur zur Vermittlung von Partnerschaften auf Rückabwicklung ihres Partnervermittlungsvertrags abgewiesen

Die Klägerin hatte die Rückzahlung der Vermittlungssumme von 7.400 Euro gefordert mit dem Argument, die Agentur hätte ihr – anders als vertraglich vereinbart - keinerlei adäquate Partner vorgeschlagen.

Nachdem die Klägerin sich bei der Beklagten aufgrund einer Anzeige in einer Fachzeitschrift gemeldet hatte, suchte eine Mitarbeiterin der Beklagten die Klägerin zu einem persönlichen, mehrstündigen Beratungsgespräch auf. In dem Gespräch wurde die berufliche und private Situation der Klägerin thematisiert. Auch wurden ihre Wünsche und Vorstellungen hinsichtlich des zukünftigen Partners besprochen. Die Klägerin erhielt nach dem sich anschließenden Abschluss eines Partnervermittlungsvertrags innerhalb einer Woche 20 Partnervorschläge, insgesamt bekam sie von der Beklagten 31 Partnervorschläge.

Die Klägerin beschwerte sich mehrfach bei der Beklagten darüber, dass die Partnerauswahl für sie nicht stimmig sei. Im Juli 2022 erklärte sie den Rücktritt vom Vertrag und machte hilfsweise die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch die Beklagte geltend.

Die Klägerin erklärte, dass die Mitarbeiterin der Beklagten ihr versichert habe, sie sei ihrem Aussehen, ihrem Bildungsgrad und Beruf, sowie ihrer Umgebung nach leicht zeitnah zu vermitteln. Allerdings habe keiner der übermittelten Partnervorschläge ihrem Anforderungsprofil entsprochen. Die private und berufliche Situation der Klägerin sei überhaupt nicht berücksichtigt worden. Sie habe deutlich und mehrfach angegeben, dass sie sowohl zeitlich als auch örtlich unflexibel sei. Der Partnervorschlag sollte daher zwingend in München oder dem näheren Münchner Umland stattfinden. Auch sei der Klägerin insbesondere ein Alter von maximal bis 50 wichtig gewesen. Die Figur sollte groß, schlank und insbesondere sehr sportlich sein. Dabei habe sie auch in dem persönlichen Gespräch mehrfach herausgestellt, dass ihr die Optik sehr wichtig sei. Eine genau auf die Klägerin abgestimmte und handverlesene Partnersuche sei trotz der immer wieder hervorgehobenen Exklusivität der Beklagten nicht erkennbar. Die Dokumente der Beklagten seien nichtssagend und pauschal gewesen. Das Anforderungsprofil werde bewusst vage gehalten. Der Klägerin seien völlig unzureichende, nicht passende und willkürlich wirkende Vermittlungsvorschläge gemacht worden.

Nach informatorischer Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung und Einvernahme der Mitarbeiterin der Agentur zur Vermittlung von Partnerschaften als Zeugin, kam das Gericht zu der Überzeugung, dass weder eine Rückabwicklung des Vertrags möglich sei noch ein Verstoß gegen die guten Sitten oder eine arglistige Täuschung der Klägerin vorliege.

Ein grobes Missverhältnis zwischen der geforderten Bezahlung und den von der Beklagten erbrachten Partnervorschlägen, sei nicht zu erkennen. Zudem schulde die Beklagte der Klägerin nach dem Vertrag keine erfolgreiche Vermittlung.

Die von der der Klägerin im Formular „So stelle ich mir meinen Partner vor“ gegenüber der Beklagten gemachten Angaben seien nach Überzeugung des Gerichts in den vorgelegten Partnervorschlägen enthalten gewesen.

Weder der Vertrag noch die ausgefüllten Kundenformulare oder die Gesprächsnotizen ließen zudem eine Vereinbarung dahingehend erkennen, dass lediglich Partner aus München und dem näheren Umkreis in Betracht kämen. Vielmehr führte die Vermittlerin der Beklagten für das Gericht glaubhaft aus, Ortswünsche der Klägerin seien damals besprochen worden. Die Klägerin habe zu ihr gesagt, dass sie am liebsten etwas in München hätte. Diesbezüglich habe sie mit der Klägerin aber auch besprochen, dass die Klägerin flexibler sein solle, weil Männer gegebenenfalls bereit sind, ihre Örtlichkeit aufzugeben und zu ihr zu ziehen. Wenn das nämlich ein Ausschlusskriterium sei, dann könne sie die Kundin oder den Kunden auch nicht in die Datenbank der Beklagten mitaufnehmen, weil das örtlich zu spezifisch sei. Vor diesem Hintergrund befand das Gericht die Vermittlungsvorschläge der Beklagten insgesamt nicht in einem solchen Maße ungeeignet, dass sie bei wertender Betrachtung einer Nichtleistung gleichzusetzen seien. Die Partnervorschläge seien zumindest nicht völlig unbrauchbar gewesen.

Das Urteil vom 31.08.2023 ist nicht rechtskräftig.



LG München: Proteinangabe außerhalb der vorgeschriebenen Nährwerttabelle auf Milchreis-Produktverpackung wettbewerbswidrig nach § 3a UWG i.V.m. Art. 30 Abs. 3 LMIV

LG München
Urteil vom 28.07.2023
37 O 14809/22


Das LG München hat entschieden, dass die Proteinangabe außerhalb der vorgeschriebenen Nährwerttabelle auf Milchreis-Produktverpackungen nach § 3a UWG i.V.m. Art. 30 Abs. 3 LMIV wettbewerbswidrig ist. Geklagte hatte die Wettbewerbszentrale.

LG München: Auftragsmaler Götz Valien ist Miturheber der Gemälde "Paris Bar 1" und "Paris Bar 2" des Künstlers Martin Kippenberger

LG München
Urteil vom 07.08.2023
42 O 7449/22


Das LG München hat entschieden, das Auftragsmaler Götz Valien Miturheber der Gemälde "Paris Bar 1" und "Paris Bar 2" des Künstlers Martin Kippenberger ist.

„Urheberschaft der Gemälde Paris Bar Version 1-3“
Die für das Urheber- und Designrecht zuständige 42. Zivilkammer des Landgerichts München I hat heute im Rechtsstreit zwischen dem Künstler Götz Valien und der Nachlassverwalterin des Künstlers Martin Kippenberger ein Urteil gefällt (Az. 42 O 7449/22).

Sie hat entschieden, Götz Valien ist neben Martin Kippenberger nach § 8 Abs. 1 UrhG Miturheber verschiedener Versionen des Gemäldes „Paris Bar“ und daher als solcher namentlich zu nennen, § 13 UrhG. Ob sich aus der festgestellten Miturheberschaft weitere Ansprüche ergeben, ist nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen und folglich ist hierüber auch keine Entscheidung getroffen worden. Auf die Widerklage der Beklagten hin hat der Kläger den Anspruch der Beklagten anerkannt, das Gemälde „Paris Bar Version 3“ nicht als Alleinurheber auszustellen.

Folgender Sachverhalt lag dem Rechtsstreit zugrunde: Martin Kippenberger beauftragte ein Berliner Kinoplakatmalunternehmen, seine auf einem Foto festgehaltene Ausstellungshängung in der Paris Bar in Berlin auf eine große Leinwand zu malen. Der Kläger, Götz Valien, fertigte 1992 das gewünschte Gemälde („Paris Bar Version 1“), welches bis 2004 in der Paris Bar hing.


„Paris Bar Version 1“, Kippenberger / Valien (Bild am Ende der PM)

Ein halbes Jahr später erstellte er im Auftrag nach Fotovorlage ein weiteres Gemälde, das das erste Gemälde als Bild-im-Bild an der Wand der Paris Bar darstellt („Paris Bar Version 2“).

„Paris Bar Version 2“, Kippenberger / Valien (Bild am Ende der PM)

Der Kläger malte ab 1993 ein drittes Gemälde, „Paris Bar Version 3“, das geringfügige Änderungen gegenüber der „Paris Bar Version 1“ enthält. Dieser stellte er 2022 in einer Ausstellung in Berlin aus, wobei er sich als Alleinurheber des Gemäldes benannte.

Die Beklagte nannte weder den Kläger in dem von ihr herausgegebenen Werksverzeichnis zum Oeuvre Kippenbergers noch in ihren im Internet wiedergegebenen Reproduktionsgenehmigungen zu Werken Kippenbergers als Miturheber der Gemälde „Paris Bar 1“ und „Paris Bar 2“.

Die erkennende Kammer urteilte, der Kläger sei neben Kippenberger als Miturheber der Gemälde im Sinne des § 8 Abs. 1 UrhG anzusehen. Dem Kläger sei bei der Schaffung der Gemälde ein hinreichend großer Spielraum für eine eigenschöpferische Leistung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG geblieben, welcher von ihm genutzt worden sei. Er habe mit dem Gemälde „Paris Bar Version 1“ eine einladende, lebendige und warme Atmosphäre der Ausstellung in der Paris Bar gefertigt, die sich so auf der fotografischen Vorlage der Ausstellung nicht finde und ihm auch nicht von Kippenberger vorgegeben worden sei. Diese eigentümliche Atmosphäre habe der Kläger bei der Erstellung des Gemäldes „Paris Bar Version 2“ wieder aufgegriffen und damit auch diesem Werk seine individuelle Handschrift verliehen.

Als Folge des Urteils hat die Beklagte bei Verwertungshandlungen in Bezug auf die Werke „Paris Bar Version 1“ und „Paris Bar Version 2“ den Kläger neben Kippenberger als Miturheber namentlich anzuführen. Weitere Ansprüche hat der Kläger gegenüber der Beklagten nicht geltend gemacht.

Der Kläger seinerseits hat anerkannt, das Gemälde „Paris Bar 3“ nicht als Alleinurheber ausstellen zu dürfen.

Zum Hintergrund:

Martin Kippenberger, geboren am 25.02.1953, gestorben am 07.03.1997, war ein deutscher Maler, Installationskünstler sowie u.a. Fotograf und Bildhauer. Die Gemälde „Paris Bar Version 1“ und „Paris Bar Version 2“ sind als Werke Kippenbergs bekannt geworden. Bei einer Auktion durch das Auktionshaus Christie’s erzielte die „Paris Bar Version 1“ einen Versteigerungspreis von 2.281.250 englischen Pfund.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG München: Weitergabe von Positivdaten an SCHUFA durch Telekommunikationsanbieter Telefonica / O2 verstößt gegen Art. 5 und Art. 6 DSGVO und ist rechtswidrig

LG München
Urteil vom 25.04.2023
33 O 5976/22


Das LG München hat entschieden, dass die Weitergabe von Positivdaten an die SCHUFA durch den Telekommunikationsanbieter Telefonica / O2 gegen Art. 5 und Art. 6 DSGVO verstößt und somit rechtswidrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die streitgegenständliche Datenübertragung personenbezogener Daten (vgl. Anlage K 3) stellt eine Zuwiderhandlung gegen Art. 5, 6 DSGVO dar. Gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der in Art. 6 DSGVO normierten Bedingungen erfüllt ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Übermittlung der sog. Positivdaten nach Vertragsschluss an Auskunfteien, wie im Streitfall an die SCHUFA (vgl. Anlage K3), erfolgt ohne Rechtsgrundlage.

a. Die Datenverarbeitung ist nicht von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b) DSGVO gedeckt, weil die Beklagte mit den Kunden auch ohne Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien Verträge abschließen kann und diese Datenübermittlung zur Erfüllung des Vertrages bzw. zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen nicht erforderlich ist.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass auch nach Einstellung der beanstandeten Datenübertragung durch die Beklagte bis zur Klärung der Rechtslage weiterhin entsprechende Verträge geschlossen und abgewickelt werden. Das Vertragsverhältnis steht und fällt auch nicht mit der Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien.

Soweit ein solcher Vertragsschluss unter Weitergabe von Positivdaten schlicht weniger risikobehaftet ist, begründet dies nicht die Erforderlichkeit einer solchen Übermittlung im Rechtssinne.

b. Die Datenverarbeitung ist auch nicht von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO gedeckt, da die Interessen der Betroffenen an dem Schutz ihrer Daten und deren Grundrechte die Interessen der Beklagten an der Übermittlung der Positivdaten an die Auskunftei überwiegen.

aa. Die Kammer legt bei ihrer gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO zu treffenden Abwägung zugrunde, dass verschiedene Interessen grundsätzlich auch für die Übermittlung von sog. Positivdaten sprechen.

Allen voran ist insoweit die auch aus Sicht der Beklagten als Verantwortliche im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO hervorgehobene Betrugsprävention und die damit verbundene Schadensvermeidung im zweistelligen Millionenbereich zu nennen, welche u. a. durch eine Identitätsprüfung auf der Basis der Positivdaten bzw. die Verhinderung eines Identitätsdiebstahls durch den Abgleich mit Positivdaten erreicht werden soll.

Es kann auch unterstellt werden, dass die Meldung entsprechender Daten bzw. deren Austausch über die Auskunftei der Reduzierung des Kredit- und des Ausfallrisikos der Beklagten und einer frühzeitigen Kundenbindung sowie einer höheren Abschlussquote (wegen gesteigerter Annahmequoten) dient.

Auch kann ein gesamtwirtschaftliches general- und spezialpräventives Interesse an der Betrugsbekämpfung und -prävention, ein Interesse an einer besseren finanziellen Inklusion von finanziell schwächeren Verbrauchern und auch an verbesserten Chancen zum Vertragsabschluss unterstellt werden.

Gleiches gilt für das wirtschaftliche Interesse von Dritten, hier der Auskunftei, deren Geschäftsmodell auf der Einmeldung von Daten im Gegenseitigkeitsprinzip basiert, an der Funktionsfähigkeit von Auskunfteien und der Genauigkeit von Scores.

Auch die von der Beklagten für die Betroffenen angeführten Interessen, etwa günstigere Vertragskonditionen durch eine Verbesserung des Scorewerts der Betroffenen, der Möglichkeit der besseren Gewichtung von Negativeinträgen, einem Schutz vor Überschuldung und einer (erweiterten) Möglichkeit zum Abschluss von Erstverträgen, können für die vorzunehmende Abwägung als gegeben unterstellt werden.

bb. Inwieweit die Meldung von Positivdaten als Mittel zur Wahrung der genannten Interessen tatsächlich geeignet ist, kann im Streitfall dahinstehen, denn zur Wahrung dieser Interessen wählt die Beklagte mit der Übermittlung der Positivdaten jedenfalls nicht das erforderliche und verhältnismäßige Mittel aus, sondern die aus ihrer Sicht effektivste Methode. Dies ist unzulässig.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext liegt vor - LG München: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Verleihung des Ärzte-Siegels „Top Mediziner“ bzw. „Focus Empfehlung“ durch das Magazin FOCUS Gesundheit

LG München
Urteil vom 13.02.2013
4 HKO 14545/21


Wir hatten bereits in dem Beitrag LG München: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Verleihung des Ärzte-Siegels „Top Mediziner“ bzw. „Focus Empfehlung“ durch das Magazin FOCUS Gesundheit mangels objektiver Kriterien über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der zulässigen Klage war in vollem Umfang stattzugeben, da dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 2 i.V.m. 5 Abs. 1 Satz 1 UWG zusteht.
Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Die Beklagte verstößt durch die Vergabe der Siegel, die nach ihrem eigenen Vortrag von den Ärzten werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsgebot des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

Mit den Siegeln wird bei deren angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als „TOP-Mediziner“ bezeichnet bzw. als … Empfehlung“ angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen.

Die von der Beklagten gegen Bezahlung einer nicht unerheblichen sog. Lizenzgebühr vergebenen Siegel haben die Aufmachung eines Prüfzeichens und werden in den vorgelegten Medien auch als solche werbend verwendet (vgl. etwa die Warbung gemäß Anlage K 9, Seite 1 der Anlage K 1 und die Rückseiten der Anlagen K 1 und K 2). Dies wird letztendlich auch von der Beklagten so gesehen, die auf die als Anlage B 9 vorgelegte Pressemitteilung der Stiftung Warentest verweist. Die angesprochenen Verkehrskreise werden die Siegel, die von der Beklagten lizenziert werden, ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest auffassen und davon ausgehen, die betreffenden Ärzte seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet worden.

Nach der Lebenserfahrung hat der Hinweis auf ein Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers eine erhebliche Bedeutung. Der Verbraucher erwartet, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt oder eine Dienstleistung von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehener Eigenschaften aufweisen (vgl. GRUR 2016, 1398 bis 1400 – LGA tested).

Tatsächlich ist es aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lässt.

Vielmehr sind von den Kriterien, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt werden, Kriterien dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhen, wie z.B. die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit.

Dass Anwaltsranglisten (und gleiches muss für Ärztelisten geltend) schwerpunktmäßig Werturteile und gerade keine Tatsachenbehauptungen enthalten, war sogar der maßgebliche Grund dafür, dass das Bundesverfassungsgericht in der Juve-Handbuch-Entscheidung das Urteil des Bundesgerichtshofs, dass die entsprechenden Anwaltslisten als wettbewerbswidrig eingestuft hatte, aufgehoben hat (vgl. den ersten Leitsatz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts GRUR 2006, 1319)

Durch die gegen ein nicht unerhebliches Entgelt gewährte Lizenzierung von Gütesiegeln, die den Anschein eines objektiven Prüfzeichens erwecken, wird jedoch gerade der Bereich der von der Meinungsfreiheit und Pressefreiheit gedeckten redaktionellen, bewertenden Beurteilung verlassen und der irreführende Eindruck erweckt, es gebe tatsächliche, objektiv nachprüfbare Kriterien, die zur Verleihung des Gütesiegels geführt haben.

Die von der Beklagten vergebenen Siegel erwecken gerade nicht den Eindruck, dass diesem eine mathematisch nicht nachvollziehbare Wertungsentscheidung zugrunde liegt. Das vermeintlich durch das Siegel objektivierte Qualitätsurteil ist in Wahrheit ein rein subjektives, das von vielen durch Ärzte und ihre Leistungen nicht beeinflussbare Faktoren abhängt. Dies gilt sowohl für das Siegel mit der Bezeichnung „TOP-Mediziner“ als auch für das regionale Siegel, das mit … Empfehlung“ galabelt ist. Auch dieses etwas weicher formulierte Siegel hat die optische Aufmachung eines Prüfzeichens und wird daher jedenfalls bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise die Erwartung wecken, die Prüfung sei anhand objektiv nachvollziehbarer Kriterien durchgeführt worden.

2. Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, die Lizenzierung sogenannter Siegel sei ein unselbständiger, nachgelagerter Akt der Ärztelisten, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst sei. Zwar erstreckte sich die Pressefreiheit in dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NJW 2003, 277, Juve-Handbuch zu Grunde lag, auch auf die Refinanzierung der redaktionellen Inhalte. Diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts bezog sich jedoch allein darauf, dass in dem dort zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden konnte, dass durch die Veröffentlichung von Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe von Inseraten hingewirkt wurde und dass anzeigenfinanzierte Medien regelmäßig darauf angewiesen sind, zur Schaltung von Anzeigen zu motivieren.

Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall jedoch grundlegend. Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergibt sich im vorliegenden Fall nicht daraus, dass irgendjemand in sittenwidriger Weise zum Erwerb dieses Prüfsiegels verleitet wurde, sondern daraus, dass in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt wird, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt.

Hinzu kommt, dass Medien zwar regelmäßig darauf angewiesen sind, sich durch Anzeigen finanzieren, nicht jedoch durch die Vergabe von Prüfsiegeln gegen ein nicht unerhebliches Entgelt. Dass dies eine unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeigt von der eigene Vortrag der Beklagten, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen sogenannten „Wildwuchs“ gewesen sei. Davor wurden die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert.

3. Auch die von der Beklagten erhobene Einrede de: Verjährung greift nicht durch. Nach unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin enthält die Anlage K 10,nämlich die „Ärzteliste 2021“ weiterhin Werbeanzeigen von vermeintlichen „TOP-Medizinern“, die sowohl mit Siegeln betreffend das Jahr 2021 als auch das Jahr 2020 werben. Die von der Beklagten unter Wiedergabe des Siegels aus 2020 abgedruckten Anzeigen befinden sich auf Seiten 181, 218 und 219 des Hefts. Es liegt daher eine nicht abgeschlossene Dauerhandlung vor, bei der ein die Verjährung noch nicht begonnen hat.

4. Dass die im Klageantrag und Tenor abgebildeten Siegeln von der Beklagten jeweils mit dam entsprechenden Fachgebiet bzw. dem Landkreis zur Verfügung gestellt wurden und nicht in der verallgemeinernden Form des Klageantrags, ändert nichts an der hinreichenden Bestimmtheit und Begründetheit des Unterlassungsantrags. Die Verallgemeinerung umfasst sämtliche Fachrichtungen und sämtliche Landkreise. Die Hinzufügung dieser Kriterien in den Siegeln, die die Beklagte den Ärzten zur Verfügung stellt, ändert nichts an ihrem irreführenden Charakter.

5. Dem Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 Abs. 1 ZPO konnte nicht stattgegeben werden, da nicht hinreichend nachgewiesen wurde, dass der Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils ein unersetzbarer Nachteil entstehen würde. Die Beklagte hat keinerlei konkrete Zahlen vorgelegt, aus denen die Kammer schließen könnte, dass es ihr als Verlag ohne die Lizenzeinnahmen aus den irreführenden Siegeln nicht möglich wäre, die Ärztelisten weiter herauszugeben. Dies erscheint schon deshalb nicht wahrscheinlich, weil die Beklagte bis vor zehn Jahren genau dies getan hat, nämlich ihre Ärztelisten ohne die Einnahmen aus den Siegeln zu finanzieren. Im Übrigen überwiegen die Interessen der Gläubigerin vor Irreführung der Allgemeinheit (vgl. BGH WM 18, 2048). Eine Existenzgefährdung der gewerblichen Tätigkeit der Beklagten als Verlag ist weder ersichtlich noch wurde sie vorgetragen.

Die Fälle, in denen Feststellungen nach § 712 Abs. 1 ZPO zu einem für den Schuldner unersetzlichen Nachteil getroffen werden können, sind seiten. Es genügt nicht die bloße Wahrscheinlichkeit eines Nachteils; vielmehr muss das Gericht von dessen Eintritt überzeugt sein (vgl. Herget in Zöller, Kommentar zur ZPO, 30. Aufl., Rdn. 1 zu § 712 ZPO m.w.N.)

Der Klage war daher in vollem Umfang mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO stattzugeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 Satz 1 ZPO. Dabei wurde die Sicherheitsleistung mit dem Doppelten des von der Klägerin angegebenen und von der Beklagten auch nicht in Frage gestellten Streitwerts, der ebenfalls entsprechend erhöht wurde, angegeben. Da die Beklagte auch keine konkreten Zahlen angegeben hat, aus denen sich schließen lassen könnte, welche Einnahmen ihr in Zukunft durch die Vergabe der Siegel entgehen, konnte die Sicherheitsleistung auch nicht höher angesetzt werden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG München: Zum Zustandekommen, den notwendigen Inhalt und zur Auslegung eines Lizenzvertrages über Nutzungsrechte an einem Patent bzw. einer Patentfamilie

LG München
Urteil vom 25.02.2021
7 O 8011/20


Das LG München hat sich in dieser Entscheidung mit dem Zustandekommen, den notwendigen Inhalt und der Auslegung eines Lizenzvertrages über Nutzungsrechte an einem Patent bzw. einer Patentfamilie befasst und im Ergebnis in diesem Fall einen Vertragsschluss verneint.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Das Landgericht München I ist zuständig.
a) Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 7 Nr. 1 a) EuGVVO.

aa) Die Parteien streiten über das Bestehen oder Nicht-Bestehen eines Lizenzvertrags. Die charakteristische Leistung des geltend gemachten Vertrags liegt in der Gewährung eines Nutzungsrechts durch die Klägerin. Dies ergibt sich zum einen vor dem Hintergrund des in Schweden geführten Verfahrens. Wenn die Parteien - wie von der Klägerin geltend gemacht - ein Nutzungsrecht der Beklagten vereinbart hätten, wäre die Klage in Schweden wegen des dann bestehenden Einwands unbegründet. Zum anderen begehrt die Klägerin allein die Feststellung, ob ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrechtsverhältnis an allen Patenten der Patentfamilie besteht. Auf die Gegenleistung (Zahlung) als nur mittelbare Folge eines geschlossenen Vertrags kommt es nach dem Antrag nicht maßgeblich an.

Bei einer Feststellungsklage, die den Vertrag insgesamt betrifft, ist auf den Erfüllungsort des Anspruchs abzustellen, auf den es dem Kläger hauptsächlich ankommt (Gottwald in: MüKo ZPO, Brüssel Ia-VO Art. 7, Rn. 34). Die vertragscharakteristische Leistung ist bei Verträgen i. S. des Art. 7 Nr. 1 a) EuGVVO nicht maßgeblich (EuGH NJW 1977, 490).

bb) Da die Klägerin ihren Sitz in München hat, findet hier deutsches Recht Anwendung.

Leistungsort für die Erfüllung der vertraglichen Pflicht, die in der Einräumung des Nutzungsrechts liegen würde, ist gemäß § 269 Abs. 1 BGB der Sitz der Klägerin als Schuldnerin der maßgeblichen vertraglichen Leistung. Nach Art. 3 Nr. 1 b) EGBGB i.V. mit Art. 10 Abs. 1, 4 Abs. 1 Rom-I VO bestimmt sich der Erfüllungsort hier nach deutschem Recht. Da die Beklagte ihren Sitz in Schweden hat, ist Auslandsbezug gegeben. Die Bestimmung des maßgeblichen Erfüllungsortes richtet sich nach dem lex causae. Die Rom-I VO bestimmt das anwendbare Recht, weil es um das Bestehen eines Vertrages geht. Nach Art. 10 Abs. 1, 4 Abs. 2 Rom-I VO ist das Recht des Staats anwendbar, in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei juristischen Personen ist dies nach Art. 19 Abs. 1 Rom-I VO der Ort ihrer Hauptverwaltung.

b) Die internationale Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich nicht aus Art. 26 Abs. 1 EuGVVO, weil sich die Beklagte nicht rügelos auf den Gerichtsstand eingelassen hat.

Im Schriftsatz vom 19. August 2020 ist der Terminverlegungsantrag lediglich als Handlung zu werten, die eine Verteidigung gegen die Klage vorbereitet und ihr vorgelagert ist. Da er nicht auf Klageabweisung zielt, ist er keine Einlassung im Sinne von Art. 26 EuGVVO. Die Beklagte rügte zudem die internationale Zuständigkeit mit Schriftsatz vom 18. September 2020, bevor sie zur Sache ausführte, was ebenfalls keine rügelose Einlassung ist.

c) Das Landgericht München I ist überdies örtlich und sachlich zuständig, was zwischen den Parteien zu Recht nicht umstritten ist.

2. Der Klageantrag ist entgegen der Auffassung der Beklagten hinreichend bestimmt.

a) Ein Antrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (vgl. Zigann/Werner in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl., 2018, § 253 Rn. 193).

Bei Feststellungsanträgen, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, muss zur Individualisierung des Anspruchs der Anspruchsgrund bereits im Antrag so konkret benannt werden, dass der Umfang der Rechtshängigkeit und der Umfang der Rechtskraft feststehen (vgl. Zigann/Werner in: Cepl/Voß, aaO, § 253 Rn. 255).

b) Nach diesen Maßstäben ist der Sachantrag der Klägerin hinreichend bestimmt, weil der Rahmen der hier begehrten gerichtlichen Entscheidung abgesteckt ist und der Umfang der begehrten Rechtskraft deutlich wird. Der Klägerin geht es in der Sache darum, feststellen zu lassen, ob der Beklagten aufgrund des behaupteten Vertrags der Parteien von 16. April 2020 ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht an allen Patenten der weltweiten Patentfamilie des europäischen Patents 512 eingeräumt den ist bzw. noch einzuräumen ist.

3. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage sind erfüllt.

a) Es liegt ein gemäß § 256 Abs. 1 ZPO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor.

aa) Ein Rechtsverhältnis ist die aus einem vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete derzeitige (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2021, VI ZR 194/18) rechtliche Beziehung von Personen untereinander oder von Personen zu Sachen (BGH NJW 2015, 873 Rn. 22; 2009, 751 Rn. 10).

bb) Nach diesem Maßstab betrifft das konkret begehrte zeitlich unbegrenzte Nutzungsrechtsverhältnis an allen Patenten der besagten Streitpatentfamilie ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis und nicht lediglich eine Klärung von Elementen oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Denn es geht um die Frage, ob der Beklagten aufgrund des geltend gemachten Vertrags mit der Klägerin vom 16. April 2020 ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht an allen Patenten der weltweiten Patentfamilie des Streitpatents zusteht, was eine konkrete Rechtsbeziehung zwischen den Parteien mit der Rechtsfolge betrifft, dass die Beklagte die geschützte Lehre der Patente nutzen darf.

b) Die Klägerin hat ein berechtigtes Feststellungsinteresse.

aa) Das prozessuale Erfordernis des rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung ist die besondere Ausgestaltung des bei jeder Rechtsverfolgung erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses. Es ist regelmäßig gegeben, wenn eine tatsächliche Unsicherheit das behauptete Rechtsverhältnis gefährdet oder, wenn dem Recht oder der Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Könnte der Kläger sofort auf Leistung klagen, fehlt ihm wegen des Vorrangs der Leistungsklage in der Regel das Feststellungsinteresse (vgl. Zigann/Werner in: Cepl/Voß, aaO, § 256 Rn. 3).

bb) Es besteht Unsicherheit, ob die Klägerin mit der Beklagten den behaupteten Vertrag geschlossen hat. Jedenfalls ist das erstrebte Feststellungsurteil geeignet, diese zu beseitigen. Die begehrte Feststellung besitzt Relevanz für die Verletzungsklage in Schweden. Die Klärung, ob ein Nutzungsrecht besteht, kann einfacher im vorliegenden Verfahren erreicht werden, weil hierauf deutsches Recht Anwendung findet.

Da es der Klägerin um das Bestehen des Nutzungsrechts geht, ist eine auf Zahlung der Lizenzgebühr gerichtete Leistungsklage nicht vorrangig. Diese entspricht angesichts des schwedischen Verfahrens nicht dem Begehren der Klägerin und bildet nicht dasselbe Klagebegehren ab, weil es bei ihr neben dem Prüfungspunkt, ob der (vertragliche) Anspruch überhaupt entstanden ist, weiterhin darauf ankommen kann, ob der Zahlungsanspruch untergegangen bzw. erloschen ist und ob er durchsetzbar ist.

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Auf die Frage des Zustandekommens des Vertrages ist gemäß Art.10 Abs. 1 Rom-I VO i.V. mit Art. 4 Abs. 2 Rom-I VO deutsches Recht anwendbar.

2. Entgegen der Annahme der Klägerin haben die Parteien am 16. April 2020 den geltend gemachten Vertrag nicht geschlossen. Die E-Mail der Beklagten vom 9. April 2020 enthält - anders als die Klägerin meint - keinen Antrag.

a) Jeder Vertrag betrifft mindestens zwei Personen, die nach dem Grundsatz der Privatautonomie durch Willenserklärungen an seinem Abschluss teilnehmen. Das Zustandekommen eines Vertrags erfordert Konsens: zwei übereinstimmende und aufeinander bezogene Willenserklärungen. Dabei wird die zeitlich erste Erklärung im Gesetz „Antrag“ (in der Praxis oft auch „Angebot“) genannt. Die sich hierauf beziehende spätere Erklärung des anderen Teils wird als „Annahme“ bezeichnet, §§ 145 ff. BGB. Die Annahme ist mit dem Antrag zu vergleichen, weil sie nach § 150 Abs. 2 BGB den Vertrag nur zustande bringt, wenn sie gegenüber dem Antrag keine Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen enthält. Nur dann besteht Konsens.

Ein Antrag liegt erst dann vor, wenn allein schon durch seine Annahme der Vertrag zustande kommt. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Antrag zunächst von der bloßen Aufforderung zu unterscheiden, Anträge zu machen (sog. invitatio ad offerendum). Eine solche Aufforderung bindet denjenigen, der sie gemacht hat, noch nicht. Er kann den ihm daraufhin zugegangenen Antrag noch frei ablehnen. Aus diesem Unterschied ergibt sich zugleich das Kriterium, nach dem durch Auslegung zu entscheiden ist, ob eine Erklärung (bereits) ein Antrag ist oder lediglich einen vorbereitenden Charakter besitzt. Bloß vorbereitend ist eine Erklärung in aller Regel dann, wenn sie noch nicht sämtliche für den Vertrag notwendigen Angaben enthält (vgl. Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 8. Auflage, 2002, § 26). Aber auch vollständige Erklärungen bedeuten nicht notwendig einen Antrag. Das kann der Fall sein, wenn sich der Erklärende regelmäßig noch eine Ablehnung vorbehalten will, so dass seine Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont lediglich als Aufforderung zu Anträgen zu verstehen ist (vgl. Medicus, aaO, § 24).

Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Ihr Inhalt ist nach der beim Zugang gegebenen Verständnismöglichkeit des Empfängers (dem Empfängerhorizont) zu bestimmen. Dabei muss der Empfänger zu erkennen versuchen, was der Erklärende gemeint hat (Auslegungssorgfalt). Die Person des Erklärenden ist mit zu berücksichtigen. Ermittelt werden muss, was der Empfänger von Rechts wegen als wirklichen Willen verstehen konnte und durfte (vgl. Medicus, aaO, § 24).

Über welche Punkte sich die Parteien einigen müssen, ergibt sich aus der Art des Vertrags und dem Parteiwillen. Die Art hat insofern Bedeutung, als sich die gesetzliche Regelung für die einzelnen Vertragstypen unterscheidet. An der Stelle, an der das Gesetz detaillierte Vorgaben zu den jeweiligen Rechten und Pflichten macht, brauchen die Parteien keine Regelung zu treffen. Enthält das Gesetz indes keine allgemeine Regelung für einzelne Punkte, müssen die Parteien über diese eine individuelle Einigung erzielen. Das sind die sog. essentialia negotii. Dies betrifft insbesondere den Vertragsgegenstand, den Preis, die Art der jeweiligen Verfügung sowie stets eine individuelle Einigung darüber, welche Personen Vertragspartei werden und welche Rolle sie übernehmen sollen (vgl. Medicus, aaO, § 29).

Nach § 145 BGB ist der Antragende regelmäßig eine gewisse Zeit an seinen Antrag gebunden. Es ist aber auch möglich, die Gebundenheit an den Antrag auszuschließen. Die hierfür in Betracht kommenden Zusätze, die eine Unverbindlichkeit erzeugen sollen, können zum einen dazu führen, dass noch kein Antrag vorliegt, sondern nur eine Aufforderung zu Anträgen. Zum anderen können sie einen Widerrufsvorbehalt bedeuten, so dass der Antrag (entgegen § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB) bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (in der Regel unverzüglich nach Zugang der Annahmeerklärung) noch widerrufen werden kann. Entgegen der in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertretenen Auffassung führt eine Änderung der Umstände nicht dazu, dass sich der Antragsempfänger nicht auf die Vertragsannahme berufen kann, wenn ihm evident ist, dass sich die Umstände wesentlich zu Lasten des Antragenden geändert haben. In solchen Fällen greift die Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB (vgl. Medicus, aaO, § 26).

b) Die Kammer kann das im Antrag wiedergegebene Rechtsverhältnis nicht feststellen, weil der behauptete Vertrag zwischen den Parteien entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geschlossen wurde. Es fehlt an den korrespondierenden Willenserklärungen: Antrag und Annahme.

aa) Die Erklärung der Beklagten in der E-Mail vom 9. April 2020 (Anlage K1) ist entgegen der Klägerin kein (verbindlicher) Antrag auf Abschluss eines Vertrags auf Einräumung eines einfachen, zeitlich unbegrenzten Nutzungsrechts zugunsten der Beklagten an sämtlichen Familienmitgliedern des Streitpatents zu einem Preis von 3 Mio. €. Diese Erklärung besitzt nach objektivem Empfängerhorizont lediglich vorbereitenden Charakter für einen in seinen Details konkret auszuhandelnden und später schriftlich abzuschließenden Lizenzvertrag. Sie ist insofern lediglich eine invitatio ad offerendum und hat den Inhalt, dass die Beklagte bereit wäre, im Rahmen eines noch auszuhandelnden Vertrags einen Betrag von 3 Mio. € an die Klägerin zu bezahlen. Sie enthält insbesondere nicht sämtliche für einen Lizenzvertrag notwendige Angaben. Es fehlen die essentialia negotii.

(A) Aus der Erklärung ergibt sich nicht hinreichend, wer auf Seite der Beklagten Vertragspartner wird und/oder wer durch die Lizenz berechtigt wird. Dass dies auf die Beklagte zutrifft, erscheint aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts zwar gegeben. Dies genügt aber nicht. Denn die Beklagte hatte stets einen umfassenden, weltweiten Vergleich angestrebt, was die Klägerin auch weiß, und im Hinblick auf die begünstigten Personen keine Insellösung für das erst Anfang 2020 begonnene schwedische Verfahren im Blick gehabt (vgl. Anlage B4). Nicht angesprochen und unklar bleibt bei dieser Erklärung, ob für die Zahlung von 3 Mio. € das Nutzungsrecht auch die Konzerngesellschaften der Beklagten erfasst. In diesem Sinn fehlt es gleichfalls an einer, ggf. ergänzenden Regelung, ob die Beklagte an diese Gesellschaften Unterlizenzen vergeben darf.

Dass das Thema der Vertragsparteien bzw. Begünstigten für die Beklagte von nicht zu überschätzender Bedeutung ist, ergibt sich aus der objektiven Auslegung der Erklärung der Beklagten. Für die Klägerin musste es evident sein, dass ohne Klarstellung der begünstigten Personen die von beiden Seiten bezweckte, endgültige Befriedung hinsichtlich der Auseinandersetzungen um das Streitpatent nicht eintreten und ein „sich vertragen“ (daher kommt das Wort „Vertrag“) nicht erreicht werden kann. Denn die Klägerin weiß aufgrund der langen Historie der Auseinandersetzungen um das Streitpatent und seiner Familienmitglieder, dass die Beklagte bis auf das Verfahren in Schweden in keinem Konflikt als Partei beteiligt ist, sondern insofern stets eine ihrer Konzerngesellschaften betroffen ist. Dieses Wissen musste die Klägerin bei der geltenden Auslegungssorgfalt mit in Betracht ziehen. Die nachfolgende Aufzählung zeigt die auf Beklagtenseite jeweils beteiligten (weiteren) Personen, wobei die Kammer durch Unterstreichen die jeweils betroffenen Gesellschaften hervorgehoben hat:
- So hat die E. R. GmbH Factory and Development Anfang 2010 Einspruch gegen die Erteilung des Streitpatents erhoben und das Verfahren bis zur Entscheidung vom 14. September 2018 geführt, in dem die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts das Stammpatent in geändertem Umfang aufrechterhält (Az. T0621/15-3.2.04).
- Wegen Verletzung des Streitpatents hat die Klägerin zwei Konzerngesellschaften der Beklagten, E. Hausgeräte GmbH und E. R. GmbH Factory and Development, am 16. Dezember 2009 im Wege der Klageerweiterung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (Az. 2 U 139/08) in Anspruch genommen.
- Auf die Nichtigkeitsklage der E. Appliances AB hat das ungarische Patentamt das zur Streitpatentfamilie gehörende ungarische Patent 228 972 am 7. März 2017 für nichtig (Az. P0401758) erklärt, was am 11. Dezember 2019 die Curia, das oberste ungarische Gericht, bestätigt hat (Az. Pvf.21.463/2018).
- Am 12. Oktober 2018 hat die E. R. GmbH Factory and Development Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht (Az. 5 Ni 25/18 (EP)) gegen das Streitpatent erhoben.
- Am 15. Oktober desselben Jahres hat die Klägerin gegen die E. Hausgeräte GmbH beim Landgericht Düsseldorf Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, der am 10. Januar 2018 mangels Verletzung zurückgewiesen worden ist (Az. 4 c O 71/18). Am 4. Juli 2019 hat dann das Oberlandesgericht Düsseldorf aufgrund der Berufung der Klägerin eine einstweilige Verfügung gegen die E. Hausgeräte GmbH in Nürnberg erlassen. Die Klägerin hat die einstweilige Verfügung nach Erbringung der tenorierten Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000 € vollzogen. Die E. Hausgeräte GmbH hat wegen des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens bislang keine Abschlusserklärung abgegeben. Deswegen hat die Klägerin gegen diese Gesellschaft am 14. August 2019 Hauptsacheklage beim Landgericht Düsseldorf eingereicht (Az. 4c O 49/19).

Überdies zeigt der weitere Streit der Parteien um die persönliche Reichweite, dass in der E-Mail kein Antrag für einen Vertrag unterbreitet worden ist. So verlangte die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 19. Mai 2020 für das Einbeziehen von Konzerngesellschaften der Beklagten einen weiteren Betrag in Höhe von 1,5 Mio. €, was die Beklagte ablehnte.

(B) Aus der Erklärung vom 9. April 2020 ergibt sich auch nach Auslegung nicht, dass überhaupt - wie von der Klägerin behauptet - ein Nutzungsrecht eingeräumt werden sollte.

Selbst wenn man die vorherige Korrespondenz der Parteien in Betracht zieht, geht es (allein) um eine „business solution“ und ein „global settlement“. Grundsätzlich in Betracht können insofern alle möglichen Arten von Gestattungen kommen: von einer Vollrechtsübertragung, über die einzelnen Lizenzarten hin zur Nichtangriffsabrede oder ähnlichen Vereinbarungen. Sofern in der E-Mail der Beklagten vom 30. Januar 2020 (Anlage B5) an einer Stelle von einem „cross-licensing“ die Rede ist, betrifft dies einen anderen Gegenstand der Verhandlungen der Parteien und nicht das Streitpatent sowie seine Familie.

(C) Unabhängig davon fehlt es in der Erklärung vom 9. April 2020 an den essentialia negotii hinsichtlich des Vertragsinhalts. Zur Legitimierung einer unberechtigten Patentbenutzung und zur Lösung eines Patentkonflikts können vielfältige Regelungen getroffen werden, was den Parteien bekannt ist. Vorliegend ist aber insbesondere unklar, welchen Charakter das von der Klägerin behauptete Nutzungsrecht haben soll.

Anders als bei den im BGB geregelten Vertragstypen wie Kauf- oder Mietvertrag handelt es sich beim Lizenzvertrag um einen Vertrag sui generis (vgl. McGuire in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl. 2020, § 15 Rn. 167). Außerdem stehen die Rechtsnatur (vgl. McGuire, aaO, § 15 Rn. 139 ff.) und der Rechtscharakter des Lizenzvertrags (vgl. McGuire, aaO, § 15 Rn. 167 ff.) nicht fest. Die Rechtsnatur ist vor allem bei einer Insolvenz der Parteien von Bedeutung (vgl. OLG München, Urteil vom 25. Juli 2013 - 6 U 541/12 = GRUR 2013, 1125). Vernünftige Vertragspartner werden daher in aller Regel bestrebt sein, hierfür eine angemessene und interessengerechte Lösung zu finden, die sich nicht zwingend aus den allgemeinen gesetzlichen Regelungen ergeben dürfte.

Mangels feststehenden Rechtscharakters ist nicht vorgegeben, was eine antragende Willenserklärung zwingend enthalten muss. Insofern ist die Bestimmung des Rechtscharakters erforderlich, um entscheiden zu können, welche allgemeinen Regelungen das Gesetz enthält und worüber die Parteien eine individuelle Einigung erzielen müssen. Da eine hinreichende gesetzliche Regelung fehlt, wird versucht, den Lizenzvertrag als Rechtspacht oder als Kombination von Befugnissen und Verpflichtungen verschiedener normierter Vertragsarten zu erfassen (Typenmischvertrag), bei dem für die einzelnen Rechte und Pflichten Rechtsnormen herangezogen werden, die für den jeweiligen Vertragsbestandteil passend erscheinen. Zudem besteht eine gewisse Verwandtschaft zur Rechtspacht (§ 581 Abs. 1 BGB), so dass lückenfüllend auf die Vorschriften des Pachtrechts (§§ 581 ff BGB) und über § 581 Abs. 2 BGB des Mietrechts (§§ 535 ff BGB) zurückgegriffen werden könnte, während auch eine Nähe der Lizenz zum Rechtskauf vertreten wird (vgl. McGuire, aaO, § 15 Rn. 167 ff.).

Je nach gewollter Gestaltung über die Art der Gestattung kommt die Ausgestaltung als ausschließliche, einfache (positive) oder negative Lizenz sowie ggf. auch als bloßes pactum de non petendo sowie als „covenant not to sue“ in Betracht (vgl. McGuire, aaO, § 15 Rn. 119 ff.). Entgegen einer in der Kommentarliteratur vertretenen Ansicht (McGuire, aaO, § 15 Rn. 193) handelt es sich nach Auffassung der Kammer bei der Frage nach der Art der „Lizenz“ nicht um accidentalia negotii, sondern um essentialia negotii. Denn vor allem die Frage, ob ein Nutzungsrecht eingeräumt werden soll (was jedenfalls bei der negativen Lizenz umstritten ist und für pactum de non petendo und „covenant not to sue“ überwiegend abgelehnt wird), betrifft den essenziellen Kern der Willenserklärung und ist für den späteren Vertragsinhalt sowie für das damit entstehende Rechte- und Pflichtenprogramm der Parteien maßgeblich. Das in der Literatur angeführte Argument, insofern könne bei einem Vertrag die Lücke durch (ergänzende) Vertragsauslegung geschlossen werden, steht dem nicht entgegen. Das kann genauso gut auf einen Kaufvertrag zutreffen, bei dem der Kaufpreis (sicherlich unstreitig essentialia negotii) nicht geregelt ist, sich aber durch Auslegung ermitteln lässt, ohne dass er damit als accidentalia negotii einzuordnen wäre. Außerdem sind bei einer Lizenz der inhaltliche, räumliche und/oder zeitliche Umfang der Nutzungsbefugnis zu regeln, weil er insofern ganz unterschiedlich sein kann.

All diese Punkte enthält die Erklärung der Beklagten vom 9. April 2020 nicht. Erst mit dem Vertragsentwurf der Klägerin (Anlage K2a) wird hierfür eine Regelung vorgeschlagen.

(D) Der unverbindliche und bloß vorbereitende Charakter der Erklärung folgt nach dem objektiven Empfängerhorizont weiterhin aus dem Gesamtinhalt der E-Mail und den konkreten Umständen des Einzelfalls.

Zwar werden in der E-Mail Begriffe wie „offer“, „accept“ und „settlement“ benutzt sowie eine Antwortfrist gesetzt. Gleichzeitig ergibt sich, dass die jeweiligen Verantwortlichen auf Seiten der Beklagten eingebunden worden sind und dass diese Erklärung (anders als die vorherigen) nicht unter einen ausdrücklichen Vorbehalt („without prejudice“) gestellt worden ist. Doch ist bei der Auslegung nicht am Wortlaut zu verhaften, sondern auf das Verständnis nach dem objektiven Empfängerhorizont abzustellen.

Die Erklärung ist objektiv so zu verstehen, dass sich die Beklagte mit ihr vertraglich nicht binden, sondern lediglich die Vertragsverhandlungen vorbereiten wollte. Die geäußerte Bereitschaft, 3 Mio. € an die Klägerin zu bezahlen, ist insofern conditio sine qua non für die Vertragsanbahnung, aber noch kein (verbindlicher) Antrag. Denn die Verhandlungen der Parteien waren zuvor in eine Sackgasse geraten. Die Klägerin verlangte mit E-Mail vom 13. Januar 2020 einen Betrag von 7 Mio. €, während die Beklagte in der E-Mail vom 30. Januar 2020 den Betrag von 2,5 Mio. € angab und die Klägerin am 31. Januar 2020 sodann 5 Mio. € forderte. Um einen höheren Betrag in die Verhandlung zu bringen, musste die Beklagte ihre „Stakeholder“ vorab einbinden. Ohne deren grundsätzliches Einverständnis würde das Verhandeln mit der Klägerin keinen Sinn ergeben, falls sich später herausstellte, dass die „Stakeholder“ mit dem Betrag bereits nicht einverstanden wären.

(E) Darüber hinaus musste die Klägerin die E-Mail vom 9. April 2020 so verstehen, dass die Beklagte den Vertragsschluss regelmäßig noch ablehnen kann. Einen verbindlichen Willen, diesen Betrag zu zahlen, ergibt die Auslegung nicht. Sie ergibt auch keinen Sinn.

So gibt es zwischen den Parteien andere Einigungsbestrebungen (vgl. Anlage B5) und falls diese Versuche erfolgreich wären, könnten diese unter Umständen auch die Streitpatentfamilie miteinbeziehen. Da dies der Fall sein kann, durfte die Klägerin bereits nicht davon ausgehen, dass diese Erklärung ein bindender Antrag ist. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Parteien um langjährige Konkurrenten handelt, die eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten ausgetragen haben und austragen. Es ist davon auszugehen, dass einerseits grundsätzliches Vertrauen bestehen dürfte, weil man sich kennt, dieses aber andererseits nicht sehr weitreichend ist, weil es zahlreiche Konflikte gibt. Würde die Klägerin bei anderen Klauseln auf Regelungen (z. B. in für die Parteien wichtigen und teilweise geradezu zentralen Punkten bei den Nebenabreden) bestehen, die für die Beklagte als nicht tragbar erscheinen, besteht gleichfalls ein Interesse der Beklagten, sich von dieser Erklärung wieder lösen zu können, so dass diese nicht als Antrag, sondern als inivitatio ad offerendum zu bewerten ist, was der Klägerin auch so hätte bewusst werden können.

(F) Entgegen der Annahme der Klägerin ist eine Einigung oder ein Rechtsbindungswillen dafür, im Rahmen eines - wie es die Klägerin nennt - „mehraktigen“, jeweils verbindlichen Vorgehens zu zwei Verträgen zu gelangen, dem Erklären und Verhalten der Beklagten nicht zu entnehmen.

Der von der Klägerin angeführte mehraktige Ansatz, wonach sich die Parteien in einem ersten Vertrag zunächst nur über Leistung und Gegenleistung einigen und anschließend dann in einem zweiten Vertrag die weiteren, „üblichen“ Punkte verhandeln wollen, zu denen sie dann eine umfassendere Einigung erzielen, wäre bereits dann nicht interessengerecht und davon musste die Klägerin auch ausgehen, wenn die Einigung allein das Synallagma von Einräumung des Nutzungsrechts und Vergütung beträfe. Denn es ist bereits unklar, was die Hauptleistung der Klägerin ist, weil mehrere Vertragsarten in Betracht kommen (s. o.). Insofern musste die Klägerin als Empfängerin den von der Beklagten an anderer Stelle immer wieder betonten Wunsch, eine globale Einigung zu erzielen, und die Formulierung am Ende der E-Mail
… If you confirm that B. accepts this offer, I can arrange for the draft settlement agreement to be prepared so that this matter may be finalised as soon as possible. …
so verstehen, dass die Vertragsverhandlungen erst dann abgeschlossen sein sollen, wenn über den Vertragstext Konsens besteht, so dass er unterzeichnet werden kann. Alles andere vorher dient der Vorbereitung des zu „finalisierenden“ Vertragstexts.

Dies wird einem objektiven Empfänger auch dadurch deutlich, dass die Beklagte lediglich in Aussicht stellt, einen Vertragsentwurf vorzubereiten. Es ergibt jedenfalls objektiv wenig Sinn, für die Parteien wichtige und zentrale Punkte in eine zweite Vereinbarung auszulagern, die erst noch ausgehandelt werden muss. Angesichts des konfliktträchtigen Verhältnisses der Parteien wären Streitigkeiten über Details vorprogrammiert und die von der Klägerin behauptete erste Einigung wäre aufgrund ihrer Lückenhaftigkeit für die Beklagte wertlos. In diese Richtung weist auch die Höhe der vorgeschlagenen Geldsumme vom 3 Mio. €. Selbst bei Unternehmen von der Größe der Parteien werden Verträge über diese Summen in aller Regel erst mit Vorliegen des Vertragstexts geschlossen.

Zudem hat die Klägerin die Erklärung der Beklagten selbst nicht als Antrag verstanden. Denn sie schreibt in ihrer E-Mail vom 16. April 2020:
… In order to speed up the settlement, please find enclosed a draft settlement agreement. …

Außerdem fügt sie der Nachricht einen Vertragsentwurf bei, der von der Beklagten noch ergänzt und geändert werden könne.

Unabhängig davon hätte eine mehraktige Lösung mit mehreren bindenden Verträgen zwischen den Parteien vereinbart werden müssen. Das ist weder ausdrücklich der Fall, noch ergibt es sich aus den Umständen. Sofern die Klägerin behauptet, eine Zweistufigkeit stehe im Einklang mit etlichen zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarungen, so ist dieser Vortrag nach dem als Bestreiten zu bewertendem Vorbringen der Beklagten nicht hinreichend (z. B. durch Angabe der entsprechenden Vereinbarungen) dargetan. Sofern sich die Parteien in der Vergangenheit teils zunächst auf einen Preis für die Einräumung eines Nutzungsrechts geeinigt und Nebenabreden in einem nachgelagerten Verfahren getroffen haben, besagt dies nicht, dass zwei rechtlich separate Verträge geschlossen worden sind.

(G) Angesichts der vorangegangenen Gründe lässt die Kammer den Gesichtspunkt ausdrücklich offen, ob und inwiefern Frau S. für die Beklagte zum Abschluss eines bindenden Vertrags vertretungsbefugt gewesen ist.

bb) Mangels (verbindlichen) Antrags der Beklagten bedeutet die E-Mail der Klägerin vom 16. April 2020 (Anlage K2) keine rechtswirksame Annahme. Zugunsten der Klägerin kann die Kammer aber unterstellen, dass es sich bei dieser Erklärung um einen Antrag handelt.

cc) Mit der Erklärung der Beklagten vom 16. April 2020 (Anlage K3) hat sie das (zugunsten der Klägerin unterstellte) Angebot vom selben Tag nicht angenommen. Es fehlt am Rechtsbindungswillen.

Dies ergibt sich aus der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont. Hiernach durfte die Klägerin nicht davon ausgehen, die Beklagte habe ihr Angebot verbindlich angenommen und mit ihr daher einen (Lizenz-) Vertrag geschlossen. Denn die Erklärung der Beklagten ist so zu verstehen, dass sie keine verbindliche Annahme ist. Zwar teilt die Beklagte mit, dass sie sich für die Annahme ihres Einigungsvorschlags bedanke. Sie führt aber gleichzeitig aus, dass sie den Inhalt sorgfältig prüfen („carefully consider“) und hierzu an ihre Anwälte („external counsel“) weiterreichen werde. Außerdem sei eine Abstimmung mit den „Stakeholders” erforderlich:
… We are of course keen to finalise this matter quickly, but we will need to carefully consider the contents of the settlement agreement, pass it by our external counsel and align it with our stakeholders. …

Darüber hinaus ergibt sich hier das von der Klägerin geltend gemachte mehraktige Vorgehen nicht.

dd) Die Regelungen über den Dissens finden keine Anwendung. § 154 Abs. 1 BGB greift nicht. Denn die Parteien sind sich nicht über die Lückenhaftigkeit ihrer Einigung im Klaren, weil diese umstritten ist. Gleichfalls findet § 155 BGB keine Anwendung. Denn die Parteien sehen den Vertrag gerade nicht übereinstimmend als geschlossen an.

c) Der Vertrag ist ebenfalls nicht durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben in Form der „Vertragsbestätigung“ der Klägerin vom 19. Mai 2020 (Anlage K5) zustande gekommen.

Aufgrund der spätestens mit E-Mail der Beklagten vom 13. Mai 2020 offensichtlichen Einigungsmängel, durfte die Klägerin nicht auf eine Billigung vertrauen.

d) Der hilfsweise erklärten Anfechtung der Beklagten bedarf es nicht.

e) Ob ein Verschulden der Beklagten bei Vertragsverhandlungen in Betracht kommt, kann offenbleiben, weil aus den sich allenfalls ergebenden Ausgleichsansprüchen das im Feststellungsantrag bezeichnete Rechtsverhältnis nicht folgen kann.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG München: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Verleihung des Ärzte-Siegels „Top Mediziner“ bzw. „Focus Empfehlung“ durch das Magazin FOCUS Gesundheit mangels objektiver Kriterien

LG München
Urteil vom 13.02.2013
4 HKO 14545/21


Das LG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Verleihung des Ärzte-Siegels „Top Mediziner“ bzw. „Focus Empfehlung“ durch das Magazin "FOCUS Gesundheit" mangels objektiver Kriterien vorliegt. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Ärzte-Siegel
Die 4. Kammer für Handelssachen hat heute der Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbands hinsichtlich der Verleihung und Publizierung sog. „Ärzte-Siegel“ gegen einen Verlag stattgegeben (Az 4 HKO 14545/21).

Der Kläger beanstandete, dass die Beklagte gegen Entgelt an Ärztinnen und Ärzte Siegel verleiht, die sie als sogenannte „Top Mediziner“ bzw. „Focus Empfehlung“ auszeichnen.

Einmal im Jahr erscheint bei der Beklagten das Magazin „FOCUS Gesundheit“ unter dem Titel „Ärzteliste“. Gegen eine zu bezahlende Lizenz in Höhe von rund 2.000 EUR netto erhalten Ärzte ein Siegel unter der Rubrik „FOCUS EMPFEHLUNG“, das sie sodann werbend benutzen können und dies auch (unter Angabe der Fachrichtung bzw. des Landkreises) tun.

Die Beklagte verstößt durch die Vergabe der Siegel, die nach ihrem eigenen Vortrag von den Ärzten werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsgebot.

Mit den Siegeln wird bei deren angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als „TOP-Mediziner“ bezeichnet bzw. als „FOCUS-Empfehlung“ angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen.

Die von der Beklagten gegen Bezahlung einer nicht unerheblichen sog. Lizenzgebühr vergebenen Siegel haben die Aufmachung eines Prüfzeichens und werden in den vorgelegten Medien auch als solche werbend verwendet.

Hierzu führt die Kammer Folgendes aus: Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Siegel, die von der Beklagten lizenziert werden, ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest auf-fassen und davon ausgehen, die betreffenden Ärzte seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet worden.

Nach der Lebenserfahrung habe der Hinweis auf ein Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers eine erhebliche Bedeutung. Der Verbraucher erwarte, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt oder eine Dienstleistung von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehener Eigenschaften aufweisen.

Tatsächlich sei es aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lasse.

Vielmehr seien von den Kriterien, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt würden, Kriterien dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhten, wie z. B. die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit.

Die Beklagte könne auch nicht damit gehört werden, die Lizenzierung sogenannter Siegel sei ein unselbständiger, nachgelagerter Akt der Ärztelisten, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst sei. Zwar erstreckte sich die Pressefreiheit in dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NJW 2003, 277, Juve-Handbuch, zu Grunde lag, auch auf die Refinanzierung der redaktionellen Inhalte. Diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts bezog sich jedoch allein darauf, dass in dem dort zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden konnte, dass durch die Veröffentlichung von Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe von Inseraten hingewirkt wurde und dass anzeigenfinanzierte Medien regelmäßig darauf angewiesen sind, zur Schaltung von Anzeigen zu motivieren.

Hiervon unterscheide sich der vorliegende Fall jedoch grundlegend:

Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt wird, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt.

Hinzu kommt, dass Medien zwar regelmäßig darauf angewiesen sind, sich durch Anzeigen zu finanzieren, nicht jedoch durch die Vergabe von Prüfsiegeln gegen ein nicht unerhebliches Entgelt. Dass dies eine unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeigt der eigene Vortrag der Beklagten, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen sogenannten „Wildwuchs“ gewesen sei. Davor wurden die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.



LG München: Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe hat keinen Anspruch gegen BMW auf Unterlassung des Vertriebs von PKW mit Verbrennungsmotoren ab dem 31.10.2030

LG München
Urteil vom 07.02.2023
3 O 12581/21


Das LG München hat entschieden,dass der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe keinen Anspruch gegen BMW auf Unterlassung des Vertriebs von PKW mit Verbrennungsmotoren ab dem 31.10.2030 bzw. gegenwärtig auf Beschränkung des Vertriebs hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
"Deutsche Umwelthilfe"

Das Landgericht München I hat heute eine Klage gegen einen Münchner Automobilhersteller abgewiesen, wonach dieser verpflichtet werden sollte, den Vertrieb von PKW mit Verbrennungsmotoren ab dem 31. Oktober 2030 zu unterlassen, soweit nicht sichergestellt ist, dass durch Produktion und Nutzung dieser PKW keinerlei Anstieg von Treib-hausgasen in der Atmosphäre zu erwarten ist. Für den Zeitraum bis zum 31. Oktober 2030 sollte der Vertrieb von Personenkraftwagen beschränkt werden anhand eines zulässigen Höchstmaßes an Treibhausgasemissionen aller verkauften PKW (Az. 3 O 12581/21).

Die Kläger sind Geschäftsführer bzw. stellvertretende Geschäftsführer des Deutschen Umwelthilfe e.V.. Sie machen mit der Klage geltend, der PKW-Vertrieb des beklagten Automobilherstellers führe zu Treibhausgasemissionen, die zu zwingenden rechtswidrigen Eingriffen in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger führten. Produktion und Vertrieb der PKW seien daher, zeitlich gestaffelt, auf ein Höchstmaß an Treibhausgasemissionen zu begrenzen. Ein darüber hinaus gehender weiterer Vertrieb von PKW durch das beklagte Automobilunternehmen sei zu untersagen.

Der beklagte Automobilhersteller ist der Auffassung, der von den Klägern aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Anspruch scheitere schon daran, dass die Begrenzung von Fahrzeugemissionen auf europarechtlicher Ebene harmonisiert sei. Die europäischen Regelungen, die der beklagte Automobilhersteller umfassend befolge, gingen dem hier geltend gemachten Unterlassungsanspruch vor. Jedenfalls sei auch der Vortrag der Kläger zu den zukünftigen Auswirkungen der Treibhaus-gasemissionen auf das soziale Leben und den damit einhergehenden zu befürchtenden Ein-schränkungen zu abstrakt, um darauf Unterlassungsansprüche zu stützen. Schließlich ergebe sich im Rahmen einer Gesamtabwägung mit den grundrechtlich verbürgten Berufs- und Eigentumsfreiheiten des beklagten Automobilherstellers, dass die beantragte Vertriebsunterlassung nicht zu begründen sei.

Das Landgericht hat entschieden, dass der von den Klägern geltend gemachte Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht von vorneherein ausgeschlossen ist. Derzeit drohe jedoch noch kein rechtswidriger Eingriff in den Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Nach jetziger Abwägung aller Umstände seien die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung deshalb unbegründet.

Zu berücksichtigen sei bei der gebotenen Interessenwägung, dass sowohl der nationale als auch der europäische Gesetzgeber eine Vielzahl von Regelungen erlassen habe, um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Diesen Regelungen lägen umfassende Abwägungen der Interessen und Belange aller Beteiligten zu Grunde. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 24. März 2021, Az. 1 BvR 2656/18, mit Gesetzeskraft entschieden, es könne aktuell nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber seinen durch die Grundrechte vorgegebenen Spielraum insofern überschreite.

Ausgehend auch von dieser aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seien keine Besonderheiten ersichtlich, die gegenwärtig zu einer abweichenden zivilrechtlichen Bewertung führten. Über die öffentlich-rechtlichen Pflichten hinausgehende zivilrechtliche Pflichten der Beklagten, etwa wegen Fehlens einer gesetzlichen Regelung, bestehen nach Auffassung der Kammer jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Regierung wie Gesetzgeber werden zudem stets die Effektivität ihrer Maßnahmen zur Sicherung der Klimaschutzziele zu überprüfen haben, wobei gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen sein werden.

Im Ergebnis sei daher der von den Klägern geltend gemachte, auf ihr intertemporales Allgemeines Persönlichkeitsrecht gestützter Abwehranspruch derzeit nicht begründet.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Zum Hintergrund:

Das Bundesverfassungsgericht erklärte mit Beschluss vom 24.3.2021, Az. 1 BvR 22656/18, die Regelungen in § 3 Abs. 1 S. 2 und § 4 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Anlage 2 KSG für mit dem Grundgesetz unvereinbar und gab dem Gesetz-geber auf, die Fortschreibung der Minderungsziele für Zeiträume nach 2030 bis zum 31.12.2022 unter Beachtung der Maßgaben dieses Beschlusses näher zu regeln.Das Bundesverfassungsgericht führte insoweit unter anderem Folgendes aus:

„Jeder konkrete Verbrauch verbleibender CO2-Mengen verringert das Restbudget und die Möglichkeiten weiteren CO2–relevanten Freiheitsgebrauchs und verkürzt zugleich die Zeit für die Initiierung und Realisie-rung soziotechnischer Transformation.“ „Als intertemporale Freiheitssicherung schützen die Grundrechte die Bf. hier vor einer einseitigen Verlage-rung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft.“ „Die Grundrechte verpflichten den Gesetzgeber, die nach Art. 20a GG verfassungsrechtlich gebotenen notwendigen Reduktionen von CO2-Emissionen bis hin zur Klimaneutralität vorausschauend so zu gestalten, dass die damit verbundenen Freiheitseinbußen trotz steigender Klimaschutzanforderungen weiterhin zumutbar ausfallen und die Reduktionslasten über die Zeit und zwischen den Generationen nicht einseitig zulasten der Zukunft verteilt wird.“ (Az 192)„…Art. 20a GG ist eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die besonders betroffenen künftigen Generationen binden soll.“ „Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz.“ „Wenn Regierung und Gesetzgeber danach davon ausgehen, dass bei einer Begrenzung des Anstiegs der Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst 1,5 °C (§ 1 Satz 3 KSG) die Folgen des Kli-mawandels in Deutschland durch Anpassungsmaßnahmen so weit gelindert werden könnten, dass das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebotene Schutzniveau gewahrt wird, überschreiten sie jedenfalls gegenwärtig nicht ihren durch die grundrechtliche Schutzpflicht belassenen Entscheidungsspielraum.“

In der geänderten Fassung vom 18.8.2021 sieht das Bundesklimaschutzgesetz (KSG) nunmehr in § 3 folgen-de Regelung vor:
„(1) Die Treibhausemissionen werden im Vergleich zum Jahr 1990 schrittweise wie folgt gemindert: 1. bis zum Jahr 2030 um mindestens 65 %,2. bis zum Jahr 2040 um mindestens 88 %. (2) Bis zum Jahr 2045 werden die Treibhausgasemissionen so weit gemindert, dass Netto-Treibhausgasneutralität erreicht wird. Nach dem Jahr 2050 sollen negative Treibhausemissionen erreicht werden.“



LG München: Audi obsiegt im Rechtsstreit gegen NIO - Verwechslungsgefahr zwischen Automobilbezeichnungen "S6" bzw. "S8" und "es 6" bzw. "es 8"

LG München
Urteil vom 19.01.2023
1 HK O 13543/21


Das LG München hat im markenrechtlichen Rechtsstreit zwischen Audi und NIO entschieden, dass Verwechslungsgefahr zwischen den Automobilbezeichnungen "S6" bzw. "S8" und "es 6" bzw. "es 8" besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
„Verwechslungsgefahr bei Werbung für Automarken“

Die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I hat heute in einem Markenstreit zwischen zwei Automobilherstellern zugunsten der Klageseite entschieden und der Beklagten die angegriffene Werbung untersagt (1 HK O 13543/21).

Der beklagte Autokonzern bewirbt auf seiner Internetseite zwei seiner Automobile mit seinem Firmennamen sowie dem Zusatz „es 6“ bzw. „es 8“ und plant die von ihm dergestalt beworbenen Fahrzeuge in Deutschland auf den Markt zu bringen.

Hiergegen wandte sich der Kläger in seiner Klage auf Unterlassung, Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Feststellung des Schadenersatzes mit dem Argument, dass bezüglich der für ihn eingetragenen Marken „S 6“ und „S 8“ Verwechslungsgefahr bestehe.

Das Gericht bejahte im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr der beiden Zeichen durch gedankliches Inverbindungbringen.

Das Gericht ging davon aus, dass der in der Werbung zu sehende Firmenname für die Bewertung der Verwechselungsgefahr rechtlich außer Betracht zu bleiben habe, da es sich bei dem angegriffenen Zeichen erkennbar um einen Kfz-Typenbezeichnung handele und es im Automobilbereich die Gepflogenheit gebe, Typenbezeichnungen als eigenständige Marken im Sinne von Zweitmarken anzusehen. Es gelte dann der Grundsatz, dass Marken als Ganzes zu vergleichen seien.

Im Weiteren führte das Gericht zur Begründung aus:

Zwar weiche die angegriffene Gestaltung des beklagten Unternehmens durch den zusätzlichen Buchstaben „E“ im Zeichen der Beklagten schriftbildlich und klanglich merkbar von der klägerischen Marke „S 6“ und „S 8“ ab. Der zusätzliche Buchstabe „E“ sichere jedoch vorliegend keine hinreichende Unterscheidungskraft. Beide Marken würden zumindest in klanglicher Hinsicht gedanklich in Verbindung gebracht, was unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Klagemarke und bestehenden Warenidentität zu einer mittelbaren Verwechslungsgefahr führe.

Der Buchstabe „E“ in Verbindung mit einem Produkt sei nämlich aktuell als Abkürzung für „Elektro“/ „elektronisch“ quasi allgegenwärtig. Der Buchstabengebrauch betreffe sämtliche Lebensbereiche (z.B. als E-Akte das Gericht), insbesondere aber auch den Automobilbereich. Die Bedeutung bzw. der Ausbau der sogenannten „E-Mobilität“ sei ein wichtiges Gesellschaftsthema. Dementsprechend werde ein Kraftfahrzeug, das über einen Elektromotor verfüge, nicht nur als Elektroauto, sondern auch sehr häufig kurz als „E-Auto“ bezeichnet.

Die Kammer führte aus, es sei deshalb zu erwarten, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise das „E“ in dem angegriffenen Zeichen und damit den einzigen Unterschied zwischen den beiden Zeichen auch hier als in diesem Sinne beschreibend verstehe und darin lediglich einen Hinweis auf den Motortyp des Fahrzeugs sehe. Es bestehe die Gefahr, dass Verbraucher annehmen, der „ES 6“ sei der „S 6“ in der Elektroversion, die beiden Fahrzeuge seien vom selben Hersteller. Es gebe damit eine über die reine Assoziation hinausgehende Gefahr einer Verwechselung durch Inverbindungbringen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.


LG München: Wettbewerbswidrige Irreführung durch blickfangmäßig beworbene Rabattaktion wenn Zeitraum und Voraussetzungen nur im Kleingedruckten klargestellt werden

LG München
Urteil vom 12.01.2023
17 HKO 17393/21


Das LG München hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung durch eine blickfangmäßig beworbene Rabattaktion vorliegt, wenn Zeitraum und Voraussetzungen nur im Kleingedruckten klargestellt werden.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Küchentage
Die 17. Handelskammer des Landgerichts München I hat heute der Klage eines Vereins zum Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb stattgegeben (Az. 17 HKO 17393/21). Der Verein hatte gegen eine Händlerin für Möbel wegen einer Werbeanzeige in einer Tageszeitung geklagt.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein mit dem Zweck der Durchsetzung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb.

Die Beklagte ist Händlerin für Möbel und Küchen. Sie betreibt ein Möbelhaus in München.

Das Möbelhaus hatte am 19. August 2021 zu den sogenannten „KüchenTagen“ des Möbelhauses eine Werbeanzeige in einer Tageszeitung abgedruckt. Der Verein nahm das Möbelhaus im Hinblick auf diese Werbeanzeige auf Unterlassung in Anspruch und verlangte die Erstattung der außergerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten.

Die 17. Handelskammer hat die konkrete Gestaltung der Werbeanzeige als irreführend für Verbraucher eingestuft und der Klage daher stattgegeben.

Für die Leser der Anzeige sei schon nicht klar ersichtlich, wie lange die beworbene Rabattaktion laufe. Auf der Werbeanzeige finde sich blickfangmäßig herausgestellt das Datum des 21.08., im Kleingedruckten sei jedoch ein Hinweis auf das Datum des 31.08.2021 enthalten.
Um den Vorwurf einer Irreführung über die Laufzeit der Rabattaktion auszuschließen, wäre es erforderlich gewesen, die Teilnahmebedingungen unmittelbar den blickfangmäßig herausgestellten Angaben zuzuordnen und so den Verbraucher aufzuklären. Eine solch eindeutige Aufklärung über die Teilnahmebedingungen fehle jedoch in der streitgegenständlichen Werbeanzeige. Selbst wenn man zu Gunsten des Möbelhauses unterstelle, dass der Verbraucher den Hinweis auf das Aktionsende zum 31.08.2021 zur Kenntnis nehme, bliebe er im Ungewissen darüber, was die Befristung bedeute.

Der Entscheidungsdruck, der durch die Befristung des Angebots im Blickfang auf den 21.08. aufgebaut werde, könne durch eine solch uneindeutige weitere Datumsangabe im Kleingedruckten jedenfalls nicht beseitigt werden. Es sei insofern auch zu berücksichtigen, dass die Ankündigung von Preissenkungen wegen der Behauptung einer nur aktuell bestehenden Preisgünstigkeit eine stark anlockende Wirkung auf den Leser ausübe.

Weiter sei aus der beanstandeten Werbeanzeige auch nicht eindeutig erkennbar, unter welchen Voraussetzungen und bezüglich welcher Produkte des Möbelhauses der beworbene Rabatt Anwendung finde.

Die Kammer sah die blickfangmäßig herausgestellten Rabattzahlen zumindest als uneindeutig an. Der Leser bliebe im Zweifel, ob die Anzeige 20% und 20%, also insgesamt 40% Rabatt anpreise, oder nur jeweils 20% auf verschiedene Produkte. Eine solch blickfangmäßig herausgestellte Aussage, die isoliert betrachtet zur Täuschung geeignet sei, könne jedoch nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis korrigiert werden, der selbst am Blickfang teilhat. An einem solchen Hinweis fehle es hier. Das von der Beklagten angeführte Kleingedruckte im unteren Teil der Werbeanzeige reiche insoweit nicht aus.




BGH: Erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde im Rechtsstreit um Karikaturen "The Real Badman & Robben" - OLG München muss erneut entscheiden

BGH
Beschluss vom 28.07.2022
I ZR 11/22


Der BGH hat der Nichtzulassungsbeschwerde im Rechtsstreit um die Karikaturen "The Real Badman & Robben" zwischen dem Grafiker und dem FC Bayern München stattgegeben. Das OLG München muss erneut entscheiden

Aus den Entscheidungsgründen:
III. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe das Verfahrensgrundrecht des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

1. Die Garantie rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht braucht dabei zwar nicht jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden; es hat vielmehr bei der Abfassung seiner Entscheidungsgründe eine gewisse Freiheit und kann sich auf die für den Entscheidungsausgang wesentlichen Aspekte beschränken.

Es müssen in den Gründen aber die wesentlichen Tatsachen- und Rechtsausführungen verarbeitet werden. Wenn ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern des Parteivorbringens darstellt und für den Prozessausgang von entscheidender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu erwägen. Ein Schweigen lässt hier den Schluss zu, dass der Vortrag der Prozesspartei nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde (vgl. BVerfG, NJW-RR 2018, 694 [juris Rn. 18] mwN).

2. Nach diesen Maßstäben verletzt die angefochtene Entscheidung den Kläger in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG. Das Berufungsgericht hat erheblichen Vortrag des Klägers zu den mit der Klage geltend gemachten urheberrechtlichen Schutzgegenständen bei seiner Entscheidung nicht erwogen.

a) Die Beschwerde weist mit Recht darauf hin, dass der Kläger seine Klagebegründung maßgeblich darauf gestützt hat, dass "die streitgegenständliche Choreographie" ein Gesamtwerk darstelle, welches als solches urheberrechtlichen Schutz genieße. Den Schutz dieses von ihm geltend gemachten "Gesamtwerks" hat der Kläger bereits in der Klageschrift dahin erläutert, dass nicht nur die beiden Werkteile "Karikaturen" und "Slogan" isoliert betrachtet urheberrechtlich geschützte Werke seien. Maßgeblich sei vielmehr das Gesamtwerk des Klägers, "welches sich aus den beiden Elementen an persönlichen geistigen Schöpfungen im Sinne von Werken der bildenden Kunst als Einheit" ergebe. Beide Elemente müssten als Einheit betrachtet werden, sie stünden in Wechselwirkung zueinander; maßgeblich sei der Gesamteindruck. Entsprechend diesem Vorbringen hat auch das Landgericht den Werkcharakter dieser Kombination aus Slogan und Zeichnung geprüft und als schutzfähiges Werk im Sinne des § 2 UrhG angesehen. Auch in der Berufungsinstanz hat der Kläger ausgeführt, die Illustration genieße bereits per se, zumindest jedoch in der maßgebenden Gesamtschau als Gesamtwerk mit dem Slogan "The Real Badman & Robben" als persönlich geistige Schöpfung urheberrechtlichen Schutz. Damit ergibt sich aus dem Klägervorbringen zweifelsfrei, dass die Klage auch auf die Verletzung eines aus der Kombination
aus Zeichnung und Slogan bestehenden Werks gestützt ist.

b) Dem Berufungsurteil lässt sich nicht entnehmen, dass das Berufungsgericht den Werkcharakter der Kombination aus Slogan und Zeichnung geprüft hat. Das Berufungsgericht hat auch nicht angenommen, dass es auf diese Frage nicht entscheidungserheblich ankomme und deshalb eine Prüfung unterbleiben könne. Es hat vielmehr geprüft, ob dem "isoliert betrachteten" Slogan als Sprachwerk eine eigene Werkqualität zukommt, und hat außerdem unterstellt, dass die Zeichnungen isoliert betrachtet Werkqualität im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG haben. Es hat aber nicht geprüft, ob - wie vom Kläger geltend gemacht - dem Slogan und den Zeichnungen in einer Gesamtbetrachtung Werkqualität zukommt.

aa) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung hat das Berufungsgericht auf Seite 10 im dritten Absatz seines Urteils nicht die Werkqualität einer solchen Kombination geprüft. Dort hat es vielmehr - im Rahmen der Prüfung der Werkqualität des isoliert betrachteten Slogans - ausgeführt, eine Zusammenschau des Slogans mit den Zeichnungen führe nicht dazu, dass die Wortfolge als eigenständiges Sprachwerk urheberrechtlich geschützt sei.

bb) Den Werkcharakter der Kombination aus Slogan und Zeichnungen hat das Berufungsgericht auch nicht im Rahmen seiner Ausführungen zum Schutz einer "Choreographie/Komposition" geprüft.

(1) Das Berufungsgericht hat insoweit angenommen, die vom Kläger geltend gemachte "Choreographie/Komposition" sei ebenfalls kein schutzfähiges Werk. Es sei unverständlich, was der Kläger überhaupt mit "Choreographie" bzw. "Komposition" in Bezug auf die mit der Klage eingereichten Darstellungen meine, denn aus den einzelnen Zeichnungen lasse sich nicht entnehmen, dass der Kläger ein in sich zusammengehöriges, in einer bestimmten und vom Kläger erdachten Abfolge vorzutragendes Gesamtwerk geschaffen habe. Sofern der Kläger - wie es das Landgericht offensichtlich verstanden habe - mit den Begriffen "Choreographie" bzw. "Komposition" zum Ausdruck habe bringen wollen, dass er mit einer Mehrzahl von Werken für die dort dargestellten Figuren "Badman & Robben" unabhängig von der konkreten Art einer etwaigen grafischen Darstellung Schutz beanspruchen könne, könne dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Nach den Grundsätzen des Schutzes einer literarischen Figur oder einer gezeichneten Person seien die Zeichnungen des Klägers nicht geschützt, weil sich aus ihnen nicht auf ausgeprägte Charaktereigenschaften schließen lasse. Auf
die Eigenschaften der abgebildeten Fußballer, die diesen von den Medien zugeschrieben würden, könne sich der Kläger nicht berufen. Die Eigenschaften der vom Kläger zeichnerisch dargestellten Figuren seien nicht seine schöpferische Leistung, sondern beruhten auf einer gedanklichen Transferleistung des Betrachters, und dies auch nur, sofern er die dargestellten Personen wiedererkenne.

(2) Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass das Berufungsgericht offensichtlich den Kern des Klagevortrags nicht hinreichend in den Blick genommen hat. Es hat - möglicherweise durch Assoziationen mit dem Theater- und Musikbereich und die Bezugnahme des Landgerichts auf den urheberrechtlichen Figurenschutz - unter
"Choreographie" und "Komposition" nicht das verstanden, was der Kläger - von ihm in seinem Klagevorbringen ausdrücklich erläutert - gemeint hat, nämlich die Kombination von Zeichnung und Slogan.

3. Diese Gehörsrechtsverletzung ist entscheidungserheblich.

a) Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des vom Kläger gehaltenen Vortrags zu der Beurteilung gekommen wäre, dass in der Zeichnung des Klägers in Zusammenschau mit dem Slogan "The Real Badman & Robben" ein gemäß § 2 UrhG schutzfähiges Werk gesehen werden kann.

aa) Für den Schutz als urheberrechtliches Werk ist der Begriff der persönlichen geistigen Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG beziehungsweise der eigenen geistigen Schöpfung im Sinne des unionsrechtlichen Werkbegriffs (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 222/20, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 29] = WRP 2022, 729 - Porsche 911, mwN) maßgeblich. Insoweit können auch neue Werkarten und Mischformen zwischen den im Beispielskatalog des § 2 Abs. 1 UrhG aufgeführten Werkarten geschützt sein (vgl. Loewenheim/Leistner in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl., § 2 UrhG Rn. 30; BeckOK.Urheberrecht/Ahlberg, 36. Edition [Stand: 15. Oktober 2022], § 2 UrhG Rn. 2; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 2 Rn. 3; A. Nordemann in
Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl., § 2 UrhG Rn. 11; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberecht, 6. Aufl., § 2 UrhG Rn. 4), hier also die Kombination aus Zeichnung und Sprache.

bb) Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vortrags - wie bereits das Landgericht - in tatgerichtlicher Würdigung zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass in der Kombination von karikaturhaft-überzeichnender grafischer Darstellung der Spieler und Slogan eine künstlerische Leistung im Sinne
von § 2 Abs. 2 UrhG liegt.

b) Die Entscheidungserheblichkeit der Gehörsrechtsverletzung ist nicht deswegen zu verneinen, weil es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls an einer Verletzung fehlte. In seiner tatgerichtlichen Verletzungsprüfung hat das Berufungsgericht ausschließlich auf die Gegenüberstellung der in Rede stehenden Zeichnungen abgestellt und damit außer Betracht gelassen, dass sowohl die Schöpfung des Klägers als auch die von der Beklagten benutzte Darstellung den wortidentischen Slogan aufweisen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Cookie-Banner nach TCF-Standard von FOCUS-Online datenschutzwidrig

LG München
Urteil vom 29.11.2022
33 O 14776/19


Das LG München hat entschieden, dass der Cookie-Banner nach TCF-Standard von FOCUS-Online datenschutzwidrig ist. Insbesondere rügt das Gericht, dass der Cookie-Banner angesichts der Vielzahl technisch nicht notwendiger Cookies unübersichtlich ist und der Aufwand zum Ablehnen aller Cookies zu aufwändig ist, da kein "Alle-Ablehnen"-Button vorgehalten wird.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: