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LG Nürnberg: Richtiges Klagebegehren bei unberechtigter Löschung eins Beitrags in einem sozialen Netzwerk ist die Wiederfreischaltung des gelöschten Beitrags

LG Nürnberg
Urteil vom 22.08.2023
11 O 6693/21


Das LG Nürnberg hat entschieden, dass das richtiges Klagebegehren bei unberechtigter Löschung eins Beitrags in einem sozialen Netzwerk die Wiederfreischaltung des gelöschten Beitrags ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
A. Die Klage ist in ihrer zuletzt geänderten Fassung nur teilweise zulässig.

I. Es liegt eine zulässige Klageänderung vor.
1. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 10.06.2022 (Bl. 94 ff. d. A.) den Klageantrag Ziffer 5 um einen Hilfsantrag erweiterte, liegt eine Änderung des Sachantrags, mithin eine Klageänderung vor.

2. Die vom Kläger vorgenommene Klageänderung ist als privilegierte Klageänderung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.

II. Die sonstigen Sachurteilsvoraussetzungen für die geänderte Klage liegen nur teilweise vor, da die Klageanträge Ziffer 2 und Ziffer 5 bereits unzulässig sind.

1. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist international, sachlich und örtlich zuständig.

Die deutschen Gerichte sind international zuständig, Art. 17 Abs. 1c, Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist nach vorstehenden Ausführungen auch örtlich zuständig, da der Kläger seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts hat. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts beruht auf § 1 ZPO, § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG.

2. Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit von der in dem Klageantrag Ziffer 2 genannten Sperre, Nutzungseinschränkung, Entfernung und Unterbindungshandlung begehrt. Der Klageantrag zielt insoweit nicht auf die Feststellung gegenwärtiger Rechtsverhältnisse im Sinne des § 256 Abs. 1, Abs. 2 ZPO ab (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.05.2022 – 14 U 270/20, juris Rn. 58 ff. mwN).

Der Aspekt, ob eine Kontensperrung rechtswidrig war, stellt kein Rechtsverhältnis dar, da die Qualifizierung eines Verhaltens als rechtmäßig oder rechtswidrig nicht unmittelbar Rechte und Pflichten begründet und daher kein Rechtsverhältnis zwischen Personen begründet. Von daher spielt es auch keine Rolle, ob die Rechtswidrigkeit von erfolgten Sperren eine Vorfrage bei der Entscheidung über andere Klageanträge darstellt. Schließlich erweist sich der Feststellungsantrag auch unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Leistungsklage als unzulässig.

3. Ebenfalls unzulässig ist die Klage mit ihrem Klageantrag Ziffer 5 nebst Hilfsantrag.

a. Der Unterlassungsantrag ist – auch in der Fassung des Hilfsantrags – nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Unterlassungsanträge, die lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergeben, sind in der Regel als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen. Vorliegend gibt der Unterlassungsantrag zwar nicht einen Gesetzeswortlaut wieder, sondern knüpft an eine Handlung der Beklagten – die Vornahme einer Sperre des Klägers auf www.facebook.com – an. Dennoch entspricht das Klagebegehren in seiner Wirkung faktisch der bloßen Wiederholung einer Rechtslage, nämlich der Rechtslage in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen für die Vornahme einer Sperre (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 59).

b. Zudem darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Den Fall der Kontosperre als Verletzungshandlung bzw. als Handlung, die nur nach Anhörung und Möglichkeit der Gegenäußerung zulässig wäre, gibt es nicht. Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung deutlich gemacht, dass von einer Anhörung vor Durchführung der Maßnahme in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen abgesehen werden kann. Außerdem kann z. B. ein Wiederholungsfall vorliegen, der eine nochmalige Anhörung vor einer Sperre entbehrlich macht. Von daher ist die Verletzungshandlung, an die der geltend gemachte Unterlassungsanspruch anknüpft, nicht hinreichend bestimmt. Ließe man den Antrag zu, hätte die Beklagte keine Möglichkeit, sich umfassend und adäquat zu verteidigen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 60).

c. Schließlich handelt es sich bei dem Begehren des Klägers inhaltlich nicht um einen Unterlassungsanspruch, sondern um einen Anspruch auf zukünftiges positives Tun (Leistungsanspruch auf Information und Neubescheidung vor einer möglichen Sperre). Eine solche Klage ist nach § 259 ZPO nur zulässig, wenn ein Anspruch bereits entstanden ist. Ein Anspruch auf Information kann aber nicht vor Vornahme der entsprechenden Handlung (hier: Einstellung eines Posts, der zu einer Sperre Anlass geben könnte) entstehen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 61).

B. Die Voraussetzungen für eine zulässige Anspruchshäufung liegen vor, § 260 ZPO.

C. Die Klage ist, soweit über sie noch zu entscheiden ist, überwiegend unbegründet.

I. Der auf die Freischaltung des am 14.08.2021 gelöschten Beitrags (Klageantrag Ziffer 3) ist begründet, da der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch hat, den von ihr am 14.08.2021 gelöschten Beitrag wieder freizuschalten.

1. Zwischen den Parteien besteht ein Nutzungsvertrag, der aufgrund der Rechtswahlklausel in Nr. 4.4 der Nutzungsbedingungen der Beklagten dem deutschen Recht unterliegt (so auch BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 38). Gemäß Nr. 1 ihrer Nutzungsbedingungen hat sich die Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet, diesem ihre Produkte und Dienste zur Verfügung zu stellen, um ihm die Möglichkeit zu geben, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten und sich mit ihnen auszutauschen, insbesondere Nachrichten zu senden und Daten wie Texte, Fotos und Videos zu teilen. Daraus folgt, dass die Beklagte Beiträge, die der Kläger in ihr Netzwerk eingestellt hat, nicht grundlos löschen darf (BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 40).

2. Gegen diese vertragliche Verpflichtung hat die Beklagte durch die Löschung des streitgegenständlichen Beitrags verstoßen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sie sich insoweit nicht auf den Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt in Nr. 3.2 der (…)-Nutzungsbedingungen i.V.m. den Gemeinschaftsstandards zur „Hassrede“ berufen. Denn ausgehend von der in den Gemeinschaftsstandards zur „Hassrede“ geregelten Definition enthält der Beitrag des Klägers keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards.

a. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 12.04.2016 – VI ZR 505/14, juris Rn. 11 mwN). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 31). Sind mehrere sich nicht gegenseitig ausschließende Deutungen des Inhalts einer Äußerung möglich, so ist der rechtlichen Beurteilung hinsichtlich von Sanktionen diejenige zugrunde zu legen, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2003, juris Rn. 26; BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris 33 ff.). Anders bei Unterlassungsansprüchen: Hier ist im Rahmen der rechtlichen Zuordnung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz zu berücksichtigen, dass der Äußernde die Möglichkeit hat, sich in der Zukunft eindeutig auszudrücken und damit zugleich klarzustellen, welcher Äußerungsinhalt der rechtlichen Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu Grunde zu legen ist (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris Rn. 34). Ist der Äußernde nicht bereit, der Aussage einen eindeutigen Inhalt zu geben, besteht kein Grund, von einer Verurteilung zum Unterlassen nur deshalb abzusehen, weil die Äußerung mehrere Deutungsvarianten zulässt, darunter auch solche, die zu keiner oder nur einer geringeren Persönlichkeitsverletzung führen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris Rn. 35).

b. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liegt keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards der Beklagten vor. Denn die von der Beklagten in dem streitgegenständlichen Beitrag beanstandeten Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt im vorliegenden Kontext keinen direkten Angriff auf Personen dar, auch wenn durch die Äußerung eine bestimmte Personengruppe aufgrund ihrer nationalen Herkunft identifizierbar ist.

aa. Die Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt bereits ausgehend von dem objektiven Wortlaut und auch unter Berücksichtigung des Kontexts keine gewalttätige oder menschenverachtende Sprache und auch keinen Aufruf, Personen auszugrenzen oder zu isolieren, dar.

bb. Die Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt überdies in der Zusammenschau der gegebenen tatsächlichen Umstände nicht eine als Hassrede definierte Aussage über Minderwertigkeit, schädliche Stereotypisierung oder einen Ausdruck der Verachtung, der Abscheu oder Ablehnung oder Beschimpfung dar. Denn die Äußerung des Klägers ist mehrdeutig und von der Beklagten ist – ausgehend von dem oben dargestellten Maßstab – bei der Prüfung der Löschung die für den Kläger günstigere Auslegung zugrunde zu legen.

(1) Zwar kann die Äußerung des Klägers, wie von der Beklagten behauptet, von einem Durchschnittsleser im Gesamtkontext als eine Aussage über die Minderwertigkeit der deutschen Bevölkerung bzw. Ausdruck der Verachtung gegenüber der deutschen Bevölkerung ausgelegt und verstanden werden.

Zum einen ist die Aussage „verblödet“ bereits nach dem Wortsinn ein Ausdruck der Verachtung und Minderwertigkeit. In den Gemeinschaftsstandards ist zudem definiert, dass es sich bei dem Wort „blöd“ um eine verbotene Verallgemeinerung handelt, die Minderwertigkeit aufgrund geistiger Einschränkungen der intellektuellen Fähigkeit zum Ausdruck bringe.

Die Äußerung des Klägers könnte vor diesem Hintergrund somit dahingehend verstanden werden, dass die deutsche Bevölkerung insgesamt oder jedenfalls ein repräsentativer, „typischer“ Deutscher“ „verblödet“ sei. Damit würde allen Menschen deutscher Nationalität verallgemeinernd verminderte intellektuelle Fähigkeiten zugeschrieben werden. Auch der Gesamtkontext würde einem solchen Verständnis nicht entgegenstehen. Denn unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes kann die Äußerung dahingehend verstanden werden, dass die deutsche Bevölkerung im Vergleich zu Menschen anderer Herkunft über geringere geistige Fähigkeiten verfüge und sich daher leicht täuschen und ausnutzen lasse.

(2) Zugleich kann die Äußerung von einem Durchschnittsleser allerdings auch als Selbstkritik bzw. Selbstironie im Rahmen einer aktuellen politischen Diskussion über den Klimawandel verstanden werden. In diesem Fall würde die Äußerung des Klägers nicht unter die Definition der Hassrede in den Gemeinschaftsstandards fallen.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Durchschnittsleser die streitgegenständliche Äußerung, wie von dem Kläger vorgetragen, im Gesamtkontext dahingehend versteht, dass die beanstandete Wertung lediglich an das Verhalten und die Einstellung der Deutschen in Bezug auf den Klimawandel und die Klima- bzw. CO₂-Politik („grüner Ökowahn“) im internationalen Vergleich anknüpfe. Die Äußerung kann in diesem Gesamtkontext aufgrund der weiteren Aussagen „Autofahrer schröpfen“, „Industrie knebeln“ sowie der Aussage zur Verlagerung von Produktionsstandorten ins Ausland dahingehend verstanden werden, dass der Kläger die Deutschen kritisiere, dass diese einem „grünen Ökowahn“ unterlägen, der mit Nachteilen für die Deutschen und die deutsche Wirtschaft verbunden sei, während den Rest der Welt bzw. andere Länder der Klimawandel und Belastung der Umwelt nicht interessiere bzw. andere Länder auch noch von dem „Ökowahn“ der Deutschen profitieren würden, weil Produktionsstandorte von Deutschland ins Ausland verlagert werden.

Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Durchschnittsleser die Äußerung als (überspitzt formulierte) Selbstkritik bzw. Selbstironie und nicht als Ausdruck der Minderwertigkeit versteht.
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(3) Da es sich bei der Löschung des Beitrags um eine Sanktion der Beklagten dem Kläger gegenüber handelt, ist bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Löschung aufgrund des oben dargestellten Maßstabes die für den Kläger günstigste Auslegung zugrunde zu legen. Da die Äußerung, wie bereits dargestellt, auch dahingehend verstanden und ausgelegt werden kann, dass keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards vorliegt, war die Löschung rechtswidrig und der Beitrag ist wiederherzustellen.

Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 04.04.2022 (Bl. 71 d. A. Rückseite) geltend macht, andere Gerichte hätten bereits entschieden, dass eine Darstellung der Deutschen als dumm bzw. intellektuell minderbemittelt eine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards darstelle, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Entsprechende Urteile sind weder veröffentlicht noch vorgelegt. Es kann daher nicht überprüft werden, ob die den Entscheidungen zugrunde liegenden Äußerungen mit der streitgegenständlichen Äußerung im konkreten Zusammenhang identisch sind.

c. Da der streitgegenständliche Beitrag mangels Erfüllung eines dort genannten Straftatbestands auch keinen rechtswidrigen Inhalt im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG darstellt, kommt eine hierauf gestützte Löschung des Beitrages nicht in Betracht.

3. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte die in der Entfernung des Beitrags bestehende Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Gemäß § 249 Abs. 1 BGB ist die Beklagte zur Wiederherstellung des Beitrags verpflichtet. Denn der durch die Pflichtverletzung verursachte Schaden des Klägers besteht darin, dass sein Beitrag auf der Plattform der Beklagten nicht mehr gespeichert ist und von den anderen Nutzern nicht mehr gelesen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 111).

4. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Fragen der Wirksamkeit der Nutzungsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf die Drittwirkung von Grundrechten, sowie deren wirksame Einbeziehung und des Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht entscheidungserheblich an.

II. Der auf die Unterlassung einer künftigen Löschung des in Klageantrags Ziffer 3 enthaltenen Beitrags gerichtete Klageantrag (Klageantrag Ziffer 4) ist unbegründet. Denn die künftige Löschung des streitgegenständlichen Beitrags kann der Beklagten – unabhängig von der Anspruchsgrundlage – nicht untersagt werden (vgl. zum Folgenden: OLG München, Beschluss vom 17.07.2018 – 18 W 858/18, juris Rn. 54 ff.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geht das Verbot einer Äußerung ohne Bezugnahme auf den jeweiligen Kontext grundsätzlich zu weit, weil eine Untersagung stets eine Abwägung zwischen dem Recht des von der Äußerung Betroffenen, insbesondere auf Schutz seiner Persönlichkeit, und dem Recht des sich Äußernden auf Meinungs- und Medienfreiheit unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem die Äußerung gefallen ist, voraussetzt. Ein Verbot ohne Bezugnahme auf den Kontext geht daher grundsätzlich zu weit (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10, juris Rn. 32). Bei der Prüfung der Frage, ob ein „kerngleicher“ Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung vorliegt, kann der Aussagegehalt der beiden Äußerungen unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Kontextes miteinander verglichen werden. Der Kontext eines künftigen Textes, dessen Löschung der Kläger der Beklagten verbieten lassen will, ist aber erst bekannt, wenn der Text tatsächlich auf der Plattform der Beklagten eingestellt wird. Da die Rechtswidrigkeit einer Äußerung aber maßgeblich vom Kontext abhängt, in dem sie gefallen ist, kann im Vorfeld nicht entschieden werden, ob eine Löschung des künftigen Textbeitrags durch die Beklagte unzulässig wäre.

III. Ein Anspruch auf Datenberichtigung (Klageantrag Ziffer 1) besteht – unabhängig von der Zulässigkeit erfolgter Maßnahmen – nicht.

1. Zwar kann eine betroffene Person nach Art. 16 Satz 1 DS-GVO von dem Verantwortlichen die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten verlangen.

Soweit die Beklagte vorgenommene Löschungen und Sperrungen in ihrem Datenbestand vermerkt hat, handelt es sich jedoch nicht um unrichtige Daten. Soweit die gespeicherten Daten Werturteile der Beklagten über das Vorliegen von Vertragsverstößen beinhalten sollten, könnte auch insoweit keine Datenberichtigung verlangt werden, weil es sich nicht um dem Wahrheitsbeweis zugängliche Tatsachen, sondern um rechtliche Bewertungen handelt, die schon wegen des Schutzes der Meinungsfreiheit aus dem Anwendungsbereich der Berichtigungspflicht ausgenommen sind, soweit sie keine Tatsachenbestandteile enthalten. Der Beklagten ist es mithin nicht verwehrt, ihre Auffassung zu vermerken, etwaige Löschungen und Sperrungen seien rechtmäßig gewesen, ohne dass damit ein Präjudiz für die Frage der Rechtmäßigkeit verbunden wäre. Für eine solche Bindungswirkung, die über die materielle Rechtskraft des Urteils hinausgeht, besteht keine rechtliche Grundlage. Es existiert keine Regelung, wonach von der Beklagten gespeicherte Daten verbindlich für die Beurteilung der Rechtslage seien (vgl. OLG Celle, Urteil vom 20.01.2022 – 13 U 84/19, juris Rn. 95 ff.).

b. Soweit der Kläger die Löschung aller Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz begehrt, sieht Art. 16 Satz 1 DS-GVO eine solche Rechtsfolge nicht vor. Dem „Recht auf Berichtigung“ kann im Einzelfall auch dadurch – ggf. besser – Rechnung getragen werden, dass unrichtige Daten durch Hinzufügung von Vermerken in korrigierter Weise beibehalten werden.

c. Ein Anspruch auf Löschung gespeicherter Daten steht dem Kläger auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 lit a) DS-GVO zu. Denn danach sind personenbezogene Daten auf Verlangen erst dann zu löschen, wenn sie für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Im Rahmen einer fortgesetzten Nutzung der Dienste der Beklagten ist diese jedoch zur Durchführung des Vertragsverhältnisses darauf angewiesen, Informationen zu etwaigen Löschungen und Sperrungen in den Konten ihrer Nutzer vorzuhalten.

d. Soweit eine Verpflichtung der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 BGB im Raume steht, Datensätze insoweit zu korrigieren, als ihnen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021, Az. III ZR 179/20 und III ZR 192/20, ungerechtfertigte Sanktionen des Klägers zugrunde liegen, stehen solche zur Überzeugung der Kammer nicht fest. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. OLG München, Beschluss vom 07.01.2020 – 18 U 1491/19, juris Rn. 178) legt weder schlüssig noch substantiiert dar, welchen konkreten Inhalt die auf Seite 16 der Klageschrift (Bl. 16 d. A.) aufgelisteten und in der Vergangenheit gelöschten Beiträge hatten. Durch die Kammer kann somit nicht überprüft werden, ob vorliegend ein Löschung des jeweiligen Beitrags zulässig war.

IV. Der auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klageantrag Ziffer 6 ist unbegründet.

1. Nach § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 257 BGB kann der Kläger eine Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht beanspruchen.

Dem von einer Vertragspflichtverletzung Betroffenen ist es grundsätzlich zuzumuten, seinen Vertragspartner zunächst selbst auf Erfüllung der diesem obliegenden Pflichten in Anspruch zu nehmen. Ob dieser Grundsatz uneingeschränkt auch für den Anspruch auf Wiederherstellung eines zu Unrecht gelöschten Beitrags gilt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn mit dem Schreiben an die Beklagte vom 20.09.2021 (Anlage K 13) hat der Klägervertreter die Beklagte unter Ziffer IV.1. lediglich zur unverzüglichen Freischaltung „etwaige(r) gelöschte(r) Beiträge“ aufgefordert. Darin kann keine hinreichend bestimmte vorgerichtliche Aufforderung zur Wiederherstellung des gelöschten streitgegenständlichen Beitrags gesehen werden (so auch OLG München, Beschluss vom 07.01.2020 -18 U 1491/19, juris Rn. 209 ff.).

2. Auch aus § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1 BGB kann der Kläger die Freistellung von außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nicht verlangen, da sich die Beklagte bei Beauftragung der Klägervertreter nicht in Verzug befunden hat. Denn der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat weder schlüssig dargelegt, dass er die Beklagte vor Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten im Sinne von § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB abgemahnt hat, noch war die Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich. Insbesondere liegt entgegen der Auffassung des Klägers keine Entbehrlichkeit nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, da für die Leistung der Beklagten (Zur Verfügung Stellung der Plattform) keine Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt ist. Auch liegt keine Entbehrlichkeit nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 vor, da eine Abwägung der beiderseitigen Interessen einen sofortigen Eintritt des Verzugs nicht rechtfertigt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Nürnberg: Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften gilt auch bei Vertrag über Lieferung und Montage eines Treppenlifts - Ausschluss des Widerrufsrechts in AGB wettbewerbswidrig

LG Nürnberg
Urteil vom 08.02.2019
7 O 5463/18

Das LG Nürnberg hat entschieden, dass das gesetzliche Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften auch bei Verträgen über die Lieferung und Montage eines Treppenlifts besteht. Der Ausschluss des Widerrufsrechts in den AGB dwettbewerbswidrig


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Nürnberg: Blickfangmäßige Werbung mit Bezeichnung Brauerei auf Etikett nur zulässig wenn Anbieter Bier auch selbst braut

LG Nürnberg
Urteil vom 13.09.2018
19 O 219/18

Das LG Nürnberg hat entschieden, dass die blickfangmäßige Werbung mit der Bezeichnung "Brauerei" auf dem Etikett nur zulässig ist, wenn der Anbieter Bier auch selbst braut. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

LG Nürnberg: Freundschaftsportal StayFriends - Unzulässige Datenschutzbestimmungen - Voreingestellte Einwilligung in Veröffentlichung auf Suchmaschinen und Drittseiten unwirksam

LG Nürnberg
Urteil vom 18.04.2018
7 O 6829/17


Das LG Nürnberg hat entschieden, dass die Datenschutzbestimmunen des Freundschaftsportals StayFriends in Teilen unzulässig und zugleich Widersprüchlich sind. Zudem sah der Anmeldevorgang vor, dass die Option für die Einwilligung dafür, dass die Daten des Nutzers in Suchmaschinen und auf Drittseiten veröffentlicht werden, voreingestellt war, so dass der Nutzer diese Option hätte abwählen müssen. Die Einwilligung muss aber durch ein aktives Handeln des Nutzers erfolgen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Nürnberg: Ein Buch ist nicht gebraucht wenn es Nach Ausübung des Widerrufsrechts zurückgeschickt wird und unterliegt der Buchpreisbindung

LG Nürnberg-Fürth
Urteil vom 21.09.2016
19 O 6816/16


Das LG Nürnberg hat entschieden, dass ein Buch nicht gebraucht ist, wenn es nach Ausübung des Widerrufsrechts ohne Gebrauchsspuren zurückgeschickt wird. Diese Bücher unterliegen dann auch immer noch der Buchpreisbindung.


Aus den Entscheidungsgründen:

" Das von der Verfügungsbeklagten angebotene Buch unterlag der Buchpreisbindung. Ein Buch ist gebraucht, wenn es bereits einmal die Vertriebskette des Buchhandels verlassen hat, indem es durch Verkauf an einen Letztabnehmer in den privaten Gebrauch gelangt ist. Die Pflicht zur Einhaltung des gebundenen Preises bezieht sich grundsätzlich nur auf den ersten Verkauf von Büchern an Letztabnehmer.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da das Buch nach Widerrufserklärung des Kunden an die Verfügungsbeklagte zurückgesandt worden ist, somit nicht in den privaten Gebrauch gelangt ist.

Insbesondere hat der Buchhandel nicht am preisgebundenen Entgelt der ersten Veräußerung partizipiert (OLG Frankfurt, NJW 2004, 2098, 2100). Letztlich wurde nämlich der gebundene Preis nicht durch den Letztabnehmer, der später widerrufen hat, bezahlt.

Die Tatsache, dass der Widerruf vorliegend mehrere Monate nach Bezahlung des Kaufpreises erfolgte, beruht darauf, dass die Verfügungsbeklagte das Buch erst nach Monaten ausgeliefert hat; hierauf kann es jedoch nicht entscheidend ankommen.

Die Verfügungsbeklagte hat daher gegen § 3 BuchPrG verstoßen, der begründete Unterlassungsanspruch beruht auf §§ 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BuchPrG."



LG Nürnberg: Markenrechtsverletzung durch Nachahmung der Red Bull-Getränkedose durch anderen Energy-Drink-Hersteller

LG Nürnberg-Fürth
Urteil vom 30.06.2016
19 O 5172/15


Das LG Nürnberg hat entschieden, dass die eine Markenrechtsverletzung vorliegt, wenn ein anderer Energy-Drink-Hersteller eine ähnliche gestaltete Nachahmung der Red Bull-Getränkedose, die als Gemeinschaftsmarke markenrechtlich geschützt ist, anbietet.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die streitgegenständliche Ausstattung auf der Getränkedose verletzt unter dem Aspekt der Verwechslungsgefahr die klägerische Gemeinschaftsmarke (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 b GMV):

1. Eine markenmäßige Benutzung ist zu bejahen:

1.1. Eine markenmäßige Benutzung i. S. d. Art. 9 Abs. 1 S. 2 lit. b) GMV setzt voraus, dass die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dient (vgl. EuGH GRUR 2003, 55 - Arsenal FC; BGH GRUR 2012, 1040, 1041 - pjur; BGH GRUR 2009, 1055 - airdsl; BGH GRUR 2009, 766 - Stofffähnchen). Dient die Verwendung des Zeichens anderen Zwecken, insbesondere wenn sie rein beschreibenden oder ornamentalen Charakter hat, liegt keine markenmäßige Benutzung vor (EuGH GRUR 2004, 58, 60 - Adidas/Fitnessworld; BGH GRUR 2008, 912, 913 - Metrosex). Für die Frage der markenmäßigen Verwendung der Kollisionszeichen ist die Verkehrsauffassung aus der Sicht eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers maßgebend (BGH GRUR 2012, 618 - Medusa).

Der BGH betont in ständiger Rechtsprechung, dass im Interesse eines umfassenden Kennzeichenschutzes von einer weiten Auslegung des Begriffs der markenmäßigen Benutzung auszugehen ist (BGH GRUR 2002, 613 - GERRl/KERRY Spring; BGH GRUR 1996, 68 - COTTON LINE). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH genügt bereits die objektive, nicht völlig fernliegende Möglichkeit, dass der Verkehr einen Herkunftshinweis annimmt (EuGH GRUR 2003, 55 - Arsenal Football Club). Nur wenn das Zeichen zweifelsfrei nicht in diesem Sinne als betriebliches Herkunftszeichen aufgefasst wird, ist markenmäßiger Gebrauch zu verneinen (BGH GRUR-1991, 609 - SL; BGH GRUR 1984, 352 - Ceramix). Ausreichend ist, dass der Verkehr das Muster nicht nur als schmückendes Beiwerk versteht (BGH, GRUR 2002, 171 - Marlboro Dach).

Bei der Beurteilung des Verkehrsverständnisses ist die Aufmachung der Kennzeichnung, in der sie dem Publikum entgegentritt, zu berücksichtigen (EuGH GRUR 2003, 55 - Arsenal Football Club; EuGH GRUR 2008, 698 - 02; BGH GRUR 2002, 809, 811 - Frühstücks Drink I). Die blickfangmäßige Herausstellung wertet die Rechtsprechung grundsätzlich als markenmäßigen Gebrauch (BGH GRUR 2003, 963 - AntiVir/AntiVirus; BGH GRUR 1998, 830 - Les-Paul-Gitarren; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14, Rn. 147). Insbesondere wenn ein Zeichen im Rahmen der Produktbezeichnung benutzt wird, ist eine markenmäßige Benutzung anzunehmen (BGH GRUR 2009, 1162 - DAX).

1.2. Im vorliegenden Fall wird die klägerische Wort-/Bildmarke auf der streitgegenständlichen Getränkedose, also auf dem Produkt selbst, blickfangmäßig verwendet. Der maßgebliche Verkehrskreis der Durchschnittsverbraucher, zu dem sich auch die Mitglieder der Kammer zählen, ordnet dieser Gestaltung keinen rein dekorativen Sinngehalt zu und versteht daher das Zeichen unter Berücksichtigung der Präsentation der klägerischen Getränkedosen (vgl. Anlagenkonvolut K 2) als Herkunftshinweis.

2. Es liegt auch Verwechslungsgefahr i. S. d. Art. 9 Abs. 1 S. 2 lit. b) GMV zwischen der Klagemarke und der angegriffenen Ausstattung vor:

2.1. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr i. S. v. Art. 9 Abs. 1 S. 2 lit. b) GMV ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. BGH, GRUR 2012, 1040, 1042-pjur). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH GRUR 2010, 933 - Barbara Becker).

2.2. Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen für die Wort-Bildmarke Nr. … erfüllt:
Die Klagemarke besitzt deutlich überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft. Bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft sind alle relevanten Umstände zu berücksichtigen. Dazu gehören insbesondere die Eigenschaften, die die Marke von Haus aus besitzt, der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Marke und der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke. Unter Berücksichtigung des klägerischen Werbeaufwands im Zusammenhang mit der Klagemarke und der dadurch entstandenen hohen Bekanntheit der Marke bei den beteiligten Verkehrskreisen (vgl. GFK-Meinungsumfragen), ist jeweils von einer deutlich überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen.

Es besteht vorliegend Warenidentität. Die klägerische Marke genießt u. a. Schutz für „Energy Drinks“. Die streitgegenständliche Verletzungsform betrifft ebenfalls einen „Energy Drink“.

Zwischen der Klagemarke und dem angegriffenen Zeichen auf der streitgegenständlichen Getränkedose besteht Zeichenähnlichkeit. So greift die angegriffene Ausstattung zunächst die vier trapezförmigen Farbflächen aus den kontrastierenden Farbtönen blau und silber vollumfänglich auf. Daneben verwendet es die zu „...“ ähnlich klingende Aufschrift „Echt Kühl“ verbunden mit zwei sich gegenüberstehenden Kühen, in deren Mitte ein Stern abgebildet ist, anstatt der vor einer Sonne stehenden Doppelbullen der klägerischen Wort-/Bildmarke. Dabei ist neben dem Gestaltungsmerkmal zweier sich gegenüberstehender Rinder auch deren Farbgebung hochgradig ähnlich.

Unter Berücksichtigung der Prägung der zusammengesetzten Klagemarke durch die Farbtrapeze und das rotfarbene Tierbild mit gleichfarbiger Schrift führen die tatsächlich anders lautende Aufschrift „Echt Kühl“ und die Verwendung von Kühen mit Stern anstelle von Bullen vor einer Sonne zur Überzeugung der Kammer aufgrund des Gesamteindrucks nicht aus der Verwechslungsgefahr heraus.

2.3. Doch selbst bei der Annahme, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sei aufgrund des anderen Textes und der Abbildung von Kühen zu gering, um die Verwechslungsgefahr zu begründen, erfolgt aus Sicht der Kammer durch die angesprochenen Verkehrskreise eine gedankliche Verknüpfung des Zeichens der Beklagten mit der Klagemarke, da diese einen sehr hohen Bekanntheitsgrad aufweist und sich die Zeichen in ihren Strukturmerkmalen gleichen (vgl. hierzu BGH, IZR 59/13 - PUMA/PUDEL).

2.4. Unabhängig hiervon sind die Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr jedenfalls auch hinsichtlich der Bildmarke Nr. 1074879 erfüllt.

Auch diese verfügt über eine außerordentliche Bekanntheit, es liegt Warenidentität vor und die Zeichen sich hochgradig ähnlich.
Darüber hinaus ist die klägerische Marke auch gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c GMV verletzt, da die Beklagten die Wertschätzung und Unterscheidungskraft der Klagemarke ohne rechtlichen Grund ausnutzt. Sie versucht, sich durch Verwendung eines Zeichens, dass der bekannten Marke der Klägerin ähnlich ist, sich in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen oder auf andere Weise an der Aufmerksamkeit teilzuhaben, die mit der Verwendung einer der bekannten klägerischen Marke ähnlichen Zeichens verbunden ist. Denn die Klagemarke verfügt über ein sehr hohes Maß an Bekanntheit und Kennzeichnungskraft und die Waren beider Parteien sind identisch. Zudem besteht zwischen der Klagemarke und der Ausstattung der gegenständlichen Getränkedose hohe Zeichenähnlichkeit."


Den Volltext der Entscheidung mit einer Abbildung der streitgegenständlichen Dose finden Sie hier:

LG Nürnberg: Irreführung auf Hotelbuchungsportal mit begrenzter freier Zimmeranzahl, wenn Zimmer noch über andere Vertriebskanäle gebucht werden können - hotel.de

LG Nürnberg-Fürth
Urteil vom 03.02.2016
4 HK O 5203/15


Das LG Nürnberg-Fürth hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn ein Hotelbuchungsportal mit einer begrenzten Anzahl von noch frei verfügbaren Zimmern wirbt, diese aber noch über andere Vertriebskanäle (z.B. direkt auf der Hotelwebseite) gebucht werden können.


LG Nürnberg: Irreführung durch Pilzmischung "Bayer. Pilze & Waldfrüchte", wenn die Pilze aus China und Chile stammen

LG Nürnberg
Urteil vom 21.01.2015
3 O 1430/14


Das LG Nürnberg hat auf eine Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) hin entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn eine unter der Bezeichnung "Bayer. Pilze & Waldfrüchte“ vertriebene Pilzmischung tatsächlich nur Pilze aus China und Chile enthält.

LG Nürnberg: Wettbewerbsverstoß durch Werbung für exlusiven Sonntagsverkauf für Stammkunden, wenn Einlass tatsächlich nicht beschränkt ist

LG Nürnberg
Urteil vom 25.06.2012
1 HK O 1231/12


Das LG Nürnberg hat entschieden, dass ein Verstoß gegen das Ladenschutzgesetz und somit ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn ein Unternehmen für einen "exklusiven Sonntagsverkauf nur für Stammkunden" wirbt, der Einlass tatsächlich aber nicht beschränkt und kontrolliert wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Gem. § 3 Abs.2 Nr. 1 LadenÖG müssen Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein. Mit der angegriffenen Veranstaltung hat die M.T. GmbH gegen diese Vorschrift verstoßen.

Gem. § 2 Abs.1 Nr.1 LadenÖG sind unter Verkaufsstellen Ladengeschäfte aller Art zu verstehen. Dabei ist, und insoweit folgt die Kammer der Rechtsprechung des VG Stuttgart, maßgeblich, dass in der Verkaufsstelle Waren zum Verkauf an jedermann feilgehalten werden (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 27.10.2009, 4 K 3177/09, Rz. 9, zitiert nach juris). Dies ist vorliegend der Fall.

(1) Ein Verkauf an jedermann liegt schon deshalb vor, weil die M. T. GmbH unstreitig weder Einlasskontrollen durchführte, noch, wie sich aus dem ebenfalls unbestrittenen Vortrag des Klägers, Hr. S. sei nicht gefragt worden, wer er sei und in welcher Eigenschaft er erscheine, ergibt, überhaupt die Identität der Besucher prüfte. Schon deshalb war der Zutritt zu den Verkaufsräumen jeglicher Person möglich und es hat der Umstand, dass die M. T. GmbH nach Vortrag des Beklagten nur bestimmte Personen eingeladen hat, keine Bedeutung.

(2) Ein Verkauf an jedermann liegt jedoch auch deshalb vor, weil der Beklagte nicht hinreichend substantiiert vorgetragen hat, nach welchen sachlichen Gesichtspunkten die Einladung zu der Veranstaltung erfolgte. Denn allein eine wie immer geartete Beschränkung des zugelassenen Personenkreises genügt nicht, um einen "Verkauf an jedermann" auszuschließen. Voraussetzung dafür, dass nicht "an jedermann" verkauft wird, ist vielmehr, dass eine nicht willkürliche, sondern vielmehr aus Gründen einer sachlichen Beziehung zwischen dem Betreiber des Geschäftslokals und seinen Kunden gerechtfertigte Begrenzung auf einen bestimmten und individualisierbaren Personenkreis als Abnehmer stattfindet (vgl. VG Stuttgart a.a.O., m.w.N.). Nur so kann vermieden werden, dass der Gewerbetreibende durch willkürliche Auswahl der eingeladenen Personen die Bestimmungen zu den Ladenschlusszeiten umgeht. Zu einer derartigen sachlich gerechtfertigten Begrenzung hat der Beklagte jedoch nicht vorgetragen.

Den Beklagten trifft insoweit eine Erklärungspflicht. Der Kläger hat mit seinem Vortrag, Hr. S., kein Kunde der M. T. GmbH, sei zu der Veranstaltung eingeladen worden, hinreichend substantiiert dargelegt, dass eine sachliche Begrenzung des eingeladenen Personenkreises nicht stattgefunden hat.

Dem ist der Beklagte mit seinem Vortrag, die an Herrn S. gerichtete Einladung sei eigentlich für die IHK H. bestimmt gewesen, der man das Schreiben zur Information und eventuellen Beanstandung geschickt habe, wobei die Adressierung an "Fam. S" einem EDV-Versehen geschuldet gewesen sei, nicht hinreichend entgegengetreten. Der Vortrag des Beklagten ist nicht nachzuvollziehen. Der von ihm behauptete Geschehensablauf liegt schon deshalb fern, weil unstreitig der Einladung kein Begleitschreiben, das das von dem Beklagten behauptete Begehren der M. T. GmbH (Information und ggf. Prüfung) zum Ausdruck brachte, beilag.
[...]
Dieser Pflicht ist der Beklagte nicht nachgekommen. Seine Darlegung, es seien nur "Stammkunden" eingeladen worden, die vor Ort einen größeren, in der Regel unbar oder auf Rechnung bezahlten, Einkauf von qualitativ hochwertiger Ware getätigt hätten und die auf Anfrage Interesse gezeigt hätten, in den Kreis der Stammkunden aufgenommen zu werden, erlaubt keine Prüfung, dass eine nach sachlichen Merkmalen ausgewählte Gruppe besonderer Kunden eingeladen war. Denn allein der Umstand, dass die M. T. GmbH mit den Eingeladenen einen gewissen Umsatz erzielt hatte, wobei nach dem Vortrag des Beklagten offen bleibt, wie hoch dieser Umsatz war, genügt als gemeinsames, die Eingeladenen zu einer Gruppe verbindendes, Kriterium nicht. Zu weiteren sachlichen Gesichtspunkten hat der Beklagte nichts vorgetragen.

c) Da Verkaufspersonal anwesend war und nach dem eindeutigen Wortlaut des Einladungsschreiben auch Verkäufe getätigt werden sollten, diente die Veranstaltung auch dem geschäftlichen Verkehr im Sinne von § 3 Abs. 2 LadenÖG. Es handelte sich nicht um eine bloße Werbeveranstaltung."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Nürnberg-Fürth: Keine Kennzeichenrechtsverletzung durch Verwendung der Zeichenfolge "Storch Heinar"

Landgericht Nürnberg-Fürth
Urteil vom 11.08.2010
3 O 5617/09
Storch Heinar


Das Urteil in der Sache „THOR STEINAR“ gegen „Storch Heinar“ liegt nunmehr vor. Das Gericht hat bereits eine Verwechslungsgefahr der beiden Zeichenolgen verneint. Zudem könne sich sich der Hersteller der "Storch Heinar"-Produkte auf die Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit berufen.

In der Pressemitteilung des LG Nürnberg-Fürth heißt es:

Das Gericht war dabei der Auffassung, markenrechtliche oder wettbewerbsrechtliche Verletzungshandlungen des Beklagten lägen nicht vor: Es bestehe keine Verwechslungsgefahr von „Storch Heinar“ mit „THOR STEINAR“, auch würden die Kennzeichen und Waren der Klägerin durch den Beklagten weder herabgesetzt noch verunglimpft. Schließlich scheitere das von der Klägerin angestrebte Verbot schon daran, dass ein etwaiger Marken- oder Wettbewerbsverstoß als satirische Auseinandersetzung mit den klägerischen Marken von den Grundrechten der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) erfasst werde, auf die sich der Beklagte erfolgreich berufen könne.

Die vollständige Pressemitteilung des LG Nürnberg-Fürth finden Sie hier: "LG Nürnberg-Fürth: Keine Kennzeichenrechtsverletzung durch Verwendung der Zeichenfolge "Storch Heinar"" vollständig lesen