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BGH: Mahnbescheid hemmt Verjährung nur wenn Anspruch für Schuldner durch Bezeichnung hinreichend erkennbar ist - nachträgliche Individualisierung hemmt ab Zeitpunkt der Vornahme

BGH
Urteil vom 14.07.2022
VII ZR 255/21
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3


Der BGH hat entschieden, dass ein Mahnbescheid die Verjährung nur dann hemmt, wenn der Anspruch für den Schuldner durch die Bezeichnung hinreichend erkennbar ist. Eine nachträgliche Individualisierung des Anspruchs ist möglich, hemmt aber erst ab dem Zeitpunkt der Vornahme der Konkretisierung.

Leitsatz des BGH:
Die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren hemmt die Verjährung nur, wenn der Schuldner aufgrund der Bezeichnung des Anspruchs im Mahnbescheid erkennen kann, woraus der Gläubiger seinen Anspruch herleitet.

Die im Mahnbescheid nicht hinreichende Individualisierung des Anspruchs kann nachgeholt werden. Die Nachholung der Individualisierung hemmt die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB zwar nicht rückwirkend, aber ab dem Zeitpunkt ihrer Vornahme.

Für die nachträgliche Individualisierung des Anspruchs im Mahnverfahren ist ebenso wie für die Individualisierung im Mahnbescheid ausschließlich auf den Erkenntnishorizont des Schuldners abzustellen. Dementsprechend ist es ohne Bedeutung, ob die Individualisierung des Anspruchs durch an das Gericht gerichteten Schriftsatz oder
außerhalb des Gerichtsverfahrens erfolgt.

BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - VII ZR 255/21 - OLG Koblenz - LG Mainz

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Keine Verjährungshemmung bei Falschangabe in Mahnbescheid zur angeblichen Gegenleistung - Zur Reichweite der Hemmung der Verjährung durch Zustellung eines Mahnbescheids

BGH
Urteil vom 16.07.2015
III ZR 238/14
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3, § 242; ZPO § 688 Abs. 2 Nr. 1, § 690 Abs. 1 Nr. 4


Der BGH hat entschieden, dass die Zustellung eines Mahnbescheids die Verjährung nicht hemmt, wenn der Antragsteller Falschangaben zur angeblichen Gegenleistung macht. Zudem hat der BGH nochmals präzisiert, welche Ansprüche ggf. von der Verjährungshemmung erfasst werden.

Leitsätze des BGH:

a) Die mit der Zustellung eines Mahnbescheids verbundene Hemmungswirkung erfasst den Streitgegenstand insgesamt und somit auch alle materiellrechtlichen Ansprüche, die zum Streitgegenstand gehören. Demgemäß erstreckt sich die Hemmungswirkung bei hinreichender Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs im Mahnantrag auf alle im Rahmen der Anlageberatung unterlaufenen Beratungsfehler (Fortführung der Senatsurteile vom 18. Juni 2015 - III ZR 303/14 und III ZR 198/14).

b) Die § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB grundsätzlich verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen (Anschluss an BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - XI ZR 536/14).

BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - III ZR 238/14 - OLG Bamberg - LG Schweinfurt

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Missbrauch des gerichtlichen Mahnverfahrens - Keine Hemmung der Verjährung bei bewusst falschen Angaben

BGH
Urteil vom 23.06.2015
XI ZR 536/14


Ein gerichtlicher Mahnbescheid kann von jedermann beantragt werden. Das Mahngericht prüft dabei nur die formellen Voraussetzungen, nicht jedoch ob der Anspruch tatsächlich besteht. Dem Antragsgegner bleibt die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Es ist nicht verwunderlich, dass das gerichtliche Mahnverfahren auch missbraucht wird. Der BGH hat nun völlig zu Recht entschieden, dass keine Hemmung der Verjährung eintritt, wenn der Antragsteller bewusst falsche Angaben macht.

Die Pressemitteilung des BGH:

"Bundesgerichtshof entscheidet über Folgen des Missbrauchs des Mahnverfahrens

Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids nicht berufen kann, wer im Mahnverfahren bewusst falsche Angaben macht.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens erwarb im Jahr 1992 Wohnungseigentum. Den Kaufpreis finanzierte er über Darlehen der Beklagten. Spätestens im Jahr 2005 erfuhr der Kläger von möglichen Ansprüchen gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung. Er hat daraufhin am 30. Dezember 2008 durch seinen vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gestellt, mit dem er in der Hauptsache Zahlung von "großem" Schadensersatz geltend gemacht hat. In dem Antrag auf Erlass des Mahnbescheids hat er erklärt, dass der Anspruch von einer Gegenleistung nicht abhänge, obwohl der für ihn handelnde Prozessbevollmächtigte wusste, dass die Beklagte "großen" Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums schuldete. Der antragsgemäß erlassene Mahnbescheid ist der Beklagten im Januar 2009 zugestellt worden. Nach Widerspruch der Beklagten und Abgabe an das Landgericht hat der Kläger seinen Anspruch unter dem 6. Mai 2010 begründet.

Die Klage auf Leistung von "großem" Schadensersatz, der die Beklagte die Einrede der Verjährung entgegengehalten hat, ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Klägers hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zurückgewiesen, wobei er sich im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt hat:

Nach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO findet das Mahnverfahren nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängt. Wer den Erlass eines Mahnbescheids beantragt, muss nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO erklären, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt oder dass die Gegenleistung erbracht ist. Gibt der Antragsteller im Mahnverfahren in Kenntnis der Rechtslage bewusst eine sachlich unrichtige Erklärung ab, weil er "großen" Schadensersatz nur Zug um Zug gegen einen im Zusammenhang mit der Schädigung erlangten Vorteil – hier die Eigentumswohnung – verlangen kann, im Antrag aber behauptet, der Anspruch sei von einer Gegenleistung nicht abhängig, wird die Verjährung zwar nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt. Die Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes stellt in diesem Fall aber einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar. Dieser Missbrauch verwehrt es dem Antragsteller nach § 242 BGB grundsätzlich, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen. Unter diesen Umständen ist es ihm im Regelfall auch versagt, sich wenigstens auf eine Hemmung der Verjährung in Höhe des "kleinen" Schadensersatzes zu berufen. Deshalb musste sich auch der Kläger, nachdem die Verjährungsfrist ohne Zustellung des Mahnbescheids abgelaufen wäre, so behandeln lassen, als sei sein Anspruch verjährt.

OLG Karlsruhe - Urteil vom 10. Dezember 2014 - 13 U 203/12

LG Freiburg - Urteil vom 5. Oktober 2012 - 5 O 15/11

Karlsruhe, den 23. Juni 2015

§ 688 ZPO Zulässigkeit

[…]

(2) Das Mahnverfahren findet nicht statt:

[…]

2. wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängig ist;

[…]

§ 690 ZPO Mahnantrag

(1) Der Antrag muss auf den Erlass eines Mahnbescheids gerichtet sein und enthalten:

[…]

4. die Erklärung, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt oder dass die Gegenleistung erbracht ist;

[…]

§ 204 BGB Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

[…]

3. die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren […]

[…]

§ 242 BGB Leistung nach Treu und Glauben

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.