LG Frankfurt: Stiftung Warentest muss für unvertretbares Testergebnis Schadensersatz leisten - Rauchmeldertest
LG Frankfurt
Urteil vom 13.03.2025
2-03 O 430/21
Das LG Frankfurt hat entschieden, dass die Stiftung Warentest für ein unvertretbares Testergebnis Schadensersatz leisten muss. Es ging um einen Rauchmeldertest.
Aus den Entscheidungsgründen:
I. Prozessuales
Die Kammer entscheidet gemäß § 304 ZPO vorab über den Grund der vorliegenden Klage, da sowohl zum Grund als auch zum Betrag des Anspruchs Streit zwischen den Parteien besteht. Aus Gründen der Prozessökonomie erscheint es sinnvoll, eine zeitnahe rechtskräftige Entscheidung über den Grund des Anspruchs herbeizuführen, bevor die Höhe des mit Klageantrag zu 4 geltend gemachten Schadensersatzanspruchs im Rahmen weiterer Sachverhaltsaufklärung (und voraussichtlich durch Einholung eines Sachverständigengutachtens) ermittelt wird. Hinsichtlich der Höhe des mit Klageantrag zu 4 geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ist der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif.
Hinsichtlich des Klageantrags zu 2 (Urteilsveröffentlichung) konnte ein Teilurteil ergehen, da insoweit Entscheidungsreife vorliegt. Eine Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht aufgrund der Entscheidung im Grundurteil nicht.
II. Klageantrag zu 4 (Schadensersatzanspruch dem Grunde nach)
Der klägerseits geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz besteht dem Grunde nach.
Der Schadensersatzanspruch der Klägerin folgt aus §§ 823 Abs.1, 31 BGB.
1. Der streitbefangene Testbericht genügte nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien an einen Warentest. Der Testbericht und insbesondere das Qualitätsurteil „mangelhaft“ begründen einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin.
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessenssphäre anderer ergeben. Die Behinderung der Erwerbstätigkeit ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Interessen der anderen Seite überwiegt (BGH, NJW 2012, 2579 Rn. 27, mwN). Dem geschützten Rechtsgut des Gewerbebetriebs steht die ebenso geschützte Freiheit zur Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) des Testinstituts gegenüber, das sich mit dessen Produkten befasst und die Befriedigung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit – der Verbraucher – an dessen Waren für sich in Anspruch nimmt.
Die Veröffentlichung eines nicht zu Wettbewerbszwecken erfolgenden vergleichenden ... ist zulässig, wenn die dem Testbericht zugrunde liegende Untersuchung neutral, sachkundig und objektiv im Sinne eines Bemühens um objektive Richtigkeit durchgeführt worden ist und sowohl die Art des Vorgehens bei der Prüfung als auch die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse vertretbar, d. h. diskutabel, erscheinen (st. Rspr., vgl. nur: BGH GRUR 1989, 539 – Warentest V). Unter diesen Voraussetzungen ist dem Tester in der Frage der Angemessenheit der Prüfungsmethoden, der Auswahl der Testobjekte und der Darstellung der Untersuchungsergebnisse ein erheblicher Entscheidungsfreiraum einzuräumen, weil nur das der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG für derartige Veröffentlichungen auch in Ansehen ihrer volkswirtschaftlichen Funktion für Markttransparenz und Verbraucheraufklärung entspricht und nur so der Gefahr entgegengewirkt werden kann, dass vergleichende Warentests wegen der Angriffspunkte, die solche Entscheidungen der Tester in Bezug auf Verfahren und Art der Darstellung den Herstellern von schlechter beurteilten Produkten immer bieten werden, von vornherein unterbleiben (BGH, GRUR 1989, 539 – Warentest V).
Grenzen sind diesem Gestaltungs- und Beurteilungsermessen des Testers u.a. dort gesetzt, wo unter Verstoß gegen § 824 Abs. 1 BGB unwahre Tatsachen behauptet werden oder die Untersuchungsmethode bzw. die gezogenen Schlüsse nicht mehr diskutabel erscheinen (BGH a. a. O. – Warentest V; Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 10 Rn. 118) und dadurch eine als Werturteil anzusehende Aussage rechtswidrig in den nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreift. Das heißt, die Untersuchungen müssen neutral, objektiv und sachkundig durchgeführt worden sein und sowohl die Art des Vorgehens bei der Prüfung als auch die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse vertretbar, das heißt diskutabel, erscheinen.
2. Dies war vorliegend nicht der Fall. Der dem Testbericht zugrundliegende durch die [Association] durchgeführte Rauchmeldertest war nicht sachkundig durchgeführt und das so gewonnene Testergebnis war nicht vertretbar. Hierauf aufbauend waren die aus den durchgeführten Prüfungen gezogenen Schlüsse, namentlich die mit dem ursprünglichen Unterlassungsantrag angegriffenen Äußerungen und das Testergebnis, insbesondere das test-Qualitätsurteil „mangelhaft“, ebenfalls nicht mehr „diskutabel“ im Sinne der Rechtsprechung.
Die beiden Testfeuer TF 3 Glimmschwelbrand (Baumwolle), also sowohl das erste Testfeuer TF 3 am 26.08.2020 als auch die Absicherungsprüfung hinsichtlich des Testfeuers TF 3 am 29.10.2020, entsprachen nach den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen ...in dessen schriftlichen Gutachten (Bl. 243 der Papierakte) und in der mündlichen Verhandlung am 25.01.2024 (Bl. 371 der Papierakte, 284 der E-Akte) nicht den Anforderungen der EN 14604:2005 und waren für die getesteten Rauchwarnmelder der Klägerin in der vorgegebenen Zeit nicht detektierbar.
Dies folgt daraus, dass der (durch die Anlage H zur DIN EN 14604:2005 festgelegte) Grenzkorridor gemäß den Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)), der die Sichtbarkeit des beim Testfeuer produzierten Rauchs abbildet, bei beiden Testfeuern (Anlagen B 13 und B 14, Bl. 151 ff. d. Papierakte) nicht eingehalten wurde. Die Ergebnisse beider Testfeuer TF 3, also sowohl der ersten Testung am 26.08.2020 (Bl. 152 der Papierakte) und der erneuten Testung am 29.10.2020 (Bl. 155 der Papierakte), bei denen Rauchwarnmelder der Klägerin nicht rechtzeitig anschlugen, wären jeweils als ungültig zu bewerten gewesen und hätten wiederholt werden müssen.
Der durch das Testfeuer TF 3 produzierte Rauch war gemäß den überzeugenden, widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2024 (Bl. 371 der Papierakte) für den jeweiligen Feuermelder nicht hinreichend „sichtbar“. Wie der Sachverständige nachvollziehbar erläuterte, beschreibt der in der DIN EN 14604:2005 festgelegte Grenzkorridor für die Funktion m über y (m=f(y)) die Sichtbarkeit des Rauchs für den Rauchmelder. Die Sichtbarkeit des Rauchs hängt nach den Ausführungen des Sachverständigen von der Konzentration der Rauchpartikel ab. Demnach sei – so der Sachverständige – der Rauch lediglich in dem Bereich des festgelegten Grenzkorridors (vgl. Anlage H zur DIN EN 14604:2005, Anlage K 3, dort S. 51) für den optischen Rauchmelder sichtbar bzw. detektierbar, während bei einem Unterschreiten des Grenzkorridors eine Sichtbarkeit der Rauchpartikel für den Rauchmelder nicht gegeben sei. Der Grenzkorridor lege insoweit fest, wann der Rauchmelder überhaupt auslösen könne.
Bei beiden Testfeuern TF 3 (am 26.08.2020 und am 29.10.2020) war aus dem Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)) jeweils der Grenzkorridor nicht eingehalten und konnten folglich die getesteten Rauchmelder der Klägerin nicht in der vorgesehen Zeit auslösen.
Der Sachverständige führte dabei auch nachvollziehbar und überzeugend aus, dass sich durch die Unterschreitung des Grenzkorridors in den Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)) die Bedingungen für das getestete Gerät erheblich erschwerten, weil nicht genug sichtbarer Rauch bzw. keine ausreichende Rauchdichte, vorhanden gewesen sei (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung am 25.01.2024, Bl. 374 der Papierakte).
Vor diesem Hintergrund war die durch die [Association] vertretene Ansicht nicht vertretbar, die beiden Testfeuer TF 3 betreffend die Rauchwarnmelder der Klägerin seien trotz der Unterschreitung des Grenzkorridors gemäß den Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)) „gültig“, weil die Unterschreitung der Grenzlinie dazu führe, dass mehr Rauchpartikel vorhanden und der Rauch sogar leichter zu detektieren gewesen wäre. Eine solche Annahme steht nicht nur im Widerspruch zu den überzeugenden Erläuterungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen ... in seinem Gutachten und in der mündlichen Anhörung, wonach der Rauch für die Rauchmelder nicht sichtbar war und diese daher innerhalb der vorgesehenen Zeit nicht auslösen konnten und mussten.
Eine solche Annahme ist auch mit den Vorgaben in der DIN EN 14604:2005 nicht vereinbar. Darin es unter Ziffer 5.15.2.1 heißt (Unterstreichung hinzugefügt):
„Die Prüflinge müssen den vier Prüfbränden TF 2 bis TF 5 ausgesetzt werden. In den Anhängen G bis J werden für jeden Prüfbrand Art, Menge und Anordnung des Brennstoffs sowie das Verbrennungsverfahren, das Ende der Prüfung und die für die Profilkurven geforderten Grenzwerte festgelegt.
Der Prüfbrand ist nur dann gültig, wenn er sich so entwickelt, dass die Profilkurven für m in Abhängigkeit von y bzw. für m in Abhängigkeit von der Zeit bis zu dem jeweils früheren Zeitpunkt, an dem entweder alle Prüflinge ein Alarmsignal erzeugt haben oder bis das Ende der Prüfung erreicht ist, innerhalb vorgegebener Grenzen liegen. Falls diese Bedingungen nicht erfüllt werden, ist die Prüfung ungültig und muss wiederholt werden. Um gültige Prüfbrände zu erreichen, kann eine Veränderung der Brennstoffmengen und der Brennstoffanordnung zulässig bzw. erforderlich sein.“
Das Vorgehen der [Association], diese klare Vorgabe zu ignorieren und auch Testfeuer, in welchen der Grenzkorridor nicht eingehalten wurde, für gültig zu erklären (sofern es sich um eine Abweichung nach unten handelte), war nach alledem unvertretbar. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass nach den Ausführungen der Beklagten die interne Arbeitsanweisung der [Association] (Anlage B 23), die durch die Akkreditierungsstelle geprüft und nicht beanstandet worden sei, ein entsprechendes Vorgehen vorsah. Auch diese Arbeitsanweisung beruht auf der unzutreffenden Annahme, dass ein Abweichen des Grenzkorridors für die Funktion m über y (m=f(y)) nach unten „günstig“ für die Rauchwarnmelder sei.
Nach alledem war die Durchführungen der beiden Testfeuer TF 3 nicht nur mit der DIN EN 14604:2005 nicht vereinbar und wären die Testfeuer aus diesem Grunde zu wiederholen gewesen. Die getesteten Rauchmelder konnten nach den eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen … die Testfeuer TF 3 wegen eines Mangels an sichtbarem Rauch nicht in der vorgegebenen Zeit detektieren.
Dass hierauf der streitgegenständliche Testbericht und insbesondere die mit der hiesigen Klage ursprünglich angegriffenen konkreten Äußerungen und das Testergebnis „mangelhaft“ beruhten, liegt auf der Hand und wird auch von den Parteien nicht in Zweifel gezogen. Insbesondere bestanden die Rauchmelder der Klägerin die anderen Testfeuer bzw. lösten den Alarm innerhalb der vorgegebenen Zeit (spätestens während der Absicherungsprüfung) aus. Zwar löste eines der getesteten Geräte im Rahmen des Testfeuers TF 4 am 26.08.2020 nicht rechtzeitig aus. Allerdings lösten sodann im Rahmen der Absicherungsprüfung zum Testfeuer TF 4 alle getesteten Geräte der Klägerin innerhalb der vorgegebenen Zeit aus.
Gemäß den Ausführungen im streitgegenständlichen Testbericht war die Kategorie „Zuverlässigkeit des Alarms“, in der die Klägerin mit „mangelhaft“ bewertet wurde, mit 50% gewichtet (vgl. Anlage K 1, S. 65). Gemäß dem neben dem Wort „mangelhaft“ angebrachten Sternchen-Symbol führte das Ergebnis „mangelhaft“ in der Kategorie „Zuverlässigkeit des Alarms“ zu einer Abwertung für das gesamte test-Qualitätsurteil. Dies führte dazu, dass der [X] [P] insgesamt das Qualitätsurteil „mangelhaft“ erhielt, obwohl er in den weiteren bewerteten Unterkategorien (Lautstärke des Alarms, Handhabung, Robustheit und Deklaration) jeweils mit den Noten „gut“ bzw. „sehr gut“ bewertet worden war.
Das Testergebnis basierte nach alledem auf einer unvertretbaren Tatsachengrundlage und war gemessen an den oben dargelegten Grundsätzen nicht mehr „diskutabel“ und auch nicht mehr von dem der Beklagten zuzugestehenden Beurteilungsspielraum gedeckt. Das Testergebnis gründet erkennbar (allein oder jedenfalls maßgeblich) auf der Annahme, dass die Rauchmelder der Klägerin bei den Testfeuern TF 3 nicht rechtzeitig ausgelöst hatten. Andere Gründe für das schlechte Abschneiden des Rauchwarnmelders der Klägerin sind aus dem Testbericht nicht ersichtlich und nicht dargetan.
3. Bei einem fehlerhaften Test, der nicht durch den Beurteilungsspielraum gedeckt wird (also unvertretbar ist), haftet das Testinstitut nach den Grundsätzen der unerlaubten Handlung. Voraussetzung dieser Haftung ist ein Verschulden des Testinstituts. Da Voraussetzung der Haftung gerade die Unvertretbarkeit der Bewertung ist, muss sich das Verschulden auch auf diese Frage beziehen, das heißt, das Testinstitut muss vor der Veröffentlichung erkannt haben oder infolge Fahrlässigkeit nicht bemerkt haben, dass diese Bewertung nicht vertretbar ist. Die Beklagte treffen in diesem Zusammenhang besondere Sorgfaltspflichten. An sie sind wegen der von ihr in Anspruch genommenen besonderen Vertrauenswürdigkeit, der weiten Verbreitung ihrer Berichte und der daraus resultierenden möglichen weitreichenden Folgen ihrer Äußerungen hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BGH NJW 1976, 268 – Warentest II; BGH NJW 1986, 330, 331 – Warentest III).
Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt sich gleichwohl ein Verschulden der Beklagten noch nicht aus dem Umgang der Beklagten mit den Einwendungen der Klägerin mit E-Mail (Anlage K 17) und im anwaltlichen Schreiben vom 29.10.2020 (Anlage K 18), nachdem die Beklagte dieser das Testergebnis im Rahmen der Anbietervorinformation mitgeteilt hatte.
Zwar erhob die Klägerin in diesen Schreiben – soweit ihr das aufgrund der Vorinformation möglich war – konkrete Einwände gegen das Testergebnis. Sie wies insbesondere darauf hin, dass die Produkte [P] und [PC] nicht baugleich seien und vor diesem Hintergrund ausgeschlossen erscheine, dass die Testergebnisse zwischen den beiden Produkten identisch ausfielen. Ferner wies sie darauf hin, dass die Messergebnisse auch deswegen „höchst ungewöhnlich“ seien, weil die Testfeuer TF 3 und TF 4 als „nicht bestanden“ ausgewiesen seien, während der „mit weitem Abstand am schwersten zu detektierende Testbrand TF2“ bestanden sei. Als naheliegendste Erklärung komme in Betracht, dass der Tester bei den nicht bestandenen Testbränden die Alarm-Stummschalttaste gedrückt habe. Mit anwaltlichem Schreiben ebenfalls vom 29.10.2020 (Anlage K 18) ließ die Klägerin überdies u.a. die Prüfberichte der ...Testzentrums GmbH und von … Ltd. übermitteln, aus denen sich ergebe, dass die Geräte der Klägerin sämtliche Testbrände stets bestanden hätten und schlug vor, mit den bereits von der Beklagten getesteten Feuermeldern einen erneuten Test durch die … Testzentrum GmbH durchführen zu lassen.
Hierauf blieb die Beklagte indes nicht untätig, sondern sie leitete der [Association] die E-Mail der Klägerin weiter. Ferner erkundigte sie sich, ob die Vermutung der Klägerin, dass während des Tests die Alarm-Stammschalttaste gedrückt gewesen sei, ausgeschlossen werden könne, was die [Association] bestätigte. Das nicht getestete Modell [PC] nahm die Beklagte aus dem Test. Zuvor hatte die Beklagte bereits die Absicherungsprüfung durch die [Association] veranlasst, welche parallel zur Vorinformation stattfand, jedoch im Hinblick auf das Testfeuer TF 3 den ersten Test insoweit „bestätigte“, als wieder ein Rauchmelder der Klägerin nicht rechtzeitig alarmierte.
Die Beklagte ist im Hinblick auf die Einwendungen der Klägerin auf die Vorinformationen ihren Sorgfaltspflichten jedenfalls dadurch nachgekommen, dass sie das von ihr mit der Testung beauftragte Institut [Association] mit den Einwendungen der Klägerin konfrontierte.
Im Rahmen der die Beklagte treffenden Sorgfaltspflicht war es hingegen nicht erforderlich, dass die Beklagte der Forderung der Klägerin nachkam, einen erneuten Test durch die … Testzentrum GmbH durchführen zu lassen. Die Auswahl eines geeigneten Testinstituts für die von der Beklagten beauftragten Warentests liegt originär im Verantwortungs- und Entscheidungsbereich der Beklagten selbst und (aus offensichtlichen Gründen) gerade nicht des getesteten Warenproduzentens. Insbesondere ist nicht dargelegt oder ersichtlich, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits konkreten Anlass hatte, an der ordnungsgemäßen Durchführung der Testung durch die [Association] zu zweifeln.
Solche Zweifel ergaben sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass in der Anbietervorinformation die gleichen Testergebnisse für die Modelle [P] und [PC] auswies und dies – so die Vermutung der Klägerin – auf eine Verwechslung der beiden (unstreitig nicht baugleichen) Modelle durch die [Association] hindeute. Nach dem Vortrag der Beklagten war es nicht die [Association], die die Daten des von der [Association] getesteten Modells [P] versehentlich für das Modell [PC] übernommen hatte, sondern die Beklagte selbst. Dies sei auf eine E-Mail der Klägerin vom 01.12.2015 zurückzuführen, im Rahmen derer die Klägerin selbst mitgeteilt habe, dass die Produkte [P] und [PC] baugleich seien. Diese Fehlinformation korrigierte die Beklagte auf Hinweis der Klägerin rechtzeitig vor der Veröffentlichung.
Soweit die Beklagte ferner geltend machte, dass es „höchst ungewöhnlich“ sei, dass die Testfeuer TF 3 und TF 4 nicht bestanden seien, während der „am schwersten zu detektierende Testbrand TF2“ bestanden sei, musste auch dieser Hinweis nicht zwingend Zweifel an der Zuverlässigkeit der Testung durch die [Association] bei der Beklagten aufkommen lassen. Die DIN EN 14604:2005 sah eine Testung mit vier verschiedenen Arten von Bränden vor und bestimmte, dass die Prüfgeräte bei allen vier Prüfbränden vor dem Ende der Prüfung den Alarm auslösen müssen. Wäre es faktisch ausgeschlossen, dass Rauchmelder das Testfeuer TF 2 bestehen, nicht jedoch die – nach Ansicht der Klägerin – leichter zu detektierenden Testfeuer TF 3 und TF 4, so wäre das durch die DIN EN 14604:2005 vorgesehene Prüfprogramm nicht plausibel. Die Beklagte hatte keinen Anlass hiervon auszugehen.
Unstreitig lagen der Beklagten überdies zu diesem Zeitpunkt die Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)) (B 13 und B 14), aus welchen sich die Unterschreitung der Grenzkorridore bei den TF 3 ergab, nicht vor. Diese Graphen waren nicht Teil des Prüfgutachtens (Anlage B 11, dort S. 79 f., USB-Stick). Vielmehr erhielt die Beklagte von der [Association] betreffend den getesteten Rauchmelder der Klägerin lediglich eine Tabelle, aus der sich in der letzten Spalte unter der Überschrift „Résult“ jeweils ein „P“ für „Pass“ (bestanden) oder ein „F“ für „Fail“ (durchgefallen) ergab, sowie die Graphen der Funktion „m über t“. Gemäß Abschnitt A.3.2 des Prüfprogramms (Anlage K 9) ergab sich auch nicht, dass diese Graphen Teil des Prüfberichts sein mussten.
Folglich verfügte die Beklagte vor der Veröffentlichung nicht über die notwendigen Unterlagen, um die ordnungsgemäße Durchführung der Testfeuer durch die [Association] entsprechend der EN 14604:2005 Abschnitt 5.15, was gemäß Abschnitt D 5 (S. 12) des von der Beklagten entwickelten Prüfprogramms für das Projekt „Rauchmelder“ vom 09.06.2020 (Anlage B 5, Anlagenband -Leitzordner) war, zu überprüfen.
Das von der [Association] an die Beklagte übersandte Prüfgutachten (Anlage B 11) ließ insoweit keine Abweichungen von den Vorgaben gemäß Abschnitt D.5 des Prüfprogramms und der DIN EN 14604:2005 erkennen. Die Beklagte hatte aufgrund des Prüfgutachtens keinen Anlass, an der Ordnungsmäßigkeit der Durchführung der Testfeuer zu zweifeln.
4. Eine Haftung der Beklagten nach § 831 BGB für ein Verschulden der [Association] scheidet aus, da die [Association] nicht Verrichtungsgehilfin der Beklagten war. Denn sie handelte als selbstständiges Unternehmen, war nicht in den Organisationsbereich der Beklagten eingegliedert und stand im Rahmen der Testung auch nicht im Abhängigkeitsverhältnis zu der Beklagten (vgl. MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB § 831 Rn. 17 f.).
5. Die Beklagte haftet jedoch nach §§ 823 Abs. 1, 31 BGB eines Organisationsverschuldens nach den Grundsätzen einer Fiktionshaftung.
a. Eine Haftung nach den Grundsätzen eines Organisationsverschuldens der Organe ohne Exkulpationsmöglichkeit wird nach der Rechtsprechung über den Wortlaut des § 31 BGB hinaus für Organisationsmängel angenommen. Demnach haben die Organe einer juristischen Person diese so organisieren, dass für alle wichtigen Aufgaben ein verfassungsgemäßer Vertreter im Sinne des § 30 BGB zuständig ist, der die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Entspricht die Organisation diesen Anforderungen nicht, muss sich die juristische Person so behandeln lassen, als wäre der tatsächlich eingesetzte Vertreter ein verfassungsgemäßer Vertreter, für dessen Handeln sie ohne Exkulpationsmöglichkeit nach § 31 BGB haftet (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl., § 31, Rn. 8 f.).
Dies wird im Bereich des Äußerungsrechts etwa für Medienunternehmen/Verleger/Rundfunkanstalten im Falle von Veröffentlichungen angenommen, die ein besonderes Risikopotential beinhalten und für den Betroffenen mit besonderen Nachteilen verbunden sein können (sich mit einem sog. „heißen Eisen“ befassen), in denen in besonderem Maße Verletzungen des Persönlichkeitsrechts oder Unternehmensrechts drohen (vgl. BGH, GRUR 1963, 490, 492 – Fernsehansagerin; BGH, NJW 1980, 2810, 2811 – Medizin-Syndikat; Steffen/Lauber-Rönsberg in Löffler, Presserecht, § 6 LPG Rn. 522 m.w.N.). In diesem Falle sollen die Geschäftsführer verpflichtet sein, durch organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass unberechtigte Eingriffe in fremde Rechtssphären vermieden werden. Allein im Hinblick auf das Ausmaß materieller und immaterieller Schäden, die durch unzulässige Veröffentlichungen betroffenen Personen drohen, dürfe die Entscheidung über die Aufnahme von Reportagen nicht allein Redakteuren überlassen werden. Das Medienunternehmen hafte daher nach § 831 und § 823 BGB für angerichtete Schäden und könne die Verantwortung nicht allein Redakteuren zuschieben (BGH, GRUR 1963, 490, 492 – Fernsehansagerin). Hiernach müssen Verleger und Herausgeber einen besonders gefährlichen Beitrag, mit dem ehr- oder persönlichkeitsrechtliche Beeinträchtigungen verbunden sind, grundsätzlich entweder selbst überprüfen oder dem damit beauftragten Dritten Organstellung i.S.d. §§ 30, 31 BGB verschaffen, so dass sie für sein Verschulden ohne Entlastungsmöglichkeit einzustehen haben.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE250000614
Urteil vom 13.03.2025
2-03 O 430/21
Das LG Frankfurt hat entschieden, dass die Stiftung Warentest für ein unvertretbares Testergebnis Schadensersatz leisten muss. Es ging um einen Rauchmeldertest.
Aus den Entscheidungsgründen:
I. Prozessuales
Die Kammer entscheidet gemäß § 304 ZPO vorab über den Grund der vorliegenden Klage, da sowohl zum Grund als auch zum Betrag des Anspruchs Streit zwischen den Parteien besteht. Aus Gründen der Prozessökonomie erscheint es sinnvoll, eine zeitnahe rechtskräftige Entscheidung über den Grund des Anspruchs herbeizuführen, bevor die Höhe des mit Klageantrag zu 4 geltend gemachten Schadensersatzanspruchs im Rahmen weiterer Sachverhaltsaufklärung (und voraussichtlich durch Einholung eines Sachverständigengutachtens) ermittelt wird. Hinsichtlich der Höhe des mit Klageantrag zu 4 geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ist der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif.
Hinsichtlich des Klageantrags zu 2 (Urteilsveröffentlichung) konnte ein Teilurteil ergehen, da insoweit Entscheidungsreife vorliegt. Eine Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht aufgrund der Entscheidung im Grundurteil nicht.
II. Klageantrag zu 4 (Schadensersatzanspruch dem Grunde nach)
Der klägerseits geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz besteht dem Grunde nach.
Der Schadensersatzanspruch der Klägerin folgt aus §§ 823 Abs.1, 31 BGB.
1. Der streitbefangene Testbericht genügte nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien an einen Warentest. Der Testbericht und insbesondere das Qualitätsurteil „mangelhaft“ begründen einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin.
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessenssphäre anderer ergeben. Die Behinderung der Erwerbstätigkeit ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Interessen der anderen Seite überwiegt (BGH, NJW 2012, 2579 Rn. 27, mwN). Dem geschützten Rechtsgut des Gewerbebetriebs steht die ebenso geschützte Freiheit zur Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) des Testinstituts gegenüber, das sich mit dessen Produkten befasst und die Befriedigung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit – der Verbraucher – an dessen Waren für sich in Anspruch nimmt.
Die Veröffentlichung eines nicht zu Wettbewerbszwecken erfolgenden vergleichenden ... ist zulässig, wenn die dem Testbericht zugrunde liegende Untersuchung neutral, sachkundig und objektiv im Sinne eines Bemühens um objektive Richtigkeit durchgeführt worden ist und sowohl die Art des Vorgehens bei der Prüfung als auch die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse vertretbar, d. h. diskutabel, erscheinen (st. Rspr., vgl. nur: BGH GRUR 1989, 539 – Warentest V). Unter diesen Voraussetzungen ist dem Tester in der Frage der Angemessenheit der Prüfungsmethoden, der Auswahl der Testobjekte und der Darstellung der Untersuchungsergebnisse ein erheblicher Entscheidungsfreiraum einzuräumen, weil nur das der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG für derartige Veröffentlichungen auch in Ansehen ihrer volkswirtschaftlichen Funktion für Markttransparenz und Verbraucheraufklärung entspricht und nur so der Gefahr entgegengewirkt werden kann, dass vergleichende Warentests wegen der Angriffspunkte, die solche Entscheidungen der Tester in Bezug auf Verfahren und Art der Darstellung den Herstellern von schlechter beurteilten Produkten immer bieten werden, von vornherein unterbleiben (BGH, GRUR 1989, 539 – Warentest V).
Grenzen sind diesem Gestaltungs- und Beurteilungsermessen des Testers u.a. dort gesetzt, wo unter Verstoß gegen § 824 Abs. 1 BGB unwahre Tatsachen behauptet werden oder die Untersuchungsmethode bzw. die gezogenen Schlüsse nicht mehr diskutabel erscheinen (BGH a. a. O. – Warentest V; Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 10 Rn. 118) und dadurch eine als Werturteil anzusehende Aussage rechtswidrig in den nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreift. Das heißt, die Untersuchungen müssen neutral, objektiv und sachkundig durchgeführt worden sein und sowohl die Art des Vorgehens bei der Prüfung als auch die aus den Untersuchungen gezogenen Schlüsse vertretbar, das heißt diskutabel, erscheinen.
2. Dies war vorliegend nicht der Fall. Der dem Testbericht zugrundliegende durch die [Association] durchgeführte Rauchmeldertest war nicht sachkundig durchgeführt und das so gewonnene Testergebnis war nicht vertretbar. Hierauf aufbauend waren die aus den durchgeführten Prüfungen gezogenen Schlüsse, namentlich die mit dem ursprünglichen Unterlassungsantrag angegriffenen Äußerungen und das Testergebnis, insbesondere das test-Qualitätsurteil „mangelhaft“, ebenfalls nicht mehr „diskutabel“ im Sinne der Rechtsprechung.
Die beiden Testfeuer TF 3 Glimmschwelbrand (Baumwolle), also sowohl das erste Testfeuer TF 3 am 26.08.2020 als auch die Absicherungsprüfung hinsichtlich des Testfeuers TF 3 am 29.10.2020, entsprachen nach den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen ...in dessen schriftlichen Gutachten (Bl. 243 der Papierakte) und in der mündlichen Verhandlung am 25.01.2024 (Bl. 371 der Papierakte, 284 der E-Akte) nicht den Anforderungen der EN 14604:2005 und waren für die getesteten Rauchwarnmelder der Klägerin in der vorgegebenen Zeit nicht detektierbar.
Dies folgt daraus, dass der (durch die Anlage H zur DIN EN 14604:2005 festgelegte) Grenzkorridor gemäß den Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)), der die Sichtbarkeit des beim Testfeuer produzierten Rauchs abbildet, bei beiden Testfeuern (Anlagen B 13 und B 14, Bl. 151 ff. d. Papierakte) nicht eingehalten wurde. Die Ergebnisse beider Testfeuer TF 3, also sowohl der ersten Testung am 26.08.2020 (Bl. 152 der Papierakte) und der erneuten Testung am 29.10.2020 (Bl. 155 der Papierakte), bei denen Rauchwarnmelder der Klägerin nicht rechtzeitig anschlugen, wären jeweils als ungültig zu bewerten gewesen und hätten wiederholt werden müssen.
Der durch das Testfeuer TF 3 produzierte Rauch war gemäß den überzeugenden, widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2024 (Bl. 371 der Papierakte) für den jeweiligen Feuermelder nicht hinreichend „sichtbar“. Wie der Sachverständige nachvollziehbar erläuterte, beschreibt der in der DIN EN 14604:2005 festgelegte Grenzkorridor für die Funktion m über y (m=f(y)) die Sichtbarkeit des Rauchs für den Rauchmelder. Die Sichtbarkeit des Rauchs hängt nach den Ausführungen des Sachverständigen von der Konzentration der Rauchpartikel ab. Demnach sei – so der Sachverständige – der Rauch lediglich in dem Bereich des festgelegten Grenzkorridors (vgl. Anlage H zur DIN EN 14604:2005, Anlage K 3, dort S. 51) für den optischen Rauchmelder sichtbar bzw. detektierbar, während bei einem Unterschreiten des Grenzkorridors eine Sichtbarkeit der Rauchpartikel für den Rauchmelder nicht gegeben sei. Der Grenzkorridor lege insoweit fest, wann der Rauchmelder überhaupt auslösen könne.
Bei beiden Testfeuern TF 3 (am 26.08.2020 und am 29.10.2020) war aus dem Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)) jeweils der Grenzkorridor nicht eingehalten und konnten folglich die getesteten Rauchmelder der Klägerin nicht in der vorgesehen Zeit auslösen.
Der Sachverständige führte dabei auch nachvollziehbar und überzeugend aus, dass sich durch die Unterschreitung des Grenzkorridors in den Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)) die Bedingungen für das getestete Gerät erheblich erschwerten, weil nicht genug sichtbarer Rauch bzw. keine ausreichende Rauchdichte, vorhanden gewesen sei (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung am 25.01.2024, Bl. 374 der Papierakte).
Vor diesem Hintergrund war die durch die [Association] vertretene Ansicht nicht vertretbar, die beiden Testfeuer TF 3 betreffend die Rauchwarnmelder der Klägerin seien trotz der Unterschreitung des Grenzkorridors gemäß den Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)) „gültig“, weil die Unterschreitung der Grenzlinie dazu führe, dass mehr Rauchpartikel vorhanden und der Rauch sogar leichter zu detektieren gewesen wäre. Eine solche Annahme steht nicht nur im Widerspruch zu den überzeugenden Erläuterungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen ... in seinem Gutachten und in der mündlichen Anhörung, wonach der Rauch für die Rauchmelder nicht sichtbar war und diese daher innerhalb der vorgesehenen Zeit nicht auslösen konnten und mussten.
Eine solche Annahme ist auch mit den Vorgaben in der DIN EN 14604:2005 nicht vereinbar. Darin es unter Ziffer 5.15.2.1 heißt (Unterstreichung hinzugefügt):
„Die Prüflinge müssen den vier Prüfbränden TF 2 bis TF 5 ausgesetzt werden. In den Anhängen G bis J werden für jeden Prüfbrand Art, Menge und Anordnung des Brennstoffs sowie das Verbrennungsverfahren, das Ende der Prüfung und die für die Profilkurven geforderten Grenzwerte festgelegt.
Der Prüfbrand ist nur dann gültig, wenn er sich so entwickelt, dass die Profilkurven für m in Abhängigkeit von y bzw. für m in Abhängigkeit von der Zeit bis zu dem jeweils früheren Zeitpunkt, an dem entweder alle Prüflinge ein Alarmsignal erzeugt haben oder bis das Ende der Prüfung erreicht ist, innerhalb vorgegebener Grenzen liegen. Falls diese Bedingungen nicht erfüllt werden, ist die Prüfung ungültig und muss wiederholt werden. Um gültige Prüfbrände zu erreichen, kann eine Veränderung der Brennstoffmengen und der Brennstoffanordnung zulässig bzw. erforderlich sein.“
Das Vorgehen der [Association], diese klare Vorgabe zu ignorieren und auch Testfeuer, in welchen der Grenzkorridor nicht eingehalten wurde, für gültig zu erklären (sofern es sich um eine Abweichung nach unten handelte), war nach alledem unvertretbar. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass nach den Ausführungen der Beklagten die interne Arbeitsanweisung der [Association] (Anlage B 23), die durch die Akkreditierungsstelle geprüft und nicht beanstandet worden sei, ein entsprechendes Vorgehen vorsah. Auch diese Arbeitsanweisung beruht auf der unzutreffenden Annahme, dass ein Abweichen des Grenzkorridors für die Funktion m über y (m=f(y)) nach unten „günstig“ für die Rauchwarnmelder sei.
Nach alledem war die Durchführungen der beiden Testfeuer TF 3 nicht nur mit der DIN EN 14604:2005 nicht vereinbar und wären die Testfeuer aus diesem Grunde zu wiederholen gewesen. Die getesteten Rauchmelder konnten nach den eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen … die Testfeuer TF 3 wegen eines Mangels an sichtbarem Rauch nicht in der vorgegebenen Zeit detektieren.
Dass hierauf der streitgegenständliche Testbericht und insbesondere die mit der hiesigen Klage ursprünglich angegriffenen konkreten Äußerungen und das Testergebnis „mangelhaft“ beruhten, liegt auf der Hand und wird auch von den Parteien nicht in Zweifel gezogen. Insbesondere bestanden die Rauchmelder der Klägerin die anderen Testfeuer bzw. lösten den Alarm innerhalb der vorgegebenen Zeit (spätestens während der Absicherungsprüfung) aus. Zwar löste eines der getesteten Geräte im Rahmen des Testfeuers TF 4 am 26.08.2020 nicht rechtzeitig aus. Allerdings lösten sodann im Rahmen der Absicherungsprüfung zum Testfeuer TF 4 alle getesteten Geräte der Klägerin innerhalb der vorgegebenen Zeit aus.
Gemäß den Ausführungen im streitgegenständlichen Testbericht war die Kategorie „Zuverlässigkeit des Alarms“, in der die Klägerin mit „mangelhaft“ bewertet wurde, mit 50% gewichtet (vgl. Anlage K 1, S. 65). Gemäß dem neben dem Wort „mangelhaft“ angebrachten Sternchen-Symbol führte das Ergebnis „mangelhaft“ in der Kategorie „Zuverlässigkeit des Alarms“ zu einer Abwertung für das gesamte test-Qualitätsurteil. Dies führte dazu, dass der [X] [P] insgesamt das Qualitätsurteil „mangelhaft“ erhielt, obwohl er in den weiteren bewerteten Unterkategorien (Lautstärke des Alarms, Handhabung, Robustheit und Deklaration) jeweils mit den Noten „gut“ bzw. „sehr gut“ bewertet worden war.
Das Testergebnis basierte nach alledem auf einer unvertretbaren Tatsachengrundlage und war gemessen an den oben dargelegten Grundsätzen nicht mehr „diskutabel“ und auch nicht mehr von dem der Beklagten zuzugestehenden Beurteilungsspielraum gedeckt. Das Testergebnis gründet erkennbar (allein oder jedenfalls maßgeblich) auf der Annahme, dass die Rauchmelder der Klägerin bei den Testfeuern TF 3 nicht rechtzeitig ausgelöst hatten. Andere Gründe für das schlechte Abschneiden des Rauchwarnmelders der Klägerin sind aus dem Testbericht nicht ersichtlich und nicht dargetan.
3. Bei einem fehlerhaften Test, der nicht durch den Beurteilungsspielraum gedeckt wird (also unvertretbar ist), haftet das Testinstitut nach den Grundsätzen der unerlaubten Handlung. Voraussetzung dieser Haftung ist ein Verschulden des Testinstituts. Da Voraussetzung der Haftung gerade die Unvertretbarkeit der Bewertung ist, muss sich das Verschulden auch auf diese Frage beziehen, das heißt, das Testinstitut muss vor der Veröffentlichung erkannt haben oder infolge Fahrlässigkeit nicht bemerkt haben, dass diese Bewertung nicht vertretbar ist. Die Beklagte treffen in diesem Zusammenhang besondere Sorgfaltspflichten. An sie sind wegen der von ihr in Anspruch genommenen besonderen Vertrauenswürdigkeit, der weiten Verbreitung ihrer Berichte und der daraus resultierenden möglichen weitreichenden Folgen ihrer Äußerungen hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BGH NJW 1976, 268 – Warentest II; BGH NJW 1986, 330, 331 – Warentest III).
Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt sich gleichwohl ein Verschulden der Beklagten noch nicht aus dem Umgang der Beklagten mit den Einwendungen der Klägerin mit E-Mail (Anlage K 17) und im anwaltlichen Schreiben vom 29.10.2020 (Anlage K 18), nachdem die Beklagte dieser das Testergebnis im Rahmen der Anbietervorinformation mitgeteilt hatte.
Zwar erhob die Klägerin in diesen Schreiben – soweit ihr das aufgrund der Vorinformation möglich war – konkrete Einwände gegen das Testergebnis. Sie wies insbesondere darauf hin, dass die Produkte [P] und [PC] nicht baugleich seien und vor diesem Hintergrund ausgeschlossen erscheine, dass die Testergebnisse zwischen den beiden Produkten identisch ausfielen. Ferner wies sie darauf hin, dass die Messergebnisse auch deswegen „höchst ungewöhnlich“ seien, weil die Testfeuer TF 3 und TF 4 als „nicht bestanden“ ausgewiesen seien, während der „mit weitem Abstand am schwersten zu detektierende Testbrand TF2“ bestanden sei. Als naheliegendste Erklärung komme in Betracht, dass der Tester bei den nicht bestandenen Testbränden die Alarm-Stummschalttaste gedrückt habe. Mit anwaltlichem Schreiben ebenfalls vom 29.10.2020 (Anlage K 18) ließ die Klägerin überdies u.a. die Prüfberichte der ...Testzentrums GmbH und von … Ltd. übermitteln, aus denen sich ergebe, dass die Geräte der Klägerin sämtliche Testbrände stets bestanden hätten und schlug vor, mit den bereits von der Beklagten getesteten Feuermeldern einen erneuten Test durch die … Testzentrum GmbH durchführen zu lassen.
Hierauf blieb die Beklagte indes nicht untätig, sondern sie leitete der [Association] die E-Mail der Klägerin weiter. Ferner erkundigte sie sich, ob die Vermutung der Klägerin, dass während des Tests die Alarm-Stammschalttaste gedrückt gewesen sei, ausgeschlossen werden könne, was die [Association] bestätigte. Das nicht getestete Modell [PC] nahm die Beklagte aus dem Test. Zuvor hatte die Beklagte bereits die Absicherungsprüfung durch die [Association] veranlasst, welche parallel zur Vorinformation stattfand, jedoch im Hinblick auf das Testfeuer TF 3 den ersten Test insoweit „bestätigte“, als wieder ein Rauchmelder der Klägerin nicht rechtzeitig alarmierte.
Die Beklagte ist im Hinblick auf die Einwendungen der Klägerin auf die Vorinformationen ihren Sorgfaltspflichten jedenfalls dadurch nachgekommen, dass sie das von ihr mit der Testung beauftragte Institut [Association] mit den Einwendungen der Klägerin konfrontierte.
Im Rahmen der die Beklagte treffenden Sorgfaltspflicht war es hingegen nicht erforderlich, dass die Beklagte der Forderung der Klägerin nachkam, einen erneuten Test durch die … Testzentrum GmbH durchführen zu lassen. Die Auswahl eines geeigneten Testinstituts für die von der Beklagten beauftragten Warentests liegt originär im Verantwortungs- und Entscheidungsbereich der Beklagten selbst und (aus offensichtlichen Gründen) gerade nicht des getesteten Warenproduzentens. Insbesondere ist nicht dargelegt oder ersichtlich, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits konkreten Anlass hatte, an der ordnungsgemäßen Durchführung der Testung durch die [Association] zu zweifeln.
Solche Zweifel ergaben sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass in der Anbietervorinformation die gleichen Testergebnisse für die Modelle [P] und [PC] auswies und dies – so die Vermutung der Klägerin – auf eine Verwechslung der beiden (unstreitig nicht baugleichen) Modelle durch die [Association] hindeute. Nach dem Vortrag der Beklagten war es nicht die [Association], die die Daten des von der [Association] getesteten Modells [P] versehentlich für das Modell [PC] übernommen hatte, sondern die Beklagte selbst. Dies sei auf eine E-Mail der Klägerin vom 01.12.2015 zurückzuführen, im Rahmen derer die Klägerin selbst mitgeteilt habe, dass die Produkte [P] und [PC] baugleich seien. Diese Fehlinformation korrigierte die Beklagte auf Hinweis der Klägerin rechtzeitig vor der Veröffentlichung.
Soweit die Beklagte ferner geltend machte, dass es „höchst ungewöhnlich“ sei, dass die Testfeuer TF 3 und TF 4 nicht bestanden seien, während der „am schwersten zu detektierende Testbrand TF2“ bestanden sei, musste auch dieser Hinweis nicht zwingend Zweifel an der Zuverlässigkeit der Testung durch die [Association] bei der Beklagten aufkommen lassen. Die DIN EN 14604:2005 sah eine Testung mit vier verschiedenen Arten von Bränden vor und bestimmte, dass die Prüfgeräte bei allen vier Prüfbränden vor dem Ende der Prüfung den Alarm auslösen müssen. Wäre es faktisch ausgeschlossen, dass Rauchmelder das Testfeuer TF 2 bestehen, nicht jedoch die – nach Ansicht der Klägerin – leichter zu detektierenden Testfeuer TF 3 und TF 4, so wäre das durch die DIN EN 14604:2005 vorgesehene Prüfprogramm nicht plausibel. Die Beklagte hatte keinen Anlass hiervon auszugehen.
Unstreitig lagen der Beklagten überdies zu diesem Zeitpunkt die Graphen für die Funktion m über y (m=f(y)) (B 13 und B 14), aus welchen sich die Unterschreitung der Grenzkorridore bei den TF 3 ergab, nicht vor. Diese Graphen waren nicht Teil des Prüfgutachtens (Anlage B 11, dort S. 79 f., USB-Stick). Vielmehr erhielt die Beklagte von der [Association] betreffend den getesteten Rauchmelder der Klägerin lediglich eine Tabelle, aus der sich in der letzten Spalte unter der Überschrift „Résult“ jeweils ein „P“ für „Pass“ (bestanden) oder ein „F“ für „Fail“ (durchgefallen) ergab, sowie die Graphen der Funktion „m über t“. Gemäß Abschnitt A.3.2 des Prüfprogramms (Anlage K 9) ergab sich auch nicht, dass diese Graphen Teil des Prüfberichts sein mussten.
Folglich verfügte die Beklagte vor der Veröffentlichung nicht über die notwendigen Unterlagen, um die ordnungsgemäße Durchführung der Testfeuer durch die [Association] entsprechend der EN 14604:2005 Abschnitt 5.15, was gemäß Abschnitt D 5 (S. 12) des von der Beklagten entwickelten Prüfprogramms für das Projekt „Rauchmelder“ vom 09.06.2020 (Anlage B 5, Anlagenband -Leitzordner) war, zu überprüfen.
Das von der [Association] an die Beklagte übersandte Prüfgutachten (Anlage B 11) ließ insoweit keine Abweichungen von den Vorgaben gemäß Abschnitt D.5 des Prüfprogramms und der DIN EN 14604:2005 erkennen. Die Beklagte hatte aufgrund des Prüfgutachtens keinen Anlass, an der Ordnungsmäßigkeit der Durchführung der Testfeuer zu zweifeln.
4. Eine Haftung der Beklagten nach § 831 BGB für ein Verschulden der [Association] scheidet aus, da die [Association] nicht Verrichtungsgehilfin der Beklagten war. Denn sie handelte als selbstständiges Unternehmen, war nicht in den Organisationsbereich der Beklagten eingegliedert und stand im Rahmen der Testung auch nicht im Abhängigkeitsverhältnis zu der Beklagten (vgl. MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB § 831 Rn. 17 f.).
5. Die Beklagte haftet jedoch nach §§ 823 Abs. 1, 31 BGB eines Organisationsverschuldens nach den Grundsätzen einer Fiktionshaftung.
a. Eine Haftung nach den Grundsätzen eines Organisationsverschuldens der Organe ohne Exkulpationsmöglichkeit wird nach der Rechtsprechung über den Wortlaut des § 31 BGB hinaus für Organisationsmängel angenommen. Demnach haben die Organe einer juristischen Person diese so organisieren, dass für alle wichtigen Aufgaben ein verfassungsgemäßer Vertreter im Sinne des § 30 BGB zuständig ist, der die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Entspricht die Organisation diesen Anforderungen nicht, muss sich die juristische Person so behandeln lassen, als wäre der tatsächlich eingesetzte Vertreter ein verfassungsgemäßer Vertreter, für dessen Handeln sie ohne Exkulpationsmöglichkeit nach § 31 BGB haftet (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl., § 31, Rn. 8 f.).
Dies wird im Bereich des Äußerungsrechts etwa für Medienunternehmen/Verleger/Rundfunkanstalten im Falle von Veröffentlichungen angenommen, die ein besonderes Risikopotential beinhalten und für den Betroffenen mit besonderen Nachteilen verbunden sein können (sich mit einem sog. „heißen Eisen“ befassen), in denen in besonderem Maße Verletzungen des Persönlichkeitsrechts oder Unternehmensrechts drohen (vgl. BGH, GRUR 1963, 490, 492 – Fernsehansagerin; BGH, NJW 1980, 2810, 2811 – Medizin-Syndikat; Steffen/Lauber-Rönsberg in Löffler, Presserecht, § 6 LPG Rn. 522 m.w.N.). In diesem Falle sollen die Geschäftsführer verpflichtet sein, durch organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass unberechtigte Eingriffe in fremde Rechtssphären vermieden werden. Allein im Hinblick auf das Ausmaß materieller und immaterieller Schäden, die durch unzulässige Veröffentlichungen betroffenen Personen drohen, dürfe die Entscheidung über die Aufnahme von Reportagen nicht allein Redakteuren überlassen werden. Das Medienunternehmen hafte daher nach § 831 und § 823 BGB für angerichtete Schäden und könne die Verantwortung nicht allein Redakteuren zuschieben (BGH, GRUR 1963, 490, 492 – Fernsehansagerin). Hiernach müssen Verleger und Herausgeber einen besonders gefährlichen Beitrag, mit dem ehr- oder persönlichkeitsrechtliche Beeinträchtigungen verbunden sind, grundsätzlich entweder selbst überprüfen oder dem damit beauftragten Dritten Organstellung i.S.d. §§ 30, 31 BGB verschaffen, so dass sie für sein Verschulden ohne Entlastungsmöglichkeit einzustehen haben.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE250000614