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EuGH: Verwirkung von Rechten aus einer älteren Marke gegen eine jüngere Marke umfasst auch die markenrechtlichen Neben- und Folgeansprüche

EuGH
Urteil vom 19.05.2022
C‑466/20
HEITEC AG gegen HEITECH Promotion GmbH, RW


Der EuGH hat auf einen Vorlagebeschluss des BGH hin entschieden, dass die Verwirkung von Rechten aus einer älteren Marke gegen eine jüngere Marke auch die markenrechtlichen Neben- und Folgeansprüche umfasst

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 9 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken sowie die Art. 54, 110 und 111 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke sind dahin auszulegen, dass eine Handlung – wie z. B. eine Abmahnung –, mit der sich der Inhaber einer älteren Marke oder eines sonstigen älteren Rechts der Benutzung einer jüngeren Marke widersetzt, ohne jedoch die für die Herbeiführung einer rechtsverbindlichen Lösung notwendigen Schritte zu unternehmen, die Duldung nicht beendet und dementsprechend nicht die Verwirkungsfrist im Sinne dieser Bestimmungen unterbricht.

2. Art. 9 der Richtlinie 2008/95 sowie die Art. 54, 110 und 111 der Verordnung Nr. 207/2009 sind dahin auszulegen, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs, mit dem der Inhaber einer älteren Marke oder eines sonstigen älteren Rechts die Nichtigerklärung einer jüngeren Marke begehrt oder sich deren Benutzung widersetzt, die Verwirkung durch Duldung im Sinne dieser Bestimmungen verhindert, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück zwar vor Ablauf der Verwirkungsfrist eingereicht wurde, aber aufgrund mangelnder Sorgfalt des Rechtsbehelfsführers nicht die Anforderungen des nationalen Rechts erfüllte, die für die Zwecke der Zustellung gelten, und die Mängel aus Gründen, die dem Rechtsbehelfsführer zuzurechnen sind, erst nach Ablauf der Verwirkungsfrist behoben wurden.

3. Art. 9 der Richtlinie 2008/95 sowie die Art. 54, 110 und 111 der Verordnung Nr. 207/2009 sind dahin auszulegen, dass der Inhaber einer älteren Marke oder eines sonstigen älteren Rechts im Sinne dieser Bestimmungen bei Verwirkung seines Anspruchs auf Nichtigerklärung einer jüngeren Marke und auf Unterlassung ihrer Benutzung durch die Verwirkung auch daran gehindert ist, Neben- oder Folgeansprüche wie Ansprüche auf Schadensersatz, auf Auskunft oder auf Vernichtung von Waren zu erheben.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH legt EuGH Fragen zu Art. 9 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/95/EG vor - Umfasst die Verwirkung auch markenrechtliche Folgeansprüche

BGH
Beschluss vom 23.07.2020
I ZR 56/19
HEITEC II
VO (EG) Nr. 207/2009 Art. 8 Abs. 2 und 4, Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 101 Abs. 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2, Art. 111 Abs. 2; RL 2008/95/EG Art. 9 Abs. 1 und 2; MarkenG § 21 Abs. 1 und 2, § 125b Nr. 3


Der BGH hat dem EuGH diverse Fragen zu Art. 9 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/95/EG vor. Dabei geht es auch um die Frage, ob die Verwirkung auch markenrechtliche Folgeansprüche umfasst.

Leitsatz des Gerichts:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 9 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken sowie von Art. 54 Abs. 1 und 2 und Art. 111 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009
über die Gemeinschaftsmarke folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Kann eine Duldung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/95/EG sowie von Art. 54 Abs. 1 und 2 und Art. 111 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 nicht nur durch einen bei einer Behörde oder einem Gericht einzulegenden Rechtsbehelf, sondern auch durch ein Verhalten ausgeschlossen werden, das ohne Einschaltung einer Behörde oder eines Gerichts erfolgt?

2. Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird: Stellt eine Abmahnung, mit der der Inhaber des älteren Zeichens vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens vom Inhaber des jüngeren Zeichens die Verpflichtung zur Unterlassung der Zeichennutzung und den Abschluss einer Vertragsstrafenverpflichtung für den Fall der Zuwiderhandlung verlangt, ein der Duldung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/95/EG sowie von Art. 54 Abs. 1 und 2 und Art. 111 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 entgegenstehendes Verhalten dar?

3. Kommt es für die Berechnung des fünfjährigen Duldungszeitraums im Sinne von Art. 9 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/95/EG sowie von Art. 54 Abs. 1 und 2 und Art. 111 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 im Falle eines gerichtlichen Rechtsbehelfs auf die Einreichung des Rechtsbehelfs bei Gericht oder den Zugang des Rechtsbehelfs beim Anspruchsgegner an? Erlangt in diesem Zusammenhang Bedeutung, dass sich der Zugang des Rechtsbehelfs beim Anspruchsgegner aufgrund Verschuldens des Inhabers der älteren Marke bis über den Ablauf der Fünfjahresfrist hinaus verzögert?

4. Umfasst die Verwirkung nach Art. 9 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/95/EG sowie von Art. 54 Abs. 1 und 2 und Art. 111 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 neben Unterlassungsansprüchen auch etwa auf Schadensersatz, Auskunft und Vernichtung
gerichtete markenrechtliche Folgeansprüche?

BGH, Beschluss vom 23. Juli 2020 - I ZR 56/19 - OLG Nürnberg - LG Nürnberg-Fürth

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: