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LAG Köln: Einführung von Microsoft Office 365 unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG

LAG Köln
Beschluss vom 21.05.2021
9 TaBV 28/20


Das LAG Köln hat entschieden, dass die Einführung vo Microsoft Office 365 der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"2.) Der Hauptantrag und die Hilfsanträge sind nicht begründet, da das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Einführung von Microsoft Office 365 nicht dem Antragsteller, sondern dem Gesamtbetriebsrat der d -d GmbH & Co. KG zusteht, und sich insoweit eine Differenzierung zwischen den einzelnen Modulen verbietet.

a) Die Einführung von Microsoft Office 365 unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, da es sich um eine technische Einrichtung handelt, die dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Dies ist nach der Rechtsprechung des BAG dann der Fall, wenn die Einrichtung objektiv geeignet ist, Verhaltens- oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen; auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an (BAG, Beschluss vom 11. Dezember 2018– 1 ABR 13/17, juris Rn. 24).

b) Diese Voraussetzung liegen hier vor, da bei der Verwendung der verschiedenen Module von Microsoft Office 365 das Nutzungsverhalten wie etwa die Nutzungszeit erfasst und Nutzungsanalysen erstellt werden. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts, denen die Kammer sich anschließt, wird Bezug genommen (Bl. 297 d.A.).

c) Zuständig für die Ausübung des Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1Nr. 6 BetrVG ist gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat der d -d GmbH & Co. KG, da es sich bei der unternehmensweiten Einführung von Microsoft Office 365 um eine Angelegenheit handelt, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe der d -d GmbH & Co. KG betrifft und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden kann, weil objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung besteht (vgl. BAG, Beschluss vom 18. Juli 2017 – 1 ABR 59/15, BAGE 159, 360-367, juris Rn. 19). Diese Zuständigkeitsregelung ist zwingend (Fitting, 30. Aufl. 2020, § 50 BetrVG, Rn. 3) und kann weder durch einen Tarifvertrag noch durch eine Betriebsvereinbarung und erst recht nicht durch eine Regelungsabrede, wie sie der Antragsteller behauptet hat, abgedungen werden

aa) Das Vorliegen eines zwingenden Erfordernisses bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands, der einer zu regelnden Angelegenheit zu Grunde liegt. Maßgeblich sind stets die konkreten Umstände des Unternehmens und der einzelnen Betriebe (BAG, Beschluss vom 18. Juli 2017 – 1 ABR 59/15, BAGE 159, 360-367, juris Rn. 19). Dieses Erfordernis kann sich aus technischen oder rechtlichen Gründen ergeben (BAG, Beschluss vom 14. November 2006 – 1 ABR 4/06, BAGE 120, 146-161, juris Rn. 22). Eine technische Notwendigkeit zu einer betriebsübergreifenden Regelung kann ua. dann bestehen, wenn im Wege der elektronischen Datenverarbeitung in mehreren Betrieben Daten erhoben und verarbeitet werden, die auch zur Weiterverwendung in anderen Betrieben bestimmt sind (BAG, Beschluss vom 14. November 2006 – 1 ABR 4/06, BAGE 120, 146-161 Rn. 30). In einem solchen Fall kann es aus arbeitstechnischen Gründen erforderlich sein, in den Betrieben auf den dortigen Rechnern dieselbe Software zu implementieren. Die Verwendung derselben Programme, Eingabemasken und Formate sorgt in solchen Fällen dafür, dass die in den Betrieben erhobenen und verarbeiteten Daten exportiert und importiert und sodann in anderen Betrieben ohne zusätzlichen technischen Aufwand genutzt werden können. Dies gilt auch dann, wenn die Betriebe nicht unmittelbar miteinander vernetzt sind, sondern der Datentransfer über einen gemeinsamen Server stattfindet. In einem solchen Fall ist eine unterschiedliche Ausgestaltung des elektronischen Datenverarbeitungssystems in den einzelnen Betrieben mit dessen einheitlicher Funktion nicht vereinbar (BAG, Beschluss vom 14. November 2006 – 1 ABR 4/06, BAGE 120, 146-161 Rn. 30). Ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmensübergreifende Regelung aus technischen Gründen liegt auch dann vor, wenn wegen der bestehenden zentralen Nutzungs- und Überwachungsmöglichkeiten eine betriebsindividuelle Regelung ausscheidet (vgl. zum Konzernbetriebsrat BAG, Beschluss vom 25. September 2012 – 1 ABR 45/11, juris Rn. 26). Dies ist der Fall, wenn die technische Einrichtung erhobene Daten betriebsübergreifend verknüpfen kann und hierdurch die von den Arbeitnehmern erhobenen Leistungs- und Verhaltensdaten unternehmensweit erhoben, gefiltert und sortiert werden können (vgl. zum Konzernbetriebsrat BAG, Beschluss vom25. September 2012 – 1 ABR 45/11, juris Rn. 27). Eine technische Notwendigkeit liegt hingegen dann nicht vor, wenn keine Weitergabe erhobener Daten an andere Betriebe erfolgt und unternehmensübergreifende Nutzungs- und Überwachungsmöglichkeiten fehlen (vgl. BAG, Beschluss vom 26.01.2016 – 1 ABR 68/13, juris Rn. 26). Das ist hier aber nicht der Fall.

bb) Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, kann der Einsatz von Microsoft Office 365 auf Grund der Datenspeicherung auf einer sog. cloud und der zentralen Administration des Systems durch in K ansässige Administratoren aus technischen Gründen nur unternehmenseinheitlich geregelt werden. Es handelt sich insofern um eine zentrale Datenverarbeitung, weil die Administratoren am Standort K über Zugriffs- und Auswertungsmöglichkeiten in Bezug auf die für Arbeitnehmer anderer Betriebe erfassten Daten verfügen. Die zentrale Administra-tion stellt keine Beeinflussung der Zuständigkeitsebene durch die Arbeitgeberseite dar. Die zentrale Vergabe von Administrationsrechten ist der Entscheidung für die 1-Tenant-Lösung geschuldet, die von Seiten des Systems eine zentrale Administration vorsieht. Die Entscheidung für die 1-Tenant-Lösung wurde aber nicht durch die Arbeitgeberinnen alleine, sondern auf Grund der Verwerfung der Multi-Tenant-Lösung in der 1. Sitzung der Einigungsstelle gemeinsam mit dem Antragsteller getroffen. Zudem besteht keine Möglichkeit, die verschiedenen Module von Microsoft Office 365 derart unterschiedlich zu administrieren, dass das technisch zwingende Erfordernis einer unternehmenseinheitlichen Regelung entfiele.

cc) Im Hinblick auf die Module Yammer, Sway, Planner und PowerApps besteht bereits nach dem Vortrag des Antragstellers lediglich die Möglichkeit, diese für verschiedene Nutzergruppen durch den zentralen Administrator ein- oder auszuschalten, wodurch eine örtliche Regelbarkeit entfällt.

dd) Auch hinsichtlich der Module Teams, Office ProPlus, Stream und ToDo bestehen keine unterschiedlichen Administrationsmöglichkeiten, die das technisch zwingende Erfordernis einer unternehmenseinheitlichen Regelung entfallen ließen.

(1) Für das Modul Teams besteht zwar die Möglichkeit, unterschiedliche Einstellungen für unterschiedliche Gruppen vorzunehmen, indem diesbezüglich Richtlinien definiert werden. Auch diese können jedoch auf Grund der zentralen Administrierung nicht durch Einräumung von Administrationsrechten gegenüber dem lokalen Anwender erstellt werden, sondern müssen durch die zentralen Administratoren definiert und einzelnen Benutzern oder Gruppen zugewiesen werden. Die Einstellungsmöglichkeit zur Bildung von Nutzergruppen führt nicht dazu, dass die dabei entstehenden Daten im lokalen Betrieb verbleiben, weil die Speicherung und Verarbeitung über die cloud erfolgt, sodass weiterhin Zugriffs- und Auswertungsmöglichkeiten für die Administratoren in K bestehen.

(2) Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich der Module Office ProPlus, ToDo und Stream. Zwar können diese Module nach Download aus der cloud und lokaler Installation grundsätzlich auch unabhängig von der cloud genutzt werden. Eine betriebsübergreifende Zugriffs- und Überwachungsmöglichkeit würde dann nicht mehr bestehen. Dies ist aber für die Frage nach der Zuständigkeit für die Ausübung des Mitbestimmungsrechtes unerheblich, weil hier nicht die Zuständigkeit im Hinblick auf die einzelnen Module und ihre unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten in Frage steht, sondern die Zuständigkeit im Hinblick auf die Einführung von Microsoft Office 365 als Gesamtpaket einschließlich der damit verbundenen cloud -Nutzung. Die Tatsache, dass einzelne Module auch separat auf dem Markt angeboten und in dieser Form erworben bzw. genutzt werden können, ist insofern für den hier vorliegenden Fall der cloud-basierten Nutzung als Gesamtsystem ohne Belang. Denn es handelt sich um unterschiedliche Produkte und damit auch unterschiedliche Mitbestimmungsgegenstände. Das fehlende technisch zwingende Erfordernis kann nicht damit begründet werden, dass eine andere technische Einrichtung keine Zugriffs- und Überwachungsmöglichkeiten bietet. Gleiches gilt für die durch den Antragsteller vorgeschlagenen Möglichkeiten zur Nutzung von betriebslokalen Exchange Servern und der Anmietung weiterer Tenants.

ee) Dem steht nicht entgegen, dass das zwingende Erfordernis nicht durch das reine Interesse an einer unternehmenseinheitlichen Lösung begründet werden darf. Im Vordergrund steht, dass die Arbeitgeberinnen ein cloud-basiertes System unternehmensweit einführen wollen. Diesem Regelungsgegenstand ist auf Grund der damit verbundenen Zugriffs- und Überwachungsmöglichkeiten das Erfordernis einer unternehmenseinheitlichen Einführung inhärent. Insoweit kann der Antragsteller der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates nicht entgegenhalten, dass das Vorliegen eines technischen Erfordernisses lediglich im Hinblick auf einzelne Module bestehe und der Arbeitgeberseite die Möglichkeit eröffnet werde, die Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte durch die Verknüpfung unterschiedlicher IT-Module auszuschließen. Denn der Mitbestimmungstatbestand ist einheitlich zu betrachten. Eine Aufteilung kommt insofern nicht in Betracht.

f) Unerheblich für die Zuständigkeit für die Ausübung des Mitbestimmungsrechtes ist hingegen die von den Arbeitgeberinnen vorgebrachte Befürchtung, dass separate Nutzungsverweigerungen in einem Betrieb einen Nachteil der Mitarbeiterinnen dieses Betriebs gegenüber den Mitarbeiterinnen aller anderen Betriebe darstellen würden. Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz bestimmt die Regelungsmacht der Betriebsparteien bei der Ausübung der Mitbestimmungsrechte, er hat jedoch keinen Einfluss auf die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung zwischen den Betriebsverfassungsorganen (BAG, Beschluss vom 23. August 2016 – 1 ABR 43/14, juris Rn. 21; BAG, Beschluss vom 23. März 2010 – 1 ABR 82/08, BAGE 133, 373-379 Rn. 17). Es handelt sich um eine reine Zweckmäßigkeitserwägung des Arbeitgebers (BAG, Beschluss vom 23. August 2016 – 1 ABR 43/14, juris Rn. 21). Die Verpflichtung zur Gleichbehandlung ist vielmehr kompetenzakzessorisch. Erst die jeweiligen Betriebsvereinbarungen sind am Maßstab des Gleichbehandlungsgrundsatzes des § 75 Abs. 1 BetrVG zu messen (Beschluss vom 23. März 2010 – 1 ABR 82/08, BAGE 133, 373-379 Rn. 17). Ob separate Nutzungsverweigerungen in einem Betrieb einen Nachteil der Mitarbeiterinnen dieses Betriebs gegenüber den Mitarbeiterinnen aller anderen Betriebe darstellen, ist insofern erst bei der Ausübung des Mitbestimmungsrechts durch den zuständigen Gesamtbetriebsrat erheblich. Auf die dieser vorgelagerten Zuständigkeitsfrage haben etwaige Ungleichbehandlungen ebenso wenig Einfluss wie die datenschutzrechtlichen Bedenken des Betriebsrats, welche die Frage betreffen, ob der zuständige Gesamtbetriebsrat der d -d GmbH & Co. KG sein Mitbestimmungsrecht wirksam ausgeübt hat.

d) Hingegen kann der Gesamtbetriebsrat der d T GmbH für die Einführung von Microsoft Office 365 in dem Betrieb des Antragstellers nicht zuständig sein. Für einen Gemeinschaftsbetrieb, wie es zwischen der d -d GmbH & Co. KG und der d T GmbH bestand, können zwar auf Grund der Verpflichtung der Unternehmen zur Bildung jeweils betriebsübergreifender Gesamtbetriebsräte ggf. mehrere Gesamtbetriebsräte zuständig sein, wobei diese jeweils ausschließlich für die Arbeitnehmer desjenigen Unternehmens Regelungen treffen können, für die der Gesamtbetriebsrat gebildet wurde (so Hoffmann/Alles NZA 2014, 757, 758). Eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates der d T GmbH kommt für den Betrieb des Antragstellers aber nicht mehr in Betracht, nachdem die d T GmbH im Juni 2020 eine eigene selbstständige Betriebsstätte in W eröffnet hat, für die unangefochten ein eigener Betriebsrat gewählt wurde. Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats der d -d markt GmbH & Co. KG für die Einführung von Microsoft Office 365 besteht zudem unabhängig davon, ob in ihn unternehmensfremde Betriebsräte eines Gemeinschaftsbetriebs entsandt sind. Denn die Frage nach der gesetzlichen Zuständigkeit ist von der der Thematik der wirksamen Bildung des Mitbestimmungsorgans zu trennen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: