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LG Frankfurt: Kunstfreiheit kann Aufgreifen charakteristischer Merkmale markenrechtlich geschützter weltweit bekannter Luxushandtaschen durch fremdes Modelabel rechtfertigen

LG Frankfurt
Beschluss vom 19.09.2023 - 2-06 O 532/23
und
Beschluss vom 19.09.2023 - 2-06 O 533/23

Das LG Frankfurt hat entschieden, dass die Kunstfreiheit das Aufgreifen charakteristischer Merkmale markenrechtlich geschützter und weltweit bekannter Luxushandtaschen durch ein fremdes Modelabel rechtfertigen kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kunstfreiheit zieht - Markenrechtlicher Schutz von Luxus-Handtaschen
Eine für das Markenrecht zuständige Kammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat Eilanträge der Herstellerin einer markenrechtlich geschützten und weltweit bekannten Luxus-Handtasche zurückgewiesen.

Ein Berliner Modelabel stellt unter anderem Kleider, Röcke, Tops und Taschen her, die charakteristische Merkmale der besagten Luxus-Handtasche aufweisen. Das Label führte diese Modekreationen auf einer Fashionshow vor und bewarb die dortigen Darbietungen im Internet sowie auf sozialen Netzwerken.

Die Herstellerin der Luxus-Tasche hat vor dem Landgericht Frankfurt am Main verlangt, dem Berliner Modelabel diese Darstellungen zu untersagen. Die Designerinnen des Berliner Labels haben sich demgegenüber auf ihre Kunst- und Meinungsfreiheit berufen. Ihre Modekreationen, in denen die prägenden Merkmale der Luxus-Handtasche aus dem Modekonzern der Antragstellerin gespiegelt werden, seien Teil einer Inszenierung. Es solle damit unter anderem auf weibliche Klischees hingewiesen werden, wonach sich Frauen diese Luxus-Handtaschen von sog. „Sugar Daddys“ schenken ließen. Die Akzeptanz dieses Vorurteils sei eine Form von Feminismus.

Die Kammer des Landgerichts Frankfurt am Main entschied in zwei Beschlüssen vom 19.09.2023, die Antragstellerin könne sich nicht mit Erfolg auf europäischen Markenrechtsschutz berufen.

Es sei im vorliegenden Fall eine Abwägung erforderlich zwischen dem Eigentumsrecht der Herstellerin der Luxus-Handtasche und der Kunstfreiheit der Antragsgegnerin. „Auch die Beschäftigung mit einer Marke kann von der Kunstfreiheit erfasst sein“, so die Richterinnen und Richter. Und weiter: „Das in der Kunstfreiheit wurzelnde Interesse der Antragsgegnerin an der Darbietung ihrer Fashionshow überwiegt im vorliegenden Fall“.

Die Antragsgegnerin wolle mit ihren Kleidern und Taschen darauf hinweisen, dass Frauen von Männern zum Objekt degradiert und als gesellschaftliche Accessoires angesehen würden. Nach ihrer Ansicht würden sich Frauen emanzipieren, indem sie genau diese Rolle einnähmen. Sie würden Männer als „menschliche Bank“ für ihre Zwecke nutzen, wenn sie sich von ihnen Luxus-Taschen schenken ließen. „In dieser überspitzten gesellschaftlichen Darstellung tragen Frauen die Kleidungsstücke, die an die Luxus-Tasche der Antragstellerin erinnern, in aufreizender und lasziver Art an der Grenze zu Kitsch und Geschmacklosigkeit. (…) Hierbei ist das Spiel zwischen primitiver Direktheit und ultimativen Luxusgütern essenzieller Bestandteil der Darbietung“, erklärte die Kammer in ihrem Beschluss.

„Auch wird die Marke der Antragstellerin nicht verunglimpft oder herabgesetzt. Vielmehr dient sie als ein gesellschaftlich angestrebter Bezugspunkt von Luxusgütern“, stellten die Richter weiter fest. Die Anlehnung an die Luxus-Handtasche der Antragstellerin sei dabei nur ein Teil der gesamten Inszenierung.

Die Entscheidungen sind rechtskräftig. Die Aktenzeichen der Beschlüsse vom 19.9.2023 lauten 2-06 O 532/23 und 2-06 O 533/23.


Den Volltext der Entscheidung 2-06 O 533/23 finden Sie hier:


LG Hamburg: Instagram-Influencerin durfte Designerin als "Mörderin" bezeichnen - Von Meinungsäußerungsfreiheit gedeckte Kritik an der Verwendung von Leder als Kleidung

LG Hamburg
Beschluss vom 12.04.2023
324 O 96/23


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine Instagram-Influencerin eine Designerin als "Mörderin" bezeichnen durfte, da es sich vorliegend um eine von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckte Kritik an der Verwendung von Leder als Kleidung handelte.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen. Den Antragstellerinnen steht kein Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Äußerungen aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. mit ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bzw. Unternehmenspersönlichkeitsrecht zu.

Bei den mit den Anträgen zu 1.a), c) und d) angegriffenen Äußerungen handelt es sich um zulässige Meinungsäußerungen. Im Kontext verstehen Rezipienten die Äußerungen, wonach die Antragstellerin zu 2) eine „Mörderin“ sei, die Antragstellerinnen „Mordschauen“, „Leichenschauen“ oder „Kadaverschauen“ organisierten und die Geschäfte der Antragstellerinnen „blutig“ seien, als Kritik an der Verwendung von Leder als Kleidung. Das Verständnis, die Antragstellerinnen seien für die Tötung von Menschen verantwortlich, entsteht nicht. Die Äußerungen beinhalten eine durchaus scharfe Kritik, die sich allerdings vor dem Hintergrund der öffentlich geführten Diskussion über die Verwendung von Leder als Kleidung und als Ergebnis der Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der Antragstellerinnen und der Meinungsäußerungsfreiheit der Antragsgegnerin als zulässig darstellt. Insbesondere bestehen Anknüpfungspunkte für die Meinungsäußerungen, da die Antragstellerinnen als Modedesignerin bzw. Modeunternehmen unstreitig Kleidungsstücke mit Leder verarbeiten bzw. vertreiben.

Auch der Antrag zu 1.b) ist unbegründet. Nach dem Vortrag der Antragstellerinnen hat die Antragsgegnerin geäußert, „auf der Seite dieser Designerin (...) findest du Krokoleder, Kobraleder, Babysalamanderleder“ (S. 6 der Antragsschrift). Insoweit deckt sich die Äußerung der Antragsgegnerin schon nicht mit dem formulierten Antrag, wonach die Antragstellerin solche Ledersorten „verwende“. Unter Berücksichtigung der eigenen Äußerungen der Antragstellerinnen auf ihrer Webseite durfte sich die Antragsgegnerin in dieser Weise äußern. Aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Screenshots der Webseite ist ersichtlich, dass dort ein „Krokokleid“ mit „Krokopatches aus echtem Leder“ (Anlage AG 10a), eine „Jacke Cobraleder“ (Anlage AG 11a) und eine „Jacke, Baby-Salamander-Leder“ (Anlage AG 12a) angeboten wurden. Diese eigene Darstellung der Antragstellerinnen verstehen Betrachter der Webseite so, dass dort tatsächlich Kleidungsstücke aus den benannten Lederarten angeboten würden.

Auch hinsichtlich der mit dem Antrag zu 1.e) angegriffenen Äußerung besteht kein Unterlassungsanspruch. Die Äußerung hat die Antragsgegnerin nach Erhalt der Abmahnung der Antragstellerinnen getätigt, worin die Antragstellerinnen darauf hingewiesen haben, dass sämtliche verarbeitete Lederpatches aus Kalbsleder bestünden. Die daraufhin erfolgte Äußerung der Antragsgegnerin, wonach die Angaben auf der Homepage „irreführend und falsch“ seien, stellt vor dem Hintergrund der bereits dargelegten Inhalte der Webseite eine zulässige Meinungsäußerung dar, für die auch Anknüpfungstatsachen bestehen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Hamburg: Verletzung der bekannten BOSS-Marke des Bekleidungsherstellers HUGO BOSS durch Aufdruck THE REAL BOSS bzw. I AM THE BOSS auf Hoodies und Jogginghosen

OLG Hamburg
Urteil vom 22.02.2023
5 U 28/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass eine Verletzung der bekannten BOSS-Marke des Bekleidungsherstellers HUGO BOSS durch Aufdrucke "THE REAL BOSS" bzw. "I AM THE BOSS" auf Hoodies und Jogginghosen vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht im Streitfall den zulässigen Verfügungsantrag aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der bekannten Unionsmarke „BOSS“, Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV, als begründet angesehen und einen unionsweiten Unterlassungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin bejaht. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist keine abweichende Entscheidung gerechtfertigt.

a. Streitgegenstand ist im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren

- das Verbot,

- in der Europäischen Union

- im geschäftlichen Verkehr

- Bekleidung unter Verwendung der Bezeichnung „BOSS“ anzubieten, zu verkaufen, zu vertreiben, zu bewerben oder auf andere Weise zu benutzen bzw. von Dritten anbieten, verkaufen, vertreiben, bewerben oder auf andere Weise benutzen zu lassen, wenn dies wie nachfolgend eingeblendet geschieht:

[Abildung]

b. Es liegt - soweit im Berufungsverfahren von Belang - ein zulässiger Verfügungsantrag vor.

aa. Der Tenor zu Ziffer 1. der Beschlussverfügung des Landgerichts vom 08.10.2021 ist hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

aaa. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2022, 1336 Rn. 12 – dortmund.de). Eine hinreichende Bestimmtheit ist für gewöhnlich gegeben, wenn auf die konkrete Verletzungshandlung Bezug genommen wird und der Klageantrag zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags unzweideutig erkennen lässt, in welchen Merkmalen des angegriffenen Verhaltens die Grundlage und der Anknüpfungspunkt für den Verstoß und damit das Unterlassungsgebot liegen soll (BGH GRUR 2022, 1336 Rn. 12 – dortmund.de).

bbb. Der Unterlassungsantrag/-tenor zu Ziffer 1. nimmt auf konkrete, eingeblendete Verletzungsformen Bezug und ist vor diesem Hintergrund hinreichend bestimmt.

Soweit die Beklagte in erster Instanz geltend gemacht hat, die Formulierung des begehrten Verbots, Bekleidung unter Verwendung der Bezeichnung „BOSS“ anzubieten etc., gehe über die tatsächliche Benutzungsform und den Kernbereich eines etwaigen Verbots hinaus, es gehe nicht um „BOSS“ in Alleinstellung, so ergibt sich hieraus kein unzulässiger Antrag. Denn wenn sich – wie hier – das Begehren gegen die konkrete Verletzungsform richtet, ist in dieser Verletzungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2020, 755 Rn. 27 – WarnWetter-App). Streitgegenstand ist hier daher nicht eine Verwendung der Bezeichnung „BOSS“ in Alleinstellung auf Bekleidungsstücken, sondern die Verwendung der konkret beanstandeten Zeichen „THE REAL BOSS“ und „I AM THE BOSS“ in den Verletzungsformen, wie durch die Bezugnahme im Tenor der Beschlussverfügung („wenn dies wie nachfolgend eingeblendet geschieht:“) zum Ausdruck gebracht. Sollte mit dem „insbesondere“-Antrag im Verfügungsantrag ursprünglich ein weitergehendes Verbot erstrebt worden sein, so ist dem – rechtskräftig – nicht entsprochen worden. Es kommt daher hier auf den Tenor der Beschlussverfügung zu Ziffer 1. an, der hinreichend bestimmt ist.

ccc. Die weitere Frage, ob der Antrag zu weit gefasst ist, berührt seine Zulässigkeit nicht (vgl. BGH NJW 2023, 288 Rn. 16 – DNS-Sperre). Es handelt sich insoweit um eine Frage der Begründetheit. Die Fragen, ob ein Anspruch auf ein unionsweites Verbot besteht und ob Dritthandlungen verboten werden können oder ob insoweit eine gesonderte Begehungsgefahr erforderlich ist, sind im Rahmen der Begründetheit zu klären.

bb. Zu Recht hat das Landgericht im Streitfall den Verfügungsgrund bejaht und die Vermutung gem. § 140 Abs. 3 MarkenG als nicht widerlegt angesehen. Das hiergegen gerichtete Berufungsvorbringen bleibt ohne Erfolg.

aaa. Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn das Begehren des Antragstellers dringlich ist und ihm nicht zugemutet werden kann, den Weg des Hauptsacheverfahrens einzuschlagen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 68 – Telekom-T). Als besondere Form des Rechtsschutzinteresses und damit als Prozessvoraussetzung ist der Verfügungsgrund bzw. die objektive Dringlichkeit (Eilbedürftigkeit) der Sache für den Antragsteller von Amts wegen zu prüfen, maßgebender Zeitpunkt ist der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung. Es gilt vorliegend die Dringlichkeitsvermutung gem. § 140 Abs. 3 MarkenG, die auch bei einer Verletzung von Unionsmarken Anwendung findet. Zwar wird § 140 Abs. 3 MarkenG in § 125e Abs. 5 MarkenG nicht erwähnt. Die Anwendbarkeit ergibt sich aber aus Art. 129 Abs. 3 UMV (Gruber in BeckOK Markenrecht, Kur/v. Bomhard/Albrecht, 32. Ed., § 140 Rn. 31.5; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 68 – Telekom-T).

Der Verfügungsgrund kann entfallen, wenn der Verletzte nach konkreter und positiver Kenntnis der Verletzungshandlung und vor Antragstellung zu lange zugewartet und so gezeigt hat, dass ihm die Sache nicht dringlich ist (st. Rspr., BGH GRUR 2000, 151, 152 – Späte Urteilsbegründung). Hierbei kommt es nach der ständigen Rechtsprechung der Hamburger Gerichte nicht auf starre Fristen an, sondern es ist bei der Beurteilung der Frage, ob eine Partei das Verfahren mit dem nötigen Nachdruck verfolgt und damit ihr Interesse an einer dringlichen Rechtsdurchsetzung in einem Eilverfahren dokumentiert hat, eine Gesamtbetrachtung ihres vorprozessualen und prozessualen Verhaltens geboten (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 69 – Telekom-T). Der Antragsgegnerin obliegt die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 70 – Telekom-T).

bbb. Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze ist die Dringlichkeitsvermutung im Streitfall nicht durch das Verhalten der Antragstellerin widerlegt. Weder durch die Einräumung der weiteren Frist noch durch den Nichtvollzug der Sequestrationsverfügung hat die Antragstellerin gezeigt, dass ihr die Verfolgung ihres Unterlassungsanspruchs nicht eilig ist.

Zutreffend hat das Landgericht zugrunde gelegt, dass von einer erstmaligen Kenntnis der Antragstellerin von den gegenständlichen Verletzungshandlungen Mitte September 2021 auszugehen ist. Die Antragstellerin ließ mit Anwaltsschreiben vom 16.09.2021 (Anlage AS 19) unter Fristsetzung zum 20.09.2021 abmahnen. Mit E-Mail vom 23.09.2021 (Anlage AS 20) forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin erneut zur Unterlassung auf und setzte eine Frist bis zum 30.09.2021. Mit Anwaltsschreiben vom 21.09.2021 (Anlage AS 21) ließ die Antragsgegnerin das Unterlassungsbegehren zurückweisen. Die Antragstellerin hat – nicht widerlegt – geltend gemacht, von diesem Anwaltsschreiben erst am 24.09.2021 Kenntnis erlangt zu haben. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 24.09.2021 (Anlage AS 22) stützte sich die Antragstellerin auf die weitere Unionsmarke „thisistherealboss“, UM Nr. 018010219, und setzte eine neue einheitliche Frist zur Erwiderung bis zum 29.09.2021. Am 04.10.2021 hat die Antragstellerin den Verfügungsantrag eingereicht. Bei dieser Sachlage und der zügigen Einreichung des Verfügungsantrags am 04.10.2021 ist in der Fristsetzung bis zum 30.09.2021 bzw. der Fristverlängerung bis zum 29.09.2021 nach Einführung einer weiteren Marke entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kein Umstand zu sehen, durch den die Antragstellerin gezeigt hätte, dass es ihr nicht eilig sei. Selbst wenn die Antragstellerin am 21.09.2021 / 24.09.2021 bereits gewusst hätte, dass die Antragsgegnerin in jedem Fall außergerichtlich keine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben werde, so wäre die Antragseinreichung am 04.10.2021 nicht dringlichkeitsschädlich erfolgt. Eine Frist nur von einer Woche bei einem Antrag – wie hier – auf Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 937 Abs. 2 ZPO), der eine besondere Dringlichkeit voraussetzt (vgl. Voß in Cepl/Voß, Prozesskommentar, 3. Aufl., § 937 Rn. 25), erscheint im Streitfall weder geboten noch angemessen.

Auch die fehlende Vollziehung des nicht mehr anhängigen Teils der Sequestrationsverfügung (Ziff. 2) steht der Dringlichkeit des Unterlassungsbegehrens (Ziff. 1) nicht entgegen. Eine unterbliebene Vollziehung kann zwar ein Anhaltspunkt für fehlende Eilbedürftigkeit sein. Maßgeblich sind aber immer die Umstände des Einzelfalls (OLG Frankfurt a.M. NJOZ 2009, 4291, 4293). Insoweit ist hier zu berücksichtigen, dass es sich um zwei getrennte Anträge handelt und die Unterlassungsverfügung rechtzeitig vollzogen worden ist. Zutreffend hat das Landgericht insoweit ausgeführt, dass der vorliegende Fall gleichbedeutend ist mit der Situation, dass die Antragstellerin von vornherein auf den Antrag zu Ziff. 2. verzichtet hätte. Zudem hat die Antragstellerin die teilweise fehlende Vollziehung unwidersprochen damit erklärt, dass sie sich nach Zustellung der einstweiligen Verfügung von deren Beachtung durch die Antragsgegnerin überzeugt habe. Aus der fehlenden Vollziehung des nicht mehr anhängigen Teils der Sequestrationsverfügung kann hier daher nicht geschlossen werden, dass es der Antragstellerin mit der Verfolgung ihres Unterlassungsbegehrens – nur darauf kommt es an – nicht eilig gewesen ist.

Schließlich führt auch das Unterlassen eines Vorgehens im Wege eines gerichtlichen Eilverfahrens gegen die Bezeichnungen „LITTLE BOSS“, „THE BABY BOSS“ und „LIKE A BOSS“ auf weiteren Bekleidungsstücken der Antragsgegnerin nicht zu einer Selbstwiderlegung im Streitfall. Die diesbezügliche Abmahnung erfolgte zeitlich nach der gegenständlichen Abmahnung und die Antragstellerin hat unwidersprochen glaubhaft gemacht (Anlage AS 33), Ende Oktober 2021 bei Überprüfungen des Onlineshops der Antragsgegnerin keine Produkte unter Verwendung des Zeichens „BOSS“ mehr gefunden zu haben. Im Hinblick auf den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Antragstellerin nicht vorzuwerfen, nicht auch ein gerichtliches Eilverfahren gegen andere, spätere Verletzungshandlungen eingeleitet zu haben. Der Dringlichkeit im Streitfall steht dies nicht entgegen.

cc. Ob bis zum Erlass der Beschlussverfügung eine Verletzung der prozessualen Waffengleichheit vorgelegen hat, weil – wie die Antragsgegnerin geltend macht – Abmahnung und Verfügungsantrag nicht kongruent gewesen seien, kann vorliegend offenbleiben. Denn selbst wenn eine Verletzung der Ansprüche auf rechtliches Gehör und prozessuale Waffengleichheit angenommen würde, so führt dies nicht zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung (vgl. OLG Köln GRUR 2021, 505 Rn. 50 ff. – Dairygold; Senat, Urteil vom 02.06.2022, 5 U 8/21, nicht veröffentlicht). Über diesen Punkt streiten die Parteien im Berufungsverfahren auch nicht mehr.

c. Der Verfügungsantrag ist auch begründet. Der Antragstellerin steht - wie das Landgericht im angegriffenen Urteil zu Recht angenommen hat - ein Verfügungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der bekannten Marke „BOSS“, Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV, zu. Diese landgerichtliche Bewertung ist auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens zutreffend.

aa. Nach Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV hat der Inhaber einer eingetragenen Unionsmarke das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, unabhängig davon, ob es für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind oder denjenigen ähnlich oder nicht ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Union bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

bb. Die vorliegend hauptweise geltend gemachte Unionswortmarke „BOSS“ (UM 000049221) ist zugunsten der Antragstellerin mit einer Priorität vom 01.04.1996 seit dem 29.01.2009 u.a. für Waren der Klasse 25: Herren-, Damen- und Kinderbekleidung eingetragen.

cc. Die Marke steht in Kraft. Die von der Antragsgegnerin erhobene Einrede der Nichtbenutzung gem. Art. 127 Abs. 3, 18 UMV bleibt ohne Erfolg.

aaa. Die Einrede der Antragsgegnerin ist zulässig. Ein Beklagter bzw. hier Antragsgegner kann den Einwand des Art. 127 Abs. 3 UMV auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erheben (OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2020, 102 Rn. 30 - Batterie-Plagiat; Müller in Büscher/Kochendörfer, BeckOK UMV, 27. Ed., Art. 127 Rn. 18).

bbb. Der Nichtbenutzungseinwand gem. Art. 127 Abs. 3 UMV kann nur noch auf den Verfall wegen mangelnder Benutzung (Art. 58 Abs. 1 lit. a) UMV) gestützt werden (Müller in Büscher/Kochendörfer, BeckOK UMV, 27. Ed., Art. 127 Rn. 23). Dies macht die Antragsgegnerin vorliegend geltend.

ccc. Gem. Art. 18 UMV unterliegen eingetragene Unionsmarken dem sog. Benutzungszwang. Erforderlich ist eine ernsthafte Benutzung der Marke für die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und es muss sich um eine Benutzung handeln, die der Hauptfunktion der Marke entspricht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität einer Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem ihm ermöglicht wird, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (EuGH GRUR 2013, 925 Rn. 36 - VOODOO; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 85 – Telekom-T).

(1) Vorliegend ist die Art und Weise der Benutzung der Verfügungsmarke „BOSS“, wie sie sich aus den Produktangeboten gem. Anlagen AS 13, AS 24 und AS 30 ergibt, unstreitig. Danach wurden über den Onlineshop auf der Internetseitewww.hugoboss.comBekleidungsstücke, etwa T-Shirts, unter anderem mit dem großflächigen Aufdruck „BOSS“ angeboten. Die Zeichenverwendung auf den Bekleidungsstücken ist dort als herkunftshinweisend und somit markenmäßig anzusehen. Hiergegen bringt die Berufung auch nichts vor.

(2) Soweit die Berufung rügt, es fehlten Feststellungen zum Umfang, zum Territorium und zur Dauer der Benutzung, so steht dieser Einwand einer rechtserhaltenden Benutzung der Verfügungsmarke „BOSS“ im Streitfall nicht entgegen.

Unter ernsthafter Benutzung ist eine „tatsächliche“ Benutzung zu verstehen, eine bloß „symbolische“ Benutzung genügt nicht (vgl. EuGH GRUR 2020, 1301 Rn. 32 – Ferrari/DU [testarossa]; Schmitz-Fohrmann in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 26 Rn. 219). Eine Marke muss für die Annahme der Ernsthaftigkeit ihrer Benutzung in einer üblichen und wirtschaftlich sinnvollen Art und Weise benutzt werden (BGH GRUR 2013, 725 Rn. 38 – Duff Beer). Wenn eine Marke tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist, liegt eine ernsthafte Benutzung vor (Bogatz in BeckOK Markenrecht, 32. Ed., § 26 MarkenG Rn. 75). Dem Senat, dessen Mitglieder zum von der Verfügungsmarke angesprochenen Verkehrskreis zählen, ist die Marke „BOSS“ auf Bekleidungsstücken in den zurückliegenden Jahren durchgängig auf dem Markt – so wie es sich u.a. aus den Anlagen AS 13, AS 24 und AS 30 ergibt – gegenübergetreten. Dieser Umstand ist vorliegend als allgemeinbekannt und deshalb offenkundig i.S.v. § 291 ZPO anzusehen. Offenkundig i.S.v. § 291 ZPO kann etwa die Tatsache sein, dass die Marke während eines längeren Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt erscheint und jedermann gegenübertritt (BGH GRUR 2014, 378 Rn. 27 – OTTO CAP; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 131 – Telekom-T). Dies ist im Hinblick auf die Verfügungsmarke „BOSS“ und die Nutzung für Bekleidungsstücke der Fall. Es handelt sich bei der Verfügungsmarke „BOSS“ um eine ernsthaft und markenmäßig vom HUGO BOSS-Konzern benutzte Marke.

Im Hinblick auf das Territorium der Benutzung gilt, dass von einer ernsthaften Benutzung einer Unionsmarke auch dann auszugehen ist, wenn ihre Benutzung auf das Hoheitsgebiet eines einzelnen Mitgliedstaates beschränkt ist (BGH GRUR 2013, 925 Rn. 38 – VOODOO). Die Benutzung der Unionsmarke ausschließlich in Deutschland würde eine ausreichende ernsthafte Benutzung darstellen (Fuhrmann in BeckOK Markenrecht, 32. Ed., Art. 18 Rn. 59). Vorliegend hat die Antragstellerin dargetan und mit den Anlagen AS 13, AS 24 und AS 30 (Auszügen aus dem Online-Shop) hinreichend glaubhaft gemacht, dass dieser Shop mit dem Produktangebot in einer Vielzahl von Ländern abrufbar und die Produkte bestellbar sind.

Gem. Art. 18 Abs. 2 UMV wird dem Markeninhaber die Benutzung durch Dritte zugerechnet, wenn er dieser Drittnutzung zugestimmt hat (Müller in BeckOK UMV, 27. Ed., Art. 18 Rn. 157). Hier liegt eine Nutzung im Konzernverbund vor. Gegen eine Drittnutzung mit Zustimmung bringt die Antragsgegnerin vorliegend auch nichts vor.

Rechtzeitig vor Ablauf einer fünfjährigen Schonfrist, gerechnet ab dem Tag der Eintragung, bzw. bei länger eingetragenen Marken vor Ablauf einer fünfjährigen Periode der ununterbrochenen Nichtbenutzung, muss die Marke zur Aufrechterhaltung des Markenschutzes im geschäftlichen Verkehr ernsthaft benutzt werden (Art. 18 Abs. 1 UMV). Die Unionsmarke „BOSS“ ist seit dem 29.01.2009 eingetragen und musste gem. Art. 18 Abs. 1 UMV vor dem 29.01.2014 rechtserhaltend benutzt worden sein. Die Antragstellerin hat hier unwidersprochen vorgetragen, bis zum Jahr 1997 ausschließlich Herrenmode und seit 1998 auch eine Damenkollektion etabliert zu haben. In den Folgejahren seien zu den Marken „BOSS“, „BOSS Orange“ und „BOSS Green“ eine Damenkollektion angefertigt worden (Anlage AS 12). Seit 2013 habe der HUGO BOSS-Konzern die deutsche Fußball-Nationalmannschaft „für einen eleganten Auftritt abseits des Spielfeldes“ ausgestattet (Anlage AS 12). 2012 habe die erste HUGO BOSS Fashion Show stattgefunden. Soweit die Auszüge aus den Internetseiten gem. Anlagen AS 13 und AS 24 aktuell sein (etwa aus dem Jahr 2021 stammen) sollten, so ist die Marke auf Bekleidungsstücken allgemeinbekannt dem Verkehr auch schon vor Januar 2014 umfangreich gegenübergetreten. Dies kann der Senat als angesprochener Verkehrskreis aus eigener Anschauung feststellen.

Auch für die Folgezeit und den Zeitraum vor Antragseinreichung lässt sich eine rechtserhaltende Benutzung der Verfügungsmarke „BOSS“ für Bekleidung feststellen, so dass die Einrede gem. Artt. 127 Abs. 3, Art. 58 Abs. 1 lit. a) UMV vorliegend erfolglos bleibt.

dd. Das Landgericht hat zu Recht eine Bekanntheit der Verfügungsmarke „BOSS“ bejaht bzw. als überwiegend wahrscheinlich angenommen.

aaa. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV sieht einen erweiterten Schutz solcher Unionsmarken vor, die in der Union bekannt sind, sofern der Nutzende die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Hintergrund für den erweiterten Schutz des Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV ist der Umstand, dass vor allem bekannten Marken ein eigener wirtschaftlicher Wert zukommt, der unabhängig von den Waren und Dienstleistungen besteht, für die sie eingetragen sind (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 130 – Telekom-T). Voraussetzung für den erweiterten Schutz einer Marke insbesondere gegen die Ausnutzung der Unterscheidungskraft und Wertschätzung ist zunächst das Vorliegen einer bekannten Marke, wobei die Bekanntheit im Gebiet eines einzigen Mitgliedstaates ausreichend sein kann (EuGH GRUR 2015, 1002 Rn. 19 - IRON & SMITH/UNILEVER; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 130 – Telekom-T).

bbb. Eine Marke ist bekannt, wenn sie einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, ohne dass bestimmte Prozentsätze des Bekanntheitsgrades zu fordern sind (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 131 – Telekom-T). Erforderlich ist eine Bekanntheit als Kennzeichnungsmittel für bestimmte Waren oder Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2004, 235, 238 - Davidoff II; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 131 – Telekom-T). Die Feststellung der Bekanntheit der Klagemarke obliegt im Wesentlichen dem Tatgericht. Auch die Tatsachen, aus denen sich die Bekanntheit einer Marke ergibt, können allgemein geläufig und deshalb offenkundig i.S.v. § 291 ZPO sein. Dazu rechnet auch, dass die Marke während eines längeren Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt erscheint und jedermann gegenübertritt (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 21 – ÖKO-TEST I; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 131 – Telekom-T).

ccc. Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze ist die Verfügungsmarke „BOSS“ als Marke für Bekleidung jedenfalls im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bekannt i.S.v. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV. Das hiergegen gerichtete Berufungsvorbringen bleibt ohne Erfolg. Die Mitglieder des Senats als angesprochener Verkehrskreis können feststellen, dass die Marke „BOSS“ jedenfalls in den letzten 20 Jahren in weitem Umfang auf dem Markt erschienen (stationärer und Online-Handel) und jedermann gegenübergetreten ist. Zudem hat die Antragstellerin umfangreiche Investitionen und Sponsoringaktivitäten des HUGO BOSS-Konzerns dargetan, denen die Antragsgegnerin nicht erheblich entgegengetreten ist. Die Präsenz der Marke „BOSS“ für Bekleidung über derartige Aktivitäten und die Verkaufsangebote im stationären und Online-Handel sind allgemeinbekannt und auch den Mitgliedern des Senats bekannt. Die Feststellungen, die die Berufung der Antragsgegnerin hier vermisst, sind das allgemeine Gegenübertreten und die Präsenz der Marke „BOSS“ im Bekleidungssektor, die der Senat aus eigener Anschauung jedenfalls für den Zeitraum der letzten 20 Jahre feststellen kann. Der erforderliche Grad an Bekanntheit beim maßgeblichen Publikum ist vorliegend überwiegend wahrscheinlich gegeben, wobei es – wie ausgeführt – nicht auf einen bestimmten Prozentsatz ankommt, sondern es genügt, wenn ein bedeutender Teil des maßgeblichen Publikums in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets, das dem Gebiet eines Mitgliedsstaates entsprechen kann, das Zeichen kennt, ohne dass ihm dessen Eintragung als Marke bekannt sein muss (vgl. BGH GRUR 2020, 401 Rn. 19 – ÖKO-TEST I). Dies ist hier der Fall.

ee. Ein gedankliches Inverbindungbringen der konkret angegriffenen Verletzungsformen mit der Verfügungsmarke „BOSS“ ist vorliegend entgegen dem Vorbringen der Berufung ebenfalls zu bejahen.

aaa. Der EuGH legt bei der Beurteilung des Bekanntheitsschutzes anstelle der Verwechslungsgefahr ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der gedanklichen Verknüpfung zu Grunde (EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 36 - L’Oréal/Bellure). Es ist festzustellen, ob der Verkehr zwischen dem angegriffenen Zeichen und der bekannten Marke eine gedankliche Verknüpfung vornimmt bzw. ob jenes geeignet ist, die bekannte Marke in Erinnerung zu rufen (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 388; BPatG GRUR 2022, 1753 Rn. 21 – dOCUMENTA). Die Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung zwischen zwei Kennzeichen stattfindet, ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falls zu beurteilen, zu denen der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen, die Art der fraglichen Waren und Dienstleistungen einschließlich des Grades ihrer Nähe, das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke, ihre originäre oder durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft und (ohne dass dies erforderlich wäre) das Bestehen von Verwechslungsgefahr zählen (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 28 – ÖKO-Test I). Bei fehlender Zeichenähnlichkeit kommt ein Anspruch nach Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV nicht in Betracht (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 28 – ÖKO-Test I). Die Beurteilung der Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung gegeben ist, obliegt dem Tatrichter (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 28 – ÖKO-Test I). Es genügt ein geringerer Grad an Zeichenähnlichkeit, als er für die Verwechslungsgefahr erforderlich wäre, und eine herkunftshinweisende Zeichennutzung ist nicht zwingend erforderlich, wohl aber eine Benutzung, die geeignet ist, eine tatbestandsmäßige Beeinträchtigung der bekannten Marke hervorzurufen (Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 133 – Telekom-T).

Die Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Zeichen ist dabei nach den für Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV geltenden Grundsätzen zu beurteilen, d.h. sie kann sich gleichermaßen aus Übereinstimmungen im Klang, im (Schrift)Bild oder in der Bedeutung ergeben, wobei es auch hier auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Marken ankommt. Im Rahmen des Bekanntheitsschutzes ist aber, anders als bei Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV, - wie ausgeführt - nicht erforderlich, dass eine Verwechslungsgefahr oder Herkunftstäuschung besteht (vgl. BPatG GRUR 2022, 1753 Rn. 22 – dOCUMENTA). Es ist vielmehr ausreichend, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen der bekannten Marke und dem angegriffenen Zeichen bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine gedankliche Verknüpfung zwischen den Zeichen bewirkt (vgl. BPatG GRUR 2022, 1753 Rn. 22 – dOCUMENTA).

bbb. Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze werden im Streitfall erhebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise eine gedankliche Verknüpfung zwischen der Verfügungsmarke „BOSS“ und den angegriffenen Zeichen „THE REAL BOSS“ und „I AM THE BOSS“ in folgenden Verwendungen:

[Abbildung]

herstellen. Die Verfügungsmarke ist - wie ausgeführt - eine im Bekleidungssektor bekannte Marke, die genutzt wird und dem Verkehr gegenübertritt wie sich etwa aus dem Anlagenkonvolut AS 24 ergibt. Es besteht vorliegend Warenidentität. An dieser Stelle kommt es zudem nicht auf eine Verwechslungsgefahr im Rechtssinne, sondern nur auf die bloße tatsächliche Verwechselbarkeit der Zeichen als solcher an, die im Einzelfall durchaus vorliegen kann (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 389). Eine gedankliche Verknüpfung scheidet aus, wenn der Verkehr ein mit der bekannten Marke übereinstimmendes Zeichenelement in der jüngeren Zeichenkombination nur als produktbeschreibende Angabe versteht (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 389). Entsprechendes ist bei einem Verkehrsverständnis als nur dekorativer Gebrauch anzunehmen. Indes steht es der Einstufung als markenverletzendem Gebrauch nicht entgegen, dass die fremden Marken auf dem Produkt des Dritten auch, aber nicht nur als Verzierung aufgefasst werden (vgl. A. Nordemann in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 14 Rn. 205 m.w.N.). Eine markenmäßige Benutzung i.S. des Bekanntheitsschutzes (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) ist gegeben, wenn der Verkehr eine gedankliche Verknüpfung mit der bekannten Marke vornehmen wird (BGH GRUR 2005, 583, 584 – Lila-Postkarte; OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2011, 170, 171 – Blechschilder). Dies ist auf den Bekanntheitsschutz einer Unionsmarke gem. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV übertragbar.

Legt man dies zugrunde, so kommt es vorliegend im Rahmen des Bekanntheitsschutzes gem. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV nicht entscheidend darauf an, ob der Verkehr in den angegriffenen Bezeichnungen auch eine Redewendung sieht, wenn sich eine gedankliche Verknüpfung dennoch – wie hier – feststellen lässt. Es sind die konkret angegriffenen Verletzungsformen zu beurteilen. Beim angegriffenen Gesamtzeichen: „THE REAL BOSS“ ist der Bestandteil „REAL BOSS“ etwas größer gehalten und wird vom Verkehr als „Das wahre BOSS“ oder „Der wahre Boss“ verstanden. Zu vergleichen sind „BOSS“ und „THE REAL BOSS“ in der konkreten Aufmachung auf dem Hoodie und der Jogginghose. Auf dem Hoodie findet sich der Bestandteil „BOSS“ allein in einer Zeile. Die Aufdrucke auf den Verletzungsformen befinden sich an den Stellen der Bekleidungsstücke, an denen der Verkehr den Aufdruck einer Marke erwartet. Zwar besteht klanglich und schriftbildlich Übereinstimmung lediglich im Bestandteil „BOSS“. Jedoch kommt dem Bestandteil „BOSS“ in „THE REAL BOSS“ eine selbständig kennzeichnende Stellung zu. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn der betreffende Bestandteil wie eine Marke in der Marke erscheint, was nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass der Verkehr ein Zeichen als einheitliche Kennzeichnung auffasst (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 9 Rn. 491). Ein solches Verständnis als Marke in der Marke ist bei „BOSS“ in „THE REAL BOSS“ jedenfalls bei einer Deutung gegeben („Das wahre BOSS“). Eine Zeichenähnlichkeit liegt daher zwischen „BOSS“ und „THE REAL BOSS“ vor. Eine absolute Zeichenunähnlichkeit, die die Antragsgegnerin geltend macht, ist hingegen nicht gegeben. Auch die Zeichen „BOSS“ und „I AM THE BOSS“ sind ähnlich und nicht absolut unähnlich. Im Bedeutungsgehalt treten beim angegriffenen Zeichen „I AM THE BOSS“ die Deutungen „Ich bin BOSS“ oder „Ich bin der Boss“ auf. Klanglich und schriftbildlich besteht Übereinstimmung im Bestandteil „BOSS“. Auch bei diesem Gesamtzeichen ist ein Verständnis von „BOSS“ als Marke in der Marke durchaus noch gegeben. Dies wiederum führt dazu, dass die Zeichen „BOSS“ und „I AM THE BOSS“ als ähnlich anzusehen sind.

Zudem spielt im Streitfall bei den angegriffenen Verwendungsformen eine Rolle, dass der Bestandteil „BOSS“ in den angegriffenen Verwendungsformen in Großbuchstaben ähnlich der Verwendung der Marke „BOSS“ auf Kleidungsstücken gehalten ist. Zwar trifft es zu, wie die Antragsgegnerin geltend macht, dass es bei einer Wortmarke im Hinblick auf den Schutzbereich nicht auf die Groß- und Kleinschreibung ankommt. Indes geht es hier um die Frage einer gedanklichen Verknüpfung, für die die Gestaltung der angegriffenen Zeichen sehr wohl eine Rolle spielen kann.

Weiter handelt es sich um plakative und herausgestellte Schriftzüge. Die Gesamtgestaltung auf den angegriffenen Bekleidungsstücken ist nicht derart gewählt, dass der Blick vom Zeichenbestandteil „BOSS“ abgelenkt worden wäre.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände ist davon auszugehen, dass erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs die Aufmachung der angegriffenen Kennzeichen mit der Verfügungsmarke gedanklich verknüpfen. Das Landgericht hat die erforderliche gedankliche Verknüpfung daher im Streitfall zu Recht bejaht.

Dass die Antragstellerin, wie die Antragsgegnerin geltend macht, selbst keine Slogans verwende, ist nicht erheblich. Denn - wie ausgeführt - ergibt sich im Streitfall aus den konkret angegriffenen Gestaltungen eine Anspielung auf die im Bekleidungssektor bekannte „BOSS“-Marke.

ff. Das Landgericht ist auch zu Recht vom Vorliegen eines Beeinträchtigungstatbestandes ausgegangen. Im Streitfall ist eine unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft (sog. Aufmerksamkeitsausbeutung) der bekannten Verfügungsmarke „BOSS“ durch die angegriffenen Zeichenverwendungen zu bejahen.

aaa. Im Ausgangspunkt ist der Einwand der Berufung der Antragsgegnerin zwar zutreffend, dass es neben der gedanklichen Verknüpfung des Kollisionszeichens mit der bekannten Marke des Vorliegens eines Beeinträchtigungstatbestandes i.S.v. Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV bedarf. Es trifft weiter zu, dass die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für das Vorliegen eines Beeinträchtigungstatbestandes des Bekanntheitsschutzes – hier Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV – beim Markeninhaber liegt (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 390). Es muss vom Gericht konkret festgestellt werden, dass eine der genannten Beeinträchtigungen der Marke vorliegt. Es reicht nicht aus, dass der Verkehr überhaupt eine gedankliche Verknüpfung des angegriffenen Zeichens mit der bekannten Marke vornimmt (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 390).

bbb. Jedoch lässt sich im Streitfall das Vorliegen eines Beeinträchtigungstatbestandes feststellen.

(1) Die Frage, ob durch die Benutzung des angegriffenen Zeichens die Unterscheidungskraft einer Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt wird, ist anhand einer umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände zu beurteilen, zu denen das Ausmaß der Bekanntheit und der Grad der Unterscheidungskraft der Marke, der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen und der Grad ihrer Nähe gehören (BGH GRUR 2019, 165 Rn. 22 – keine-vorwerk-vertretung). Eine Ausnutzung oder Beeinträchtigung liegt umso eher vor, je größer die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der Marke sind. Je unmittelbarer und stärker die Marke von dem Zeichen in Erinnerung gerufen wird, desto größer ist die Gefahr, dass die gegenwärtige oder künftige Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (BGH GRUR 2020, 405 Rn. 57 – ÖKO-TEST II).

(2) Aus einer – wie hier – blickfangmäßigen Verwendung / Herausstellung des Zeichen(-bestandteil)s „BOSS“ in den konkreten Verwendungen kann auf eine bewusste Aufmerksamkeitserregung auch im Hinblick auf „BOSS“ geschlossen werden (vgl. hierzu OLG Köln GRUR-RR 2019, 466 Rn. 26). Mit dieser bewussten Aufmerksamkeitserregung hat sich die Antragsgegnerin die Werbe- und Kommunikationsfunktion der bekannten Verfügungsmarke „BOSS“ zu eigen gemacht und sich in deren Sogwirkung begeben, um von dem fremden guten Ruf zugunsten des eigenen Absatzes zu profitieren (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2019, 466 Rn. 26). Auch ohne gedankliche Partizipation an etwaigen mit der Marke verbundenen Gütevorstellungen kann eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft in der Weise erfolgen, dass sich der Verletzer den Aufmerksamkeitswert der Marke zunutze macht (sog. Aufmerksamkeitsausbeutung vgl. BGH, NJW 2005, 2856, 2857 – Lila Postkarte). Durch die Verwendung der bekannten Marke kann ein Kommunikationsvorsprung erreicht werden, der unabhängig von einer Ausnutzung (auch) der Wertschätzung die Unterscheidungskraft ausnutzt (Nordemann-Schiffel in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 14 Rn. 1391 m.w.N.). So liegt der Fall bei den konkret angegriffenen Verwendungen auch hier.

Sodann ist dem Tatbestandsmerkmal des Ausnutzens der Unterscheidungskraft die Unlauterkeit immanent, wenn die Marke in identischer oder ähnlicher Form benutzt wird (vgl. BGH GRUR 2005, 583 Rn. 22 – Lila-Postkarte; OLG Köln GRUR-RR 2019, 466 Rn. 26; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 143 – Telekom-T; Senat GRUR-RS 2023, 831 Rn. 136). So liegt der Fall auch hier. Die Antragsgegnerin nutzt der bekannten Verfügungsmarke „BOSS“ ähnliche (Gesamt-)Zeichen für ihre Bekleidung und begibt sich hierdurch – ohne Gegenleistung oder wirtschaftliche Anstrengungen zum Image der bekannten Marke erbracht zu haben – in den Sog der geschützten bekannten Bekleidungsmarke „BOSS“.

ccc. Offenbleiben kann im Streitfall, ob daneben eine Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft und eine sog. Verwässerung der Verfügungsmarke „BOSS“ durch die angegriffenen Verwendungen anzunehmen ist.

Der Nachweis, dass die Benutzung der jüngeren Marke die Unterscheidungskraft der älteren Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen würde, setzt voraus, dass dargetan wird, dass sich das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers der Waren oder Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen ist, in Folge der Benutzung der jüngeren Marke geändert hat oder dass die ernsthafte Gefahr einer künftigen Änderung dieses Verhaltens besteht (EuGH GRUR 2009, 56 Rn. 77 - Intel Corporation/CPM United Kingdom; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 138 – Telekom-T). Die Anforderungen an die (potentielle) Änderung des Verbraucherverhaltens sind nach jüngster Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht hoch; die Gefahr, dass eine Marke einen Bedeutungsverlust erleidet und damit einhergehend für den Verkehr von abnehmender Relevanz ist, ist für eine solche Annahme bereits ausreichend (vgl. BGH GRUR 2020, 401 Rn. 47 - ÖKO-​TEST I; Senat GRUR-RS 2022, 30473 Rn. 138 – Telekom-T). Leidet das Ansehen der Marke, so folgt hieraus ohne Weiteres eine hinreichende Gefahr, dass Verbraucher sich bei ihrer Kaufentscheidung in abnehmendem Maße vom Logo der Klägerin beeinflussen lassen (BGH GRUR 2020, 401 Rn. 47 - ÖKO-​TEST I). Ob vorliegend durch die angegriffenen Zeichennutzungen ein Ansehensverlust der Verfügungsmarke zu befürchten ist, kann jedoch offenbleiben, da – wie ausgeführt – eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft der Verfügungsmarke durch die konkreten Verwendungen festgestellt werden kann.

gg. Rechtsfolge des Vorliegens des Verletzungstatbestandes des Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ein unionsweites Verbot.

aaa. Grundsätzlich muss sich das von einem Unionsmarkengericht ausgesprochene Verbot territorial auf das gesamte Gebiet der Union erstrecken, um einen einheitlichen Schutz der Unionsmarke zu garantieren (EuGH GRUR 2016, 1166 Rn. 30 – combit Software GmbH/Commit Business Solutions Ltd). Der Unterlassungsanspruch aus der Verletzung einer Unionsmarke besteht daher grundsätzlich unionsweit (Grüger in BeckOK Markenrecht, 32. Ed., Art. 130 UMV Rn. 4). Dies folgt aus dem Prinzip der Einheitlichkeit der Unionsmarke nach Art. 1 Abs. 2 UMV, wonach sich die Wirkungen der Unionsmarke auf die gesamte Gemeinschaft erstrecken, und aus der einheitlichen Zuständigkeit der Unionsmarkengerichte (vgl. BGH GRUR 2008, 254 Rn. 39 – THE HOME STORE; vgl. zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster BGH GRUR 2012, 512 Rn. 49 – Kinderwagen). Die territoriale Reichweite dieses Verbot beschränkt sich nicht auf das Gebiet des Mitgliedstaates, für den das Unionsmarkengericht die Verletzungshandlung positiv festgestellt hat, oder auf das Gebiet derjenigen Mitgliedstaaten, die zu dieser Feststellung Anlass gegeben haben. Eine Verletzungshandlung, die in einem Mitgliedstaat begangen wird, begründet in der Regel eine Begehungsgefahr für das gesamte Gebiet der Europäischen Union (BGH GRUR 2008, 254 Rn. 39 – THE HOME STORE).

bbb. Soweit die Berufung geltend macht, es sei für einen unionsweiten Unterlassungsanspruch erforderlich, dass ein wirtschaftlich nicht unerheblicher Teil des Verkehrs im Kollisionsgebiet die bekannte Marke kenne und das Kollisionszeichen mit ihr gedanklich verknüpfe, so ergibt sich hieraus keine Beschränkung der territorialen Reichweite des Unterlassungsanspruchs. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es für den Bekanntheitsschutz ausreichend, dass diese Marke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets bekannt ist, wobei dieser Teil gegebenenfalls unter anderem dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats entsprechen kann. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so ist davon auszugehen, dass die fragliche Unionsmarke in der gesamten Union bekannt ist (EuGH GRUR 2019, 621 Rn. 50 – ÖKO-Test Verlag/Dr. Liebe). Es kann daher nicht mehr gefordert werden, dass die bekannte Marke auch im Kollisionsgebiet im rechtsbegründenden Sinne bekannt ist, wie dies früher verlangt worden ist (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 377 zur früheren Rspr. des BGH GRUR 2013, 1239 Rn. 67 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion). Folglich kann der Schutz aus einer bekannten Unionsmarke entweder in der gesamten Europäischen Union oder gar nicht beansprucht werden kann (EuGH GRUR 2017, 1132 Rn. 52 – Ornua/T&S (KERRYGOLD); Nordemann-Schiffel in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., § 14 Rn. 1322). Da hier ein Anspruch aus Bekanntheitsschutz der Unionsmarke „BOSS“ besteht, kann ein Verbot für das gesamte Gebiet der Europäischen Union beansprucht werden.

hh. Es besteht entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch eine Begehungsgefahr hinsichtlich der im Tenor formulierten Dritthandlungen („bzw. von Dritten anbieten, verkaufen, vertreiben, bewerben oder auf andere Weise benutzen zu lassen“).

aaa. Ist ein markenrechtlicher Verletzungsfall festgestellt, erstreckt sich der Unterlassungsanspruch eines Klägers auf alle markenmäßigen Benutzungshandlungen des angegriffenen Zeichens (BGH GRUR 2018, 417 Rn. 56 – Resistograph). Das Charakteristische der Verletzungshandlung liegt markenrechtlich betrachtet in der Benutzung des verletzenden Zeichens (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 527). Durch welche der – in § 14 Abs. 3 MarkenG (bzw. Art. 9 Abs. 3 UMV) ohnehin nur beispielhaft aufgeführten – Handlungsmodalitäten diese Benutzung erfolgt, hat auf den Kern der Verletzungshandlung keinen Einfluss (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 527). Der Unterlassungsanspruch erstreckt sich auf alle Handlungsmodalitäten, auch wenn bisher nicht alle verwirklicht worden sind (BGH GRUR 2016, 197 Rn. 47 – Bounty; Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 527).

bbb. Hier hat die Antragsgegnerin eine Begehungsgefahr hinsichtlich der konkret gegenständlichen Verwendungsformen begründet. Hinsichtlich dieser konkreten Verwendungsformen erstrecken sich die Begehungsgefahr und das Verbot auf alle beispielhaft in § 14 Abs. 3 MarkenG (bzw. Art. 9 Abs. 3 UMV) genannten Verwertungshandlungen, sofern nicht nach den Umständen des Einzelfalls durchgreifende rechtliche Erwägungen für die Herausnahme einzelner Verletzungshandlungen sprechen (BGH GRUR 2006, 421 Rn. 42 – Markenparfümverkäufe; Eckhartt in BeckOK Markenrecht, 32. Ed., § 14 Rn. 634). Letzteres ist hier nicht der Fall.

Wenn die Antragsgegnerin die entsprechenden Handlungen durch Dritte ausführen lassen würde, so läge auch dies in ihrer täterschaftlichen Verantwortlichkeit. Eine Begehungsgefahr kann insoweit im Streitfall nicht verneint werden.

ii. Auf einen Anspruch aus Verwechslungsgefahr (Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV) und auf Ansprüche aus den hilfsweise verfolgten Marken kommt es dann nicht mehr an.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Aufdruck "BLESSED" auf einem Hoodie keine Markenrechtsverletzung - kein Herkunftshinweis auf Markeninhaber

OLG Frankfurt
Urteil vom 02.06.2022
6 U 40/22


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass der Aufdruck "BLESSED" auf einem Hoodie keine Markenrechtsverletzung darstellt, da dieser nicht als Herkunftshinweis auf den Markeninhaber verstanden wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
"Blessed" Schriftzug auf Hoodie
Schriftzug „BLESSED“ auf Vorderseite eines Hoodies wird vom Verkehr als dekoratives Element und nicht als Herkunftshinweis verstanden.

Lesedauer:3 Minuten
Wörter auf Vorder- oder Rückseite eines Kleidungsstückes werden vom Verkehr nicht grundsätzlich als Herkunftshinweis verstanden. Insbesondere Wörter der deutschen Sprache, einer geläufigen Fremdsprache oder sog. Fun-Sprüche können auch lediglich als dekorative Elemente aufgefasst werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung die Beschwerde gegen die Versagung eines markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs gegen die Verwendung des Wortes „BLESSED“ auf der Vorderseite eines Hoodies zurückgewiesen.

Die Parteien streiten über einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch. Der Kläger ist Gastronom in Frankfurt am Main und Inhaber der Wort-Bildmarke #Blessed, die als weißer Schriftzug auf weißem Grund u.a. für Bekleidungsstücke eingetragen ist.

Die Beklagte ist eine weltweit tätige Sportartikelherstellerin. Sie arbeitet mit so genannten Markenbotschaftern zusammen. Dazu gehört ein brasilianischer Fußballer, der in seinem Nacken ein Tattoo mit dem Schriftzug „Blessed“ trägt. In diesem Zusammenhang brachte die Beklagte eine viel beachtete Lifestyle-Kollektion auf den Markt. Auf der Vorderseite des zu dieser Kollektion zählenden Hoodies steht in großer gelb-schwarzer Schrift „BLESSED“; das Kleidungsstück weist zudem auf Marken der Beklagten hin.

Der Kläger nimmt die Beklagte im Eilverfahren aus Markenrecht auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht hatte einen Unterlassungsanspruch abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Benutzung des Wortes „BLESSED“ beeinträchtige nicht die Markenrechte des Klägers. Der Schriftzug sei hier nicht markenmäßig, sondern dekorativ zu rein beschreibenden Zwecken benutzt worden. Der Hoody sei Teil einer Sportkollektion der Beklagten, die diese im Zusammenhang mit der Verpflichtung des brasilianischen Fußballers herausgebraucht habe. Das englische Wort bedeute „gesegnet“. Der eigene Markenname der Beklagten sei zudem an mehreren Stellen des Kleidungsstücks erkennbar. Schließlich wisse der Verbraucher, dass auf der Vorderseite von Kleidungsstücken Sprüche oder bekenntnishafte Aussagen aufgedruckt würden.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 02.06.2022, Az. 6 U 40/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25.01.2022, Az. 3/6 O 47/21)




OLG Frankfurt: Zeichenfolge "MO" in Produktbezeichnung "Balmain Herren T-Shirt / T-Shirt MO / UH11601" wird als Herkunftshinweis in Form einer Zweitmarke verstanden

OLG Frankfurt
Beschluss vom 02.09.2021
6 W 58/21

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Zeichenfolge "MO" in der Produktbezeichnung "Balmain Herren T-Shirt / T-Shirt MO / UH11601" als Herkunftshinweis in Form einer Zweitmarke verstanden wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Unterlassung der Benutzung des Zeichens „MO“ aus §§ 4, 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG zu.

a) Es liegt ein Fall der Doppelidentität vor (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Der Antragsgegner hat ein identisches Zeichen für Bekleidung im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der Antragstellerin benutzt.

b) Der Antragsgegner hat die Bezeichnung „MO“ in dem im Tenor wiedergegebenen Internetangebot markenmäßig im Sinne einer Zweitmarke benutzt.

aa) Der Markeninhaber kann einer Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens auch im Fall der Doppelidentität nur widersprechen, wenn dadurch eine der Funktionen der Marke beeinträchtigt werden kann. Die Hauptfunktion der Marke wird beeinträchtigt, wenn die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- und Leistungsabsatzes zur Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen verwendet wird. Daran fehlt es vor allem dann, wenn das Zeichen nur als dekoratives Gestaltungsmittel oder in einem rein beschreibenden Sinn verwendet wird (BGH GRUR 2014, 1101 Rn 23 - Gelbe Wörterbücher). Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht (BGH GRUR 2015, 1201 Rn 68 - Sparkassenrot/Santander; BGH GRUR 2019, 522 Rn 25 - SAM). Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Die Verkehrsauffassung wird durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt. Abzustellen ist außerdem auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor, insbesondere auf die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden.

bb) Im Bekleidungssektor gibt es verschiedene Kennzeichnungsgewohnheiten (BGH GRUR 2018, 932 Rn 18 - #darferdas?). Geht es um eine Modellbezeichnung in Verkaufsangeboten in Katalogen oder im Internet, kommt es auf die konkreten Umstände der Verwendung an. Dabei ist das Angebot in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen (BGH GRUR 2019, 1289 Rn 33 - Damen Hose MO). Insbesondere ihre Hervorhebung oder blickfangmäßige Herausstellung kann für eine markenmäßige Verwendung sprechen (vgl. BGH GRUR 2012, 1040 Rn 19 - pjur/pure; BGH GRUR 2017, 520 Rn 26 - MICRO COTTON). Erforderlich ist, dass der angesprochene Verkehr in der konkret in Rede stehenden Art der Verwendung einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller des in Rede stehenden Kleidungsstücks erblickt.

cc) In dem vorliegenden Angebot wird „MO“ als Modellbezeichnung, nämlich als Bezeichnung des angebotenen T-Shirts aus dem Hause Balmain“ verstanden.

In der Angebotsbezeichnung

„Balmain Herren T-Shirt / T-Shirt MO / UH11601“

wird die Angabe „MO“ als Name des konkreten T-Shirts angesehen. Dies ergibt sich aus der gesamten Angebotsgestaltung. Neben dem abgebildeten T-Shirt befindet sich die zunächst die Bezeichnung „Balmain“, die von dem Verkehr ohne weiteres als Bekleidungslabel und damit als Herkunftshinweis wahrgenommen wird. Es folgt die Angabe „Herren T-Shirt“ und sodann: „T-Shirt MO“. Der Verkehr versteht bei dieser Art der Gestaltung die Angabe „MO“ als Bezeichnung des konkret angebotenen T-Shirts, nicht etwa als beschreibenden Hinweis auf Produkteigenschaften. Ein Verständnis als beschreibende Angabe für eine Passform oder einen bestimmten Schnitt liegt fern.

dd) Die Modellbezeichnung „MO“ wird vorliegend zugleich als Herkunftshinweis im Sinne einer Zweitmarke verstanden.

(1) Hierfür reicht es nach den Grundsätzen des BGH nicht aus, dass die Modellbezeichnung originär unterscheidungskräftig ist und die konkrete Verwendung nicht glatt beschreibend verstanden wird. Es genügt für sich genommen auch nicht, dass der Verkehr allgemein und im Bekleidungssektor im Besonderen an die Verwendung von Zweitkennzeichen gewöhnt ist (BGH GRUR 2019, 1289, Rn 28, 29 - Damen Hose MO). Denn im Modebereich sieht der angesprochene Verkehr nach Ansicht des BGH häufig in der Herstellerangabe den alleinigen Herkunftshinweis (vgl. BGH GRUR 2004, 865, 866 - Mustang). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Herstellerangabe vorangestellt ist (BGH GRUR 1996, 774, 775 - falke-run/LE RUN) oder in besonderer Weise hervorgehoben ist. Wird in einem Angebot für Bekleidungsstücke neben der Herstellerangabe ein weiteres Zeichen als Modellbezeichnung verwendet, kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass eine solche Modellbezeichnung ebenfalls als Herkunftshinweis verstanden wird (BGH GRUR 2019, 1289, Rn 37, 38 - Damen Hose MO). Dies hängt vielmehr von der konkreten Art der Verwendung und der Angebotsgestaltung ab. Für ein Verständnis als betrieblicher Herkunftshinweis können die blickfangmäßige Herausstellung, die Bekanntheit der Dachmarke und/oder der Modellbezeichnung (z.B. "Levi's“ und „501“) oder der unmittelbare Zusammenhang mit der Hersteller- oder Dachmarke sprechen. Gegen ein Verständnis als betrieblicher Herkunftshinweis kann es sprechen, wenn die Modellbezeichnung an unauffälliger Stelle verwendet wird oder wenn es sich bei ihr um einen häufig vorkommenden Vornamen handelt, den der Verbraucher im Bekleidungssektor aufgrund der ihm bekannten Verkehrsübung als „bloße“ Modellbezeichnung ohne Herkunftsfunktion ansieht (BGH GRUR 2019, 1289, Rn 25-35 - Damen Hose MO).

(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sieht der von dem streitgegenständlichen Internetangebot angesprochene Durchschnittsverbraucher in der Angabe „MO“ nicht nur eine Modellbezeichnung, sondern zugleich einen Herkunftshinweis im Sinne einer Zweitmarke. Er geht davon aus, dass das Herstellerunternehmen die Bezeichnung „MO“ als weitere Marke unter der Dachmarke „Balmain“ einsetzt, um das konkrete T-Shirt-Modell der Herkunft nach zu kennzeichnen.

(a) Die Bezeichnung „MO“ ist den angesprochenen Verbrauchern als Marke nicht bekannt. Dazu müsste sich die Marke bei einem bedeutenden Teil des Publikums durchgesetzt haben. Ausreichenden Vortrag hat die Antragstellerin insoweit nicht gehalten.

(b) Für ein Verständnis als Zweitmarke spricht jedoch die gesamte Angebotsgestaltung. Ist von der Bekanntheit nicht auszugehen, kann für ein markenmäßiges Verständnis der Umstand sprechen, dass das Zeichen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hersteller- oder Dachmarke oder in hervorgehobener Position verwendet wird. Beides ist vorliegend der Fall. Die Herstellerbezeichnung „Balmain“ wird in der gleichen Zeile wie die Angabe „T-Shirt MO“ verwendet. Es besteht damit ein klarer räumlicher Zusammenhang beider Zeichen. Der Verkehr ist daran gewöhnt, Zweitmarken in unmittelbarem Zusammenhang mit der Dachmarke vorzufinden. Die Bezeichnung „MO“ ist Teil der hervorgehobenen Angebotsüberschrift. Sie ist zwar innerhalb der Wortkombination nachgestellt, aber nicht versteckt; durch die Verwendung von Großbuchstaben ist sie vielmehr zusätzlich hervorgehoben. Der Fall unterscheidet sich in diesem Punkt maßgeblich von der Senatsentscheidung „SAM“, bei der das Zeichen an unauffälliger Stelle innerhalb eines Beschreibungstextes positioniert war (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 1.10.2019 - 6 U 111/16, juris).

ee) Aufgrund der genannten Umstände versteht der Verkehr die Bezeichnung „MO“ als Herkunftshinweis. Er geht davon aus, dass der Hersteller die Bezeichnung „MO“ als Zeichen zur Unterscheidung eines bestimmten T-Shirt-Modells von den T-Shirts anderer Hersteller verwendet. Der Bezeichnung „Balmain“ misst er dabei die Funktion einer Dachmarke zu."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Stuttgart: Keine markenmäßge Verwendung und keine Markenrechtsverletzung durch Aufdruck eines Sprüchemotivs auf T-Shirt

LG Stuttgart
Urteil vom 06.07.2021
17 O 354/20


Das LG Stuttgart hat entschieden, dass keine markenmäßge Verwendung und keine Markenrechtsverletzung durch Aufdruck eines Sprüchemotivs (hier: "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten !") auf einem T-Shirt vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine markenrechtliche Verletzungshandlung setzt voraus, dass der Verletzer die Marke in einer Art und Weise benutzt, dass hierdurch eine der geschützten Funktionen der Marke beeinträchtigt werden kann. Zu diesen Funktionen gehören neben der Hauptfunktion, der Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) auch andere Funktionen wie unter anderem die Gewährleistung der Qualität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion (vgl. EuGH GRUR 2009, 756, Rn. 58, L'Oreal, beck-online).

Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens vor, wenn es durch den Dritten markenmäßig oder - was dem entspricht - als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (vgl. BGH MMR 2011, 608, 609, beck-online; OLG Hamburg Hinweisbeschluss v. 3. 2. 2021 - 3 U 9/19, BeckRS 2021, 11906 Rn. 39, beck-online, m. w. N.).

Dabei kommt es darauf an, ob der angesprochene Verkehr aufgrund der ihm objektiv entgegentretenden Umstände die Benutzung des Kennzeichens zumindest auch als Unterscheidungszeichen für die Ware oder Dienstleistung im Sinne eines Herkunftshinweises ansieht (vgl. BGH, Urteil vom 18. 10. 2007 -1 ZR 162/04 -, Rn. 10/11, AKZENTA, juris; BGH, Urteil vom 13. 6. 2002 -1 ZR 312/99 -, Rn. 22, SYLT-Kuh, juris; BGH, Urteil vom 18. 5. 1995 - l ZR 99/93 -, Rn. 25, Montana, juris). Bei der Beurteilung, ob der Verkehr eine Bezeichnung als Herkunftshinweis versteht und in der konkret in Rede stehenden Verwendung eines Zeichens einen Herkunftshinweis sieht, ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen, insbesondere die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden (BGH, Urteil vom 7. 3. 2019 - 1 ZR 195/17 - Rn. 42, SAM, juris). Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht (BGH, GRUR 2009, 484, Rn. 61, METROBUS, beck-online).

Auch die Bewertung der Frage, ob der Verkehr ein auf der Vorderseite eines Bekleidungsstückes großflächig angebrachtes Sprüchemotiv als produktbezogenen Hinweis auf die Herkunft oder als bloßes dekoratives Element auffasst, hängt unter anderem von der Art der Platzierung des Aufdrucks und den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab (KG Beschl. v. 7. 6. 2011 - 5 W 127/11, BeckRS 2011, 16729, beck-online). Denn anders als bei eingenähten Etiketten auf der Innenseite von Bekleidungsstücken geht der Verkehr bei Bildern, Motiven, Symbolen und Wörtern auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken nicht generell davon aus, es handele sich um einen Herkunftshinweis (BGH, GRUR 2018, 932, Rn. 18, #darferdas?- BGH GRUR 2010. 838. Rn. 20. DDR-Logo, beck-online).

1. Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen stellt der Aufdruck auf den T-Shirts der Beklagten keine kennzeichenmäßige Verwendung der Klagemarke dar. Der Verkehr wird in dem Aufdruck ein rein dekoratives Element und keinen Herkunftshinweis verstehen. Der Inhalt des Aufdrucks ist für Jedermann verständlich und aus der Sicht eines Betrachters darauf angelegt, eine aus der Sicht des Trägers originelle oder humorvolle Botschaft zu vermitteln. Hierfür spricht, dass der Spruch großflächig aufgedruckt ist und darüber hinaus keinen Hinweis auf einen Hersteller oder vermeintlichen Autor des Textes enthält. Die Wirkung des Shirts ist ausschließlich auf die Vermittlung der hinter dem Spruch stehenden Botschaft ausgerichtet. Die Frage, ob und wer als Erfinder hinter diesem Spruch steht, spielt dabei keine Rolle. Nicht zuletzt verwendet auch die Klägerseite das der Klagemarke entsprechende Sprüchemotiv mit der Angabe des Klägers als Autors dieses Spruches.
Auch hieran zeigt sich, dass alleine die Abbildung des Spruches keinen Schluss auf die markenrechtliche Herkunft oder den Autor des Spruches zulässt.

2. Anders als der Kläger meint, liegt auch keine Beeinträchtigung der Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion der Klagemarke vor. Eine rein dekorative Nutzung einer Marke, wie sie vorliegend erfolgt ist, stellt auch nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann eine rechtsverletzende Markennutzung dar, wenn die betroffenen Verkehrskreise eine gedankliche Verknüpfung mit einer Marke herstellen, die bekannt ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 58, Rn. 41, Adidas/Salomon, beck-online; BeckOK MarkenR/Mielke, 25. Ed. 1. 4. 2021, MarkenG § 14 Rn. 541). Fasst der Verkehr das Verletzungszeichen nur als Verzierung auf, wird keine der o. g. geschützten Markenfunktionen beeinträchtigt (EuGH a. a. O.). Letzteres ist hier der Fall. Das beanstandete Sprüchemotiv wird, wie bereits dargelegt, ausschließlich als dekoratives Element zur Mitteilung einer inhaltlichen Botschaft genutzt. Der Verkehr stellt dabei keinen, auch nur mittelbarer Zusammenhang
mit einer Marke her. Darüber hinaus handelt es sich bei der Klagemarke auch nicht um eine bekannte Marke, so dass bereits aus diesem Grund eine Verletzung der Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion ausscheidet.

Die Klage war daher mangels einer Markenverletzung vollumfänglich abzuweisen.


OLG Hamburg: Keine markenmäßige Benutzung durch Wortfolge "ALLET JUTE" auf Stoffbeutel - keine Verletzung einer Unionsmarke für Taschen

OLG Hamburg
Beschluss vom 03.02.2021
3 U 9/19


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass keine markenmäßige Benutzung durch einen Aufdruck der Wortfolge "ALLET JUTE" auf einem Stoffbeutel vorliegt und daher keine Verletzung der gleichlautenden Unionsmarke für Taschen gegeben ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die negative Feststellungsklage ist weiterhin zulässig. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ist durch die zwischenzeitlich vor dem Landgericht Berlin erhobene Leistungsklage der Beklagten (Az.:15 O 618/19) nicht entfallen.

Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO muss für eine negative Feststellungklage ein besonderes Rechtsschutzinteresse (Feststellungsinteresse) bestehen. Das rechtliche Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist in der Regel gegeben, wenn der Beklagte eines Anspruchs gegen den Kläger berühmt (BGH, NJW 2017, 2340, Rnrn 13, 15).

Ist eine negative Feststellungsklage rechtshängig und erhebt der Beklagte der Feststellungsklage seinerseits Leistungsklage, so sperrt die negative Feststellungsklage die Leistungsklage nicht, da das Rechtsschutzziel der Leistungsklage über den Streitgegenstand der Feststellungsklage hinausgeht. Grundsätzlich kann jedoch wegen des Vorrangs der Leistungsklage das Rechtschutzinteresse hinsichtlich der Feststellungsklage entfallen.

Eine negative Feststellungsklage wird mangels Feststellungsinteresse aber erst dann unzulässig, wenn eine später erhobene Leistungsklage umgekehrten Rubrums nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann. Diese Lage tritt gemäß § 269 Abs. 1 ZPO ein, sobald der Gegner der Leistungsklage zur Hauptsache verhandelt hat, aber auch dann, wenn der Kläger der Leistungsklage einseitig auf das Recht zur Klagrücknahme verzichtet hat (BGH, BeckRS 2010, 20763 MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 66). Etwas anderes gilt, wenn der Feststellungsrechtstreit zu diesem Zeitpunkt bereits entscheidungsreif oder im Wesentlichen zur Entscheidungsreife fortgeschritten und die Leistungsklage noch nicht entscheidungsreif ist (BGH, NJW 1973, 1500, 1501; BGH, NJW 1987, 2680, 2681 – Parallelverfahren MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 66).

Dass vor dem Landgericht Berlin bereits über die Leistungsklage verhandelt worden wäre oder der dortige Kläger auf das Recht zur Klagrücknahme verzichtet hätte, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass der vor dem Landgericht Berlin geführte Rechtsstreit entscheidungsreif wäre, bestehen nicht. Demgegenüber ist der vorliegend in der Berufungsinstanz geführte Feststellungsrechtstreit nahezu entscheidungsreif.

II. Die negative Feststellungsklage ist auch begründet.

Der Beklagten steht der gegen die Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von € 1.430,38 nicht nach §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB i.V.m. Artt. 9. Abs. 2 lit. a) bzw. b), 101 Abs. 2, 102 Abs. 1 S. 1 VO (EU) Nr. 2015/2424 (nachfolgend: UMV a.F.) zu.

1. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist das zum Zeitpunkt der Abmahnung geltende Recht maßgeblich (BGH, GRUR-RS 2019, 357, Rn. 8 – Slim fit Hose SAM; BGH, GRUR 2016, 803, Rn. 14 – Armbanduhr; BGH, GRUR 2019, 754, Rn. 12 – Prämiensparverträge). Die Berechtigung der mit Schreiben vom 5. Oktober 2016 ausgesprochenen Abmahnung wegen der Verletzung der Unionsmarke „Allet Jute“ (Anlage K 5) ist mithin nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden unionsmarkenrechtlichen Regelungen der Artt. 9. Abs. 2 lit. a) bzw. b), 101 Abs. 2, 102 Abs. 1 S. 1 VO (EU) Nr. 2015/2424 (nachfolgend: UMV a.F.) sowie den §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB zu beurteilen.

2. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) kann der Inhaber einer Marke der Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, nur widersprechen, wenn diese Benutzung eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann. Zu den Funktionen der Marke gehören neben der Hauptfunktion, der Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung, auch ihre anderen Funktionen wie unter anderem die Gewährleistung der Qualität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion (vgl. EuGH, GRUR 2009, 756, Rn. 58 – L'Oréal u. a.; EuGH, GRUR 2010, 445, Rn. 76 f. – Google France und Google; EuGH, GRUR 2010, 841, Rn. 29 f. – Portakabin). Kann die Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens keine der Funktionen der Marke beeinträchtigen, kann der Markeninhaber ihr auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 lit. a) MarkenRL a.F. nicht widersprechen (EuGH, GRUR 2010, 841, Rn. 29 – Portakabin). Die Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken verwirklicht keinen der Verletzungstatbestände des Art. 5 Abs. 1 MarkenRL a.F. (EuGH, GRUR 2003, 55, Rn. 54 – Arsenal Football Club), genauso wenig wie eine Verwendung, bei der es ausgeschlossen ist, dass die benutzte Marke im Verkehr als betriebliches Herkunftszeichen aufgefasst wird (EuGH, GRUR 2002, 692, Rn. 17 – Hölterhoff; BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 21 – Slim fit Hose SAM). In der Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass bestimmte Arten der Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken keine Verletzung der Marke darstellen (EuGH, GRUR 2002, 692, Rn. 16 – Hölterhoff). Die Prüfung, ob im Einzelfall die Benutzung eines mit einer Marke identischen Zeichens eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann, obliegt den Gerichten der Mitgliedstaaten (EuGH, GRUR 2009, 756, Rn. 63 – L'Oréal u. a.).

Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens vor, wenn es durch den Dritten markenmäßig oder – was dem entspricht – als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (BGH, GRUR 2013, 1239, Rn. 20 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; BGH, GRUR 2015, 1201, Rn. 68 – Sparkassen-Rot/Santander-Rot; BGH, GRUR 2018, 924, Rn. 25 – ORTLIEB I; BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 22 – Slim Fit Hose SAM).

Für die Annahme der kennzeichenmäßigen Verwendung eines Zeichens genügt es nicht, dass das Zeichen originär unterscheidungskräftig ist und die konkrete Verwendung nicht glatt beschreibend erfolgt. Die Tatsache, dass ein Zeichen vom angesprochenen Verkehr als Herkunftshinweis für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen und damit als Marke erkannt wird, muss anhand der Umstände des Einzelfalls positiv festgestellt werden. (BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 28 – Slim fit Hose SAM). Bei der Beurteilung, ob der Verkehr eine Bezeichnung als Herkunftshinweis versteht und in der konkret in Rede stehenden Verwendung eines Zeichens einen Herkunftshinweis sieht, ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen, insbesondere die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden (BGH, GRUR 2004, 865, 866, juris-Rn. 33 – Mustang; BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 26 – Slim fit Hose SAM). Die Verkehrsauffassung wird auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (EuGH, GRUR 2008, 698, Rn. 64 – O2Holdings und O2[UK]; BGH, GRUR 2002, 809, 811, juris-Rnrn. 37 bis 39 – FRÜHSTÜCKS-DRINK I; BGH, GRUR 2010, 838, Rn. 20 – DDR-Logo; BGH, GRUR 2012, 1040, Rn. 19 – pjur/pure; BGH, GRUR 2017, 520, Rn. 26 – MICRO COTTON).

Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht (BGH, GRUR 2009, 484, Rn. 61 – METROBUS; BGH, GRUR 2019, 1289, Rn. 20 ff. – Damen Hose MO). Diese Beurteilung obliegt im Wesentlichen dem Tatgericht (BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 23 – Slim fit Hose SAM m.w.N.; BGH, GRUR 2019, 1289, Rn. 22 – Damen Hose MO).

3. Dies zugrunde gelegt kann vorliegend ausgeschlossen werden, dass der angesprochene Verkehr die auf den Stoffbeuteln verwendete Angabe „ALLET JUTE“ als Herkunftshinweis auffasst oder dass durch diese Angabe eine der weiteren Funktionen der Marke beeinträchtigt wird.

a) Für die Beurteilung der Verkehrsauffassung ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Das Angebot der Klägerin wendet sich an potenzielle Erwerber und Verwender von Stoffbeuteln der streitgegenständlichen Art, mithin an den allgemeinen Verkehr. Zu diesem Personenkreis gehören auch die Mitglieder des erkennenden Senats, so dass der Senat die Auffassung dieses Verkehrskreises aus eigener Sachkunde beurteilen kann.

aa) Maßgeblich für das Verständnis der streitgegenständlichen Angabe sind die Kennzeichnungsgewohnheiten im streitgegenständliche Warenbereich, d.h. im Bereich von Stoffbeuteln.

(1) Mit der Beklagten ist davon auszugehen, dass der streitgegenständliche Aufdruck nicht rein beschreibend verwendet wird. Zwar erkennt der Verkehr, dass mit der Angabe „ALLET JUTE“ auf das Offensichtliche, nämlich darauf hingewiesen bzw. angespielt wird, dass es sich bei dem angebotenen Produkt um einen sog. „Jutebeutel“ handelt. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei dem verwendeten Material des Stoffbeutels um Baumwolle und eben gerade nicht um Jute handelt bzw. bei diesem Beutel nicht „Allet (aus) Jute“ besteht. Denn die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass solche Stoffbeutel umgangssprachlich als „Jutebeutel“ bezeichnet werden, und zwar auch dann, wenn sie nicht aus Jute hergestellt worden sind. Die streitgegenständliche Angabe hat mithin im Hinblick auf die Art des Beutels beschreibenden Anklang, erweist sich jedoch nicht als rein beschreibend.

(2) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann aber gleichwohl nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die Angabe „ALLET JUTE“ – nach dem Verständnis des angesprochenen Verkehrs – markenmäßig verwendet hätte.

Denn wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, wird die Angabe vom angesprochenen Verkehr nicht als Herkunftshinweis, sondern als inhaltliche Aussage, als witziges Statement, mit dem sowohl auf die Art des Produkts (Jutebeutel) angespielt als auch ein kurzes positives Motto propagiert wird. Darin liegt gerade der Witz der Angabe bzw. der Pfiff des so gestalteten Produkts. Dies gilt auch bei Berücksichtigung der maßgeblichen Kennzeichnungsgewohnheiten.

(2.1) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann vorliegend nicht auf die Kennzeichnungsgewohnheiten im Bekleidungssektor und die dazu vorliegende Rechtsprechung zur markenmäßigen Verwendung von Aufdrucken auf Bekleidungsstücken abgestellt werden.

Gegenstand dieser Rechtsprechung war u.a. die Verwendung von Aufdrucken auf der Brust- und/oder Rückseite von T-Shirts und Sweatshirts (vgl. BGH, GRUR-RR 2016, 118, Rn. 5 ff. – Tussi ATTACK; OLG Hamburg, Urteil vom 14.08.2002, 5 U 195/02, Rn. 9 – Angel; OLG Hamburg, Urteil vom 20.02.2002, 5 U 187/01, Rn. 5 – Zicke II; OLG Hamburg, Urteil vom 30.01.2002, 5 U 160/01, Rn. 5 – Zicke I). Ob der Verkehr ein auf einem Bekleidungsstück angebrachtes Zeichen als Hinweis auf die Herkunft des Bekleidungsstücks oder als bloßes dekoratives Element auffasst, kann danach je nach der Art und der Platzierung des Zeichens variieren. Dagegen ist davon auszugehen, dass der Verkehr in Zeichen, die sich auf eingenähten Etiketten auf der Innenseite von Bekleidungsstücken befinden, regelmäßig einen Herkunftshinweis sehen wird (BGH, GRUR 2018, 932, Rn. 18 – #darferdas?). Erforderlich ist in jedem Einzelfall die Feststellung, dass der angesprochene Verkehr in der konkret in Rede stehenden Art der Verwendung einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller des in Rede stehenden Kleidungsstücks erblickt (BGH, GRUR-RS 2019, 35712, Rn. 26 – Slim fit Hose SAM).

Die für einen Teil der Bekleidungsbranche festgestellte Praxis der Markenverwendung und das dadurch geprägte Verkehrsverständnis ermöglichen jedoch keine tragfähigen Rückschlüsse auf die Kennzeichnungsgewohnheiten und das darauf beruhende Verkehrsverständnis in anderen Branchen, insbesondere nicht im Bereich von Stoffbeuteln der streitgegenständlichen Art. (2.2)

Die Beklagte hat im Hinblick auf die Kennzeichnungsgewohnheiten weiter vorgetragen, dass es üblich sei, Marken auf Taschen und Beuteln anzubringen. Dies gelte beispielsweise bei Einkaufsbeuteln und –tüten des Einzelhandels, die regelmäßig mit Markenzeichen versehen seien.

Dieser Vortrag ist nicht geeignet darzulegen, das der angesprochene Verkehr auch die hier streitgegenständliche Angabe „ALLET JUTE“ als Herkunftshinweis und damit als Marke versteht. Der allgemein gehaltene Vortrag zu Verwendung von Marken auf Taschen und Beuteln ist schon nicht hinreichend konkret, um die von der Beklagten gezogenen Schlüsse auf das Verkehrsverständnis bezüglich der hier streitgegenständlichen Angabe zu ermöglichen. Auch der Vortrag zur Verwendung von Marken auf den Einkaufsbeuteln und Einkaufstüten des Einzelhandels ist insoweit unergiebig. Zwar mögen in diesem Rahmen Produkt- und Handelsmarken sowie auch die Unternehmenskennzeichen der jeweiligen Anbieter Verwendung finden. Vorliegend handelt es sich jedoch ganz offensichtlich nicht um diese Art Kennzeichen. Dass der Verkehr auch im Hinblick auf solche Angaben daran gewöhnt wäre, in den auf den Beuteln angebrachten Angaben einen Herkunftshinweis zu sehen, ist weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Mithin kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die Angabe „ALLET JUTE“ – nach dem Verständnis des angesprochenen Verkehrs – markenmäßig verwendet hätte.

4. Da es mangels markenmäßiger Verwendung der Angabe „ALLET JUTE“ an einer Verletzung der Unionsmarke „Allet Jute“ fehlt, steht der Beklagten der gegen die Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von € 1.430,38 nicht zu. Das Landgericht hat der negativen Feststellungsklage somit zu Recht entsprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist unbegründet und ist daher nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand zurückzuweisen.

III. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die von der Beklagten geltend gemachten Abmahnkosten von € 1.430,38 jedenfalls überhöht sind. Zwar dürfte der von der Beklagten mit € 25.000,00 angesetzte Streitwert angemessen sein. Es kann jedoch lediglich eine 1,3 Gebühr in Ansatz gebracht werde. Auf dieser Grundlage ergeben sich lediglich Abmahnkosten in Höhe von insgesamt € 1.242,84, so dass das Verlangen der Beklagten, selbst wenn eine Verletzung ihrer Markenrechte – wie nicht – vorläge, um € 188,54 überhöht wäre."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




OLG Frankfurt: Keine markenmäßige Benutzung durch Verwendung eines Teddykopf-Motivs auf Kleidungsstücken

OLG Frankfurt
Beschluss vom 06.05.2021
6 W 34/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass keine markenmäßige Benutzung durch Verwendung eines Teddykopf-Motivs auf Kleidungsstücken vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Das Landgericht hat den Eilantrag zu Recht zurückgewiesen. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin kein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung des Teddykopfmotivs nach Maßgabe der angegriffenen Gestaltungen aus §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3, Abs. 5 MarkenG, Art. 9 UMV zu. Die Antragsgegnerin hat mit den angegriffenen Gestaltungen von Babykleidungsstücken, soweit sie noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, die Rechte aus den Verfügungsmarken nicht verletzt (Anlagen Ast 1, Ast 2). Es fehlt an einer markenmäßigen Benutzung des auf den Kleidungsstücken verwendeten Teddykopf-Motivs.

a) Die in Rede stehenden Benutzungen kann die Antragstellerin unter Berufung auf ihre Verfügungsmarken nur verbieten, wenn sie Funktionen der Marke beeinträchtigen können. Die Hauptfunktion der Marke wird beeinträchtigt, wenn die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- und Leistungsabsatzes zur Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen verwendet wird. Das Verständnis als Herkunftshinweis muss positiv festgestellt werden. Entscheidend ist, ob der angesprochene Verkehr das Zeichen „auch“ als Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betrieb versteht. Die Verkehrsauffassung wird durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt. Dabei ist maßgeblich auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen, insbesondere auf die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden (BGH GRUR 2019, 1289 Rn 25 - Damen Hose MO).

b) Im Bekleidungssektor gibt es verschiedene Kennzeichnungsgewohnheiten. Ob der Verkehr ein auf einem Bekleidungsstück angebrachtes Zeichen als Hinweis auf die Herkunft des Bekleidungsstücks oder als bloßes dekoratives Element auffasst, kann nach der Art und der Platzierung des Zeichens variieren. Bei Bildern, Motiven, Symbolen und Wörtern, die auf der Vorderseite oder der Rückseite von Bekleidungsstücken angebracht sind, geht der Verkehr nicht generell davon aus, es handele sich um einen Herkunftshinweis; ob dies der Fall ist, bedarf vielmehr einer Beurteilung im jeweiligen Einzelfall (BGH, Beschluss vom 30.1.2020 - I ZB 61/17, Rn 13 - #darferdas? II).

c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann eine kennzeichenmäßige Verwendung des Teddymotivs in den angegriffenen Verletzungsformen nicht festgestellt werden.

aa) Die von der Antragstellerin beanstandeten Kleidungsstücke, die noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, weisen alle im Brustbereich das Motiv eines oder mehrerer, zum Teil plüschartig ausgestatteter Teddybärenköpfe auf. Bei dem blauen Strampler nach Anlage Ast 1 sind die Bärenköpfe mit minimalistisch stilisierten Gesichtsmerkmalen ausgestattet. Bei den rosa Kleidungsstücken nach Anlage Ast 1 weisen die Teddybärenköpfe zusätzlich eine rote Schleife am Kopf unterhalb des linken Ohres auf. Bei den blauen Kleidungsstücken nach Anlage Ast 2 sind die Teddybärenköpfe nur umrissartig dargestellt. Wie das Landgericht völlig zu Recht angenommen hat, ist die Abbildung von stilisierten Tieren und Teddybären auf Babykleidung üblich. Dies gilt auch für die plüschartige Ausstattung. Derartige Abbildungen werden nach den Erfahrungen der angesprochenen Endverbraucherkreise, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören, aus dekorativen Gründen verwendet. Der Verkehr hat daher bei der Verwendung entsprechender Motive grundsätzlich keinen Anlass, von einem Herkunftshinweis auszugehen, sofern keine besonderen Umstände vorliegen. Die Motive der Antragsgegnerin sind eher schlicht gehalten und entsprechen typischen Gestaltungsmustern, an die der Verkehr vielfach gewöhnt ist. Der Verkehr sieht in ihnen kein Kennzeichnungsmittel, sondern ein kindgerechtes Gestaltungsmotiv.

bb) Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Bekanntheit ihres Teddykopfmotivs berufen. Die Frage, ob der Verkehr ein Motiv nur als dekoratives Element oder (auch) als Herkunftshinweis auffasst, hängt allerdings auch von der Kennzeichnungskraft und dem Bekanntheitsgrad der Marke ab (BGH, Urteil vom 24.11.2011 - I ZR 175/09, Rn 24 - Medusa). Es kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass sich die Bekanntheit der Marke auf hochgradig ähnliche Gestaltungen Dritter in der Weise auswirkt, dass auch sie als Herkunftshinweis wahrgenommen werden (BGH GRUR 2016, 197 Rn 33 - Bounty).

(1) Die Antragstellerin hat eine gesteigerte Kennzeichnungskraft bzw. Bekanntheit der Verfügungsmarken nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Hierfür reicht es nicht aus, dass sie sämtliche ihrer Kinderkleidungsstücke mit den Verfügungsmarken kennzeichnet und dass Händler in der Werbung für diese Kleidungsstücke zum Teil auf den „berühmten Steiff-Teddy“ verweisen. Es reicht auch nicht aus, dass sich die Antragstellerin im „Premium-Segment“ für Kinderkleidung in einer Führungsposition sieht und das Branchenblatt Textil-Wirtschaft im April 2018 „die Kindermode-Kollektion mit dem berühmten Teddy-Kopf“ zu den Top-Sellern in diesem hart umkämpften Markt zählte. Die Antragstellerin hat es versäumt, zu Marktanteilen, Umsatzzahlen und Werbeanstrengungen ihrer Kleidungsstücke konkret vorzutragen. Soweit ihr Geschäfteführer eidesstattlich versichert, dass ein bestimmtes Jackenmodell der Kollektion Herbst/Winter 2020 einen Umsatz von über 10.000,- € erzielt hat, reicht dies ersichtlich nicht aus, um eine Bekanntheit der Verfügungsmarken auf dem mutmaßlich sehr großen Markt für Babybekleidung zu begründen. Der angesprochene Endverbraucherkreis kann auch nicht aufgespalten und auf solche Personen begrenzt werden, die Interesse an Kleidung des Premium-Segments haben.

(2) Es fehlt auch an einer hochgradigen Ähnlichkeit. Hierfür reicht es nicht aus, dass sich die Antragsgegnerin des Teddykopfmotivs bedient. Ein bloßer Motivschutz ist dem Markenrecht fremd (BGH, Urteil vom 23.9.2015 - I ZR 105/14, Rn 35 - Goldbären). Der Schutz der Verfügungsmarken erstreckt sich daher nicht allgemein auf das Motiv eines Teddykopfes. Maßgeblich ist die konkrete Ausgestaltung. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, unterscheidet sich der Gesamteindruck der angegriffenen Gestaltungen maßgeblich von dem Gesamteindruck der Verfügungsmarken. Der Gesichtsumriss ist bei allen angegriffenen Gestaltungen plump und rund, während die Verfügungsmarken ein charakteristisch ausgebildetes Kinn aufweisen. Auch die Gestaltung innerhalb des Gesichtes weicht - soweit vorhanden - von den Verfügungsmarken 1 und 2 deutlich ab. Die halbkreisförmige Linie im Ohr fehlt bei sämtlichen angegriffenen Ausführungsformen. Soweit die Antragstellerin eine Gemeinsamkeit mit dem Steiff-Teddy in den „markanten Knopfaugen“ sehen möchte, handelt es sich schlicht um zwei runde Punkte, denen für sich genommen keinerlei Wiedererkennungswert zukommt.

cc) Ungeachtet der (fehlenden) Bekanntheit der Verfügungsmarken könnte es für einen Herkunftshinweis der von der Antragsgegnerin verwendeten Motive sprechen, wenn sich der Verkehr durch sie an einen typischen Steiff-Teddy erinnert fühlen würde. Es kann angenommen werden, dass dem Verkehr die Wort-Bild-Marke der Antragstellerin „Knopf-im-Ohr“, die eine Metallniete mit einem daran angebrachten gelben Fähnchen darstellt, als Kennzeichen für Teddybären und Plüschtiere bekannt ist (Anlage Ast 5). Die Antragstellerin ist der Ansicht, jedenfalls die Motivgestaltungen auf den rosa Kleidungsstücken nach Anlage Ast 1 deuteten auf die „Knopf-im-Ohr“-Gestaltung mit dem Fähnchen hin. Das ist indes nicht der Fall.

Das Motiv der im dritten Bild des Antrags abgebildeten vier rosa Babykleidungsstücke erinnert den Verkehr nicht an den „Steiff-Teddy“. Weder ist ein Knopf im Ohr erkennbar noch ein gelbes Fähnchen. Die Bärenköpfe weisen stattdessen unterhalb des linken Ohres eine stilisierte rote Schleife auf. Es ist nicht ersichtlich, dass dieses Motiv den Durchschnittsverbraucher in irgendeiner Weise an einen Steiff-Teddy erinnern könnte.

dd) Die Antragstellerin kann schließlich nicht damit gehört werden, bereits die dekorative Verwendung fremder Marken auf Kleidungsstücken stelle eine herkunftshinweisende und damit rechtsverletzende Benutzung dar. Der Verkehr geht bei Bildern, Motiven, Symbolen und Wörtern auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken nicht generell davon aus, es handele sich um einen Herkunftshinweis. Etwas anderes kann - wie oben ausgeführt - bei bekannten Marken gelten. Soweit der BGH zum Teil darauf hinweist, dass die Verwendung von außen auf der Kleidung angebrachten Fantasie- oder Bildzeichen auch unabhängig von ihrer Bekanntheit als Kennzeichen aufgefasst werden können (vgl. BGH GRUR 2010, 838 Rn 20 - DDR-Logo), bedeutet dies nicht, dass es sich in jedem Fall so verhält. Es liegt auf der Hand, dass der Verkehr markentypisch gestaltete Zeichen - wie zum Beispiel Wort-/Bild-Logos auch auf der Vorderseite von Kleidungsstücken - als Marke wahrnehmen kann. Um eine solche Gestaltung handelt es sich jedoch bei den angegriffenen Motiven nicht. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf ihre eigene Kennzeichnungspraxis hinweist, bei der auf Kleidungsstücken im Brustbereich ein Teddykopf mit Fähnchen platziert wird, mag diese Gestaltung tatsächlich als Herkunftshinweis aufgefasst werden. Das liegt aber maßgeblich an dem stilisierten Fähnchen am Ohr, das auf die bekannte „Knopf-im-Ohr“-Gestaltung bei Plüschtieren hinweist. Das Teddy-Motiv für sich genommen wird von Verkehr bei der Anbringung im Brustbereich rein dekorativ aufgefasst."


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OLG Celle: Klausel in Agenturvertrag mit langjähriger Bindung des Models an die Agentur unwirksam - 5 Jahre mit Verlängerungsklausel

OLG Celle
Urteil vom 01.04.2021
13 U 10/20


Das OLG Celle hat entschieden, dass eine Klausel in einem Agenturvertrag mit langjähriger Bindung des Models an die Agentur unwirksam ist (hier: 5 Jahre mit Verlängerungsklausel).

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Langjährige Bindung eines Models an eine Agentur unwirksam - OLG CELLE URTEILT ZU LANGJÄHRIGEN BEFRISTUNGEN IN VORFORMULIERTEN AGENTURVERTRÄGEN -

CELLE. Eine Model-Agentur schloss mit einem damals 18-jährigen Fotomodel einen sog. Agenturvertrag. Hiernach sollte die Agentur sich um die Förderung der Karriere des Models kümmern und hierfür 25 % aller Einnahmen erhalten. Der Agenturvertrag war auf fünf Jahre befristet und sollte sich anschließend um jeweils zwei Jahre verlängern, wenn er nicht spätestens neun Monate vor Ablauf gekündigt wird. Das Model kündigte den Vertrag nach einer Laufzeit von rund sechs Jahren und verweigerte danach weitere Zahlungen an die Agentur.

Das Landgericht Lüneburg hatte die Klage der Agentur abgewiesen, mit der diese eine weitere Vergütung bis zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit begehrte. Mit Urteil vom 1. April 2021 hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts die hiergegen von der Agentur eingelegte Berufung zurückgewiesen (Az.: 13 U 10/20).

Nach § 627 BGB kann ein Dienstvertrag (der kein Arbeitsvertrag ist) grundsätzlich auch ohne wichtigen Grund und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn er auf einer besonderen Vertrauensstellung beruht und Dienste „höherer Art“ zum Inhalt hat. Diese Regelung erfasst etwa Dienstleistungen von Ärzten, Anwälten und Beratern, aber auch von Künstleragenturen. In dem vorliegenden Fall hatten die Parteien diese Regelung zwar durch die Vereinbarung von festen Vertragslaufzeiten ausgeschlossen. Dieser Ausschluss war nach Auffassung des Senats aber unwirksam, weil er in vorformulierten Vertragsbedingungen der Agentur enthalten war und das Model durch die langen Laufzeiten unangemessen benachteiligte. Die langfristige Förderung der Karriere von Künstlern könne es zwar rechtfertigen, die Kündigungsmöglichkeit für einen gewissen Zeitraum auszuschließen, weil sich Anfangsinvestitionen erst mit fortschreitender Karriereentwicklung rentierten. Sollten die Leistungen der Agentur aber nicht den Erwartungen des Models entsprechen, hätte dieses über einen langen Zeitraum faktisch keine Möglichkeit, die Agentur zu wechseln. Dies wog nach Auffassung des Senats umso schwerer, als gerade der Markt für Models mit zunehmendem Alter enger wird.



OLG Frankfurt: Keine markenmäßige Benutzung und keine Verletzung der Marke SAM durch Modellbezeichnung "Sam" für Steppjacke aus dem Hause Barbour

OLG Frankfurt
Beschluss vom 09.02.2021
6 W 10/21

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass keine markenmäßige Benutzung und keine Verletzung der Marke SAM durch Modellbezeichnung "Sam" für Steppjacke aus dem Hause Barbour.

Aus den Entscheidungsgründen:
"Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat den Eilantrag zu Recht zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch aus §§ 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr.1 MarkenG auf Unterlassung der Benutzung der Marke „SAM“.

a) Im Ausgangspunkt ist vorliegend der Verletzungstatbestand der Doppelidentität in Betracht zu ziehen. Die Antragsgegnerin hat in dem angegriffenen Internetangebot (Anlage Ast1) ohne Zustimmung der Klägerin im geschäftlichen Verkehr ein mit der Klagemarke identisches Zeichen („Sam“) für Waren benutzt hat, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke Schutz genießt.

b) Das Landgericht hat jedoch zu Recht angenommen, dass nicht festgestellt werden kann, dass der Verkehr die Bezeichnung „Sam“ in dem angegriffenen Internetangebot kennzeichenmäßig nach Art einer Zweitmarke benutzt hat.

aa) Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist insbesondere auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht (BGH GRUR 2015, 1201 Rn 68 - Sparkassenrot/Santander; GRUR 2019, 522 Rn 25 - SAM). Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Die Verkehrsauffassung wird durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt. Abzustellen ist außerdem auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor, insbesondere auf die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden. Im Bekleidungssektor gibt es verschiedene Kennzeichnungsgewohnheiten (BGH GRUR 2018, 932 Rn 18 - darferdas?). Geht es um eine Modellbezeichnung in Verkaufsangeboten im Internet, kommt es auf die konkreten Umstände der Verwendung an. Dabei ist das Angebot in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen (BGH GRUR 2019, 1289 Rn 33 - Damen Hose MO). Insbesondere ihre Hervorhebung oder blickfangmäßige Herausstellung kann für eine markenmäßige Verwendung sprechen (vgl. BGH GRUR 2012, 1040Rn 19 - pjur/pure; BGH GRUR 2017, 520Rn 26 - MICRO COTTON). Erforderlich ist, dass der angesprochene Verkehr in der konkret in Rede stehenden Art der Verwendung einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller des in Rede stehenden Kleidungsstücks erblickt.

bb) In dem vorliegenden Angebot wird „Sam“ als Modellbezeichnung, nämlich als Bezeichnung der angebotenen Steppjacke aus dem Hause Barbour verstanden. Dies ergibt sich zwanglos aus dem Kontext („Steppjacke mit Druckknöpfen Modell ‘Sam‘ … “). Bei dieser Art der Gestaltung erkennt der angesprochene Verkehr, dass „Sam“ das konkrete Kleidungsmodell bezeichnen soll während „Barbour“ als Dachzeichen für eine ganze Modellreihe steht.

cc) Damit ist die Frage noch nicht beantwortet, ob der Verkehr in der Bezeichnung zugleich einen Herkunftshinweis sieht. Hierfür reicht es nach der Rechtsprechung des BGH im Bekleidungssektor nicht aus, dass die Modellbezeichnung originär unterscheidungskräftig ist und die konkrete Verwendung nicht glatt beschreibend verstanden wird. Es genügt für sich genommen auch nicht, dass der Verkehr allgemein und im Bekleidungssektor im Besonderen an die Verwendung von Zweitkennzeichen gewöhnt ist. Denn im Modebereich sieht der angesprochene Verkehr nach Ansicht des BGH häufig in der Herstellerangabe den alleinigen Herkunftshinweis (vgl. BGH GRUR 2004, 865, 866 - Mustang). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Herstellerangabe - wie hier - vorangestellt oder in besonderer Weise hervorgehoben ist. Wird in einem Angebot für Bekleidungsstücke neben der Herstellerangabe ein weiteres Zeichen als Modellbezeichnung verwendet, kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass eine solche Modellbezeichnung ebenfalls als Herkunftshinweis verstanden wird. Dies hängt vielmehr von der konkreten Art der Verwendung und der Angebotsgestaltung ab.

dd) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nicht angenommen werden, dass der von dem Internetangebot nach Anlage Ast1 angesprochene Durchschnittsverbraucher in der Modellbezeichnung „Sam“ zugleich einen Herkunftshinweis im Sinne einer Zweitmarke sieht. Es fehlt an einer markentypischen Hervorhebung. Der Verkehr geht daher nicht davon aus, dass die Bezeichnung „Sam“ neben der Dachmarke eingesetzt wird, um das konkrete Jackenmodell zusätzlich der Herkunft nach zu kennzeichnen. Die Modellbezeichnung nimmt weder am Blickfang teil noch ist sie anderweitig hervorgehoben. Sie reiht sich vielmehr in eine zahlreiche Informationen enthaltende Unterüberschrift ein. Der Umstand, dass die Modellbezeichnung Teil einer Angebotsüberschrift ist und ein räumlicher Zusammenhang zu einer bekannten Herstellerangabe (Barbour) besteht, genügt für sich genommen nicht (vgl. OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2020, 487 - Damen-Hose-MO). Der Zusammenhang zu dem Dachzeichen wird vorliegend durch den eingeschobenen Beschreibungstext („… Heritage - Steppjacke mit Druckköpfen Modell … - Olivgrün“) inhaltlich aufgehoben. Ein Verständnis als Zweitmarke lässt sich bei dieser Sachlage nicht hinreichend sicher feststellen. Anders wäre möglicherweise zu entscheiden, wenn „Sam“ in Großbuchstaben oder durch Fettdruck hervorgehoben wäre."


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OLG München: Wettbewerbliche Eigenart von Bekleidungsmodeerzeugnissen nur wenn das nachgeahmte Produkt eine besonders originelle Gestaltung aufweist

OLG München
Urteil vom 04.07.2019
29 U 3490/17

Das OLG München hat entschieden, dass eine wettbewerbliche Eigenart von Bekleidungsmodeerzeugnissen nur dann zu bejahen ist, wenn das nachgeahmte Produkt eine besonders originelle Gestaltung aufweist.

Leitsätze des Gerichts:

1. Bei Bekleidungsmodeerzeugnissen sind an die Bejahung der wettbewerblichen Eigenart keine zu geringen Anforderungen zu stellen; vielmehr wird diese nur zu bejahen sein, wenn das nachgeahmte Produkt eine besonders originelle Gestaltung aufweist. Da Mode letztlich nur durch Nachahmung der sie charakterisierenden Faktoren (Farbe, Kombination bestimmter Merkmale etc.) entsteht und der angesprochene Verkehr dies auch weiß, kann die wettbewerbliche Eigenart eines Kleidungsstücks nur in Ausnahmefällen und allenfalls dann angenommen werden, wenn anzunehmen ist, dass der Verkehr trotz der Vielzahl unterschiedlichster Gestaltungsformen unabhängig von der Marke der besonderen Ausgestaltung des Produkts als solcher oder aber besonders markanten (und aus seiner Sicht einzigartigen) Merkmalen herkunftshinweisende Funktion zumisst.

2. Bei der nachschaffenden Übernahme kann die Anbringung von Herkunftskennzeichen die Gefahr einer Herkunftstäuschung ausschließen.

3. Zum designrechtlichen Schutz von Bekleidungsstücken.

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LG Köln: Zur wettbewerblichen Eigenart von Jeans - Wettbewerbswidrige Herkunftstäuschung

LG Köln
Urteil vom 13.11.2019
84 O 250/18


Das LG Köln hat sich in dieser Entscheidung mit der wettbewerblichen Eigenart von Jeans befasst und eine wettbewerbswidrige Herkunftstäuschung bejaht.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Auskunftsanspruch sowie dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 9 S. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 3 a) UWG, § 242 BGB zu.

Im Einzelnen:

I. Die H S.p.A. ist Herstellerin der „Q“ Jeans.

Dies hat die Klägerin im Parallelrechtsstreit 84 O 249/18 durch Vorlage von Auszügen aus der Webseite der H S.p.A. (dort Anlagenkonvolut K 28), von Markenunterlagen (dort Anlagenkonvolut K 29), nach denen die H S.p.A. Inhaberin der „Q“ Marken ist, sowie durch Vorlage der Originalprodukte mit den entsprechenden eingenähten Etiketten zur Überzeugung der Kammer ausreichend belegt, zumal die Beklagte die Herstellereigenschaft der H S.p.A. bis zur mündlichen Verhandlung vom 11.09.2019 nicht in Abrede gestellt hatte.

II. Die Klägerin ist als Alleinvertriebsberechtigte aktivlegitimiert.

Die Klägerin hat auf Hinweis der Kammer die Vertriebsverträge zwischen der Klägerin und der H S.p.A. für die Jahre 2012 – 2014, 2014 – 2018 und 2019 – 2024 (Anlagen K 20 – K 22) in Auszügen zu den Akten gereicht, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin die alleinige und exklusive Vertriebspartnerin für Artikel der Marke „Q“ der H S.p.A. im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist. Zwar hat sich die H S.p.A. in den Verträgen vorbehalten, ihre bisherigen Direktkunden weiterhin zu beliefern. Bei diesen handelt es sich jedoch um wenige Einzelhändler (zunächst 14, aktuell nur noch 6), die lediglich an Endkunden und nicht an gewerbliche Wiederverkäufer verkaufen (dürfen). Darüber hinaus hat die Klägerin dargelegt, dass diese Direktkunden lediglich das Privileg haben, sich die Ware direkt in Italien bei der H S.p.A. aussuchen zu dürfen. Die Bestellungen werden dann über die Klägerin abgewickelt und auch von ihr an die Direktkunden fakturiert. Die H S.p.A. liefert die Ware zwar direkt an die Direktkunden, stellt diese aber wie jede andere Lieferung der Klägerin in Rechnung. Das Privileg der Direktkunden erklärt sich daher allein aus der vor Abschluss des ersten Vertriebsvertrages zwischen der Klägerin und der H S.p.A. im Jahre 2012 bestehenden Kundenbeziehung der Direktkunden zu der H S.p.A.. Diese Art der Kundenbeziehung von jetzt nur noch 6 Einzelhändlern – die Klägerin beliefert in Deutschland rund 2200 Abnehmer – zu der H S.p.A., die letztendlich über die Klägerin abgewickelt wird, vermag das Alleinvertriebsrecht der Klägerin damit - nicht zuletzt auch aufgrund der nahezu wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit - nicht in Frage zu stellen.

III. Die Beklagte hat durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Jeanshosen § 3 Abs. 1 UWG zuwidergehandelt. Danach sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG handelt gemäß § 4 Nr. 3 a) UWG insbesondere, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Gemäß § 4 Nr. 3 UWG kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 21 - LIKEaBIKE; WRP 2012, 1379 = GRUR 2012, 1155 Tz. 16 - Sandmalkasten; WRP 2013, 1188 = GRUR 2013, 951 Tz. 14 - Regalsystem; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 15 - Einkaufswagen III; OLG Köln, GRUR-RR 2014, 25, 26 f. - Kinderhochstuhl "Sit up", jeweils mwN).

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Angebot und der Vertrieb der angegriffenen Jeans der Beklagten als wettbewerbswidrig:

1) Die von der Klägerin unter der Bezeichnung „P78A“, „P68C“ und „P82D“ unter der Marke „Q“ vertriebenen Jeans-Modelle haben wettbewerbliche Eigenart.

Eine wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 21, juris). Dabei können einzelne Gestaltungsmerkmale in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart verstärken oder begründen, wenn sie den Gesamteindruck des Erzeugnisses bestimmen (BGH, Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 34, juris). In der Rechtsprechung ist weiter anerkannt, dass auch bei Modeerzeugnissen in Ausnahmefällen deren besonders originelle Gestaltung als Hinweis auf die betriebliche Herkunft angesehen werden und eine wettbewerbliche Eigenart unter diesem Gesichtspunkt vorliegen kann. Im Bereich der Mode begründet sich die wettbewerbliche Eigenart in der Regel aufgrund ästhetischer Merkmale. Das ist zum einen der Fall, wenn die – nicht technischen, sondern ästhetischen – Merkmale einer Ware, insbesondere die Gestaltung ihrer äußeren Form sowie das sonstige Design, die Ware so individualisieren, dass der Verbraucher annimmt, so gestaltete Produkte müssten aus derselben betrieblichen Herkunftsstätte stammen. Es genügt zum anderen aber auch, dass das Produkt für ihn spezielle Besonderheiten aufweist, die es von allen anderen unterscheidet. Diese können insbesondere im ästhetischen Bereich in einer überdurchschnittlichen individuellen schöpferischen Gestaltung liegen. In der Regel ist es aber auch gerade hier die Kombination bestimmter einzelner Merkmale, die der Verkehr als Hinweis auf die Herkunft oder auf modische Besonderheiten ansieht (vgl. von Hellfeld in Kirchner/Kirchner-Freis, Handbuch Moderecht, Seite 167 f.; OLG Köln, Urteil vom 14.07.2017 – 6 U 197/16 – S. 16). Anders als bei kurzlebigen Modeneuheiten besteht in einem solchen Fall ein einer zeitlichen Beschränkung nicht von vornherein unterworfener Nachahmungsschutz (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 15.09.2005, Jeans, I ZR 151/02, Rdnr. 24, juris).

Wenn und soweit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes München vom 04.07.2019 – 29 U 3490/17 – (wohl nicht rechtskräftig) eine abweichende Sicht der Dinge zu entnehmen sein sollte, teilt die Kammer diese nicht.

Obgleich im Produktbereich der Jeanshosen eine sehr große Vielfalt von verschiedenen Gestaltungen bzw. Designs auf dem Markt existiert, verfügen die in Rede stehenden Jeansmodelle der Klägerin über eine besondere Kombination charakteristischer Merkmale, die sie von einer klassischen Jeansform deutlich abheben und die ihre wettbewerbliche Eigenart begründen. Für das Design der Jeansmodelle der Klägerin sind – wie diese zutreffend dargelegt hat – zahlreiche Gestaltungselemente prägend. So zeichnet sich die Jeanshose durch die V-förmigen Nähte auf der Vorderseite der Hosenbeine, die nicht verdeckte Knopfleiste am Hosenschlitz, zwei fast parallel geschwungene Nähte an den Vordertaschen, Gesäßtaschen aus drei sich überlappenden Teilen und durch zwei Reihen Doppelnähte auf der Hosenrückseite aus. Wenngleich verschiedene der Einzelelemente bei einer Vielzahl von Jeans und auch von anderen Herstellern verwendet werden mögen und bei Jeans gerichtsbekannt eine hohe Musterdichte herrscht, führt diese von der Klägerin gewählte konkrete Kombination der Gestaltungselemente in Zusammenschau mit der – unabhängig von der Richtigkeit der von der Klägerin genannten konkreten Verkaufs- und Umsatzzahlen – jedenfalls weiten Verbreitung der Jeans-Modelle zu einer wettbewerblichen Eigenart.

Eine Schwächung oder gar ein Verlust dieser wettbewerblichen Eigenart durch die im Produktumfeld vertriebenen Jeansmodelle ist nicht festzustellen. Die von der Beklagten aufgezeigten Jeans des wettbewerblichen Umfeldes mögen zwar teilweise einzelne der charakteristischen Merkmale der von der Klägerin angeführten Jeansmodelle aufweisen, bei diesen sind aber nicht mehrere oder gar alle charakteristischen Gestaltungsmerkmale in der die wettbewerbliche Eigenart der Modelle der Klägerin begründenden Weise miteinander kombiniert. Insoweit kann die Kammer auf die zutreffenden Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 29.01.2019, dort Seiten 3-5, verweisen.

Soweit die Beklagte – wie auch im Termin zur mündlichen Verhandlung - Jeansmodelle angeführt und präsentiert hat, die u.U. tatsächlich als Nachahmungen der Hosen der Klägerin angesehen werden könnten, sind diese nicht geeignet, die wettbewerbliche Eigenart zu schwächen oder insgesamt in Frage zu stellen.

Die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts kann verloren gehen, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder seine Merkmale auf Grund der Entwicklung der Verhältnisse auf dem Markt, beispielsweise durch eine Vielzahl von Nachahmungen, nicht mehr geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH, Urteil vom 24.05.2007 – I ZR 104/04, GRUR 2007, 984 – Gartenliege). Der Anspruch aus § 4 Nr. 3 UWG entfällt aber nicht bereits dadurch, dass andere Nachahmer mehr oder weniger gleichzeitig auf den Markt kommen. Andernfalls könnte sich jeder Nachahmer auf die allgemeine Verbreitung der Gestaltungsform durch die anderen Nachahmer berufen und dem betroffenen Hersteller des Originals würde die Möglichkeit der rechtlichen Gegenwehr genommen (BGH, Urteil vom 24.03.2005 – I ZR 131/02, GRUR 2005, 600 – Handtuchklemmen, m.w.N.).

Darüber hinaus kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf den Vertrieb anderer Nachahmungsprodukte berufen, solange Ansprüche wegen dieser Produkte nicht durch Verwirkung untergegangen sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 18.12.2015 – 6 U 44/15 – Crocs, juris).

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Jeanshosen der Klägerin bereits seit langer Zeit auf dem Markt in einem hohen Maß präsent sind, so dass auch nur ein intensiver Vertrieb von ähnlichen Produkten die wettbewerbliche Eigenart schwächen würde (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.12.2014 – 15 U 94/14, MarkenR 2015, 102).

Die wettbewerbliche Eigenart wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin selbst zahlreiche Jeansmodelle anbietet, bei denen sie die von der Klägerin als charakteristisch bezeichneten Gestaltungsmerkmale, nämlich die V-förmigen Teilungsnähte auf den Oberschenkeln und die sichtbare Knopfleiste am Hosenschlitz, entweder überhaupt nicht oder aber in anderer Kombination verwendet. Insoweit führt dies nicht dazu, dass der Verkehr nicht mehr auf die Herkunft der Produkte schließen könne. Wenn dies der Fall wäre, könnte jeder Modehersteller stets nur ein Modell einer Warenkategorie anbieten, da ja anderenfalls beim Verkehr große Verwirrung und der Verlust der wettbewerblichen Eigenart eintreten würde. Vielmehr wissen die Verbraucher, dass (dieselben) Modehersteller auch völlig anders gestaltete und/oder leicht abgewandelte Modelle vertreiben.

2) Die angegriffenen Jeans-Hosen der Beklagten stellen eine wettbewerbsrechtlich relevante Nachahmung der Q-Jeans-Modelle „P78A“, „P68C“ und „P82D“ der Klägerin dar.

Eine nahezu identische Übernahme ist gegeben, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist (BGH, GRUR 2000, 521, 524 – Modulgerüst I; BGH, GRUR 2010, 1125 Tz. 25 – Femur-Teil). Dabei kommt es darauf an, ob gerade die übernommenen Gestaltungsmittel die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts begründen (BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 32 – Handtaschen; BGH, GRUR 2010, 1125 Tz. 25 – Femur-Teil). Eine nachschaffende Übernahme liegt dagegen bereits vor, wenn die Nachahmung wiedererkennbare wesentliche Elemente des Originals aufweist und sich nicht deutlich davon absetzt. Geringfügige Abweichungen vom Original sind unerheblich, solange das Original als Vorbild erkennbar bleibt (OLG Köln, Urteil vom 19.09.2014 – 6 U 7/14 – S. 10; OLG Hamburg, MarkenR 2011, 275, 280 = juris Tz. 55; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 37. Aufl. 2019, § 4 Rn. 3.37).

Bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit von Produkten ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den Original und Nachahmung bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln (BGH, GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen; BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 32 – Handtaschen; BGH, GRUR 2009, 1069 Tz. 20 – Knoblauchwürste). Dabei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, so dass es mehr auf die Übereinstimmungen als die Unterschiede ankommt (BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 34 – Handtaschen; BGH, GRUR 2010, 80 Tz. 41 – LIKEaBIKE; OLG Köln, Urteil vom 19.09.2014 – 6 U 7/14 – S. 10; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 37. Aufl. 2019, § 4 Rn. 3.43). Maßgebend für die Beurteilung von Übereinstimmungen ist der jeweilige Gesamteindruck, den die verschiedenen Erzeugnisse bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln (BGH, GRUR 2002, 629, 632 – Blendsegel). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (z.B. BGH, Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 21, juris).

Bei der von der Beklagten vertriebenen Jeans wurden nahezu sämtliche charakteristischen gestalterischen Merkmale der Jeans der Klägerin übernommen, was zu einem nahezu identischen Gesamteindruck der angegriffenen Jeans führt. So finden sich auf der Vorderseite sowohl die V-förmigen Nähte als auch die unverdeckte Knopfleiste sowie die doppelte Nahtführung unterhalb der Taschen. Auf der Rückseite wurde die horizontal verlaufende zusätzliche Naht zwischen Gesäßtaschen und Bund übernommen. Soweit die Beklagte auf Unterschiede in der Gestaltung der sich gegenüberstehenden Jeans verweist fallen diese Abweichungen erst bei einem unmittelbaren Vergleich der Hosen auf und verändern den Gesamteindruck nicht. Ebenso führt die – allerdings - abweichende Gestaltung der Gesäßtaschen nicht zu einer anderen Gesamtwirkung. Wie ausgeführt, ist bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit von Produkten auf den Gesamteindruck abzustellen und zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und dabei regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervortreten.

3) Es liegt auch eine vermeidbare Herkunftstäuschung vor.

Für die Gefahr einer Herkunftstäuschung reicht es aus, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt wird, es handele sich bei dem nachahmenden Produkt um eine neue Serie oder eine Zweitmarke des Herstellers des Originals oder es bestünden zumindest lizenz- oder gesellschaftsrechtliche Beziehungen zu ihm (BGH, NJW-RR 2001, 405, 407 – Messerkennzeichnung; BGH, GRUR 2009, 1073 Tz. 15 – Ausbeinmesser). Das Hervorrufen bloßer Assoziationen an das Originalprodukt reicht nicht aus. Maßgebend ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (oder sonstigen Marktteilnehmers), der sich für das Produkt interessiert (BGH, GRUR 2010, 1125 = WRP 2010, 1465 Tz. 32 – Femur-Teil; OLG Köln, Urteil vom 07.03.2014 – 6 U 160/13).

Die Jeanshosen der Klägerin verfügen, wie dargelegt, zumindest über eine gewisse Bekanntheit. Der Käufer, der ein Angebot der Beklagten wahrnimmt, wird angesichts der Übereinstimmungen in den prägenden Merkmalen der Jeanshosen davon ausgehen, es handele sich um die ihm bekannte Jeanshose der Klägerin oder jedenfalls solche eines Herstellers, der mit der Klägerin organisatorisch oder geschäftlich verbunden ist. Durch die bestehenden Unterschiede wird die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht beseitigt.

Die Gefahr einer Herkunftstäuschung wird schließlich auch nicht dadurch vermieden, dass die angegriffenen Jeanshosen die Bezeichnung „T“ tragen. Zwar kann die hinreichend sichtbare Anbringung einer Herstellerbezeichnung eine an sich bestehende Verwechslungsgefahr beseitigen (BGH, GRUR 2002, 820, 823 – Bremszangen). Bei „T“ handelt es sich jedoch aus Sicht des Verkehrs nicht eindeutig um eine Herstellerkennzeichnung. „T“ erscheint vielmehr eher als Handelsmarke, welche die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht auszuräumen vermag (vgl.: BGH, GRUR 2009, 1069 Tz. 16 ff. – Knoblauchwürste; BGH, GRUR 2001, 251, 254 - Messerkennzeichnung).

4) Der Beklagten ist auch zuzumuten, durch Umgestaltung ihrer Jeanshosen die Gefahr einer Herkunftstäuschung zu vermeiden.

Es ist einem Unternehmer zwar nicht verwehrt, auf die Verkäuflichkeit seines Erzeugnisses zu achten und dementsprechend die Erwartungen der Abnehmer zu berücksichtigen. Die Angemessenheit ist aber zu verneinen, wenn dem Mitbewerber auch bei gleicher Prioritätensetzung ein hinreichender Spielraum für Abweichungen zur Verfügung steht. Das setzt eine Gesamtabwägung voraus. Ein Indiz dafür ist, wenn abweichende Konkurrenzprodukte mit einem „eigenen Gesicht“ auf dem Markt sind (BGH, GRUR 2002, 86, 90 – Laubhefter; BGH, GRUR 2009, 1073 Tz. 15 – Ausbeinmesser; OLG Köln, Urteil vom 18.10.2013 – 6 U 11/13 – S. 32 f.; Köhler/Bornkamm, UWG 37. Aufl. 2019, § 4 Rn. 3.49). Diese Voraussetzungen sind hier angesichts der in diesem Verfahren vorgetragenen zahlreichen Produkte des wettbewerblichen Umfelds erfüllt.

5) Im Rahmen der bei der Anwendung des § 4 Nr. 3 a) UWG gebotenen Gesamtabwägung ist zu berücksichtigen, dass eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen besteht, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt. Bei einer nahezu identischen Übernahme sind die Anforderungen an die wettbewerbliche Eigenart und an die besonderen wettbewerblichen Umstände geringer als einer nur nachschaffenden Übernahme (BGH, GRUR 2012, 1155 Tz. 16 – Sandmalkasten; OLG Köln, Urteil vom 18.10.2013 - 6 U 11/13 – S. 33). Im vorliegenden Fall trifft eine fast identische Übernahme mit einer durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart zusammen. Die Anforderungen an die besonderen wettbewerblichen Umstände sind daher niedriger anzusetzen, so dass im Gesamtergebnis von einer unlauteren Nachahmung im Sinne des § 4 N. 3 a) UWG auszugehen ist.

6) Die Beklagte hat auch zumindest fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt.

Bei sorgfältiger Prüfung hätten sie erkennen können und müssen, dass die Klägerin mit nahezu identischen Jeansmodellen seit langem im Markt präsent ist. Sie hätte vor dem Marktzutritt prüfen müssen, ob der Vertrieb der streitgegenständlichen Jeanshosen Rechte Dritter verletzt.

Dass der Klägerin durch die Wettbewerbsverletzung seitens der Beklagten ein Schaden entstanden ist, erscheint nicht ausgeschlossen.

IV. Die Beklagte hat den geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht erfüllt.

Zwar hat die Beklagte vorprozessual teilweise Auskünfte erteilt. Auf das Anlagenkonvolut K 17 nimmt die Kammer Bezug. Der Auskunftsanspruch geht jedoch weiter. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung sämtlicher Auskünfte, welche im Tenor zu II. und im Tenor zu III. tituliert sind. Nur so wird die Klägerin in die Lage versetzt, ihren Schadensersatzanspruch nach einer der drei ihr zur Verfügung stehenden Berechnungsmethoden zu beziffern.

V. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt.

Der Lauf der Verjährung war jedenfalls so lange durch Verhandlungen der Parteien im Sinne des § 203 BGB gehemmt, dass die Klage noch innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist eingereicht worden ist.

Die Kammer verweist auf das Anlagenkonvolut K 17 und die Anlagen rop 1 – rop 5.

Unstreitig hat die Klägerin am 27.02.2018 Kenntnis davon erlangt, dass die Beklagte Herstellerin der streitgegenständlichen Jeans ist. Anlässlich dieses Telefonates sind Aspekte einer gütlichen Einigung erörtert worden, so dass der Lauf der Verjährung direkt gehemmt worden ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten endete die Hemmung nicht mit dem als Anlage rop 1 vorgelegten Schreiben der Klägerin vom 06.03.2018. Mit diesem Schreiben hat die Klägerin das Angebot der Beklagten vom 01.03.2018 nicht abgelehnt, sondern ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einem Gesamtvergleich erklärt, Grundlage sei aber eine vollständige Auskunftserteilung bis zum 13.03.2018. Die Beklagte hat sich sodann Fristverlängerungen bis zum 28.03.2018 erbeten und mit Schreiben vom 28.03.2018 die grundsätzliche Bereitschaft der Klägerin begrüßt, die Sache nicht streitig zu regeln, die Angaben müssten verifiziert werden, man melde sich am 09. oder 10.04.2018 wieder. Nach einer weiteren Fristverlängerung unterbreitete die Beklagte am 13.04.2018 ein erneutes Vergleichsangebot, worauf die Klägerin aber bis zum 26.07.2018 nicht reagierte.

Somit war der Lauf der Verjährung von der Kenntnisnahme am 27.02.2018 bis jedenfalls 13.04.2018 gehemmt, da der Gesprächsfaden zwischen den Parteien über eine vergleichsweise Regelung in diesem Zeitraum nie abgebrochen war. Nach dem 13.04.2018 ist ein weiterer Hemmungszeitraum, in dem die Beklagte nach Treu und Glauben noch eine Rückmeldung der Klägerin auf das Vergleichsangebot erwarten konnte (BGH NJW 1986, 1337; BGH NJW 2009, 1806), zu berücksichtigen. Dies sieht auch die Beklagte so, geht sie doch von einem Abbruch der Vergleichsverhandlungen am 14.05.2018 durch Schweigen der Klägerin auf das Vergleichsangebot vom 13.04.2018 aus. Geht man zutreffend davon aus, dass die Hemmung erst am 14.05.2018 endete und der Lauf der sechsmonatigen Verjährung erst an diesem Tage zu laufen begann, ist die Klage am 24.10.2018 noch innerhalb der Verjährungsfrist eingereicht worden.


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EuGH: Muster und Modelle nur dann urheberrechtlich geschützt wenn sie Werkcharakter haben - Über Gebrauchszweck hinausgehende spezielle ästhetische Wirkung allein reicht nicht

EuGH
Urteil vom 12.09.2019
C-683/17
Cofemel – Sociedade de Vestuário SA ./. G-Star Raw CV


Der EuGH hat entschieden, dass Muster und Modelle nur dann urheberrechtlich geschützt sind, wenn sie Werkcharakter haben . Eine über den Gebrauchszweck hinausgehende spezielle ästhetische Wirkung allein reicht nicht.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Modellen kann nicht allein aufgrund des Umstands, dass sie über ihren Gebrauchszweck hinaus eine spezielle ästhetische Wirkung haben, urheberrechtlicher Schutz zukommen.

Um urheberrechtlich geschützt zu werden, muss es sich bei diesen Modellen um originale Werke handeln.

Das Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof, Portugal) ist mit einem Rechtsstreit zwischen den Gesellschaften Cofemel – Sociedade de Vestuário SA (im Folgenden: Cofemel) und G-Star Raw CV (im Folgenden: G-Star), die jeweils Kleidung entwerfen, produzieren und vermarkten, befasst. Dieser Rechtsstreit betrifft die Einhaltung des von G-Star eingeforderten Urheberrechts, die Cofemel vorwirft, Jeans, Sweatshirts und T-Shirts in Kopie einiger ihrer Modelle zu produzieren und zu vermarkten.

Nach dem Unionsrecht sind als geistiges Eigentum u. a. Werke geschützt, deren Urheber nach der Richtlinie über das Urheberrecht das ausschließliche Recht haben, die Vervielfältigung, die öffentliche Wiedergabe und die Verbreitung zu erlauben oder zu verbieten. Daneben besteht nach weiteren abgeleiteten Unionsrechtsakten ein spezifischer Schutz für Muster und Modelle.

In diesem Kontext stellt das Supremo Tribunal de Justiça fest, dass der Código do Direito de Autor e dos Direitos Conexos (Gesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte) Muster und Modelle in die Liste der urheberrechtlich geschützten Werke aufnehme, aber nicht ausdrücklich die Voraussetzungen regle, die erfüllt sein müssten, damit bestimmten Gegenständen mit Gebrauchszweck auch tatsächlich ein solcher Schutz zukomme. Da über diese Frage in der portugiesischen Rechtsprechung und Lehre keine Einigkeit bestehe, möchte das Supremo Tribunal de Justiça vom Gerichtshof wissen, ob die Richtlinie über das Urheberrecht einer nationalen Vorschrift entgegensteht, nach der dieser Schutz unter der besonderen Voraussetzung gewährt wird, dass Muster und Modelle über ihren Gebrauchszweck hinaus eine spezielle ästhetische Wirkung haben.

In seinem heutigen Urteil bejaht der Gerichtshof diese Frage.Insoweit weist der Gerichtshof zunächst auf seine ständige Rechtsprechung hin, wonach jeder originale Gegenstand, der Ausdruck einer eigenen geistigen Schöpfung seines Urhebers ist, als „Werk“ im Sinne der Richtlinie über das Urheberrecht eingestuft werden kann.

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass mehrere abgeleitete Unionsrechtsakte einen besonderen Schutz für Muster und Modelle vorsehen, wobei dieser und der nach der Richtlinie über das Urheberrecht bestehende allgemeine Schutz kumulativ anwendbar sein können. Folglich kann ein Muster oder Modell gegebenenfalls auch als „Werk“ eingestuft werden.

Gleichwohl weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Schutz von Mustern und Modellen einerseits und der urheberrechtliche Schutz andererseits unterschiedliche Ziele verfolgen und unterschiedlichen Regelungen unterliegen. Der Schutz von Mustern und Modellen erfasst nämlich Gegenstände, die zwar neu und individualisiert sind, aber dem Gebrauch dienen und für die Massenproduktion gedacht sind. Außerdem ist dieser Schutz während eines Zeitraums anwendbar, der zwar begrenzt ist, aber sicherstellt, dass die für das Entwerfen und die Produktion dieser Gegenstände erforderlichen Investitionen rentabel sind, ohne jedoch den Wettbewerb übermäßig einzuschränken. Demgegenüber ist der mit dem Urheberrecht verbundene Schutz, der deutlich länger dauert, Gegenständen vorbehalten, die als Werke eingestuft werden können. In diesem Rahmen darf die Gewährung urheberrechtlichen Schutzes für einen bereits als Muster oder Modell geschützten Gegenstand nicht dazu führen, dass die Zielsetzungen und die Wirksamkeit dieser beiden Regelungen beeinträchtigt werden, weshalb die kumulative Gewährung eines solchen Schutzes nur in bestimmten Fällen in Frage kommt.

Schließlich erläutert der Gerichtshof, dass die ästhetische Wirkung, die ein Muster oder Modell haben kann, für die Feststellung, ob das Modell oder Muster in einem konkreten Fall als „Werk“ eingestuft werden kann, keine Rolle spielt, da eine solche ästhetische Wirkung das Ergebnis einer naturgemäß subjektiven Schönheitsempfindung des jeweiligen Betrachters ist. Eine Einstufung als „Werk“ ist vielmehr nur dann möglich, wenn nachgewiesen wird, dass der fragliche Gegenstand zum einen mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbar ist und zum anderen eine geistige Schöpfung darstellt, die die Entscheidungsfreiheit und die Persönlichkeit ihres Urhebers widerspiegelt.

Folglich können Modelle nicht allein aufgrund des Umstands, dass sie über ihren Gebrauchszweck hinaus eine spezielle ästhetische Wirkung haben, als „Werke“ eingestuft werden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: