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OLG Düsseldorf: Beschränkung des Rücktausches eines Festival-Tokens in AGB eines Musikfestival-Veranstalters zulässig

OLG Düsseldorf
Urteil vom 10.04.2025
I-20 UKl 9/24


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass die Beschränkung des Rücktausches eines Festival-Tokens in AGB eines Musikfestival-Veranstalters zulässig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat heute (10. April 2025) unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Erfried Schüttpelz entschieden, eine zeitliche, örtliche und wertmäßige Beschränkung des Rücktauschs von Festival-Token sei nicht zu beanstanden.

Die Beklagte betreibt jährlich ein dreitätiges Musikfestival. Im Jahre 2024 kamen zu diesem Festival täglich etwa 75.000 Besucher. Das Mitnehmen von Speisen und Getränken auf das Gelände ist verboten; diese können auf dem Gelände erworben werden. Zur Bezahlung werden sog. Token verwendet, die ausschließlich während des Festivals verkauft und zurückgetauscht werden können. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten heißt es dazu sinngemäß, der Rücktausch könne nur während der Öffnungszeiten der Kassen auf dem Festivalgelände und dem Campingplatz erfolgen. Eine Erstattung nach der Veranstaltung sei ebenso wenig möglich wie eine Verwendung der Token im Anschlussjahr. Ferner sei der Rücktausch auf einen Wert von bis zu 50 Euro beschränkt.

Der klagende Verbraucherschutzverband ist der Ansicht, die Beschränkung des Rücktauschs der Token auf die Dauer des aktuellen Festivals benachteilige die Festivalbesucher unangemessen. Gerade gegen Ende des Festivals sei mit einem vermehrten Andrang an den Kassen zu rechnen. Dies werde Besucher, die einen Bus oder Zug erreichen müssten oder nur noch wenige Token hätten, von einem Rücktausch abhalten. Auch durch die Begrenzung auf 50 Euro seien die Besucher, die vorher keine Kenntnis von den Preisen auf dem Gelände hätten, unangemessen benachteiligt; ein Grund für die Beschränkung sei nicht ersichtlich.

Der 20. Zivilsenat hat heute die Klage des Verbraucherschutzverbandsabgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die angegriffenen AGB-Klauseln seien nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung des Rücktauschs handele es sich zwar um eine Ausschlussfrist, die von den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts abweiche. Allerdings würden die Vertragspartnerinnen und –partner, mithin die Festivalbesucher, die die Token erworben haben, durch diese Ausschlussfrist jedoch nicht unangemessen benachteiligt. Denn die Besonderheiten der fraglichen Token bei Musikveranstaltungen rechtfertigten die vorgenommene Beschränkung der Rückgabemöglichkeit: Das Festival stelle in jedem Jahr eine gesonderte Veranstaltung dar, für welche Gäste gesonderte Tickets erwerben müssten. Jede Veranstaltung bilde auch bereits zwecks ihrer Abrechnung in jedem einzelnen Jahr eine eigene Einheit. Auch bei Volksfesten sei es üblich, dass Wertmarken nur für die betreffende Veranstaltung und nicht für Folgeveranstaltungen gelten.

Besucherinnen und Besucher würden die Leistungen zudem persönlich an Ort und Stelle entgegennehmen. Sie wüssten von vornherein, dass sie die Token nur auf dieser Veranstaltung verwenden könnten. Eine nachträgliche Rückgabe der Token nach Ende der Veranstaltung gegen Erstattung sei für beide Seiten mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Ferner könnten Besucherinnen und Besucher den Rücktausch der Token während der mehrtägigen Veranstaltung zeitlich planen. Hinzu komme, dass die Möglichkeit einer nachträglichen Rückgabe die Gefahr einer Fälschung der Token erheblich erhöhe. Der Beklagten könne auch nicht aufgegeben werden, fälschungssichere Token herauszugeben. Dies würde die Kosten des Festivals, die naturgemäß auf die Ticketpreise umgelegt werden müssten, erhöhen.

Aus Gründen der Fälschungsgefahr sei auch die Begrenzung der Rückgabemöglichkeit auf Token im Wert von 50 Euro nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass eine Rückgabe von Token in einer den Betrag von 50 Euro übersteigenden Größenordnung äußerst ungewöhnlich und nicht zu erklären sei. Ihrem Vorbringen zufolge würden Besucherinnen und Besucher jeweils durchschnittlich maximal 35 Euro pro Tag verbrauchen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, ob und in welchem Umfang bei Veranstaltungen dieser Art Ausschlussfristen für Token festgesetzt werden können, zugelassen.

Aktenzeichen: I-20 UKl 9/24



BGH: Kein Entschädigungsanspruch aus § 19 Abs. 1, § 21 Abs. 2 AGG wegen Verweigerung des Zutritts zu Musikveranstaltung aufgrund des Alters

BGH
Urteil vom 05.04.2021
VII ZR 78/20


Der BGH hat entschieden, dass kein Entschädigungsanspruch aus § 19 Abs. 1, § 21 Abs. 2 AGG wegen der Verweigerung des Zutritts zu einer Musikveranstaltung aufgrund des Alters besteht.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof zu einem Entschädigungsanspruch wegen Versagung des Zutritts zu einer Musikveranstaltung

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Werkverträge zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute über eine Klage auf Zahlung einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen Versagung des Zutritts zu einer Musikveranstaltung entschieden.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Der seinerzeit 44-jährige Kläger wollte im August 2017 ein von der Beklagten veranstaltetes Open-Air-Event in München besuchen, bei dem über 30 DJs elektronische Musik auflegten. Die Veranstaltung hatte eine Kapazität von maximal 1.500 Personen, ein Vorverkauf fand nicht statt. Ein Ticket konnte erst nach Passieren der Einlasskontrolle erworben werden. Dem Kläger sowie seinen beiden damals 36 und 46 Jahre alten Begleitern wurde der Einlass verwehrt.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit, Zielgruppe der Veranstaltung seien Personen zwischen 18 und 28 Jahren gewesen. Aufgrund der beschränkten Kapazität und um den wirtschaftlichen Erfolg einer homogen in sich feiernden Gruppe nicht negativ zu beeinflussen, habe es die Anweisung gegeben, dem optischen Eindruck nach altersmäßig nicht zur Zielgruppe passende Personen abzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass in der Verweigerung des Zutritts eine Benachteiligung wegen des Alters liege und ihm daher ein Entschädigungsanspruch gemäß § 19 Abs. 1, § 21 Abs. 2 AGG zustehe. Er hat von der Beklagten die Zahlung von 1.000 € sowie den Ersatz der Kosten eines vorangegangenen Schlichtungsverfahrens in Höhe von 142,80 €, jeweils nebst Zinsen, verlangt.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Schadensersatzanspruch des Klägers verneint, weil der sachliche Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG nicht eröffnet ist.

Der Vertrag über den Zutritt zu der hier betroffenen Veranstaltung ist kein "Massengeschäft" im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 AGG. Hierunter sind zivilrechtliche Schuldverhältnisse zu verstehen, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen. Das ist der Fall, wenn der Anbieter im Rahmen seiner Kapazitäten grundsätzlich mit jedermann abzuschließen bereit ist. Hingegen liegt ein Ansehen der Person vor, wenn der Anbieter seine Entscheidung über den Vertragsschluss erst nach Würdigung des Vertragspartners trifft. Ob persönliche Merkmale typischerweise eine Rolle spielen, bestimmt sich nach einer allgemeinen, typisierenden Betrachtungsweise, bei der auf die für vergleichbare Schuldverhältnisse herausgebildete Verkehrssitte abzustellen ist.

Eine Verkehrssitte, dass zu öffentlichen Veranstaltungen, die mit dem hier betroffenen Schuldverhältnis vergleichbar sind, jedermann Eintritt erhält, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei nicht festgestellt. Soweit öffentlich zugängliche Konzerte, Kinovorstellungen, Theater- oder Sportveranstaltungen im Regelfall dem sachlichen Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG unterfallen, weil es der Verkehrssitte entspricht, dass dort der Eintritt ohne Ansehen der Person gewährt wird, ist für diese Freizeitangebote charakteristisch, dass es den Veranstaltern - meist dokumentiert durch einen Vorverkauf - nicht wichtig ist, wer ihre Leistung entgegennimmt. Das unterscheidet sie maßgeblich von Party-Event-Veranstaltungen wie der vorliegenden, deren Charakter in der Regel auch durch die Interaktion der Besucher geprägt wird, weshalb der Zusammensetzung des Besucherkreises Bedeutung zukommen kann. Dass auch bei solchen Veranstaltungen gleichwohl nach der Verkehrssitte jedermann Eintritt gewährt wird, macht der Kläger nicht geltend.

Der Vertrag über den Zutritt zu der von der Beklagten durchgeführten Veranstaltung war auch kein "massengeschäftsähnliches" Schuldverhältnis im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 AGG. Diese Rechtsverhältnisse kennzeichnet, dass persönliche Eigenschaften des Vertragspartners zwar bei der Entscheidung, mit wem der Vertrag geschlossen werden soll, relevant sind, sie aber angesichts der Vielzahl der abzuschließenden Rechtsgeschäfte an Bedeutung verlieren, weil der Anbieter, von atypischen Fällen abgesehen, bereit ist, mit jedem geeigneten Partner zu vergleichbaren Konditionen abzuschließen. In welchem Umfang ein Ansehen einer Person relevant ist, bestimmt sich nach der Art des zu betrachtenden Schuldverhältnisses in seiner konkreten Ausprägung.

Bei Schuldverhältnissen wie öffentlichen Party-Event-Veranstaltungen kann die Zusammensetzung des Besucherkreises deren Charakter prägen und daher ein anerkennenswertes Interesse des Unternehmers bestehen, hierauf Einfluss zu nehmen. Soweit der Veranstalter deshalb sein Angebot nur an eine bestimmte, nach persönlichen Merkmalen definierte Zielgruppe richtet und nur Personen als Vertragspartner akzeptiert, die die persönlichen Merkmale der Zielgruppe erfüllen, kommt diesen Eigenschaften nicht nur nachrangige Bedeutung zu. Diese Willensentscheidung ist hinzunehmen; wenn dabei auch das Merkmal "Alter" betroffen ist, steht dies nicht entgegen.

Nach den in der Revisionsinstanz außer Streit stehenden Feststellungen des Berufungsgerichts lag eine solche Fallgestaltung bei der hier zu beurteilenden Veranstaltung vor. Ein Ansehen der Person hatte hiernach für die Gewährung des Zutritts nicht nur nachrangige Bedeutung, vielmehr war eine individuelle Auswahl der Vertragspartner nach dem Veranstaltungskonzept der Beklagten von vornherein vorgesehen, wurde durchgeführt und durch die Einlasskontrolle sichergestellt.

Vorinstanzen:

AG München - Urteil vom 10.Oktober 2018 - 122 C 5020/18

LG München I - Urteil vom 31. März 2020 - 13 S 17353/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 19 AGG

(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die 1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen …2. …ist unzulässig.(2) …

§ 21 AGG

(1) …(2) Bei einer Verletzung des Benachteiligungsverbots ist der Benachteiligende verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Benachteiligende die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Benachteiligte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.(3) …