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LG Düsseldorf: Unzulässige nährwertbezogene Werbung für Pizza-Backmischung durch Angabe Low Carb

LG Düsseldorf
Urteil vom 24.10.2018
12 O 101/18


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass eine unzulässige nährwertbezogene Werbung für eine Pizza-Backmischung durch die Angabe "Low Carb" vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger steht gemäß §§ 8, 3, 3a, 5 UWG i. V. m. Art. 8 VO (EG) 1924/2006 ein Unterlassungsanspruch zu, da die streitgegenständliche Angabe „Low Carb“ nährwertbezogen ist.

Der Kläger ist prozessführungsbefugt gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 UWG. Eine missbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs, die zum Fehlen der Prozessführungsbefugnis führen würde (h.M., vgl. Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 36. Aufl. 2018, UWG, § 8 UWG Rn. 4.3), liegt nicht vor. Ein Rechtsmissbrauch lässt sich nicht mit Erfolg darauf stützen, dass Unternehmen Mitglied des Klägers sind, die ebenfalls Produkte mit der Angabe „Low Carb“ oder ähnlichen Angaben vertreiben, ohne vom Kläger auf Unterlassung in Anspruch genommen worden zu sein. Dieser Einwand ist vorliegend bereits deshalb nicht zulässig, weil der hier in Rede stehende Verstoß zugleich die Interessen der Allgemeinheit berührt (BGH, GRUR 1977, 494 [497] – DERMATEX; OLG Oldenburg, GRUR-RR 2009, 67 [69] – Mehrwochenschein vor Urlaub; Köhler aaO., § 11 Rn. 2.39 m.w.N.).

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, da das beanstandete Verhalten unlauter ist; der Beklagte verletzt damit die Regeln der VO (EG) 1924/2006, die im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln bestimmt sind, in einer Weise, die geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen. Gemäß Artikel 8 Abs. 1 der VO (EG) 1924/2006 dürfen nährwertbezogene Angaben nur gemacht werden, wenn sie im Anhang aufgeführt sind und den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen entsprechen.

Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 VO (EG) 1924/2006 ist eine nährwertbezogene Angabe jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel aufgrund der Energie (des Brennwerts), die es liefert, in vermindertem oder erhöhtem Maße liefert oder nicht liefert, oder aufgrund der Nährstoffe oder anderen Substanzen, die es enthält, in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder nicht enthält, besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt. Im Unterschied zu gesundheitsbezogenen Angaben, mit denen ein Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und dem gesundheitlichen Wohlbefinden hergestellt wird, beziehen sich nährwertbezogene Angaben auf die Menge an Nährstoffen, anderen Substanzen oder Energie, die in einem Lebensmittel enthalten sind (vgl. BGH GRUR 2017, 1278 [1279 Rn. 12] – Märchensuppe m.w.N.)

Um eine solche nährwertbezogene Angabe handelt es sich auch hier mit der Angabe „Low Carb“, denn diese Angabe weist auf eine geringe Menge von Kohlehydraten, mithin Nährstoffen, hin. Eine spezifische nährwertbezogene Angabe bezüglich eines geringen Kohlehydratgehalt von Lebensmitteln findet sich im Anhang zur VO (EG) 19.04.2020 2006 ebenso wenig wie eine Angabe, die für den Verbraucher „voraussichtlich dieselbe Bedeutung“ hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten bezieht sich das Verbraucherverständnis auch auf den Nährwertgehalt des angebotenen Lebensmittels. Bereits aus der Argumentation des Beklagten folgt, dass die mit „Low Carb“ bezeichnete Ernährungsweise auf eine reduzierte Aufnahme von Kohlenhydraten gerichtet ist. Aus diesem Grund geht das Verbraucherverständnis bei einem mit dieser Angabe bezeichneten Lebensmittel dahin, dass das Lebensmittel für diese Ernährungsform geeignet ist, eben weil es eine geringe Menge an Kohlenhydraten enthält. Dies ist ohne weiteres eine auf das Produkt bezogene Angabe zu den Nährwerten.

Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt; insbesondere ist er nicht zu weit gefasst, da er sich konkret auf das aus Anlage K3 ersichtliche Angebot bezieht. Soweit der Beklagte meint, dies verbiete ihm eine Verwendung der Angabe in zulässiger Weise, kann dem nicht gefolgt werden. Vom Unterlassungsgebot sind nur identische und im Kern gleichartige Verstöße erfasst.

Einer örtlichen Eingrenzung des Unterlassungsbegehrens bedarf es nicht, da der Kläger zu Recht ausgeführt hat, dass die Entscheidung des angerufenen Gerichts vorbehaltlich einer – hier nicht gegebenen – ausdrücklichen anderweitigen Bestimmung nur im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Geltung beansprucht.

Ein Anspruch auf Erstattung von Kosten, die durch das Abmahnschreiben entstanden sind, folgt aus § 5 UKlaG i. V. m. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Aufgrund des festgestellten Rechtsverstoßes war die Abmahnung berechtigt. Grundsätzlich ist auch der Ansatz einer Kostenpauschale von 230,00 EUR zzgl. 7 % MwSt. anerkannt (Bornkamm in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 12 UWG, Rn. 1.132). Die Kammer hält den vom Kläger in Ansatz gebrachten Betrag von 178,50 EUR hier im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO für angemessen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Bewerbung eines Lebensmittels bzw Nahrungsergänzungsmittels mit "Vitalstoffen" ist eine nach der HCVO unzulässige nähwertbezogene Angabe

OLG Hamm
Urteil vom 04.08.2016
4 U 18/16


Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Bewerbung eines Lebensmittels bzw. Nahrungsergänzungsmittels mit "Vitalstoffen" eine nach der HCVO unzulässige nähwertbezogene Angabe und damit einen abmahnfähigen Wettbewerbsverstoß darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:

bb) Nach Art. 8 Abs. 1 HCVO dürfen nährwertbezogene Angaben nur gemacht werden, wenn sie im Anhang zur HCVO aufgeführt sind und den in der HCVO festgelegten Bedingungen entsprechen.

(1) Ausweislich des Klageantrages greift der Kläger die in der streitgegenständlichen Produktbeschreibung enthaltenen Aussagen zu den Substanzen „Eisen“, „Vitamin C“, „Kalzium“ und „B-Vitamine“ als solche nicht an, sondern wendet sich gegen die Aussagen zu „Vitalstoffen“. Bei diesen Aussagen handelt es sich um nährwertbezogene Angaben im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCVO.

Nach der letztgenannten Vorschrift bezeichnet der Ausdruck „nährwertbezogene Angabe“ jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel aufgrund der Energie (des Brennwerts), die es liefert, in vermindertem oder erhöhtem Maße liefert oder nicht liefert, oder aufgrund der Nährstoffe oder anderen Substanzen, die es enthält, in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder nicht enthält, besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt (BGH, Urteil vom 12.02.2015 – I ZR 36/11 – [Monsterbacke II] ). Der Begriff der nährwertbezogenen Angabe ist ungeachtet dessen, dass sich zwischen nährwertbezogenen und gesundheitsbezogenen Angaben Überschneidungen ergeben können (BGH, a.a.O.), vom Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe abzugrenzen. Während mit gesundheitsbezogenen Angaben ein Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und dem gesundheitlichen Wohlbefinden hergestellt wird, beziehen sich nährwertbezogene Angaben auf die Menge an Nährstoffen, anderen Substanzen oder Energie, die in einem Lebensmittel enthalten sind (BGH, a.a.O.). Wie die im Anhang zu Art. 8 Abs. 1 HCVO aufgeführten Angaben zeigen, sind vor allem solche Angaben als nährwertbezogen anzusehen, die sich unmittelbar auf die Energie, die das Lebensmittel liefert, oder die in diesem enthaltenen Inhaltsstoffe mit ernährungsbezogener Wirkung beziehen (BGH, a.a.O.). Nährwertbezogen sind darüber hinaus solche Angaben, die (nur) eine Sachinformation in Bezug auf einen bestimmten Nährstoff vermitteln (BGH, a.a.O.). Im Hinblick darauf, dass eine Angabe gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCVO auch dann nährwertbezogen ist, wenn mit ihr suggeriert oder nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, ein Lebensmittel besitze besondere positive Nährwerteigenschaften, kann eine Angabe ferner als nährwertbezogen anzusehen sein, wenn mit ihr bestimmte Assoziationen des Verbrauchers geweckt werden (BGH, a.a.O.). Da sich die besonderen positiven Nährwerteigenschaften gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCVO aus dem Brennwert des beworbenen Lebensmittels oder den in ihm enthaltenen Nährstoffen oder Substanzen ergeben, muss sich auch das durch die Angabe hervorgerufene Verbraucherverständnis auf eine Eigenschaft beziehen, die der durch das Lebensmittel gelieferten Energie oder einem bestimmten, in ihm enthaltenen Nährstoff oder einer anderen Substanz geschuldet ist (BGH, a.a.O.).

(a) Bei den Aussagen zu „Vitalstoffen“ handelt es sich um Angaben zu Nährstoffen und anderen Substanzen im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 lit. b) HCVO. Zu den Nährstoffen gehören nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 HCVO Proteine, Kohlenhydrate, Fett, Ballaststoffe, Natrium und die im Anhang der Richtlinie 90/496/EWG aufgeführten Vitamine und Mineralstoffe. „Andere Substanzen“ sind nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 HCVO andere Stoffe als Nährstoffe, die eine ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung haben. Bei dem von der Beklagten verwendeten Begriff der „Vitalstoffe“ handelt es sich um einen Oberbegriff für alle vom menschlichen Körper benötigten bzw. der Gesundheit des Organismus förderlichen Substanzen mit Ausnahme derjenigen Nährstoffe, die der direkten Energiezufuhr dienen, nämlich Eiweiß, Kohlenhydrate und Fett (Senat, Urteil vom 30.04.2013 – 4 U 149/12, dort unter Hinweis auf: Brockhaus, Ernährung, Artikel „Vitalstoffe“, 2. Aufl. 2004). Unter Vitalstoffen sind danach Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und Enzyme zu verstehen (Senat, a.a.O.).

Dass es sich bei dem Begriff „Vitalstoff“ nicht um die Bezeichnung einer konkreten Substanz, sondern nur um einen abstrakten Oberbegriff handelt, ist ohne Belang. Die Annahme einer „nährwertbezogenen Angabe“ im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 lit. b) HCVO setzt nicht voraus, dass die Angabe sich auf bestimmte, namentlich bezeichnete Substanzen bezieht. Dem Anhang zu Art. 8 Abs. 1 HCVO ist zu entnehmen, dass auch Angaben, die lediglich abstrakte Oberbegriffe verwenden (z.B. „gesättigte Fettsäuren“, „Ballaststoffe“, „Proteine“, „Omega-3-Fettsäuren“, „einfach ungesättigte Fettsäuren“, „mehrfach ungesättigte Fettsäuren“), als nährwertbezogene Angaben im Sinne der HCVO anzusehen sind. Der Entscheidung „Monsterbacke II“ des Bundesgerichtshofes ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Gegenstand dieser Entscheidung, in der der Bundesgerichtshof das Vorliegen einer – substanzbasierten – „nährwertbezogenen Angabe“ im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 lit. b) HCVO verneint hat, war eine allgemein gehaltene Gleichwertigkeitsbehauptung zwischen dem beworbenen Lebensmittel und einem anderen Lebensmittel, die nicht auf die Inhaltsstoffe der verglichenen Lebensmittel Bezug nahm, und zwar weder auf bestimmte, namentlich benannte Inhaltsstoffe noch auf durch abstrakte Oberbegriffe gekennzeichnete Inhaltsstoffgruppen.

(b) Die angegriffenen Werbeaussagen zu den „Vitalstoffen“ bringen zumindest mittelbar zum Ausdruck, das beworbene Nahrungsergänzungsmittel besitze besondere positive Nährwerteigenschaften. Besondere positive Nährwerteigenschaften hat ein Lebensmittel u.a. dann, wenn es Nährstoffe oder andere Substanzen in einer besonders hohen Menge enthält (Senat, a.a.O.). Bei der streitgegenständlichen Produktbeschreibung wird angegeben, dass das Mittel „sage und schreibe über 7.000 Vitalstoffe“ bzw. „über 7.000 komplett natürliche Vitalstoffe“ enthalte. Es soll „zwei der vitalstoffreichsten Lebensmittel unseres Planeten“ vereinen. Der Bestandteil Gerstengras soll „nach Meinung vieler Experten das vitalstoffreichste Lebensmittel der Welt“ sein und „weit über 3.000 Vitalstoffe“ beinhalten. Die Mikroalge „Spirulina platensis“ soll „über 4.000 natürliche Vitalstoffe“ besitzen und „damit ebenfalls zu den vitalstoffreichsten Pflanzen der Welt“ gehören. Damit wird das Lebensmittel in besonderer Weise damit beworben, dass es Vitalstoffe, also Nährstoffe und andere Substanzen wie z.B. Enzyme, in ganz besonders erhöhter Menge enthalten soll, und zwar letztlich im Superlativ in der größten denkbaren Konzentration überhaupt. Darunter kann der Verbraucher nur eine ganz besondere ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung des Mittels verstehen (vgl. Senat, a.a.O.).

(2) Die streitgegenständliche nährwertbezogene Werbung mit dem Begriff der Vitalstoffe ist unzulässig. Dieser Begriff ist im Anhang zur HCVO nicht aufgeführt. Der Begriff der Vitalstoffe ist unspezifisch und für den wissenschaftlichen Gebrauch ungeeignet, weil er eine große Anzahl verschiedener Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zusammenfasst. Er wird vielmehr lediglich umgangssprachlich und in der Populärliteratur verwendet (Senat, a.a.O.).

b) Die europarechtswidrige Werbung der Beklagten ist geeignet, die Interessen der Marktteilnehmer spürbar zu beeinträchtigen. Denn es geht um das hohe Schutzgut der Gesundheit der Verbraucher. Zu berücksichtigen ist auch das Ziel der HCVO, das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts in Bezug auf nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben sicherzustellen und gleichzeitig mit Blick auf eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung ein hohes Verbraucherschutzniveau zu bieten (Senat, a.a.O.).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: "ENERGY & VODKA" unzulässige Bezeichnung für Mischgetränk aus Vodka und Limonade - Verstoß gegen Health-Claims-VO

OLG Hamm
Urteil vom 10.07.2012
I-4 U 38/12


Das OLG Hamm hat entschieden, das ein Mischgetränk aus Vodka und koffeinhaltiger Limonade nicht mit "ENERGY + VODKA" bezeichnet werden darf, da das Wort "ENERGY" eine nach der Health-Claims-VO unzulässige nährwert- und gesundheitsbezogene Angabe ist.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: