Skip to content

LG Köln: Schuhe bzw. Sandalen können als Werke der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt sein

LG Köln
Urteil vom 03.03.2022
14 O 366/21


Das LG Köln hat entschieden, dass Schuhe bzw. Sandalen als Werke der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt sein können.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Verfügungsklägerin hat das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG i.V.m. §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 Abs. 1 UrhG folgenden Unterlassungsanspruchs gegen die Verfügungsbeklagte dargelegt und glaubhaft gemacht.

1. Die streitgegenständlichen Schuhmodelle „B “ und „H “ stellen persönliche geistige Schöpfungen im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG dar.

a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer »künstlerischen« Leistung gesprochen werden kann (BGH, Urteil vom 29.4.2021 – I ZR 193/20, ZUM 2021, 1040, 1047 – Zugangsrecht des Architekten; st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 1983, 377, 378, juris Rn. 14 – Brombeer-Muster; GRUR 1987, 903, 904, juris Rn. 28 – Le-Corbusier-Möbel; ZUM-RD 2011, 457, Rn. 31 – Lernspiele; ZUM 2012, 36 Rn. 17 – Seilzirkus; BGHZ 199, 52 = ZUM 2014, 225 Rn. 15 – Geburtstagszug). Dabei kann die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt (BGH ZUM 2012, 36 Rn. 36 – Seilzirkus; BGHZ 199, 52 = ZUM 2014, 225 Rn. 41 – Geburtstagszug). Mit Blick auf die Neugestaltung des Geschmacksmusterrechts durch das Geschmacksmusterreformgesetz vom 12.03.2004 und auf die europäische Urheberrechtsentwicklung hat der BGH seine zuvor bestehende Rechtsprechung aufgegeben, wonach bei Werken der angewandten Kunst höhere Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines Werks zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst (BGHZ 199, 52 = ZUM 2014, 225 Rn. 17 bis 41 – Geburtstagszug). Für einen urheberrechtlichen Schutz von Werken der angewandten Kunst und der bildenden Kunst ebenso wie für alle anderen Werkarten ist allerdings gleichwohl eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern (vgl. BGHZ 199, 52 = ZUM 2014, 225 Rn. 40 – Geburtstagszug; BGH ZUM 2015, 996 Rn. 44 – Goldrapper).

b) In der Sache sollen diese Maßstäbe dem unionsrechtlichen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werkes im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft entsprechen (vgl. Koch GRUR 2021, 273 [274 f.]).

Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung des EuGH um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, der in der gesamten Union einheitlich auszulegen und anzuwenden sein soll (EuGH, ZUM 2019, 56 Rn. 33 – Levola Hengelo; ZUM 2019, 834 Rn. 29 – Cofemel). Für eine Einstufung eines Objekts als Werk müssen danach zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt (EuGH, ZUM 2019, 56 Rn. 36 – Levola Hengelo; ZUM 2019, 834 Rn. 29 – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 22 – Brompton). Ein Gegenstand kann erst dann, aber auch bereits dann als ein Original in diesem Sinne angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. Wurde dagegen die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist (EuGH ZUM 2019, 834 Rn. 30 f. – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 23 f. – Brompton). Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen (EuGH ZUM 2019, 56 Rn. 37 – Levola Hengelo; ZUM 2019, 834 Rn. 29 – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 22 – Brompton). Dafür ist ein mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbarer Gegenstand Voraussetzung (EuGH, ZUM 2019, 834 Rn. 32 – Cofemel; ZUM 2020, 609 Rn. 25 – Brompton), auch wenn diese Ausdrucksform nicht notwendig dauerhaft sein sollte (EuGH ZUM 2019, 56 Rn. 40 – Levola Hengelo).

c) Gegen die Annahme eines unionsrechtlich vereinheitlichten Werkbegriffs bestehen jedoch – jedenfalls für den Bereich der angewandten Kunst – grundsätzliche Bedenken. Die Richtlinie 2001/29/EG regelt in ihren Art. 2 bis 4, dass die Mitgliedstaaten ausschließliche Rechte für die Urheber in Bezug auf ihre „Werke“ vorsehen. Art. 5 der Richtlinie 2001/29/EG nennt eine Reihe von Ausnahmen und Beschränkungen dieser Rechte. Soweit der EuGH davon ausgeht, aus dem Umstand, dass die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.05.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft für die Ermittlung des Sinnes und der Tragweite des Begriffs „Werk“ nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweise, müsse im Hinblick auf die Erfordernisse sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes gefolgert werden, dass dieser Begriff in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müsse, überschreitet er seine Kompetenzen (Schack, GRUR 2019, 75). Denn die Mitgliedsstaaten wollten den Werkbegriff in der Richtlinie 2001/29/EG gerade nicht vereinheitlichen. Generell einen ausdrücklichen Vorbehalt zugunsten der Mitgliedstaaten zu fordern, ist mit den in Art. 5 EU-Vertrag niedergelegten Prinzipien der begrenzten Einzelermächtigung und der Subsidiarität nicht vereinbar (vgl. Röthel, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 11 Rn. 7). Andernfalls ließe sich aus jeder Teilregelung in einer Richtlinie oder Verordnung praktisch stets eine vollständige Rechtsvereinheitlichung folgern, was offensichtlich nicht gewollt sein kann. Die Erwägungsgründe 21 ff. Richtlinie 2001/29/EG führen nur einzelne Verwertungsrechte auf und erwähnen mit keinem Wort eine Vereinheitlichung des Werkbegriffs über die in Erwägungsgrund 20 genannten Richtlinien hinaus.

Für den vorliegend relevanten Schutz von Werken der angewandten Kunst ist zudem Art. 17 Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen zu berücksichtigen, der das Verhältnis zum Urheberrecht regelt:

„Das nach Maßgabe dieser Richtlinie durch ein in einem oder mit Wirkung für einen Mitgliedstaat eingetragenes Recht an einem Muster geschützte Muster ist auch nach dem Urheberrecht dieses Staates von dem Zeitpunkt an schutzfähig, an dem das Muster geschaffen oder in irgendeiner Form festgelegt wurde. In welchem Umfang und unter welchen Bedingungen ein solcher Schutz gewährt wird, wird einschließlich der erforderlichen Gestaltungshöhe von dem einzelnen Mitgliedstaat festgelegt.“

Folglich sind die nationalen Gerichte zur Beurteilung der für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst maßgeblichen Gestaltungshöhe und der Werkqualität kompetent. Jedenfalls steht den nationalen Gerichten – auch wenn man einen einheitlichen, unionsweiten Werkbegriff grundsätzlich anerkennt – bei der Anwendung des Werkbegriffs bei den einzelnen Werkarten ein umfassender Beurteilungsspielraum zu. Denn mit der autonomen Auslegung des unionsrechtlichen Werkbegriffs steht es im Einklang, wenn ein Beurteilungsspielraum der nationalen Gerichte bei der Anwendung des Werkbegriffs bei den einzelnen Werkarten anerkannt wird (vgl. v. Ungern-Sternberg, GRUR 2010, 273). Wann Spielräume im Einzelfall in individueller Weise genutzt werden, überlässt der EuGH den nationalen Gerichten (EuGH, GRUR 2020, 736, Rn. 38 – Brompton).

d) Das Vorhandensein einer Schöpfung, von Individualität und Originalität lässt sich nicht allein aus den objektiven Eigenschaften des jeweiligen Werkes herleiten. Vielmehr sind diese Merkmale anhand ihrer Relation zum konkreten Schaffensprozess zu betrachten. Die Werk-Schöpfer-Beziehung kann weder aus einer einseitigen Betrachtung der Person des Urhebers heraus noch durch Analyse seines Werkes allein adäquat erfasst werden (grundlegend Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1251; Barudi, Autor und Werk – eine prägende Beziehung?, 2013, 32 f.). Maßgeblich ist vielmehr, nach welchen Regeln der Urheber eines bestimmten Werkes gearbeitet hat, wohingegen keine Rolle spielt, ob er sich dessen bewusst war. Erst dann, wenn keine bestehenden Regeln vorgeben, wie der Erschaffer eines Produkts auf einem bestimmten Gebiet dieses zu fertigen hat – etwa anhand von erlernten Verarbeitungstechniken und Formgestaltungsregeln – bestehen keine Gestaltungsspielräume mehr, mit der Folge, dass die Entfaltung von Individualität dann nicht mehr möglich ist, selbst wenn ein handwerklich in Perfektion gefertigtes Produkt neu und eigenartig ist, also durchaus Designschutz beanspruchen könnte. Die rein handwerkliche oder routinemäßige Leistung trägt nicht den Stempel der Individualität, mag sie auch noch so solide und fachmännisch erbracht sein (Leistner, in: Schricker/Loewenheim, 6. Aufl. 2020, § 2, Rn. 53). Der Hersteller muss den bestehenden Gestaltungsspielraum indes auch durch eigene kreative Entscheidungen ausfüllen, um zum Urheber zu werden (BGH, GRUR 2014, 175, Rn. 41 – Geburtstagszug). Dies bedeutet, dass das schöpferische Individuum kein Produkt aus Regeln ist, sondern selbst eine Regel für das Urteil über andere Produkte, also exemplarisch sein muss.

Die technische Bedingtheit eines Produkts durch die Anwendung technischer Regeln und Gesetzmäßigkeiten kann den Spielraum des Gestalters beschränken, wenn eine technische Idee mit einer bestimmten Ausdrucksform zusammenfällt, diese Ausdrucksform technisch notwendig ist und damit schöpferisches Gestalten unmöglich macht (vgl. Zech, ZUM 2020, 801, 803). Technische Lehren können Spielräume des Gestalters aber auch erweitern, etwa, wenn dieser sich die kausalen Eigenschaften bestimmter Materialien oder vorhandener Gegenstände gerade zunutze macht, um mit diesen zu experimentieren, sie zu kombinieren und auszuloten, welche Gestaltungsmöglichkeiten sie bieten (Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1253). So kann beispielsweise die Licht- und Farbwirkung von geschliffenem Kristallglas dazu beitragen, Tierfiguren als schutzfähig anzusehen (BGH, GRUR, 1988, 690, 692 f.).

Technische Regeln und Gesetzmäßigkeiten stehen einer schöpferischen Gestaltung also nur dann entgegen, wenn sie zwingende Wirkung entfalten, indem der Gestalter sich an bestehende Konventionen hält und diese befolgt, ohne von ihnen abzuweichen, sie zu modifizieren oder sich über sie hinwegzusetzen. Der Gestalter eines Produkts nutzt die ihm eröffneten Gestaltungsspielräume nicht, wenn er sich an vorgegebenen Techniken und Regeln orientiert. Zu einem schöpferischen Werk wird sein Produkt erst dann, wenn er von vorhandenen und praktizierten Gestaltungsgepflogenheiten abweichende Regeln in das jeweils in Anspruch genommene Kommunikationssystem explizit oder implizit einführt und danach handelt, indem er ein materielles Erzeugnis produziert, das als Beispiel oder Muster für seine selbstgesetzten Regeln dienen kann (Haberstumpf, GRUR 2021, 1249, 1256). Abzustellen ist nicht in erster Linie auf einzelne Gestaltungselemente, sondern auf den Gesamteindruck, den das Werk dem Betrachter vermittelt (OLG Hamburg, GRUR 2002, 419, 420).

Der Schöpfungsprozess ist daraufhin zu analysieren, ob der Urheber sich ausschließlich an Vorgegebenem orientiert und die Spielräume nicht durch eigene Entscheidungen ausgefüllt hat. Lässt sich ausschließen, dass ein Gestalter vollständig nach vorgegebenen Regeln gearbeitet hat, ist zu folgern, dass er jedenfalls in gewissem Umfang eigene schöpferische Entscheidungen getroffen hat. Dann spricht eine Vermutung dafür, dass er den gegebenen Gestaltungsspielraum tatsächlich genutzt hat, um sein geistiges Produkt hervorzubringen. Der anspruchstellende Urheber genügt danach seiner Obliegenheit, die Schutzfähigkeit seines Werkes darzulegen, und glaubhaft zu machen, regelmäßig dadurch, dass er ein Werkexemplar vorlegt und seine Besonderheiten präsentiert (vgl. BGH, GRUR 1981, 820, 822 – Stahlrohrstuhl III). Verteidigt sich der wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch Genommene mit dem Einwand, das streitgegenständliche Werk sei nicht schutzfähig oder der Schutzumfang sei eingeschränkt, weil der Urheber auf vorbekannte Gestaltungen zurückgegriffen habe, muss dieser die Existenz und das Aussehen solcher Gestaltungen darlegen und beweisen.

e) Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind streitgegenständlichen Sandalenmodelle „B “ und „H “ urheberrechtlich geschützt. Die Einwände der Verfügungsbeklagten aus der Widerspruchsbegründung und dem Schriftsatz vom 10.01.2022 sowie dem vorgelegten Gutachten von Frau Dr. O vermögen dies im Ergebnis nicht in Zweifel zu ziehen. L C hat mit bestimmten Materialien und Gestaltungselementen derart experimentiert und diese miteinander kombiniert, dass sein jeweiliges Ergebnis schöpferischen Charakter besitzt. Die gilt unabhängig davon, dass einzelne dieser Gestaltungselemente bereits vorbekannt waren und sich in Sandalenmodellen anderer Hersteller wiederfanden. Denn in ihrer einheitlichen Zusammenführung liegt die Originalität der von L C ersonnenen Gestaltung. Er hat sich dabei individuell hinreichend von den auf seinem Schaffensgebiet bestehenden, üblichen und bekannten Darstellungsformen für Sandalenmodelle entfernt und über die von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerische Gestaltungen vorgenommen. Die von der Verfügungsbeklagten eingewandten anderweitigen Sandalenmodelle, die der Schutzfähigkeit der Modelle „B “ und „H “ entgegenstehen sollen, illustrieren vielmehr, dass es im Bereich der Sandalen vielfältige Gestaltungsspielräume und zahlreiche Möglichkeiten zu deren Ausfüllung gibt. L C hat insoweit eigenständige Regeln der Sandalengestaltung gefunden und sie u.a. in seinen Sandalenmodellen „B “ und „H “ umgesetzt.

Folgende Gestaltungsmerkmale sind prägend für das Sandalen-Konzept der Verfügungsklägerin und damit auch für die hier streitgegenständlichen Modelle „B “ und „H “ (Gutachten C2, S. 6; Gutachten O, S. 11).

1.) Das Fußbett

a. Eine gerade innere Sohlenkante

b. Eine Laufsohle aus Kunststoff mit C -Linienprofil

c. Veloursleder-bezogene Sohlenbahn

d. Zehengreifer / Bestandteil der Sohlenplastik

e. Fersenmulde / Bestandteil der Sohlenplastik

f. Tieffußbett aus Korkschrotmischung / unverkleideter Sohlenschnitt

2.) Das Befestigungssystem

a. Offenkantige, ungefütterte Schaft-Verarbeitung

b. Schaft im Cutout-Schnitt / aus einem Stück Leder geschnitten

c. Zwischen Tieffußbett und Laufsohle gefasster Zwickeinschlag des Oberleders

d. Eckige Schnalle mit geprägtem C -Schriftzug sowie

e. Oberteil mit zwei breiten Riemen in Cut-out-Schnittführung für das Modell „B “

f. Asymmetrisch geformter Y-Schaft für das Modell H

g. Gegossener Zehensteg mit Niete für das Modell H

Dass gerade diese hervorgehobenen Gestaltungsmerkmale ausschließlich technisch bedingt oder sonst durch handwerkliche Regeln und Konventionen erzwungen sein sollten, ist nicht erkennbar. Die Schöpfung trägt eine persönliche Handschrift, die sich auch bei weiteren – hier nicht streitgegenständlichen – von L C geschaffenen Sandalenmodellen wiederfindet.

Keines der von der Verfügungsbeklagten als vorbekannt angeführten Sandalenmodelle Dritter entspricht in der konkreten Kombination der Gestaltungsmerkmale den Modellen „B “ und „H “ der Verfügungsklägerin. Die Modelle „B “ und „H “ heben sich demgegenüber von der Formensprache vorbekannter Sandalen – auch bereits zum Zeitpunkt ihrer Markteinführung – ab.

Die als Beleg für eine vorbekannte gerade Sohleninnenkantenlinie angeführten antiken und traditionellen Sandalen:

[...]

verfügen jedenfalls nicht über ein Tieffußbett und zeichnen sich durch teils überbordende Ornamentik und Zierelemente aus, die schon dem schlichten, schnörkellosen Eindruck der Modelle der Verfügungsklägerin diametral entgegenstehen.

Die „C3 des Friedens-Sandale:

[...]

verfügt zwar über eine mit Velourleder ummantelte Sohlenbahn, die aber bereits optisch deutlich breiter und markanter ausfällt als bei „B “ und „H “, wo der bezogene Sohlenteil deutlich schmaler ausfällt als der unverkleidete Sohlenschnitt aus der Korkschrotmischung.

Bei den von der Verfügungsbeklagten eingewandten Fußgymnastik und Fussformsandalen:

[...]

lässt sich deren tatsächliches Aussehen und Gestaltung anhand der vorgelegten Katalogzeichnungen nicht eindeutig bestimmen. Die einschnallige Befestigungsvorrichtung weicht jedenfalls deutlich von den hier streitgegenständlichen Modellen „B “ und „H “ ab.

Gleiches gilt für die ornamentalistisch verzierten und an der Ferse geschlossenen WeekendSneaker:

[...]

und die kreuzriemengeschnürten Plastikfußbettsandalen:

[...]

Auch wenn diese über ein Naturkork-Fußbett oder eine Plastiksohle aus Korkschrot verfügen, haben die jeweiligen Gestalter völlig unterschiedliche Befestigungs- und Riemenkonstruktionen im Vergleich zu den Modellen der Verfügungsklägerin gewählt.

Der Umstand, dass sowohl die Sohlenschnitte den Sohlen antiker Sandalen entsprächen als auch der Velourlederbezug von Fußbrandsohlen sowie die Merkmale der Tieffußbettsohle aus Korkschrot mit Zehengreifer jeweils als Einzelelemente vorbekannt gewesen sein sollen, belegt nicht, dass die Kombination dieser Elemente, für deren Vorbekanntheit die Verfügungsbeklagte keine Anhaltspunkte liefert, bereits vorgegebenen Konventionen oder Regeln technischer respektive ästhetischer Art entsprochen hätte.

Gleichermaßen ist der von der Verfügungsbeklagten hervorgehobene Umstand, dass das Material Kork bereits für Schuhsohlen:

[...]

Verwendung fand und auch bei Sandalen eingesetzt wurde:

[...]

per se unbehelflich, da die angeführten Schuhmodelle sich in ihrem durch die Verwendung von Block- und Keilabsätzen geprägten Gesamteindruck deutlich von den streitgegenständlichen Sandalenmodellen unterscheiden.

Die technischen Darstellungen aus der eingewandten Patentschrift Nr. 0000 vom 07.04.1942 (Anlage SSM21):

[...]

illustrieren ein von den streitgegenständlichen Sandalenmodellen deutlich abweichendes Fußbett. Ausweislich der Patentansprüche (Bl. 769 d.A.) handelt es sich um eine Sandale zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Fußes mit nach den Rändern zu abfallender Sohlenoberfläche und einem von dem Fersenende aus bis etwa zur Fußmitte parallel zur Sohlenunterseite verlaufenden Einschnitt oder entsprechenden Abstufungen, dadurch gekennzeichnet, dass für die Zehen ein vertieftes Bett in der Oberfläche der Sohle vorgesehen ist, welches, an der Zehenwurzel beginnend, eine steil nach unten abfallende Fläche aufweist. Die Sandale der Patentschrift sollte dadurch gekennzeichnet sein, dass für die Großzehe, den Ballen und die Ferse ein besonderes Bett vorgesehen ist. Weiterhin sollte die Sandale dadurch gekennzeichnet sein, dass die Sohlenoberfläche mit quer zur Fußrichtung verlaufenden Aufrauhungen versehen ist. Diese Betten sollten zwar in einem besonderen weichen Stoff, beispielsweise Kork, angebracht sein, welcher in die Sohle eingelassen ist. Die vorangegangene Beschreibung und die Zeichnung zeigen aber, dass es sich um eine gänzlich andere Ausformung der Sohle handelt als das typische C -Tieffußbett, dass bei den streitgegenständlichen Sandalen der Verfügungsklägerin Verwendung findet. Die innere Sohlenkannte ist zudem nicht gerade gehalten, sondern weist eine deutlich Krümmung auf. Eine Fersenmulde scheint nicht vorgesehen.

Für die Gebrauchsmusteranmeldung Anlage SSM22 (Bl. 771 ff. d.A.):

[...]

gelten vergleichbare Erwägungen. Die Neuerung sollte hier einen Zehengreifwulst für das Fußbett von Gymnastik-Sandalen betreffen, die aus einem einstückigen Schuhboden aus Holz, Kunststoff oder ähnlichem Material und einem einzigen Halteriemen etwa in der Gegend der Zehengrundgelenke des Fußes bestehen. Das Halten der Sandale am Fuß sollte hierbei nicht allein durch den einzigen, in der Gegend der Grundgelenke vorgesehenen Riemen gewährleistet werden, sondern vielmehr sollte es dazu einer zusätzlichen Greifbewegung und Greifkraft der Zehen gegen den vorderen Teil des Schuhbodens bedürfen. Durch das Greifen und Entspannen beim Aufsetzen des Fußes sollte eine ständige gymnastische Übung und daher eine günstige therapeutische Wirkung erzielt werden. Einen vergleichbaren Zehengreifwulst weisen die streitgegenständlichen Sandalen schon nicht auf und unterscheiden sich optisch deutlich von der Skizze der Gebrauchsmusteranmeldung.

Auch hinsichtlich des Befestigungssystems zeigt die Verfügungsbeklagte nicht auf, dass vorbekannte Gestaltungsmuster der Schutzfähigkeit der Sandalenmodelle „B “ und „H “ entgegenstehen würden.

Die von der Verfügungsbeklagten angeführten Drei- und Mehrbandsandalen weichen von den hier streitgegenständlichen Modellen deutlich ab:

[...]

Soweit C selbst Dreibandmodelle hergestellt hat, sind diese hier nicht streitgegenständlich.

Die von der Verfügungsbeklagten bemühten Zweibandmodelle sind weitestgehend gänzlich abweichend von den C -Modellen gestaltet:

[...]

Einzig ein Zweiriemen-Model der „sandali per l’uomo sportiva“:

[...]

kommt der Riemengestaltung des streitgegenständlichen Modells „B “ nahe, weist aber wiederum ein deutlich abweichendes Fußbett und eine stark unterschiedliche Sohle auf.

Schließlich vermag auch die vermeintliche Vorbekanntheit der T- respektive Y-Gestaltung des Sandalenmodells „H “ nicht zu belegen, dass hier kein Gestaltungsspielraum bestanden und von L C individuell-schöpferisch ausgefüllt worden wäre.

Die entgegengehaltenen altägyptischen Sandalentypen:

[...]

weisen zwar bereits die Typik auf, dass die Sandale hoch auf dem Rist durch eine Querbandage fest am Fuß gehalten wird. Keines der Beispiele vereint aber die Charakteristika der streitgegenständlichen Sandale „H “, da zumeist bereits das Fußbett, aber auch die Schnallenbindung abweichend gestaltet ist.

Nicht anders verhält es sich mit den moderneren Varianten, die zwar durchaus im Grundsatz vergleichbare Bindungsriemen, aber im Übrigen stark unterschiedliche Sohlenplastiken und Fußbettgestaltungen aufweisen:

[...]

oder aber eine abweichende Gestaltung mit Fersenriemen:

[...]

f) Subjektive Verlautbarungen der Verfügungsklägerin oder ihrer Rechtsvorgänger sind für die Beurteilung der eigenschöpferischen Qualität – wie aufgezeigt – unbeachtlich, wenn gleichwohl ein künstlerischer Gestaltungsspielraum bestand und im Rahmen des Schaffensprozesses genutzt wurde, auch wenn dies möglicherweise zunächst als rein handwerklich wahrgenommen wurde. Ein zusätzlicher Nachweis einer bestimmten Motivation des Schöpfers würde die Anforderungen an den Schutz eines Werkes der angewandten Kunst gegenüber einem solchen der bildenden Kunst erhöhen. Dies erscheint mit einem gleichrangigen Beurteilungsmaßstab kaum vereinbar. Die Aussage des Schöpfers L C , Mode habe ihn überhaupt nicht interessiert, gibt vor diesem Hintergrund keinen Anlass für eine abweichende Bewertung.

2. Die Verfügungsklägerin ist zur Geltendmachung der hier streitgegenständlichen urheberrechtlichen Ansprüche aktivlegitimiert.

a) Dazu hat sie durch Vorlage der Anlage ASt 8 (Bl. 161 f. d.A.) glaubhaft gemacht, dass der ehemalige Geschäftsführer und Gesellschafter der Rechtsvorgängerin der Verfügungsklägerin, Herr L C , allein verantwortlicher Gestalter und damit alleiniger Schöpfer der hier gegenständlichen Schuhmodelle war und alle damit zusammenhängenden Immaterialgüterrechte an die C Sales GmbH übertragen hat. Die weitere Übertragung von der C Sales GmbH auf die Verfügungsklägerin ist ebenfalls durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Legal Counsel IP der C Gruppe in Anlage ASt 6 (Bl. 157 d.A.) glaubhaft gemacht.

Soweit die Verfügungsbeklagte geltend macht, weder aus dem Vortrag der Verfügungsklägerin noch aus den Feststellungen in der angegriffenen Beschlussverfügung sei erkennbar, ob Herr L C der weiteren Übertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte auf die Verfügungsklägerin gemäß § 34 Abs. 1 UrhG zugestimmt habe, dringt sie damit nicht durch.

In der Erklärung vom 05.11.2020 heißt es:

„Wir bestätigen uns wechselseitig dass alle etwaigen uns allen (zusammen oder einzelnen von uns) zustehenden Marken-, Design-, Patent-, Urheber- und sonstige Rechte des geistigen Eigentums an allen C -Produkten von jeher exklusiv der C Sales GmbH bzw. den jeweiligen Vorgängergesellschaften (wie etwa der C.B. Orthopädie GmbH und der C Orthopädie GmbH) übertragen wurden und die C -Gruppe daher ausschließlich legitimiert ist, Rechte hieran auszuüben und zu verwerten. Dies umfasst die, soweit noch nicht geschehen hiermit exklusiv der C GmbH & Co. KG eingeräumten, auf Dritte (weiter)übertragbaren, ausschließlichen sowie zeitlich, inhaltlich und räumlich unbeschränkten Rechte, insbesondere entsprechende Produkte herzustellen, zu vervielfältigen, auf der gesamten Welt zu vertreiben, zu vermarkten sowie weiter zu entwickeln und zu bearbeiten. Selbstverständlich sind hiervon auch damals noch unbekannte Vertriebsformen und Nutzungsarten, wie bspw. der Online-Vertrieb, erfasst. Anderen Personen oder Unternehmen wurden keine Rechte an C -Produkten eingeräumt.“

Daraus geht hervor, dass die Weiterübertragung auf Dritte bereits von der ursprünglichen Rechteeinräumung an die C Sales GmbH umfasst war, so dass es jedenfalls keiner Zustimmung zur weiteren Übertragung an die Verfügungsklägerin durch L C bedurfte.

b) Soweit die Verfügungsbeklagte geltend macht, es sei fraglich, ob es sich bei den streitgegenständlichen Modellen um die Sandalen handele, die von Herrn L C ursprünglich entworfen worden seien; es fehle an einer Darstellung der „Ur-Werke“, vermag dies keine erheblichen Zweifel an der Aktivlegitimation der Verfügungsklägerin zu begründen. Nach dem von der Verfügungsbeklagten selbst vorgelegten und zum Gegenstand ihres Sachvortrags gemachten Gutachten Dr. O s wurde das streitgegenständliche Sandalenmodell „B “ im Jahr 0000 von der Fa. C in den Markt eingeführt, sowie das Modell „H “ im Jahr 0000. Grundlage für beide Modelle bilde die kurz nach 0000 durch D C entwickelte und seit 0000 – mit der Einbandsandale „N“ auf den Markt gebrachte – in Schuhen fest verbaute Korkinnensohle (vgl. Bl. 717 d.A.). Danach ergeben sich keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die ursprünglich hergestellten Sandalenmodelle in streiterheblichem Umfang von den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Modellen abwichen, und solche Anhaltspunkte werden von der Verfügungsbeklagten auch im Übrigen nicht aufgezeigt. Der Vortrag der Verfügungsklägerin deckt sich insoweit mit den Aussagen in den beiderseits vorgelegten Gutachten. Jedenfalls für den Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens besteht daher ein überwiegendes Maß an Wahrscheinlichkeit dafür, dass die aktuell vorgelegten Modelle den ursprünglich hergestellten und vertriebenen Modellen entsprechen.

3. Der Vertrieb der angegriffenen, streitgegenständlichen Sandalenmodelle:
[...]

durch die Verfügungsbeklagte verletzt die ausschließlichen Verbreitungsrechte der Verfügungsklägerin aus § 17 Abs. 1 UrhG an den urheberrechtlich geschützten Sandalenmodellen „B “ und „H “. Die angegriffenen, von der Verfügungsbeklagten angebotenen Sandalen übernehmen sämtliche relevanten Gestaltungsmerkmale der Sandalenmodelle „B “ und „H “.

Die Abweichung zwischen den Sandalenmodellen der Verfügungsklägerin „B “ und „H “ und den angegriffenen Sandalenmodellen der Verfügungsbeklagten im Laufsohlenprofil führt nicht schon aus deren Schutzbereich heraus. Der neuartige Gesamteindruck der streitgegenständlichen Schuhmodelle „B “ und „H “ wird nach dem Vorgesagten nicht in einem Maße durch die Sohlengestaltung mitgeprägt, dass die Abweichung hiervon bei den angegriffenen Sandalenmodellen allein die im Wesentlichen fast identische Übereinstimmung in den übrigen, den Gesamteindruck maßgeblich prägenden Gestaltungsmerkmalen ausgleichen könnte.

4. Die für das Bestehen des Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die vorangegangene Rechtsverletzung indiziert. Diese Gefahr kann grundsätzlich nur durch Abgabe einer geeigneten, strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung ausgeräumt werden. Eine solche hat die Verfügungsbeklagte nicht abgegeben.

II. Es besteht auch ein Verfügungsgrund.

1. Die Dringlichkeit wird im Urheberrecht – anders als im Lauterkeitsrecht nach § 12 Abs. 1 UWG – zwar nicht vermutet. Der Antragsteller hat vielmehr darzutun und gegebenenfalls glaubhaft zu machen, dass die Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO vorliegen und der Weg ins Hauptsacheverfahren unzumutbar ist (vgl. OLG Köln, ZUM-RD 2021, 431 f.; OLG Nürnberg GRUR-RR 2019, 64; OLG München BeckRS 2008, 42109). Bei einer fortbestehenden Rechtsverletzung wird sich die Dringlichkeit aber auch ohne Vermutung des § 12 Abs. 1 UWG in der Regel aus der Lage des Falles selbst ergeben (vgl. OLG Köln, ZUM-RD 2021, 431 f.; OLG Köln, BeckRS 2016, 09601; OLG München BeckRS 2008, 42109; GRUR 2007, 184; OLG Köln, WRP 2014, 1085). So liegt der Fall hier. Die Rechtsverletzung dauert noch an.

2. Soweit die Verfügungsbeklagte geltend macht, die Verfügungsklägerin versuche erst in jüngerer Zeit, auf Grundlage urheberrechtlicher Vorschriften gegen Konkurrenzprodukte vorzugehen, so steht dies der Dringlichkeit nicht entgegen. Der Anspruchsteller ist zunächst frei darin, auf welche Rechtsgrundlagen er sich beruft und mögen hier auch taktische Erwägungen – etwa aufgrund von Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung – eine Rolle spielen. Der Umstand, dass die Verfügungsklägerin zunächst gegen ein an den Endverbraucher gerichtetes Angebot im Onlineshop der P C1G GmbH & Co. KG vorgegangen ist, und nicht unmittelbar gegen den Hersteller, ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Dafür, dass die Verfügungsklägerin sicher wusste, dass die streitgegenständlichen Sandalen von der Verfügungsbeklagten für P produziert wurden, bestehen keine aktenkundigen Anhaltspunkte. Es war der Verfügungsklägerin also nicht verwehrt, zunächst einen Testkauf zu lancieren und Auskunft über den Lieferanten zu begehren. Für ihre Vermutung, dass die Verfügungsklägerin weit länger als einen Monat vor der Abmahnung vom 12.10.2021 bereits Kenntnis von der Verfügungsbeklagten als Hersteller der angegriffenen Sandalen hatte respektive hätte haben müssen, bestehen keine handfesten Anhaltspunkte. Eine generelle Marktbeobachtungspflicht des Antragstellers besteht auch im Urheberrecht nicht (Rojahn/Rektorschek, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrecht, 3. Aufl. 2021, § 98, Rn. 20).

Die Verfügungsklägerin hat durch eidesstattliche Versicherung ihres Legal Counsel IP vom 22.10.2021 (Anlage ASt 6) glaubhaft gemacht, Kenntnis von der konkreten Rechtsverletzung erstmals am 24.09.2021 erlangt zu haben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 22.10.2021 bei Gericht eingegangen. Die Verfügungsbeklagte zeigt keine konkreten Anhaltspunkte dafür auf, dass tatsächlich bereits zuvor Kenntnis vorlag, ebenso wenig ist dargetan, dass und weshalb die Verfügungsklägerin bereits zuvor Kenntnis von dem Herstellerhinweis auf den Kartons der angegriffenen Sandalen genommen haben sollte. Dafür, dass die Verfügungsklägerin im vorliegenden Fall zugewartet hätte, während sie gegen Dritte unmittelbar vorging, fehlen ebenso konkrete Anhaltspunkte.

3. Schließlich fällt auch eine Interessenabwägung nicht dergestalt zu Gunsten der Verfügungsbeklagten aus, dass ein Verfügungsgrund hier zu verneinen wäre.

a) Die einstweilige Verfügung muss notwendig sein, um wesentliche Nachteile in Bezug auf das Rechtsverhältnis abzuwenden oder um die Vereitelung bzw. wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung zu verhindern. Hierauf kann auch bei (vermeintlich) einfach festzustellenden Rechtsverletzungen nicht verzichtet werden. Dies setzt nicht nur eine Dringlichkeit im zeitlichen Sinne, sondern grundsätzlich auch eine Abwägung zwischen den schutzwürdigen Belangen des Antragstellers und den schutzwürdigen Interessen des Antragsgegners voraus. Im Rahmen der Interessensabwägung ist eine Folgenabschätzung vorzunehmen. Einerseits ist zu fragen, welche Folgen beim Antragsteller eintreten, wenn die einstweilige Verfügung nicht erlassen wird. Hierbei steht im Vordergrund, welche konkreten (wirtschaftlichen) Nachteile dem Antragsteller (nicht einem Dritten) aus der Rechtsverletzung bis zum Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache erwachsen, ob diese Nachteile bzw. Schäden nachträglich angemessen kompensiert werden können und wann mit einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu rechnen ist. Andererseits sind die Folgen, die auf den Antragsgegner bei Erlass der einstweiligen Verfügung zukommen, zu berücksichtigen. Bei der Interessensabwägung sind überdies das Verhalten der Parteien und der Umstand in Rechnung zu stellen, dass es sich bei dem einstweiligen Verfügungsverfahren um ein summarisches Verfahren handelt, das nur begrenzte Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung stellt. Je stärker der Eingriff in die Rechtspositionen des Antragsgegners ist, desto sicherer muss festgestellt werden und desto schwerer müssen die Gründe wiegen, die für den Erlass der einstweiligen Verfügung sprechen (Voß, in: Cepl/Voß Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 2018, § 940 ZPO, Rn. 64).

b) Ein Überwiegen der Interessen der Verfügungsbeklagten im vorstehenden Sinne kann die Kammer hier nicht erkennen. Anhaltspunkte dafür, dass die Verfügungsbeklagte durch das Verbot im einstweiligen Verfügungsverfahren bereits einen Schaden erlitte, der auch im Falle eines späteren abweichenden Ausgangs des Hauptsacheverfahrens nicht mehr – nach § 945 ZPO – kompensiert werden könnte und etwa existenzgefährdend wäre, ist nichts dargetan. Dass die Verfügungsbeklagte ihrer Geschäftstätigkeit durch das Verbot nicht mehr nachgehen könnte oder darin durch das Verbot ganz erheblich eingeschränkt wäre, ist nichts ersichtlich. Soweit die Verfügungsbeklagte auf eine etwaig zu leistende nachträgliche Kompensation gegenüber der Verfügungsklägerin hinweist, macht sie ebenfalls nicht geltend, dass diese eine existenzbedrohende Größenordnung erreichen könnte.

Ein Vertrauensschutz in eine bestimmte Rechtsprechung besteht für Wettbewerber ebenfalls nicht. So konnten konkurrierende Anbieter von Sandalen nicht darauf vertrauen, dass die Verfügungsklägerin nach dem erfolglosen Versuch, in der Vergangenheit auf lauterkeitsrechtlicher Grundlage gegen Nachahmungen vorzugehen, sich damit dauerhaft zufrieden geben und auch von der Rechtsdurchsetzung mittels urheberrechtlicher Ansprüche Abstand nehmen würde. Vielmehr steht es jedem Rechteinhaber selbstverständlich offen, Spielräume, die sich durch Entwicklungen in einem Rechtsgebiet – hier namentlich die unionsrechtliche Ausformung des Werkbegriffs durch den EuGH und die dadurch angestoßene Diskussion in Rechtsprechung und Lehre – eröffnen, auch nach einem Unterliegen vor Gericht zukünftig für sich zu nutzen. Dies kann weder die Annahme einer Verwirkung rechtfertigen, noch konnten andere Marktteilnehmer nach einer für die Verfügungsklägerin abschlägigen erstinstanzlichen Entscheidung einen „relevanten Besitzstand“ erwerben, der sie gegenüber einer Inanspruchnahme auf urheberrechtlicher Grundlage „absichern“ würde.

Zur effektiven Rechtsdurchsetzung auf dem Gebiet des geistigen Eigentums ist die Erlangung von einstweiligem Rechtsschutz auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die urheberrechtliche Schutzfähigkeit eines Werkes – hier im Bereich der angewandten Kunst – und damit der langfristige Rechtsbestand höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Hamburg: Albi-Saftflasche stellt unlautere nachschaffende Nachahmung der Granini-Saftflasche dar und verletzt zudem Marke von Granini

LG Hamburg
Urteil vom 13.01.2022
312 O 294/21


Das LG Hamburg hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass die Saftflasche der Edeka-Tochter Albi eine unlautere nachschaffende Nachahmung der Granini-Saftflasche darstellt und zudem Markenrechte von Granini verletzt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin zu 1) ergibt sich aus §§ 8, 3, 4 Nr. 3 a UWG, derjenige der Antragstellerin zu 2) aus § 14 II Nr. 2, V MarkenG.

1.

Die Antragstellerin zu 1) hat gegen die Antragsgegnerinnen einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 4 Nr. 3 a UWG.

Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz besteht, wenn ein Unternehmer das Leistungsergebnis eines Mitbewerbers, das über wettbewerbliche Eigenart verfügt, nachahmt und auf dem Markt anbietet, sofern besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen, und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt (§ 4 Nr. 3 lit. a) UWG). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die die Unlauterkeit begründende Herkunftstäuschung und ihre Vermeidbarkeit zu stellen und umgekehrt (vgl. BGH, Urteil vom 2.12.2015, I ZR 176/14, GRUR 2016, 730, Rz 31 - Herrnhuter Stern, m.w.N.).

a.

Die g.-Flasche ist von ursprünglich durchschnittlicher, durch Benutzung gesteigerter wettbewerblicher Eigenart.

Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (ständ. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 14.9.2017, I ZR 2/16, Rz 20, Leuchtballon) und die Art der Gestaltung nicht technisch notwendig ist (vgl. BGH, GRUR 2015, 909, Rz 18 - Exzenterzähne). Für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist auf den Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses abzustellen, wobei sich der Verkehr grundsätzlich nur an den äußeren Gestaltungsmerkmalen orientieren kann (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2015 - I ZR 109/14, Rz 22, Hot Sox). Dabei genügt es, wenn der angesprochene Verkehr aufgrund der Ausgestaltung oder der Merkmale des Erzeugnisses die Vorstellung hat, das Erzeugnis könne wohl nur von einem bestimmten Hersteller oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen stammen (vgl. BGH, Urteil vom 14.9.2017, I ZR 2/16, Rz 20, Leuchtballon; BGH, Urteil vom 24.5.2007, I ZR 104/04, Rz. 23 - Gartenliege; BGH, Urteil vom 22.1.2015, I ZR 107/13, Rz 11, Exzenterzähne). Die wettbewerbliche Eigenart muss sich gerade aus den übernommenen Gestaltungsmerkmalen des Erzeugnisses ergeben. Es müssen also gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sein, im Verkehr auf eine bestimmte betriebliche Herkunft oder auf die Besonderheit des jeweiligen Erzeugnisses hinzuweisen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rz. 3.24). Das ist immer dann der Fall, wenn sich das Produkt - unabhängig von der Anzahl der Merkmale - von anderen Produkten im Marktumfeld so abhebt, dass der Verkehr es einem bestimmten Hersteller zuordnet (BGH; Urteil vom 24.1.2013, I ZR 136/11, Rz. 24, Regalsystem).

b.

Vorliegend wird die wettbewerbliche Eigenart der g.-Flasche begründet durch die Gestaltung mittels eines zylindrischen Flaschenbauches und eines ebenfalls zylindrischen und lotgerecht angeordneten Flaschenhalses, wobei die Dimensionen von Flaschenbauch und Flaschenhals ungefähr im Verhältnis 3:2 stehen, was den Größenverhältnissen bei einer Ananas entsprechen soll. Der gesamte Flaschenbauch weist regelmäßig verteilte rundliche Einkerbungen, sogenannte Grübchen, auf, ähnlich den an der Außenschale einer Ananas befindlichen Noppen. Flaschenbauch und -hals sind optisch getrennt, der schmalere Flaschenhals sitzt auf einer kurzen und abgerundeten Verjüngungsstufe auf. Die Flasche hat einen breiten Schraubverschluss mit einer geringen Verjüngung vom Flaschenhals, das Etikett ist ausschließlich auf dem Flaschenhals aufgebracht. Das Material der Flasche ist durchsichtig transparent und lässt die Farbe des Inhalts erkennen.

Die Kombination dieser Merkmale ist nicht technisch bedingt und hebt sich deutlich vom Marktumfeld ab. Dies ergibt sich aus der als Anlage AG 17 eingereichten Marktübersicht, die zwar vielfach transparente Saftflaschen mit farbigen Deckeln zeigt, die jedoch in den Proportionen gänzlich unterschiedlich gestaltet sind und überwiegend das Flaschenetikett auf dem unteren Teil der Flasche und nicht - oder jedenfalls nicht ausschließlich - auf dem Flaschenhals tragen.

Ein Etikett ausschließlich auf dem oberen Teil der Flasche zeigen lediglich die Produkte "hohes C Naturelle", "hella", "Lambda" und "Tymbark", wobei bei diesen Produkten - mit Ausnahme von "Lambda" - der obere Teil der Flasche jeweils nicht als Flaschenhals ausgestaltet ist, sondern die Flasche die Form eines Zylinders - im Fall von "Tymbark" mit einer "Taille" etwa in der Mitte des Zylinders, hat, der sich hin zum Ausguss und Flaschendeckel verjüngt. Gleiches gilt für die Produkte, die das Etikett - wie "Sinalco" - in mittlerer Höhe tragen, wobei auch hier die Flaschen keinen deutlich ausgebildeten Flaschenhals haben. Ausschließlich auf einem - deutlich ausgebildeten - Flaschenhals trägt nach der Anlage AG 7 nur das - kanarische - Produkt "Lambda" sein Etikett.

Auch die Proportionen der zwei aufeinander stehenden Zylinder finden sich so im angezeigten Markt - mit Ausnahme der Flasche von "Lambda" - nicht wieder. Auch die Flasche "Valensina 100 % direkt gepresst Valencia Orange" ist weder in den Proportionen noch in der Positionierung des Etiketts noch in der Gesamtgestaltung der Flasche der g.-Flasche "nahezu identisch", wie die Antragsgegnerinnen meinen. Der untere Zylinder ist nahezu vollständig durch das Flaschenetikett verdeckt und soweit ersichtlich nicht haptisch gestaltet. Der obere Zylinder, zu dem eine deutlich weichere und längere Verjüngung als bei der g.-Flasche führt, verjüngt sich nach oben in Richtung Flaschendeckel weiter und trägt hier Reliefs mit dem Schriftzug "Valensina". In den Proportionen und der Positionierung des Flaschenetiketts ganz ähnlich muten lediglich die Flasche von Lambda und die streitgegenständliche Flasche von a. an. Die Flasche von Lambda, über deren Präsenz im deutschen Markt im Übrigen nichts bekannt ist, besitzt aber keine den unteren Zylinder vollständig bedeckende haptische Gestaltung, sondern weist, soweit ersichtlich, lediglich eine Verzierung in Form einer Knospe oder eines nach oben zeigenden Pfeils oder Dreiecks auf.

Vor diesem Hintergrund ist der Grad der wettbewerblichen Eigenart der g.-Flasche ursprünglich mindestens als durchschnittlich, aufgrund langjähriger umfangreicher und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachter Benutzung aber jedenfalls als gesteigert und damit jedenfalls leicht überdurchschnittlich einzuordnen.

c.

Die streitgegenständliche Flasche von a. stellt eine nachschaffende Nachahmung der g.-Flasche dar.

aa.

Eine Nachahmung liegt vor, wenn das angegriffene Produkt dem Originalprodukt so ähnlich ist, dass es sich in ihm wiedererkennen lässt. Hierfür ist zu prüfen, ob das angegriffene Produkt die prägenden Gestaltungsmerkmale des Originalprodukts übernimmt, die dessen wettbewerbliche Eigenart ausmachen. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit ist auf die Gesamtwirkung der einander gegenüberstehenden Produkte aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Eine nahezu identische Nachahmung liegt vor, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 11.1.2018, I ZR 187/16, Rz 50, Ballerinaschuh m.w.N.). Eine nachschaffende Nachahmung liegt vor, wenn die fremde Leistung nicht identisch oder nahezu identisch nachgeahmt, sondern lediglich als Vorbild benutzt und nachschaffend unter Einsatz eigener Leistung wiederholt wird, somit eine bloße Annäherung an das Originalprodukt vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 22.9.2021, I ZR 192/20, Rz 38. Flying V; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rz 3.37). Entscheidend ist, ob die Nachahmung wiedererkennbare prägende Gestaltungselemente des Originals aufweist oder sich deutlich davon absetzt. Geringfügige Abweichungen vom Original sind unerheblich, solange das Original als Vorbild erkennbar bleibt (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rz 3.37). Zu berücksichtigen ist bei der Beurteilung des Gesamteindrucks, dass es weniger auf die Unterschiede und mehr auf die Übereinstimmungen der Produkte ankommt, weil der Verkehr diese erfahrungsgemäß nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seiner Auffassung aufgrund eines Erinnerungseindrucks gewinnt, in dem die übereinstimmenden Merkmale stärker hervortreten als die unterscheidenden (vgl. BGH, Urteil vom 22.9.2021, I ZR 192/20, Rz 40, Flying V).

bb.

Aufgrund der aufgezeigten Unterschiede in Größe, Proportionen und haptischer Gestaltung, handelt es sich vorliegend jedenfalls um eine nachschaffende Nachahmung, da die streitbefangene Flasche "a." wiedererkennbare prägende Gestaltungselemente der g.-Flasche aufweist und die g.-Flasche als Vorbild erkennbar bleibt. Diese Merkmale werden in einer Weise von der angegriffenen Flasche aufgenommen, dass diese im Gesamteindruck die optische Wirkung der g.-Flasche hat:

Auch die neue Flasche von a. besteht aus zwei zylindrischen Elementen, der Flaschenhals steht lotgerecht auf einer kurzen und abgerundeten Verjüngungsstufe auf dem unteren Zylinder, dem Flaschenbauch. Der untere Zylinder ist ebenfalls länger als der Flaschenhals, das Verhältnis beträgt etwa 3:1. Der Flaschenbauch ist ebenfalls insgesamt haptisch gestaltet, allerdings nicht mit gleichmäßig verteilten rundlichen Einkerbungen / Grübchen, sondern reliefartig mit als Pflanzen anmutenden Motiven, dem Schriftzug "100% PET" und auf der gegenüberliegenden Seite "a.". Die Flasche hat einen breiten Schraubverschluss mit einer geringen Verjüngung vom Flaschenhals, das Material der Flasche ist durchsichtig transparent und lässt die Farbe des Inhalts erkennen. Das in der Grundfarbe "Grün" gehaltene Etikett befindet sich ebenfalls ausschließlich auf dem Flaschenhals, es zeigt neben Fotos von Äpfeln und Kirschen die Aufschrift "a." sowie "Apfel Kirsch".

Insoweit stellt die neue Flasche jedenfalls eine nachschaffende Nachahmung der g.-Flasche dar. Im Gesamteindruck erreichen die übernommenen Merkmale der Proportionen der aufeinander stehenden Zylinder, der haptischen Gestaltung des Flaschenbauchs, der Etikettierung (ausschließlich) auf dem Flaschenhals, der Transparenz des Materials und die Gestaltung des (farbigen) Schraubverschlusses die optische Wirkung der nachgeahmten g.-Flasche. Besonders deutlich wird die Ähnlichkeit der Flaschen im Gesamteindruck auf dem im Schriftsatz vom 20.12.2021, Rz 34 (Bl 161 d.A.), eingeblendeten Foto eines Ladenregals, in dem sich beide Produkte befinden.

d.

Die Nachahmung ist unlauter, es besteht die Gefahr einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn. Eine Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck gewinnen können, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originals oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen.

Vorliegend besteht die Gefahr einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn. Hierfür genügt es, wenn der Verkehr bei der Produktnachahmung annimmt, es handle sich um eine neue Serie oder um eine Zweitmarke des Originalherstellers oder es bestünden lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen zwischen den beiden Unternehmen (vgl. BGH, Urteil vom 1.7.2021, I ZR 137/20, Rz 52, Kaffeebereiter; BGH, GRUR 2019, 196, Rz 15, Industrienähmaschinen; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 4 Rz 3.44). Gegen eine solche Annahme spricht zwar in der Regel, wenn die unterschiedliche Herstellerangabe auf den Erzeugnissen deutlich erkennbar und auffällig angebracht ist (vgl. BGH, GRUR 2009, 1069, Rz 16, Knoblauchwürste). Von einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn kann bei Vorliegen weiterer Hinweise aber dennoch ausgegangen werden. Ein solcher Hinweis kann z.B. darin liegen, dass die Beklagte zuvor Originalprodukte der Klägerin vertrieben hat (vgl. BGH, Urteil vom 22.9.2021, I ZR 192/20, Rz 51, Flying V; BGH, Urteil vom 1.7.2021, I ZR 137/20, Rz 62, Kaffeebereiter; BGH, GRUR 2019,196, Rz 20, Industrienähmaschinen; BGH, Urteil vom 24.5.2007 - I ZR 104/04, GRUR 2007, 984, Rz 36 - Gartenliege) oder die Parteien früher einmal durch einen Lizenzvertrag verbunden waren (BGH, Urteil vom 1.7.2021, I ZR 137/20, Rz 52, Kaffeebereiter; BGH, GRUR 2019, 196, Rz 20 - Industrienähmaschinen).

Wegen der jedenfalls bis vor kurzem und teilweise möglicherweise noch bestehenden Vertriebssituation, in der die Antragsgegnerinnen die g.-Säfte in den streitgegenständlichen g.-Flaschen und damit die Originalprodukte in ihren Läden in den Saftregalen hatten, geht der Verkehr von einer Verbindung der Parteien trotz der Kennzeichnung der neu aufgenommenen Flaschen mit dem Zeichen "a." aus, es besteht die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft der Ware i.S.d. § 4 Nr. 3a UWG.

2.

Der Antrag der Antragstellerin zu 2) ist aus § 14 II Nr. 2, V MarkenG aus der Verfügungsklagemarke 1) DE... (im Folgenden auch "Marke 930") begründet.

a.

Die Marke 930 wurde überwiegend wahrscheinlich gemäß § 26 I, III MarkenG rechtserhaltend genutzt. Der Unterlassungsanspruch ist nach Erhebung der Nichtbenutzungseinrede durch die Antragsgegnerinnen nicht gemäß § 25 I MarkenG ausgeschlossen.

aa.

Die rechtserhaltende Benutzung einer Marke im Sinne von § 26 I MarkenG erfordert, dass die Marke ernsthaft in üblicher und sinnvoller Weise für die Ware verwendet wird, für die sie eingetragen ist.

Die rechtserhaltende Benutzung der Klagmarke 1) ergibt sich zum einen aus einem Prospekt aus dem Jahr 2019. In diesem ist die Flasche abgebildet mit einem in grün gehaltenen Etikett und rotem Deckel, wobei das grüne Etikett, an dessen oberen Rand ein rotes Rechteck zu sehen ist, auf dem in weißer Schrift der Schriftzug "g." steht (im Folgenden auch "g.-Rechteck"), auf dem Flaschenhals angebracht ist (Anlage AG 8 und Anlage AG 10, dort Anlage 1). Die Flasche zeigt nach Auffassung der Kammer ebenso wie diejenige, die in der mündlichen Verhandlung - mit der Abbildung einer anderen Frucht - vorlag, eine Nutzung der Verfügungsmarke 930. Die Nutzung der Klagmarke 1) ergibt sich zum anderen aus der Nutzung gemäß der Antragsschrift, Seite 3 Mitte, mit einem überwiegend orangefarbenen Etikett, bei dem das g.-Rechteck am unteren Rand steht, und einem grünen Flaschendeckel.

Die Nutzung der Marke in diesen abweichenden Formen genügt für eine rechtserhaltende Nutzung, die prägenden Merkmale der eingetragenen Kombinationsmarke sind jeweils erhalten geblieben.

Dass die Klagmarke 1) bei den beiden beschriebenen Benutzungsformen in veränderter Form benutzt wurde - zum einen weil das in der Markeneintragung - mit Ausnahme des rot-weißen "g.-Rechtecks" - einheitlich in Dunkelgrün gestaltete Flaschenhalsetikett in changierenden Grüntönen mit Aufdruck von Früchten (vgl. AG 8, AG 10) bzw. auch mit Aufdruck von Fotos grüner Blätter gestaltet wurde, zum anderen weil die Flasche in der Gestaltung mit dem überwiegend orangefarbenen Etikett mit aufgedruckten Früchten und nach unten versetztem rot-weißen "g.-Rechteck" und grünem Deckel (vgl. Antragsschrift, Seite 3 Rz 1) sowohl farblich als auch graphisch verändert wurde, ist unschädlich. Denn die Benutzung einer Marke ist auch in veränderter Form gemäß § 26 III Satz 1 MarkenG rechtserhaltend, soweit die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern. Das ist der Fall, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, d. h. in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2014, I ZR 114/13, Rz 12, PINAR; vgl. BGH, Urteil vom 5.12.2012, I ZR 135/11, Rz 31, Duff Beer; Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Aufl. 2021, § 26 Rz 197).

Bei der Bestimmung der Verkehrsauffassung kann zur Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise, zum Maßstab des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers und zu den Regeln über die Feststellung der Verkehrsauffassung auf die zur Verwechslungsgefahr entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. BGH, Urteil vom 5.12.2012, I ZR 135/11, Rz 31, Duff Beer). Zur Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise ist auf die Abnehmer abzustellen, die die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen nachfragen. Dabei sind die Waren oder Dienstleistungen ihrer gattungsmäßigen Art nach und nach ihren objektiven Merkmalen zugrunde zu legen (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2014, I ZR 114/13, Rz 21, PINAR).

bb.

Vorliegend ist die Klagmarke 1 in der Warenklasse 32 für Fruchtgetränke und Fruchtsäfte eingetragen. Sie beansprucht damit Schutz für Getränke, die von einem breiten Publikum von Verbrauchern, Erwachsenen wie Jugendlichen und Kindern, nachgefragt werden.

Der kennzeichnende Charakter der Marke wurde durch die beiden vorliegenden Benutzungsformen nicht verändert. Es handelt sich bei der als "dreidimensionale" Marke eingetragenen Marke 930 um eine Kombinationsmarke aus Form- und Bildelementen sowie- einem Wortelement. Das Formelement beinhaltet dabei die konkrete Gestalt der Flasche, die in den Proportionen der beiden aufeinander stehenden "Zylinder" und der Oberflächengestaltung des unteren, leicht bauchig ausgestalteten Zylinders durch die aufgebrachten "Grübchen" einer Ananas nachempfunden ist, die Bildelemente zum einen das einheitlich grüne Etikett auf dem Flaschenhals und zum anderen das darauf aufgebrachte rote "g.-Rechteck" mit "g." als Wortelement sowie die (rote) Farbgestaltung des Deckels.

Im Gesamteindruck zeigen die beiden beschriebenen veränderten Gestaltungen der Flasche keine Veränderungen des kennzeichnenden Charakters der Flasche. Es ist davon auszugehen, dass der angesprochene Verkehr auch bei Wahrnehmung der Unterschiede zwischen der eingetragenen Kombinationsmarke und den beiden Benutzungsgestaltungen in diesen noch dieselbe Marke sieht. Denn im Gesamteindruck ist die Flasche in der Gestaltung der Proportionen und des unteren Zylinders mit den Grübchen sowie der Position des Etiketts auf dem Flaschenhals(-zylinder) und dem Abstand vom Flaschendeckel zum Etikett unverändert geblieben. Auch das rote "g.-Rechteck" ist weiter auf dem Flaschenhalsetikett angebracht, wenn auch bei der auf Seite 3 der Antragsschrift abgebildeten Flaschengestaltung über dem unteren Rand des Etiketts. Diese abweichende Positionierung des integrierten Wort-Bildzeichens "g.-Rechteck" zeigt keine ersichtliche Veränderung im optischen Gesamteindruck der Kombinationsmarke. Bei der aus dem Prospekt aus dem Jahr 2019 gemäß Anlage AG 8 ersichtlichen Gestaltung ist das rote "g.-Rechteck" zudem entsprechend der Markeneintragung am oberen Rand des Flaschenhalsetiketts verblieben. Bei der aus der Anlage AG 8 ersichtlichen farblichen Gestaltung des Etiketts durch changierende Grüntöne mit aufgedruckten Früchten handelt es sich ebenfalls nicht um wesentliche den Gesamteindruck verändernde Abweichungen. Denn die einheitlich grüne Farbe des Flaschenhalsetiketts ist in dieser Gestaltung im Grünton jedenfalls erhalten und lediglich durch weitere Angaben wie den Aufdruck von Früchten im Zusammenhang mit der Geschmacksrichtung gestaltet. Gleiches gilt für die Flasche mit einem durch Fotos von grünen Blättern in (uneinheitlich) Grün gehaltenen Etikett, aber einer anderen Fruchtabbildung, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen hat und erörtert wurde. Aber auch in der Gestaltung der Flasche mit einem überwiegend orangefarbenen Etikett und der Abbildung einer Orange und einem von der Eintragung (mit rotem Flaschendeckel) farblich abweichenden grünen Flaschendeckel sieht die Kammer keine wesentliche Veränderung des Gesamteindrucks der Marke. In der Rechtsprechung werden Modernisierungen regelmäßig als unschädlich angesehen, ebenso unschädlich sind Veränderungen in graphischen Bestandteilen, die nur eine Verzierung darstellen oder aus anderen Gründen vom Verkehr als bedeutungslos für den kennzeichnenden Charakter der Marke angesehen werden. Dies wird bejaht bei bloßen Veränderungen der Schriftfarbe oder der bildlichen Ausgestaltung von Anfangsbuchstaben. Entsprechend ist die Änderung der Grundfarbe des Flaschenhalsetiketts in der vorliegenden Konstellation die unwesentliche Änderung einer Verzierung, die im Gesamteindruck der Flasche keine wesentliche Bedeutung erlangt.

Dass die transparente Flasche bei Benutzung durch die Farbe des enthaltenen Safts farbig wirkt, stellt keine abändernde Benutzung dar. Denn ersichtlich ist eine für Fruchtsaftgetränke eingetragene transparente Flasche dazu gedacht, Säfte, die regelmäßig farbig sind, aufzunehmen. Weiter ist ersichtlich ein - bis auf das "g.-Rechteck" - leeres Etikett dazu gedacht, weitere Informationen zum Inhalt der Flasche zu tragen. Wesentliche Änderungen im Gesamteindruck der Marke liegen in der praktischen Nutzung des als Marke eingetragenen realen Gegenstands mitsamt dem Etikett nicht.

cc.

Der Umfang der ernsthaften Nutzung ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwalt H. P. R. gemäß Anlage Ast 7 und den dort versicherten Umsatz- und Absatzzahlen für die Jahre 2016-2021, die sich jeweils im mittleren oder oberen zweistelligen Millionenbereich bewegen.

Sowohl die mit der eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemachten Umsatzzahlen "betreffend die g.-Säfte in der ikonischen g.-Flasche" von 79.728.060 € im Jahr 2016, von 67.673.353 € im Jahr 2017, von 91.015.470 € im Jahr 2018, von 88.104.624 € im Jahr 2019, von 95.377.739 € im Jahr 2020 und von 54.011.776 € in den ersten drei Quartalen des Jahres 2021 als auch die für dieselbe Ware angegebenen Absatzzahlen in verkauften Litern mit 65.925.000 in 2016, 54.067.000 im Jahr 2017, 71.540.000 im Jahr 2018, 68.506.000 im Jahr 2019, 75.159.000 im Jahr 2020 und 39.772.000 in den ersten drei Quartalen 2021 belegen ohne weiteres die ernsthafte Nutzung der Klagmarke.

b.

Die Nutzung der angegriffenen Flaschen auf Seiten der Antragsgegnerinnen erfolgt markenmäßig.

Zwar wird die Form einer Ware in der Rechtsprechung in erster Linie als funktionell und nicht als Herkunftshinweis gesehen (vgl. EuGH, Urteil vom 20.10.2011, C-344/10 P u.a., GRUR 2012, 610, 611, Nr. 46, Freixenet; BGH, Urteil vom 28.11.2002, I ZR 204/00, GRUR 2003, 712, 714, Rz 31, Goldbarren). Eine andere Beurteilung kann aber geboten sein, wenn Kennzeichnungsgewohnheiten auf einem spezifischen Warengebiet dazu führen, dass der Verkehr in der Form einen Herkunftshinweis sieht. Dies wird zum Beispiel bejaht für die Formgestaltung von Kühlergrills oder für Parfümflakons (OLG Frankfurt, Urteil vom 17.11.2016, 6 U 220/15, GRUR-RR 2017, 105, Rz 16, Parfümflakon-Blütenstöpsel). Ein markenmäßiger Gebrauch kann auch vorliegen, wenn die betreffende Verpackungsform sich im Verkehr als Markenzeichen eines Inhabers durchgesetzt hat und über gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt. Schließlich wird ein markenmäßiger Gebrauch auch angenommen, wenn eine erhebliche Abweichung vom Branchenüblichen vorliegt (vgl. EuGH, C 344/10, Urteil vom 20.10.2011, Rz 53, 38, 46; BGH, GRUR 2007, 780 Rz 28, Pralinenform; OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014, 6 U 55/14, Rz 24 ff. Capri-Sonne).

Davon kann vorliegend ausgegangen werden. Die vorliegende Marktübersicht einschließlich der eingereichten Flaschen zeigt, dass die Saftflaschen im Markt in Proportionen und Etikettierung völlig anders gestaltet sind als die g.-Saftflasche, die einer Ananas nachempfunden wurde. Auf die (oben unter 1. stehenden) Ausführungen zum Marktumfeld im Rahmen der wettbewerblichen Eigenart wird Bezug genommen.

Dass Hersteller anderer Fruchtsaftflaschen sich bemühen mögen, ihre Waren ebenfalls so zu gestalten, dass der Verbraucher sie zumindest auch als Herkunftshinweis empfindet, weil die Säfte selbst nicht hinreichend zur Unterscheidung geeignet sind, wie das Landgericht Köln annimmt (vgl. Urteil vom 7.1.2022, 33 O 218/21, S. 17/18), kommt nur hinzu.

c.

Es besteht - unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wechselwirkung - Verwechslungsgefahr zwischen der Klagmarke 1 und der angegriffenen Flasche im Sinne des § 14 II Nr. 2 MarkenG.

Dabei ist im Bereich von Fruchtsäften und Fruchtnektaren, für die die Klagmarke 1 eingetragen ist und für die die angegriffene Flasche benutzt wird, von Warenidentität sowie von zumindest leicht gesteigerter Kennzeichnungskraft der ursprünglich jedenfalls durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Marke auszugehen. Die gesteigerte Kennzeichnungskraft ergibt sich aus der umfangreichen und mit eidesstattlicher Versicherung der erzielten Umsätze glaubhaft gemachten Nutzung.

Weiterhin liegt auch deutliche Zeichenähnlichkeit vor. Der Gesamteindruck des eingetragenen dreidimensionalen Zeichens in Form einer Flasche ist geprägt durch die aus zwei aufeinander stehenden Zylindern mit unterschiedlichem Durchmesser gebildete Form, wobei der untere Teil leicht bauchig geformt ist und eine gleichmäßige Struktur mit runden Einkerbungen/Grübchen aufweist, während der obere, den Flaschenhals bildende Teil, das farbige Etikett trägt, über dem ein farbiger Deckel in der Signalfarbe rot steht. Dieser Formgestaltung entspricht die angegriffene Flasche, die eine in den Proportionen hochgradig ähnliche Aufteilung in einen Flaschenbauch mit größerem Durchmesser und einen darauf aufstehenden schmaleren Zylinder als Flaschenhals, der das Etikett trägt, aufweist, und deren Flaschenbauch zudem mit gleichmäßigen Reliefstrukturen verziert ist. Im Gesamteindruck sind die beiden Flaschen einander hochgradig ähnlich. Dass beide Flaschen jeweils einen Schriftzug "g." bzw. "a." auf dem Etikett und die "a."-Flasche zusätzlich als Einprägung innerhalb des Reliefs aufweisen, ändert an der hohen Ähnlichkeit nichts. Denn im Gesamteindruck bleiben die Flaschen, deren Etikett- bzw. Reliefaufschrift weder im Warenregal im Laden noch bei späteren Aufbewahrungen unbedingt zu sehen bzw. zu lesen sind, sehr ähnlich. Gleiches gilt für den Schraubverschluss, der bei der angegriffenen Flasche nicht in der Signalfarbe rot, sondern in einem dunklen Grün gehalten ist. Die Farbe des Deckels wird angesichts der im Markt üblichen Deckelfarben, die sich aus der Anlage AG 17 ergeben und die regelmäßig grün und rot, zudem goldfarben, weiß, blau, gelb, silberfarben, violett, orange und schwarz sind, vom Verkehr nicht als wesentliches oder besonderes Merkmal wahrgenommen.

d.

Die Löschungsanträge der Antragsgegnerinnen stehen dem Anspruch nicht entgegen. Die Kammer ist insoweit an die Eintragung der Marken gebunden. Dass eine Löschung der Marken mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorstehe, ist nicht erkennbar. Im Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerinnen steht eine solche Situation auch nicht der Dringlichkeit entgegen.

Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Widerspruchsverfahren aufgrund der nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 23.12.2021, vom 4.1.2022, vom 5.1.2022 und vom 7.1.2022 besteht nicht.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Zur Darlegungs- und Beweislast zum Nachweis wettbewerblicher Eigenart im Rechtsstreit um wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz - Kaffeebereiter

BGH
Urteil vom 01.Juli 2021 - I ZR 137/20
Kaffeebereiter
UWG § 4 Nr. 3


Der BGH hat sich in dieser Entscheiung zur Darlegungs- und Beweislast zum Nachweis wettbewerblicher Eigenart im Rechtsstreit um wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz geäußert.

Leitsätze des BGH:

a) Der Kläger, der wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz beansprucht, hat zu seinem Produkt und dessen Merkmalen, die seine wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vorzutragen. Hat er diesen Anforderungen genügt, trifft den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die das Entstehen der an sich gegebenen wettbewerblichen Eigenart hindern oder eine an sich bestehende wettbewerbliche Eigenart schwächen oder entfallen lassen. Danach ist es Sache des Beklagten, zum wettbewerblichen Umfeld des in Rede stehenden Produkts vorzutragen und die Marktbedeutung von Produkten darzulegen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will.

b) Bei der Prüfung, ob durch eine Nachahmung eine vermeidbare Herkunftstäuschung hervorgerufen wird, ist auf den Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung abzustellen. Daraus ergibt sich, dass dieser Zeitpunkt auch für die Prüfung der Frage maßgeblich ist, ob die an sich gegebene wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Produkts durch einen Vertrieb unter einem Zweitkennzeichen entfallen ist. Die wettbewerbliche Eigenart muss grundsätzlich im Zeitpunkt des Angebots der Nachahmung auf dem Markt noch bestehen.

BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 - I ZR 137/20 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Keine markenmäßige Benutzung durch Verwendung eines Teddykopf-Motivs auf Kleidungsstücken

OLG Frankfurt
Beschluss vom 06.05.2021
6 W 34/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass keine markenmäßige Benutzung durch Verwendung eines Teddykopf-Motivs auf Kleidungsstücken vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Das Landgericht hat den Eilantrag zu Recht zurückgewiesen. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin kein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung des Teddykopfmotivs nach Maßgabe der angegriffenen Gestaltungen aus §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3, Abs. 5 MarkenG, Art. 9 UMV zu. Die Antragsgegnerin hat mit den angegriffenen Gestaltungen von Babykleidungsstücken, soweit sie noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, die Rechte aus den Verfügungsmarken nicht verletzt (Anlagen Ast 1, Ast 2). Es fehlt an einer markenmäßigen Benutzung des auf den Kleidungsstücken verwendeten Teddykopf-Motivs.

a) Die in Rede stehenden Benutzungen kann die Antragstellerin unter Berufung auf ihre Verfügungsmarken nur verbieten, wenn sie Funktionen der Marke beeinträchtigen können. Die Hauptfunktion der Marke wird beeinträchtigt, wenn die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- und Leistungsabsatzes zur Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen verwendet wird. Das Verständnis als Herkunftshinweis muss positiv festgestellt werden. Entscheidend ist, ob der angesprochene Verkehr das Zeichen „auch“ als Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betrieb versteht. Die Verkehrsauffassung wird durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt. Dabei ist maßgeblich auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen, insbesondere auf die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden (BGH GRUR 2019, 1289 Rn 25 - Damen Hose MO).

b) Im Bekleidungssektor gibt es verschiedene Kennzeichnungsgewohnheiten. Ob der Verkehr ein auf einem Bekleidungsstück angebrachtes Zeichen als Hinweis auf die Herkunft des Bekleidungsstücks oder als bloßes dekoratives Element auffasst, kann nach der Art und der Platzierung des Zeichens variieren. Bei Bildern, Motiven, Symbolen und Wörtern, die auf der Vorderseite oder der Rückseite von Bekleidungsstücken angebracht sind, geht der Verkehr nicht generell davon aus, es handele sich um einen Herkunftshinweis; ob dies der Fall ist, bedarf vielmehr einer Beurteilung im jeweiligen Einzelfall (BGH, Beschluss vom 30.1.2020 - I ZB 61/17, Rn 13 - #darferdas? II).

c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann eine kennzeichenmäßige Verwendung des Teddymotivs in den angegriffenen Verletzungsformen nicht festgestellt werden.

aa) Die von der Antragstellerin beanstandeten Kleidungsstücke, die noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, weisen alle im Brustbereich das Motiv eines oder mehrerer, zum Teil plüschartig ausgestatteter Teddybärenköpfe auf. Bei dem blauen Strampler nach Anlage Ast 1 sind die Bärenköpfe mit minimalistisch stilisierten Gesichtsmerkmalen ausgestattet. Bei den rosa Kleidungsstücken nach Anlage Ast 1 weisen die Teddybärenköpfe zusätzlich eine rote Schleife am Kopf unterhalb des linken Ohres auf. Bei den blauen Kleidungsstücken nach Anlage Ast 2 sind die Teddybärenköpfe nur umrissartig dargestellt. Wie das Landgericht völlig zu Recht angenommen hat, ist die Abbildung von stilisierten Tieren und Teddybären auf Babykleidung üblich. Dies gilt auch für die plüschartige Ausstattung. Derartige Abbildungen werden nach den Erfahrungen der angesprochenen Endverbraucherkreise, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören, aus dekorativen Gründen verwendet. Der Verkehr hat daher bei der Verwendung entsprechender Motive grundsätzlich keinen Anlass, von einem Herkunftshinweis auszugehen, sofern keine besonderen Umstände vorliegen. Die Motive der Antragsgegnerin sind eher schlicht gehalten und entsprechen typischen Gestaltungsmustern, an die der Verkehr vielfach gewöhnt ist. Der Verkehr sieht in ihnen kein Kennzeichnungsmittel, sondern ein kindgerechtes Gestaltungsmotiv.

bb) Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Bekanntheit ihres Teddykopfmotivs berufen. Die Frage, ob der Verkehr ein Motiv nur als dekoratives Element oder (auch) als Herkunftshinweis auffasst, hängt allerdings auch von der Kennzeichnungskraft und dem Bekanntheitsgrad der Marke ab (BGH, Urteil vom 24.11.2011 - I ZR 175/09, Rn 24 - Medusa). Es kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass sich die Bekanntheit der Marke auf hochgradig ähnliche Gestaltungen Dritter in der Weise auswirkt, dass auch sie als Herkunftshinweis wahrgenommen werden (BGH GRUR 2016, 197 Rn 33 - Bounty).

(1) Die Antragstellerin hat eine gesteigerte Kennzeichnungskraft bzw. Bekanntheit der Verfügungsmarken nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Hierfür reicht es nicht aus, dass sie sämtliche ihrer Kinderkleidungsstücke mit den Verfügungsmarken kennzeichnet und dass Händler in der Werbung für diese Kleidungsstücke zum Teil auf den „berühmten Steiff-Teddy“ verweisen. Es reicht auch nicht aus, dass sich die Antragstellerin im „Premium-Segment“ für Kinderkleidung in einer Führungsposition sieht und das Branchenblatt Textil-Wirtschaft im April 2018 „die Kindermode-Kollektion mit dem berühmten Teddy-Kopf“ zu den Top-Sellern in diesem hart umkämpften Markt zählte. Die Antragstellerin hat es versäumt, zu Marktanteilen, Umsatzzahlen und Werbeanstrengungen ihrer Kleidungsstücke konkret vorzutragen. Soweit ihr Geschäfteführer eidesstattlich versichert, dass ein bestimmtes Jackenmodell der Kollektion Herbst/Winter 2020 einen Umsatz von über 10.000,- € erzielt hat, reicht dies ersichtlich nicht aus, um eine Bekanntheit der Verfügungsmarken auf dem mutmaßlich sehr großen Markt für Babybekleidung zu begründen. Der angesprochene Endverbraucherkreis kann auch nicht aufgespalten und auf solche Personen begrenzt werden, die Interesse an Kleidung des Premium-Segments haben.

(2) Es fehlt auch an einer hochgradigen Ähnlichkeit. Hierfür reicht es nicht aus, dass sich die Antragsgegnerin des Teddykopfmotivs bedient. Ein bloßer Motivschutz ist dem Markenrecht fremd (BGH, Urteil vom 23.9.2015 - I ZR 105/14, Rn 35 - Goldbären). Der Schutz der Verfügungsmarken erstreckt sich daher nicht allgemein auf das Motiv eines Teddykopfes. Maßgeblich ist die konkrete Ausgestaltung. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, unterscheidet sich der Gesamteindruck der angegriffenen Gestaltungen maßgeblich von dem Gesamteindruck der Verfügungsmarken. Der Gesichtsumriss ist bei allen angegriffenen Gestaltungen plump und rund, während die Verfügungsmarken ein charakteristisch ausgebildetes Kinn aufweisen. Auch die Gestaltung innerhalb des Gesichtes weicht - soweit vorhanden - von den Verfügungsmarken 1 und 2 deutlich ab. Die halbkreisförmige Linie im Ohr fehlt bei sämtlichen angegriffenen Ausführungsformen. Soweit die Antragstellerin eine Gemeinsamkeit mit dem Steiff-Teddy in den „markanten Knopfaugen“ sehen möchte, handelt es sich schlicht um zwei runde Punkte, denen für sich genommen keinerlei Wiedererkennungswert zukommt.

cc) Ungeachtet der (fehlenden) Bekanntheit der Verfügungsmarken könnte es für einen Herkunftshinweis der von der Antragsgegnerin verwendeten Motive sprechen, wenn sich der Verkehr durch sie an einen typischen Steiff-Teddy erinnert fühlen würde. Es kann angenommen werden, dass dem Verkehr die Wort-Bild-Marke der Antragstellerin „Knopf-im-Ohr“, die eine Metallniete mit einem daran angebrachten gelben Fähnchen darstellt, als Kennzeichen für Teddybären und Plüschtiere bekannt ist (Anlage Ast 5). Die Antragstellerin ist der Ansicht, jedenfalls die Motivgestaltungen auf den rosa Kleidungsstücken nach Anlage Ast 1 deuteten auf die „Knopf-im-Ohr“-Gestaltung mit dem Fähnchen hin. Das ist indes nicht der Fall.

Das Motiv der im dritten Bild des Antrags abgebildeten vier rosa Babykleidungsstücke erinnert den Verkehr nicht an den „Steiff-Teddy“. Weder ist ein Knopf im Ohr erkennbar noch ein gelbes Fähnchen. Die Bärenköpfe weisen stattdessen unterhalb des linken Ohres eine stilisierte rote Schleife auf. Es ist nicht ersichtlich, dass dieses Motiv den Durchschnittsverbraucher in irgendeiner Weise an einen Steiff-Teddy erinnern könnte.

dd) Die Antragstellerin kann schließlich nicht damit gehört werden, bereits die dekorative Verwendung fremder Marken auf Kleidungsstücken stelle eine herkunftshinweisende und damit rechtsverletzende Benutzung dar. Der Verkehr geht bei Bildern, Motiven, Symbolen und Wörtern auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken nicht generell davon aus, es handele sich um einen Herkunftshinweis. Etwas anderes kann - wie oben ausgeführt - bei bekannten Marken gelten. Soweit der BGH zum Teil darauf hinweist, dass die Verwendung von außen auf der Kleidung angebrachten Fantasie- oder Bildzeichen auch unabhängig von ihrer Bekanntheit als Kennzeichen aufgefasst werden können (vgl. BGH GRUR 2010, 838 Rn 20 - DDR-Logo), bedeutet dies nicht, dass es sich in jedem Fall so verhält. Es liegt auf der Hand, dass der Verkehr markentypisch gestaltete Zeichen - wie zum Beispiel Wort-/Bild-Logos auch auf der Vorderseite von Kleidungsstücken - als Marke wahrnehmen kann. Um eine solche Gestaltung handelt es sich jedoch bei den angegriffenen Motiven nicht. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf ihre eigene Kennzeichnungspraxis hinweist, bei der auf Kleidungsstücken im Brustbereich ein Teddykopf mit Fähnchen platziert wird, mag diese Gestaltung tatsächlich als Herkunftshinweis aufgefasst werden. Das liegt aber maßgeblich an dem stilisierten Fähnchen am Ohr, das auf die bekannte „Knopf-im-Ohr“-Gestaltung bei Plüschtieren hinweist. Das Teddy-Motiv für sich genommen wird von Verkehr bei der Anbringung im Brustbereich rein dekorativ aufgefasst."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG München: Keine Wettbewerbswidrige Nachahmung von Käpt’n Iglo durch Werbung mit männlichem Protagonisten in maritimem Hintergrund - IGLO gegen Appel Feinkost

LG München
Urteil vom 03.12.2020
17 HK 5744/20


Das LG München hat im Rechtstreit zwischen IGLO und Appel Feinkost entschieden, dass keine wettbewerbswidrige Nachahmung von Käpt’n Iglo durch Werbung mit einem männlichem Protagonisten in maritimem Hintergrund vorliegt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Maritime Werbung für Fischprodukte

Heute hat die unter anderem auf das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb spezialisierte 17. Handelskammer des Landgerichts München I die Klage der Firma Iglo GmbH gegen die Firma Appel Feinkost GmbH & Co. KG wegen des Vorwurfs der irreführenden Werbung für Fischprodukte abgewiesen (17 HK O 5744/20).

Nach Auffassung der Kammer, stellt die von der beklagten Partei verwendete, maritim gestaltete Werbung keine irreführende Nachahmung des Werbekonzeptes der Klagepartei dar.

Die Klageseite hatte die Auffassung vertreten, dass die aktuelle Werbung der Beklagten mit einem männlichen Protagonisten in maritimem Hintergrund im Vergleich zu ihrem eigenen Werbekonzept mit der Werbe-Ikone „Käpt’n Iglo“ in Verbraucherkreisen eine Irreführung hervorrufe, die zu einer unzulässigen Verwechslungsgefahr führe.

Dem trat das Landgericht München I mit seiner Entscheidung nun entgegen.

Die Beklagte bewerbe Fischprodukte. Es sei naheliegend, solche im werblichen Zusammenhang mit Küste und Meer abzubilden. Hinsichtlich der Frage, ob eine Nachahmung von Werbemaßnahmen vorliege, seien allgemeine Ideen, Gestaltungsprinzipien, Methoden oder gemeinfreie naheliegende Motive freihaltebedürftig und könnten keinen Nachahmungsschutz genießen. Die bloße Verwendung von Meer, von Zusammenhängen mit dem Meer, im Zusammenspiel mit Motiven wie Küste, Himmel und Wetter könne keine Nachahmung eines Werbekonzeptes darstellen.

Außerdem gebe es hier auch ganz erhebliche Unterschiede:

Die Hauptniederlassung der Beklagten liege direkt an der Nordseeküste in Cuxhaven. Die angegriffene Werbung der Beklagten zeige im Hintergrund einen bekannten Leuchtturm im Landkreis Cuxhaven.
Dies sei, so das Landgericht München I, ein deutlicher Unterschied, da sich der Turm bei der Werbung der Klageseite, die ihren Sitz in Hamburg hat, naturgemäß nicht finde.

Zudem würden Verbraucherinnen und Verbraucher von Fischprodukten in dem männlichen Protagonisten der Beklagten gerade keinen Seemann erkennen, wie „Käpt’n Iglo“, sondern einen distinguierten, gut situierten Herren in einem eleganten Dreiteiler mit Seidenschal.

Die Werbefigur der Beklagten trage auf den meisten Bildern keinen blauen Anzug, wie „Käpt`n Iglo“, sondern einen grauen Anzug. Anders als Käpt`n Iglo trage die Figur der Beklagten auch keinen weißen Rollkragenpullover und kein weißes T-Shirt, sondern eine karierte Weste mit Krawatte, sowie einen Seidenschal.

Der Umstand, dass die Figur der Beklagten am Meer eine Elblotsen-Mütze trage, mache sie nicht zu einem Seemann. Solche Mützen werden im norddeutschen Raum, an der See, zahlreich getragen, insbesondere handele es sich insoweit auch nicht um eine Kapitänsmütze.

Werbung mit gut aussehenden Männern im etwas reiferen Alter, auch wenn sie einen grau melierten Bart tragen, könne der beklagten Partei per se nicht untersagt werden, weil es allgemein bekannt sei, dass die Werbung mit solchen „Best Agern“ derzeit äußerst beliebt und verbreitet sei, so die Kammer.

Darüber hinaus sei der Name und damit die Herkunftskennzeichnung der Beklagten bei der Werbung deutlich wahrnehmbar und weise eindeutig auf die Beklagte hin. Für die angesprochenen Verbraucherinnen und Verbraucher sei damit ohne Zweifel erkennbar, dass die angegriffene Werbung weder mit der Figur des „Käpt`n Iglo“, noch mit der Klagepartei in Verbindung stehe.

Das Urteil des Landgerichts München I ist nicht rechtskräftig.


OLG Frankfurt: Unlautere Nachahmung eines Trocknerballs für die Verwendung im Wäschetrockner

OLG Frankfurt
Urteil vom 25.06.2020
6 U 65/19


Das OLG Frankfurt hat in diesem Rechtsstreit eine unlautere Nachahmung eines Trocknerballs für die Verwendung im Wäschetrockner nach § 4 Nr. 3a UWG bejaht.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Klägerin ist an der Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs aus ergänzendem Leistungsschutz nicht deshalb gehindert, weil sie Inhaberin eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist. Denn die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV) lässt Bestimmungen der Mitgliedstaaten über den unlauteren Wettbewerb unberührt, Artikel 96 Abs. 1 GGV (BGH, Urteil vom 9.10.2008 - I ZR 126/06 - Gebäckpresse, Rn 31, juris).

2. Der Vertrieb einer Nachahmung kann nach § 4 Nr. 3a UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände - wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft - hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, Urteil vom 11.1.2018 - I ZR 187/16 - Ballerinaschuh - Rn 47, juris).

Im Streitfall weisen die Trocknerbälle der Klägerin eine durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart auf, das beanstandete Produkt der Beklagten einen hohen Grad der Nachahmung und die Herkunftstäuschung war ohne Weiteres vermeidbar.

a) Es fehlt nicht an der Aktivlegitimation der Klägerin. Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz sollen grundsätzlich nur von demjenigen geltend gemacht werden können, der die zu schützenden Leistungen erbracht hat. Das ist in der Regel der Hersteller der nachgeahmten Ware. Dabei ist Hersteller, wer das Erzeugnis in eigener Verantwortung herstellt oder von einem Dritten herstellen lässt und über das Inverkehrbringen entscheidet. Nicht erforderlich ist, dass der Hersteller zugleich der Schöpfer oder Urheber des Originalprodukts ist (BGH, Urteil vom 2.12.2015 - I ZR 176/14 - Herrnhuter Stern, Rn 21, juris). Der nach § 4 Nr. 3 anspruchsberechtigte Hersteller muss nicht Rechtsnachfolger des Unternehmens sein, von dem das Originalerzeugnis erstmals gefertigt wurde. Maßgeblich ist, ob der Verkehr im Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung die objektiv gerechtfertigte Vorstellung hat, bei der von dem Anspruchsteller hergestellten Ware handele es sich um das Erzeugnis eines bestimmten Originalherstellers (BGH, a.a.O., Rn 23, juris). Nach diesen Grundsätzen ist die Klägerin aktivlegitimiert. Sie ist als Herstellerin anzusehen, da die Firma X Ltd. die Produkte nach ihrem insoweit unbestrittenen Vortrag nach ihren Weisungen herstellt und vertreibt. Dass das Erzeugnis in den ersten Jahren des Vertriebs, von 2005 bis 2012, ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Rechnungen gemäß Anlagen BRP 1, 8-12 von der Firma Z Ltd. in Deutschland in den Verkehr gebracht wurde, ist ebenso unerheblich wie das Bestreiten der Beklagten, dass es sich hierbei um die Rechtsvorgängerin der Firma X Ltd. oder der Klägerin handelt.

b) Das klägerische Produkt ist originär wettbewerblich eigenartig.

Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2010, 80 Rn0 23 - LIKEaBIKE; BGH GRUR 2013, 1052 Rn 18 - Einkaufswagen III; BGH GRUR 2015, 909 Rn 10 - Exzenterzähne). Für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist auf den Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses abzustellen (BGH, Urteil vom 2.12.2015 - I ZR 176/14 - Herrnhuter Stern, Rn 33, juris). Das ist immer dann der Fall, wenn es sich - unabhängig von der Anzahl der Merkmale - von anderen Produkten im Marktumfeld so abhebt, dass der Verkehr es aufgrund dieser Eigenschaften einem bestimmten Hersteller zuordnet (BGH, Urteil vom 24.1.2013 - I ZR 136/11 - Regalsystem, Rn 24, juris). Wettbewerbliche Eigenart setzt weder Neuheit noch Bekanntheit des Erzeugnisses voraus (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 38. Aufl., § 4 Rz 3.24).

aa) Die Beklagte rügt ohne Erfolg, die Klägerin begehre wettbewerbsrechtlichen Schutz für eine Idee. Zutreffend ist allerdings, dass eine gestalterische Grundidee, die keinem Sonderrechtsschutz zugänglich ist, im Interesse des freien Wettbewerbs nicht im Wege des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes für einen Wettbewerber monopolisiert werden kann (BGH, Urteil vom 22.3.2012 - I ZR 21/11 - Sandmalkasten, Rn 19, juris; Urteil vom 2.12.2015 - I ZR 176/14 - Herrnhuter Stern, Rn 37, juris). Sie kann daher die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts nicht begründen. Herkunftshinweisend kann jedoch die konkrete Umsetzung der gestalterischen Grundidee oder eine besondere Kombination bekannter Gestaltungsmerkmale sein (vgl. BGH a.a.O. - Sandmalkasten; Herrnhuter Stern; Urteil vom 28.10.2004 - I ZR 226/01 - Puppenausstattungen, Rn 41, juris). So hat der BGH dem „Herrnhuter Stern“ in der gleichnamigen Entscheidung eine durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart zugebilligt, obwohl das Konstruktionsprinzip dieses Sterns, Pyramiden auf die Flächen eines Rhombenkuboktaeders zu setzen, bereits im 16. Jahrhundert von dem italienischen Mathematiker Luca Pacioli erdacht wurde. Der BGH sah in dem Aufsetzen von Strahlen unterschiedlicher Länge den entscheidenden gestalterischen Schritt, der dem „Herrnhuter Stern“ gegenüber der nicht schutzfähigen Grundform eines Rhombenkuboktaeders wettbewerbliche Eigenart verleiht.

Auch im Streitfall geht es nicht um die Idee, Noppen auf eine Kugelform aufzusetzen, sondern um ein ganz bestimmtes Erzeugnis. Dabei ist, anders als im Fall des „Herrnhuter Sterns“, schon die Anordnung der Noppen aufgrund der kugelförmigen Grundform nicht vorgegeben. Gleiches gilt für die Länge und die Gestaltung der Noppen als Kegel. So vertreibt die Klägerin selbst auch Trocknerbälle, bei denen die Noppen eine pyramidenförmige Grundform aufweisen.

bb) Die wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Erzeugnisses scheitert auch nicht daran, dass es sich um ein Allerweltserzeugnis handelt, bei dem der Verkehr auf die betriebliche Herkunft des Erzeugnisses keinen Wert legt und deshalb nicht aus bestimmten Merkmalen auf die betriebliche Herkunft schließt (dazu BGH, Urteil vom 21.9.2006 - I ZR 270/03 - Stufenleitern, Rn 26, juris). Die Beklagte vertritt diese Auffassung mit der Begründung, bei dem klägerischen Erzeugnis handele es sich um einen Noppenball, wie er seit Jahrzehnten als Massageball - wie auch als Spielzeug für Hunde und Katzen - bekannt sei.

Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei Noppenbällen, die als Massagebälle oder als Tierspielzeug verwendet werden, um Allerweltserzeugnisse handelt. Jedenfalls ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, dass es sich bei Trocknerbällen, die als genoppte Bälle gestaltet sind, um ein Allerweltserzeugnis handeln könnte. Dies kann jedenfalls nicht aus dem Umstand gefolgert werden, dass Bälle, die ähnlich aussehen wie das klägerische Erzeugnis, als Massagebälle oder Tierspielzeug Verwendung finden.

Anders als im Designrecht, wo für die rechtliche Beurteilung allein das Muster maßgeblich ist, so wie es eingetragen ist, werden im Wettbewerbsrecht Erzeugnisse vor der unlauteren Nachahmung durch Wettbewerber geschützt. Entscheidend ist deshalb, dass sich das Erzeugnis des Anspruchstellers von anderen Produkten im Marktumfeld abhebt (BGH a.a.O. - Herrnhuter Stern - Rn 41, juris; BGH Urteil vom 24.1.2013 - I ZR 136/11 - Regalsystem, Rd. 24, juris). Das relevante Marktumfeld „Noppenbälle“ existiert nicht, weil es keinen einheitlichen Markt für Noppenbälle gibt. Denn diese können als Massagegeräte, Tierspielzeug oder auch als Trocknerbälle zum Einsatz kommen. Bereits aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.12.1968 (I ZR 130/66 - Bundstreifensatin II) ergibt sich, dass der Verwendungszweck eines Erzeugnisses (dort: Streifensatin für Bettwäsche) in die Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart einzubeziehen ist. Es ist schon nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich, dass ein Noppenball, der als Massageball produziert wurde, für den Einsatz im Wäschetrockner geeignet ist. Gleiches gilt für die Frage, ob ein Noppenball, der als Trocknerball produziert wurde, als Tierspielzeug dienen kann. Selbst wenn dies so sein sollte, besteht keine Grundlage für die Annahme, dem von dem klägerischen Erzeugnis angesprochenen Verkehrskreis könnte geläufig sein, dass er anstelle eines Trocknerballes auch einen Massageball oder einen als Tierspielzeug gedachten Noppenball im Wäschetrockner verwenden kann. Es fehlt daher - zumindest aus der insoweit maßgebenden Sicht der angesprochenen Verkehrskreise - an einer Substituierbarkeit der Produkte.

cc) Das klägerische Erzeugnis hat eine kugelförmige Grundform mit einem Durchmesser von 5,6 cm. Es ist mit kegelförmigen Noppen bestückt, die 5 mm lang sind. Sowohl die kugelförmige Grundform als auch Form und Anordnung der Noppen sind frei wählbar. Dies hat die Klägerin mit der Abbildung von Konkurrenzprodukten in der Klageschrift belegt. Dort finden sich Produkte mit einem ovalen oder kegelförmigen Korpus und auch solche, die wie ein Igel aussehen. Auch die Gestaltung der Noppen selbst ist verschieden.

Die Grundform des klägerischen Erzeugnisses und die Gestaltung der Noppen sind daher geeignet, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft hinzuweisen.

c) Die wettbewerbliche Eigenart war zum Zeitpunkt des Anbietens der Nachahmung auf dem Markt nicht entfallen.

aa) Zwar hat die Beklagte als Anlage BDP 3 ein eBay-Angebot aus dem Jahr 2016 vorgelegt, mit dem ein „Massageball 8cm Igelball Noppenball Stachelball Trocknerball Ball Massage“ beworben wurde. In der Beschreibung heißt es, der Massageball sei „auch als Trocknerball benutzbar“. Dieses Angebot kann jedoch nicht dazu führen, dass die wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Erzeugnisses entfallen ist. Diese Annahme wäre nur dann gerechtfertigt, wenn es solche Angebote in einer Vielzahl gäbe, die dazu geführt hätte, dass sich bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Kenntnis dahingehend durchgesetzt hätte, dass es sei bei Trocknerbällen, Massagebällen und Noppenbälle als Spielzeug für Hunde und Katzen um ein und dasselbe Erzeugnis mit unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten handelt. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte.

bb) Die wettbewerbliche Eigenart des Erzeugnisses ist auch nicht dadurch entfallen, dass das Unternehmen B das klägerische Erzeugnis unter seiner Marke vertrieben hat.

Das wäre nur dann der Fall, wenn der Verkehr dessen prägende Gestaltungsmerkmale aufgrund der Marktverhältnisse nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einem mit diesem durch einen Lizenz- oder Gesellschaftsvertrag verbundenen Unternehmen zuordnet (vgl. BGH GRUR 2007, 984 Rn 23, 25 und 32 - Gartenliege; BGH GRUR 2015, 909 Rn 11 - Exzenterzähne; BGH GRUR 2016, 720 Rn 16 - Hot Sox; BGH GRUR 2017, 79 Rn 52 - Segmentstruktur). Das kann der Fall sein, wenn der Hersteller sein Erzeugnis an verschiedene Unternehmen liefert, die es in großem Umfang unter eigenen Kennzeichnungen vertreiben (vgl. BGH GRUR 2007, 984 Rn 26 - Gartenliege; BGH GRUR 2015, 909 Rn 14 - Exzenterzähne; BGH GRUR 2016, 720 Rn. 28 - Hot Sox). Voraussetzung ist aber, dass der Verkehr die weiteren Kennzeichnungen als Herstellerangaben und nicht als Handelsmarken ansieht (BGH, Urteil vom 15.12.2016 - I ZR 197/15 - Bodendübel, Rn 41, juris).

Daran fehlt es bei dem Vertrieb der dryerballs über B, da es sich bei „B“ bekanntermaßen um eine Handelsmarke handelt.

d) Aus der Gegenüberstellung gemäß Anlage BRP 26 ergibt sich, dass das klägerische und das beanstandete Erzeugnis nahezu gleich aussehen. Sie haben dieselbe Größe, die Noppen sich gleich groß, lediglich nach oben hin etwas spitzer zulaufend, was man aber erst auf den zweiten Blick erkennt. Die Nachahmung ist evident.

e) Nach § 4 Nr. 3a UWG ist das Anbieten eines Nachahmungsprodukts unlauter, wenn sie eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft des Nachahmungsprodukts herbeiführt. Der Täuschung steht die Begründung einer Täuschungsgefahr gleich (Köhler/Bornkamm/Feddersen a. a. O. § 4 Rz 3.41).

aa) Die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft eines nachgeahmten Erzeugnisses setzt voraus, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Es genügt bereits eine Bekanntheit, bei der sich die Gefahr der Herkunftstäuschung in noch relevantem Umfang ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH, Urteil vom 24.5.2007 - I ZR 104/04 - Gartenliege, Rn 34, juris).

Die Klägerin vertreibt ihren dryerball bereits seit 2005 nach Deutschland; sie können aktuell bei Amazon über die Firma A bezogen werden. Damit ist das Erfordernis einer gewissen Bekanntheit des Originals erfüllt.

bb) Eine Herkunftstäuschung ist vermeidbar, wenn sie durch geeignete und zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Ob und welche Maßnahmen zur Verhinderung einer Herkunftstäuschung dem Wettbewerber zugemutet werden können, ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen, bei der das Interesse des Herstellers des Originalprodukts an der Vermeidung einer Herkunftstäuschung, das Interesse der Wettbewerber an der Nutzung nicht unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungselemente sowie das Interesse der Abnehmer an einem Preis- und Leistungswettbewerb zwischen unterschiedlichen Anbietern zu berücksichtigen sind (vgl. BGH GRUR 2013, 951 Rn 35 f. - Regalsystem; BGH GRUR 2015, 909 Rn 33 - Exzenterzähne; BGH GRUR 2016, 730 Rn 68 - Herrnhuter Stern). Die Übernahme ästhetischer Gestaltungsmerkmale, mit denen die angesprochenen Verkehrskreise Herkunftsvorstellungen verbinden, ist regelmäßig nicht sachlich gerechtfertigt, weil den Wettbewerbern in aller Regel ein Ausweichen auf andere Gestaltungsformen und damit ein Abstand zum Original möglich und zumutbar ist (BGH, Urteil vom 14.9.2017 - I ZR 2/16 - Leuchtballon, Rn 39, juris).

Im Streitfall ist die Herkunftstäuschung vermeidbar, weil die Beklagte ohne Not die Grundform des klägerischen Erzeugnisses wie auch die Anordnung und Gestaltung der Noppen nahezu identisch übernommen hat.

cc) Dem Einwand der Beklagten, eine Herkunftstäuschung werde ausgeschlossen, weil sie ihre Trocknerbälle unter einer anderen Marke, nämlich „homeware“ vertreibe, verfängt nicht.

Zwar kann eine Herkunftstäuschung durch eine deutlich sichtbare, sich vom Originalprodukt unterscheidende Kennzeichnung der Nachahmung ausgeräumt werden, aber nur, wenn die angesprochenen Verkehrskreise diese einem bestimmten Unternehmen nicht allein anhand ihrer Gestaltung zuordnen, sondern sich beim Kauf auch an den Herstellerangaben in der Werbung, den Angebotsunterlagen oder an der am Produkt angebrachten Herstellerkennzeichnung orientieren (BGH, Urteil vom 15.12.2016 - I ZR 197/15 - Bodendübel, Rn 61, juris). Hierzu fehlt es an Vortrag seitens der Beklagten, die für die Ausräumung der vermeidbaren Herkunftstäuschung als einer ihr günstigen Tatsache die Darlegungs- und Beweislast trägt.

Im Übrigen hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass die Beklagte unter der Marke „homeware“ eine Vielzahl unterschiedlichster Produkte vertreibt, dass es sich mit anderen Worten um eine Handelsmarke handelt, die ohnehin nicht geeignet ist, eine Herkunftstäuschung auszuräumen, da sie nur auf den Vertrieb durch einen bestimmten Händler hinweist.

3. Der Frage, ob auch ein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 UWG vorliegt, ist nicht nachzugehen. Denn der lauterkeitsrechtliche Verwechslungsschutz geht nicht weiter als der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz (Köhler/Bornkamm/Feddersen a. a. O. § 5 Rn. 9.23).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Kaffeebereiter von Melitta stellt keine unlautere Nachahmung des Bodum Chambord Kaffeebereiters dar

OLG Frankfurt
Urteil vom 27.08.2020
6 U 44/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der Kaffeebereiter von Melitta keine unlautere Nachahmung des Bodum Chambord Kaffeebereiters darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 3 a), b) UWG hinsichtlich des angegriffenen Kaffeebereiters zu. Es handelt sich um keine unlautere Nachahmung des Produkts „Chambord“ der Klägerin.

a) Das Landgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kaffeebereiter „Chambord“ wettbewerbliche Eigenart zukommt. Die Klägerin bietet unter der Bezeichnung „Chambord“ unterschiedliche Produkte an. Sie hat klargestellt, dass die Klage allein auf die aus der Anlage K1 ersichtliche Gestaltung gestützt ist (Bl. 293 d.A.).

aa) Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist der Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses maßgebend. Dieser kann durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die zwar nicht für sich genommen, aber in ihrem Zusammenwirken geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft des nachgeahmten Produkts aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Technisch notwendige Gestaltungsmerkmale - also Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen - können aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen (OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2020, 122 - Rotations-Ausrichtungssystem; OLG Frankfurt am Main LMuR 2019, 154 Rn 19 - Collagen-Lift-Drink; BGH GRUR 2017, 734 - Bodendübel). Handelt es sich dagegen nicht um technisch notwendige Merkmale, sondern nur um solche, die zwar technisch bedingt, aber frei austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, können sie eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, sofern der Verkehr wegen dieser Merkmale auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Unternehmen Wert legt oder mit ihnen gewisse Qualitätserwartungen verbindet (BGH GRUR 2015, 909Rn 18 und 24 - Exzenterzähne). Auch eine Kombination einzelner Gestaltungsmerkmale kann eine wettbewerbliche Eigenart begründen, selbst wenn die einzelnen Merkmale für sich genommen nicht geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen (BGH GRUR 2017, 1135 Rn 20 - Leuchtballon).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wird der Gesamteindruck des Kaffeebereiters „Chambord“ nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung durch folgende Gestaltungsmerkmale geprägt, die in Kombination geeignet sind auf die betriebliche Herkunft und die Besonderheiten des Produkts hinzuweisen:

- (1) Zylinderförmiger Kaffeebereiter aus Glas, der eine Trägerkonstruktion aus Metall mit vier vertikalen Haltestreben sowie einen horizontalen Haltering aufweist.
- (2) Die vertikalen Haltestreben verjüngen sich pfeilartig am Übergang zum horizontalen Haltering.
- (3) Die vertikalen Haltestreben gehen am unteren Ende in nach außen abgeknickte Füße über.
- (4) Der Haltering ist mit einem bogenförmigen Griff aus Kunststoff verbunden.
- (5) Der Haltering und der Griff sind mit einer gut sichtbaren Schraube verbunden.
- (6) Der Kaffeebereiter weist einen kuppelartig abgerundeten Deckel mit einem kugelförmigen Knopf auf.
cc) Entgegen der Ansicht der Klägerin erstreckt sich die wettbewerbliche Eigenart hingegen nicht allgemein auf die Gestaltung eines Kaffeebereiters aus einem Glasbehälter, der eine Trägerkonstruktion aus Metall aufweist.

(1) Nach den Ausführungen in der Klageschrift unterscheidet sich das Original der Klägerin von den Wettbewerbsprodukten insbesondere durch die außergewöhnliche Trägerkonstruktion (S. 6). Dem kann nicht beigetreten werden. Die wettbewerbliche Eigenart des „Chambord“ reicht nicht so weit, dass schon das Vorhandensein einer Haltekonstruktion mit Metallstreben in den Schutzbereich fällt. Die Trägerkonstruktion des Originals erfüllt nicht nur ästhetische, sondern auch technische Zwecke. Sie verbindet den Haltegriff mit dem Glasgefäß und beinhaltet vier Standfüße, mit denen ein Abstand des heißen Glasbodens zur Standfläche (z.B. einem Tisch) erzeugt wird. Zwar ist eine solche Metallträgerkonstruktion für einen gläsernen Kaffeebereiter der streitgegenständlichen Art technisch nicht zwingend notwendig. Es sind andere technische Lösungen denkbar, um einen Griff zu befestigen und einen Abstand zur Standfläche zu erzeugen (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.1.2019 - 6 U 205/17). Jedoch dient die Verwendung eines Metallrings und daran angeordneter Metallfüße - entgegen der Ansicht der Klägerin - vorrangig der Erreichung der genannten Funktionen und nicht vorrangig ästhetischen Zwecken. Merkmale, die lediglich eine Idee zur benutzerfreundlichen Handhabung verkörpern, rechnen nicht zur wettbewerblichen Eigenart. Der Schutz bezieht sich immer nur auf die konkrete Ausgestaltung eines Erzeugnisses (BGH WRP 2017, 51 Rn 71 - Segmentstruktur). Daher kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, zum Zeitpunkt der Entwicklung der streitgegenständlichen Originalkanne in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Frankreich seien im Formenstand lediglich Kaffeebereiter ohne Trägerkonstruktion wie aus der Anlage K5 ersichtlich bekannt gewesen. Hierbei handelt es sich augenscheinlich um schlichte Pressstempelkannen aus Blech bzw. aus Emaille. Anders als für den Designschutz kommt es für die wettbewerbliche Eigenart nicht auf die Neuheit bestimmter Merkmale, sondern darauf an, ob sie der Verkehr dem Hersteller des „Originals“ zuordnet. Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr Haltekonstruktionen aus Metallstreben - unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung - stets der Chambord-Kanne zuweist. Ohnehin kommt es nicht auf die Entwicklung in Frankreich, sondern im Geltungsbereich des UWG an.

(2) Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts sind als Pressstempelkannen bzw. „French Press“ bezeichnete Kaffeebereiter auf dem Markt zahlreich erhältlich und werden von verschiedenen Anbietern vertrieben. Die im Tatbestand eingeblendete Übersicht (LGU 8, 9) wurde der Klageerwiderung entnommen (S. 3, 4). Weitere Entgegenhaltungen ergeben sich aus der Anlage B2. Insoweit hat die Klägerin dargelegt, dass sie gegen viele dieser Entgegenhaltungen mit rechtlichen Mitteln vorgegangen ist, weil es sich um Nachahmungen des „Chambord“ handele. Es verbleibt gleichwohl eine nicht unerhebliche Zahl an Entgegenhaltungen, die sich hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Metallträgerkonstruktion von dem „Chambord“ deutlich unterscheiden. Das gilt zum Beispiel für die Modelle „Axentia“ und „Ambition“ (Bl. 152 d.A.). Dies zeigt, dass im wettbewerblichen Umfeld Kaffeebereiter mit zylindrischem Glasgefäß und Metallträgerkonstruktion unterschiedlicher Anbieter erhältlich sind.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann der Beklagten insoweit keine mangelnde Substantiierung vorgeworfen werden, da jeweils die Produktbezeichnung und die entsprechende Handelsplattform genannt werden. Die Klägerin, die konsequent gegen Nachahmungen vorgeht, hat auch nicht dargelegt, sämtliche der entgegengehaltenen Kaffeebereiter als Nachahmungen zu betrachten. Sie steht vielmehr - zu Recht - auf dem Standpunkt, dass die auf den Seiten 3 und 4 der Klageerwiderung abgebildeten Kaffeebereiter teilweise keine hinreichenden Ähnlichkeiten mit „Chambord“ aufweisen, da sich insbesondere ihre Metallkonstruktion erheblich unterscheidet.

dd) Im Ergebnis kann daher nur der konkreten Ausgestaltung des Kaffeebereiters mit den oben genannten charakteristischen Merkmalen der Trägerkonstruktion wettbewerbliche Eigenart zugemessen werden, nicht der Trägerkonstruktion an sich. Keine prägende Bedeutung für den Gesamteindruck hat auch das Merkmal, dass der Glaskörper über das Metallband herausragt. Dies erscheint schon aus Gründen der besseren Handhabung naheliegend und wird von Verkehr daher nicht als prägendes Merkmal wahrgenommen.

ee) Die wettbewerbliche Eigenart ist unter Berücksichtigung des aufgezeigten wettbewerblichen Umfelds, soweit dieses keine Nachahmungen betrifft, als durchschnittlich einzustufen. Unstreitig bringt die Klägerin den Kaffeebereiter „Chambord“ seit mehr als 50 Jahren auf den Markt (Bl. 284 d.A.). Nach den von der Beklagten nicht mittels Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffenen tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts wird das Produkt seit Jahrzehnten in Deutschland „mit großem Erfolg“ vermarktet (LGU 5). Die Beklagte kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe die behaupteten Vertriebszahlen bestritten. Es ist im Übrigen auch gerichtsbekannt, dass die Klägerin seit vielen Jahren mit ihrem Kaffeebereiter am Markt ist. Von einer gesteigerten Eigenart aufgrund hoher Bekanntheit kann hingegen nicht ausgegangen werden. Hierfür reicht die Behauptung eines Verkaufs von 100.000 Stück pro Jahr in Deutschland nicht aus, da die Klägerin ihren Marktanteil nicht angegeben hat.

ff) Konkrete Anhaltspunkte für eine Schwächung der wettbewerblichen Eigenart liegen entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor. Die von der Beklagten in der Klageerwiderung aufgezeigten Modelle Genware, LaCafetière, bennet-shop und Hario Olive, die eine ähnliche Trägerkonstruktion aufweisen, wurden von der Klägerin als Nachahmungen angegriffen. Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass sie konsequent gegen Nachahmungen vorgeht. Das ist im Übrigen gerichtsbekannt (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.6.2020 - 6 U 66/19; Urteil vom 17.1.2019 - 6 U 205/17; Urteil vom 20.8.2009 - 6 U 146/08, juris).

Dass gleichwohl immer eine gewisse Anzahl von Nachahmungen auf dem Markt zu finden ist, ist dem besonderen Erfolg des „Chambord“-Modells geschuldet und lässt sich nicht vollständig verhindern. Von einem Verlust der wettbewerblichen Eigenart ist auch beim Vorhandensein zahlreicher Kopien auf dem Markt nicht auszugehen, solange der Verkehr noch zwischen dem Original und den Nachahmungen unterscheidet (BGHZ 138, 143, 149 - Les-Paul-Gitarren; BGH GRUR 2007, 795Rn 28 - Handtaschen). Das ist aufgrund der konsequenten Rechtsdurchsetzung durch die Klägerin hier anzunehmen. Die Übrigen von der Beklagten aufgezeigten Gestaltungen im wettbewerblichen Umfeld weisen eine andere Trägerkonstruktion auf und gefährden daher nicht die wettbewerbliche Eigenart des „Chambord“-Modells.

b) Die angegriffene Ausführungsform der Beklagten stellt jedoch keine Nachahmung des „Chambord“-Modells dar. Der Kaffeebereiter mag auf den ersten Blick gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Die Ähnlichkeiten beruhen jedoch in erster Linie auf den gemeinfreien Merkmalen eines „French Press“-Kaffeebereiters aus Glas mit Trägerkonstruktion, die die Klägerin nicht für sich allein beanspruchen kann.

aa) Eine Nachahmung liegt vor, wenn das angegriffene Produkt dem Originalprodukt so ähnlich ist, dass es sich in ihm wiedererkennen lässt. Hierfür ist zu prüfen, ob das angegriffene Produkt die prägenden Gestaltungsmerkmale des Originalproduktes übernimmt, die dessen wettbewerbliche Eigenart ausmachen. Dabei kommt es auf die Gesamtwirkung der einander gegenüberstehenden Produkte aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers an. Von einer zumindest nachschaffenden Nachahmung ist auszugehen, wenn das Original als Vorbild einer Gestaltung erkennbar und eine Annäherung an das Originalprodukt festzustellen ist (BGH WRP 2018, 950 Rn. 50 - Ballerinaschuh).

bb) Vorliegend fehlt es an der Kombination wesentlicher prägender Merkmale des Originals, weshalb letztlich ein abweichender Gesamteindruck erzeugt wird. Der Durchschnittsverbraucher erkennt daher nicht den Chambord-Kaffeebereiter als Vorbild und stellt auch keine Annäherung fest.

Das angegriffene Produkt weist ebenfalls eine Trägerkonstruktion aus Metall mit vertikalen, nach außen in Füße übergehende Haltestreben sowie einen horizontalen Haltering auf (Merkmal 1). Die vertikalen Haltestreben gehen auch an der Unterseite in nach außen abgeknickte Füße über (Merkmal 3). Diese Übereinstimmungen reichen allerdings nicht aus, um einen vergleichbaren Gesamteindruck zu erzeugen, da die Kanne der Beklagten insgesamt eine abweichende gestalterische Wirkung erzielt. Sie weist nur drei vertikale Haltestreben auf. Durch die Beschränkung auf drei Streben entsteht eine puristischere, weniger filigrane Anmutung als beim Original. Dieser Eindruck entsteht unabhängig davon, ob der Verbraucher die Haltestreben abzählt. Da er erfahrungsgemäß nur einen undeutlichen Erinnerungseidruck von dem Original hat, wird ihm die Anzahl der Streben zwar nicht geläufig sein, gleichwohl wird ihm die puristischere Anmutung auffallen. Dieser Unterschied ist deutlich erkennbar. Außerdem verjüngen sich die vertikalen Haltestreben nicht pfeilartig am Übergang zum horizontalen Haltering (Merkmal 2). Sie verjüngen sich überhaupt nicht, sondern sind am Übergang - im Gegenteil - breiter ausgestaltet. Auch dies unterstreicht das weniger filigrane Design. Ein bogenförmiger Griff ist zwar bei der angegriffenen Form ebenfalls vorhanden (Merkmal 4). Er unterscheidet sich jedoch so deutlich von dem besonderen Griff des „Chambord“, dass eine Anlehnung fernliegt. Es fehlt auch an der Verbindung mit einer gut sichtbaren Schraube (Merkmal 5). Gänzlich anders ist der Deckel ausgestaltet. Er ist flach und weist einen flachen, stempelartigen Pressknopf auf (Merkmal 6). Durch die genannten Unterschiede entsteht ein komplett abweichender Gesamteindruck.

c) Selbst wenn man bei der angegriffenen Gestaltung von einer Anlehnung ausgehen wollte, könnte allenfalls von einer nachschaffenden Übernahme und einem sehr geringen Nachahmungsgrad ausgegangen werden. In diesem Fall würde die Gesamtabwägung dazu führen, dass keine Unlauterkeit angenommen werden kann.

aa) Eine Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3 a) UWG scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil die Verpackung und der angegriffene Kaffeebereiter selbst deutlich sichtbar das „Melitta-Logo“ aufweisen. Diese Marke ist dem Verkehr bekannt und wird als Herstellerzeichen wahrgenommen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass der Verkehr die Bezeichnung „Melitta“ als bloße Handelsmarke auffassen könnte, die nicht einem anderen Hersteller, sondern nur einem Vertriebsunternehmen zuzuordnen ist. Demgegenüber sind die Originalprodukte der Klägerin sowohl an der Metallstrebe als auch auf dem Glaskolben mit „bodum“ gekennzeichnet (Anlage K1). Der Verkehr wird daher keiner Herkunftstäuschung unterliegen. Der Verkehr hat auch keinen Anlass, bei dem Zeichen „Melitta“ von einer Zweitmarke des Originalherstellers oder davon auszugehen, es bestünden lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen. Die Produkte der Parteien unterscheiden sich so stark, dass eine solche Verbindung fernliegt.

bb) Auch eine unlautere Rufausbeutung nach § 4 Nr. 3 b UWG kann - entgegen der Ansicht des Landgerichts - bei Abwägung der Gesamtumstände nicht angenommen werden.

(1) Eine unlautere Rufausnutzung kann nicht nur auf einer Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise über die betriebliche Herkunft der Nachahmung, sondern auch auf einer Anlehnung an die fremde Leistung beruhen, die eine erkennbare Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Produkte erfordert. Die Frage, ob hierdurch eine Gütevorstellung im Sinne von § 4 Nr. 3 Buchst. b Fall 1 UWG unangemessen ausgenutzt wird, ist im Wege einer Gesamtwürdigung zu beantworten, bei der alle relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Grad der Anlehnung sowie die Stärke des Rufs des nachgeahmten Produkts, zu berücksichtigen sind. Dabei kann grundsätzlich schon die Annäherung an die verkehrsbekannten Merkmale eines fremden Produkts als solche zu einer für die Annahme einer Rufausbeutung erforderlichen Übertragung der Gütevorstellung führen (vgl. BGH, GRUR 2017, 734Rn 66 - Bodendübel). Allerdings reicht es für eine Rufausbeutung nicht aus, wenn lediglich Assoziationen an ein fremdes Produkt und damit Aufmerksamkeit erweckt werden (vgl. BGH, GRUR 2019, 196 Rn 23 - Industrienähmaschinen; GRUR 2013, 1052Rn 38 - Einkaufswagen III).

(2) Von einer besonderen Wertschätzung des Produkts der Klägerin bei den deutschen Verkehrskreisen kann aus den oben genannten Gründen zwar ausgegangen werden. Das Produkt der Beklagten unterscheidet sich jedoch von jenem der Klägerin so stark, dass eine Übertragung des guten Rufs ausgeschlossen erscheint. Während die Kanne der Klägerin zierlich, filigran und traditionell wirkt, handelt es sich bei der angegriffenen Ausführungsform eher um eine moderne, puristisch-funktionale Gestaltung. Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann - auch vom Standpunkt eines Verbrauchers, der die Gestaltungen nicht unmittelbar nebeneinander sieht - gerade nicht angenommen werden, dass die Gemeinsamkeiten überwiegen. Diejenigen Merkmale, die die wettbewerbliche Eigenart der „Chambord“-Kanne begründen, sind in der angegriffenen Form überwiegend nicht festzustellen. Der Verkehr wird aufgrund des abweichenden Gesamteindrucks der Gestaltungen keine Gütevorstellungen übertragen.

2. Da das angegriffene Produkt keine unlautere Nachahmung darstellt, stehen der Klägerin auch nicht die vom Landgericht zugesprochenen Folgeansprüche auf Schadensersatz, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Erstattung von Abmahnkosten zu.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Kein wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG wenn Nachahmung eines nur im Ausland erhältlichen Produkts zuerst in Deutschland erhältlich ist

OLG Frankfurt
Urteil vom 12.12.2019
6 U 83/18

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG greift, wenn die Nachahmung eines nur im Ausland erhältlichen Produkts zuerst in Deutschland erhältlich ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1.) Es fehlt schon an der für ein unlauteres Verhalten nach § 4 Nr. 3 UWG notwendigen Nachahmung.

a) Eine Nachahmung setzt voraus, dass dem Hersteller im Zeitpunkt der Schaffung des beanstandeten Produkts das Vorbild bekannt war (vgl. BGH GRUR 2008, 1115, Rnr. 24 - Büromöbel; BGH, GRUR 2002, 629, 633 - Blendsegel). Liegt diese Kenntnis nicht vor, sondern handelt es sich bei der angegriffenen Ausführung um eine selbstständige Zweitentwicklung, ist schon begrifflich eine Nachahmung ausgeschlossen. Daran hat sich auch nichts dadurch geändert, dass für die Zuerkennung von Ansprüchen aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz nach §§ 3, 4 Nr. 3 UWG das Vorliegen eines subjektiven Unlauterkeitstatbestands nicht erforderlich ist.

b) An einer solchen Nachahmung fehlt es hier, da die Herstellerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das Produkt „Shoeps“ nicht nach dem klägerischen Produkt auf den Markt gebracht hat, was eine Vermutungswirkung für eine Nachahmung auslösen würde (BGH GRUR 1998, 477, 480 - Trachtenjanker), sondern zeitgleich oder sogar früher.

Aus den von der Beklagten vorgelegten Rechnungen (Anlage B 11 ff.) ergibt sich, dass die Markteinführung der Shoeps-Produkte im April 2014 erfolgte und bis Jahresende ca. 4000 Exemplar verkauft wurden.

Die Authentizität der vorgelegten Rechnungen hat der Zeuge A bestätigt. Er hat in seiner Vernehmung vor dem Senat erläutert, erstmals 2013 von der Fa. Miyali auf die „Shoeps“ aufmerksam gemacht worden zu sein und daraufhin Kontakt mit möglichen Abnehmern in Deutschland aufgenommen zu haben. Dann seien die Schnürsenkel auf der Fachmesse GDS im März 2014 ausgestellt worden (Anlage B 29, Bl. 432). In unmittelbarer Folge dieser Messe habe er dann begonnen, von der Fa. Miyali „Shoeps“ zu beziehen und an Abnehmer in Deutschland zu verkaufen. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass nur ein Teil der Rechnungen tatsächlich vom Zeugen A erstellt worden sind und ein Teil gefälscht sind. Der Zeuge A hat in der mündlichen Verhandlung die Rechnungen stichprobenartig geprüft und inhaltlich näher erläutern können. Der Senat hat keine Zweifel, dass mit jeder Rechnung auch eine entsprechende Lieferung korrespondiert, hat doch der Zeuge ausgesagt, die Rechnung zwei Tage vor der Lieferung zu versenden.

Die Aussage des Zeugen war glaubhaft, in sich konsistent und frei von Widersprüchen. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Aufgrund des persönlichen Eindrucks des Senats in Beweisaufnahme ergibt sich insbesondere, dass der Zeuge keinen Be- oder Entlastungseifer für eine Partei an den Tag gelegt hat

Damit ist der Senat mit hinreichender Sicherheit davon überzeugt, dass die „Shoeps“-Produkte in signifikanten Umfang bereits ab April 2014 auf dem deutschen Markt verfügbar waren und somit keine Nachahmung der klägerischen Produkte vorgelegen hat.

c) Der Ablehnung einer Nachahmung steht auch nicht entgegen, dass der Herstellerin Miyali im Jahr 2014 das seit 2012 in den USA und anderen Ländern bereits vertriebene Produkt der Klägerin bekannt gewesen sein mag. Der ergänzende Leistungsschutz ist auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Dementsprechend kann die Übernahme einer Gestaltung eines außerhalb der Bundesrepublik bereits vertriebenen Produktes grundsätzlich eine Nachahmung im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG nicht begründen. Der Inländergleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. 1 II, 2 I PVÜ ändert nichts daran, dass die nach inländischem Recht erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. BGH, GRUR 1992, 523, 524 - Betonsteinelemente; BGH, GRUR 2009, 79 Rn. 35 - Gebäckpresse).

2.) Aus den eben dargestellten Gründen lässt sich auch eine wettbewerbliche Eigenart der klägerischen „Hickies“ nicht begründen.

Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2013, 1052 Rn. 18 - Einkaufswagen III; BGH WRP 2015, 1090 Rn. 10 - Exzenterzähne; BGH WRP 2016, 854 Rn. 16 - Hot Sox; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 33 - Herrnhuter Stern). Zwar setzt dies keine Neuheit voraus; diese kann jedoch ein Indiz für die Eigenart darstellen. Treten jedoch zwei Produkte ähnlicher Ausgestaltung zeitgleich auf den Markt, kann der Verkehr von Anbeginn der Ausgestaltung keinen Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft entnehmen.

3.) Jedenfalls aber konnte der Senat die zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens der „Shoeps“ notwendige „gewisse Bekanntheit“ der „Hickies“-Produkte nicht hinreichend sicher feststellen, so dass es an einer Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3a UWG fehlt.

a) Voraussetzung für eine Herkunftstäuschung ist, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine „gewisse Bekanntheit“ bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise erlangt hat (BGH GRUR 2005, 166, 169 - Puppenausstattungen; BGH GRUR 2005, 600, 602 - Handtuchklemmen; BGH GRUR 2006, 79 Rn. 35 - Jeans I; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 34 - Gartenliege; Harte/Henning/Sambuc § 4 Nr. 3 Rn. 86). Denn andernfalls kann die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht bestehen. Ist nämlich dem Verkehr nicht bekannt, dass es ein Original gibt, scheidet eine Herkunftstäuschung in aller Regel schon begrifflich aus. Für das erforderliche Maß an Bekanntheit gilt: Das Erzeugnis muss bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise eine solche Bekanntheit erreicht haben, dass sich in relevantem Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH GRUR 2005, 166, 167 - Puppenausstattungen; BGH GRUR 2006, 79 Rn. 35 - Jeans I; BGH GRUR 2007, 339 Rn. 39 - Stufenleitern; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 34 - Gartenliege). Eine Verkehrsgeltung iSd § 4 Nr. 2 MarkenG ist nicht erforderlich (BGH GRUR 2002, 275 (277) - Noppenbahnen; BGH GRUR 2006, 79 Rn. 35 - Jeans I). Dagegen muss eine gewisse Bekanntheit auf dem inländischen Markt bestehen (BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 – Gebäckpresse). Daher kommt es auf eine etwaige Bekanntheit auf einem ausländischen Markt nicht an, selbst wenn der ausländische Wettbewerber nach Art. 1 II, 2 I PVÜ Gleichbehandlung genießt (BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 - Gebäckpresse). Maßgebender Zeitpunkt für die Bekanntheit ist die Markteinführung der Nachahmung (BGH GRUR 2007, 339 Rn. 39 - Stufenleitern; BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 - Gebäckpresse) sowie beim Unterlassungsanspruch der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Für die Feststellung der Bekanntheit gilt: Die Bekanntheit kann sich nicht nur aus entsprechenden Werbeanstrengungen (zB Prospekte, Kataloge, Messeauftritte; OLG Köln WRP 2014, 875 Rn. 7), sondern auch aus der Dauer der Marktpräsenz, den hohen Absatzzahlen des Originals oder dem hohen Marktanteil ergeben (BGH GRUR 2007, 339 Rn. 32 - Stufenleitern; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 32 - Gartenliege; BGH WRP 2013, 1189 Rn. 27 - Regalsystem; OLG Frankfurt GRUR-RR 2019, 77 Rn. 26)

b) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Die Klägerin ist unstreitig im April 2014 in den deutschen Markt eingetreten. Vorherige Verkäufe über den internationalen Shop der Klägerin nach Deutschland sind schon deshalb nicht zur Begründung einer „gewissen Bekanntheit“ geeignet, weil nicht vorgetragen ist, welchen Umfang diese Verkäufe erreicht haben. Die Klägerin hat im Jahr 2014 ca. 10.000 Verkaufseinheiten abgesetzt, im Jahr 2015 60.000 Verkaufseinheiten. Hinzu kommt die flankierend zum Markteintritt einsetzende Presseberichterstattung.

Die Herstellerin der Shoeps hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ihrerseits von April - Dezember 2014 4.004 Verpackungen an die Handelsagentur A geliefert, die diese an Einzelhändler in Deutschland weitergeliefert hat. Der Zeuge A hat ausgesagt, die von der Fa. Miyali an ihn gelieferten Shoeps-Produkte unmittelbar an Abnehmer in Deutschland weitergeliefert zu haben.

Hieraus ergibt sich, dass die Herstellerin Miyali erstmals im April 2014 mit ihren Produkten auf den Markt getreten ist; dieser Zeitpunkt ist daher für die Betrachtung der Unlauterkeit zugrunde zu legen. Zu diesem Zeitpunkt fehlte es den klägerischen Produkten jedoch noch an der für eine Herkunftstäuschung notwendigen gewissen Bekanntheit. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt erst vereinzelt Exemplare ihrer Schnürsenkel verkauft. Zwar ist auch zu berücksichtigen, dass bereits zu einem Zeitpunkt Presseberichterstattung über die Produkte der Klägerin in Deutschland stattgefunden hatte, als diese noch gar nicht erhältlich waren. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dem Produkt schon vor dem Markteintritt die notwendige gewisse Bekanntheit zuzusprechen. Der wettbewerbliche Leistungsschutz dient dem Schutz des Leistungsergebnisses eines Mitbewerbers vor einer Übernahme mit unlauteren Mitteln oder Methoden (BGH WRP 2010, 94 Rn. 17 – LIKEaBIKE; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 19, 21 – Herrnhuter Stern). Der Schutz kann sich aber nur auf das auf dem deutschen Markt erworbene Leistungsergebnis beziehen, nicht hingegen auf im Ausland erworbene Leistungsergebnisse. Die (vorbereitende) Presseberichterstattung vor Markteinführung kann daher höchstens dazu führen, dass die notwendige gewisse Bekanntheit auf dem deutschen Markt schneller eintritt.

Im vorliegenden Fall ist die vorgelegte Presseberichterstattung indes nicht geeignet, einen derartigen Einfluss zu begründen. Die in der Anlage K 3 vorgelegten Berichte datieren überwiegend aus der Zeit nach Markteinführung der „Shoeps“ (11.04.14, 04/2014, 23.09.14). Die in Anlage K 17 - K 24 vorgelegten Presseberichte wiederum richten sich an Fachpublikum („Daily Business Inspiration“, www.fuer-gruender.de,) oder Special-Interest-Medien wie kleine Blogs o.ä. Beides ist nicht geeignet, eine hinreichende Bekanntheit der Produkte zu begründen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist hier auch auf die Markteinführung der Produkte an sich im Jahr 2014 abzustellen und nicht auf das Jahr 2016, in dem die Beklagte erstmals die Shoeps-Produkte selbst vertrieben hat (BGH GRUR 2002, 275, 277; BGH GRUR 2007, 339, Rnr. 39 - Stufenleitern). Soweit die Klägerin darauf verweist, jedenfalls im Fall des Inverkehrbringens eines bereits im Ausland vertriebenen Produkts nunmehr auch im Inland sei der Zeitpunkt nicht auf das erstmalige Inverkehrbringen „vorzuverlagern“, da sonst besonders schnelle Nachahmer den Vertrieb des „Originals“ im Inland verhindern könnten, kann dahinstehen, ob jenseits einer möglichen Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG dem Originalhersteller eine gewisse Karenzzeit zuzubilligen ist. Wenn nämlich nach einem Zeitraum von zwei Jahren, in dem beide Produkte parallel auf dem Markt verfügbar waren, sich nunmehr die Beklagte im Jahr 2016 entschlossen hat, dieses Produkt (auch) zu vertreiben, kann es jedenfalls keinen Anlass geben, den Zeitpunkt derart zurückzuverlagern.

Schließlich kann auch dahinstehen, ob tatsächlich alle an die Abnehmer des Zeugen A gelieferten Produkte unmittelbar an Endabnehmer weiterkauft wurden oder vom Zeugen A an Zwischenhändler geliefert wurden. Es ist davon auszugehen, dass auch über die Zwischenhändler die Produkte in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang an Endabnehmer angeboten wurden. Der von der Klägerin angedeutete Weiterverkauf in das Ausland ist vollkommen spekulativ.

4.) Aus den dargestellten Gründen fehlt es auch einer unangemessenen Ausnutzung der Wertschätzung des klägerischen Produkts im Sinne von § 4 Nr. 3 b) UWG. Auch hierfür ist nämlich erforderlich, dass eine Wertschätzung bereits entstanden ist, also bereits eine gewisse Bekanntheit vorliegt.

5.) Schließlich stellt sich das Verhalten der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt der Behinderung nicht als unlauter im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG dar.

a) Nach Schaffung eines eigenen gesetzlichen Unlauterkeitstatbestands der gezielten Behinderung besteht kein Bedürfnis mehr, eine allgemeine Behinderung des Originalherstellers unabhängig von den in § 4 Nr. 3 UWG angeführten Unlauterkeitsmerkmalen zur Begründung eines Anspruchs nach dieser Bestimmung ausreichen zu lassen. Den Aspekt einer allgemeinen Behinderung beim wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz als eigenständiges Unlauterkeitskriterium im Rahmen einer entsprechenden Anwendung des § 4 Nr. 3 UWG oder der Generalklausel des § 3 I UWG hat der BGH in der Entscheidung „Segmentstruktur“ im Interesse einer systematisch klaren Abgrenzung aufgegeben (BGH, GRUR 2017, 79 Rn. 79 – Segmentstruktur). Spielt allein bei der Nachahmung eines wettbewerblich eigenartigen Produkts der Gesichtspunkt der Behinderung als Unlauterkeitskriterium eine Rolle, müssen für ein Verbot die Voraussetzungen der gezielten Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG erfüllt sein.

b) Eine Behinderung kann danach in Betracht kommen, wenn der Hersteller des Originalerzeugnisses zwar noch nicht unmittelbar auf dem deutschen Markt aufgetreten ist, nach der Lebenserfahrung aber damit zu rechnen ist, dass die Originalerzeugnisse in Kürze auch in Deutschland vertrieben werden sollen. Die Sachlage liegt insofern nicht anders, als wenn ein deutsches Unternehmen durch das Dazwischentreten eines Mitbewerbers an der bevorstehenden Einführung eines bestimmten neuen Produkts gehindert wird. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in einer Entscheidung aus dem Jahr 1976 stellt das Anbieten einer identischen Nachahmung eine wettbewerbswidrige Behinderung des Originalherstellers dar, wenn dieser beabsichtigt, das Original in Kürze auch auf dem deutschen Markt zu vertreiben und dies dem Anbieter der Nachahmung bei der ihm zumutbaren Marktbeobachtung bekannt sein musste. Von einer Absicht des Originalherstellers, das Originalerzeugnis in Kürze auch im Inland zu vertreiben, müsse insbesondere ausgegangen werden, wenn der Originalhersteller im Inland eine Niederlassung unterhält und das Produkt bereits in anderen Mitgliedsstaaten der EU vertrieben hat. Auf eine Behinderungs- oder Schädigungsabsicht des Nachahmers komme es dagegen nicht an (BGH WRP 1976, 370, 371 - Ovalpuderdose; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Sambuc, 4. Aufl. 2016, UWG § 4 Abs. 3 Rn. 189-190; Werner in: FS Köhler, Vor- und nachwirkender wettbewerblicher Leistungsschutz, S. 790 f.).

c) Ob an dieser fast vierzig Jahre alten Rechtsprechung auch vor dem Hintergrund des gewandelten Verständnisses des Unlauterkeitsrechts festzuhalten ist, kann hier dahinstehen, da die Voraussetzungen für eine Unlauterkeit unter diesem Aspekt nicht vorliegen. Zwar hatte die Klägerin ihre Produkte seit 2012 zunächst in den USA und sodann auch in Asien sowie ab 2014 über ihren internationalen Online-Shop vertrieben, bevor sie 2014 auch den deutschen Markt betreten wollte. Auch hatte sie 2013 bereits Vorbereitungen hierfür getroffen (Gründung Hickies Europe SA, Deutsche USt-ID, Schaffung eines Lagers in Deutschland). Der Vorwurf der Unlauterkeit wegen eines Zuvorkommens beim Inlandsvertrieb könnte die Beklagte vor diesem Hintergrund jedoch nur treffen, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem geplanten Markteintritt der Klägerin ihrerseits den Markt betreten hätte, der Klägerin somit zuvorgekommen wäre und diese damit behindert hätte. Im Jahr 2014 war es allerdings nicht die Beklagte, sondern die Herstellerin Miyali selbst, die den deutschen Markt betrat. Die Beklagte hat erst im Jahr 2016 – also zwei Jahre später - mit dem Vertrieb der „Shoeps“-Produkte begonnen, nachdem sie zuvor zwei Jahre die Produkte der Klägerin vertrieben hatte. Die Beklagte hat sich also zu dieser Zeit nach einem anderen Anbieter auf dem Markt der elastischen Schnürsenkel umgesehen und die „Shoeps“-Produkte als eingeführte, am Markt erhältliche Wettbewerbsprodukte ausgewählt. Zu diesem Zeitpunkt ist eine Behinderung der Klägerin nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass eine derartige Behinderung nach der Rechtsprechung des BGH nur bei einer identischen Leistungsübernahme in Betracht kommt, an der es hier jedoch fehlt. Nähme man eine Nachahmung überhaupt an (vgl. oben), läge schon aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der elastischen Schnürsenkel in der nicht benutzten Form nur eine nachschaffende oder nahezu identische Nachahmung vor.

d) Schließlich lässt sich eine Unlauterkeit durch gezielte Behinderung auch nicht mit dem Argument begründen, dass die Beklagte zuvor die Produkte der Klägerin vertrieben hat. Eine Unlauterkeit kann sich zwar aus einem Vertrauensbruch im Rahmen einer vertraglichen Verbindung ergeben. Eine vergleichbare Situation liegt hier aber nicht vor. Die Beklagte war lediglich Zwischenhändlerin für die Produkte der Klägerin ohne besonderes Vertrauensverhältnis zu dieser. Der Wechsel eines Lieferanten für eine bestimmte Produktgattung durch einen Zwischenhändler ohne weitere besondere Umstände kann jedoch grundsätzlich eine Unlauterkeit nicht begründen; er ist vielmehr selbstverständlicher Teil eines wettbewerblichen Marktgeschehens.

6.) Der Verweis der Klägerin auf eine ungerechtfertigte Schutzlücke kann schon deshalb nicht zu einer anderen Beurteilung führen, da diese Schutzlücke im Falle eines Zuvorkommens beim Inlandsvertrieb zuvorderst durch den Gesetzgeber zu schließen wäre und im Übrigen § 4 Nr. 4 UWG in bestimmten Konstellationen Schutz bietet. Im Übrigen bieten die Sonderschutzrechte Möglichkeiten, die (spätere) Produkteinführung eines bereits im Ausland vertriebenen Produkts auch im Inland hinreichend abzusichern."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Köln: Verpackung von Capri-Sonne / Capri-Sun weist wettbewerbliche Eigenart auf und ist vor Nachahmungen nach den Grundsätzen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes geschützt

OLG Köln
Urteil vom 29.11.2019
I-6 U 82/19


Das OLG Köln hat entschieden, dass die Verpackung von Capri-Sonne / Capri-Sun wettbewerbliche Eigenart aufweist und vor Nachahmungen nach den Grundsätzen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes geschützt ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Ein Unterlassungsanspruch ist aus den §§ 3, 4 Nr. 3a, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG begründet. Nach § 8 Abs. 1 UWG kann derjenige, der eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, von jedem Mitbewerber bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann.

a. Dass die Beteiligten Mitbewerber i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG sind, steht außer Streit

b. Eine geschäftliche Handlung ist unzulässig, wenn sie unlauter ist. Vorliegend ist der Tatbestand der unlauteren Herkunftstäuschung erfüllt, § 4 Nr. 3a UWG. Ob daneben auch eine Rufausbeutung i.S.d. § 4 Nr. 3b UWG gegeben ist, kann dahinstehen.

c. Das Vorliegen einer unlauteren Herkunftstäuschung bestimmt sich, wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, nach dem Grad der wettbewerblichen Eigenart des Originals und der Art und Weise und Intensität der Übernahme, wobei beide Kriterien zueinander im Verhältnis der Wechselwirkung stehen.

aa. Die wettbewerbliche Eigenart ist zutreffend bejaht worden. Dabei durfte das Landgericht (auch) auf die Standbeutelverpackung abstellen, weil diese die Eigenart des Produkts der Klägerin (mit) prägt. Das Landgericht hat sich – was die Beklagte rügt – zwar mit der Besonderheit der Standbeutelverpackung auseinandergesetzt und sonstige Ausstattungselemente, die den Gesamteindruck der Produktausstattung ebenfalls mitprägen können, außen vor gelassen. Dies zeigt, wie sehr die wettbewerbliche Eigenart der klägerischen Produktausstattung von der Standbeutelform dominiert wird. Es ist aber – wie die Beklagte zu Recht anführt – auf den Gesamteindruck abzustellen.

aaa. Die Form des Standbeutels mit den Merkmalen, wie im Beschluss des BPatG und im angefochtenen Urteil des Landgerichts aufgeführt, ist dabei ebenso zu berücksichtigen, wie die Gestaltung, dass nur auf einer Seite ein farblicher Aufdruck nach Art eines Aufklebers vorhanden ist, auf dem sich zur jeweiligen Sorte passende Bildelemente sowie die Marke befinden. Auch sind Zutaten und sonstige Informationen schlicht auf die Rückseite des „nackten“ Standbeutels selbst aufgedruckt, so dass sich die bunt gestaltete Schauseite deutlich von der Rückseite abhebt.

bbb. Eine solche Ausstattung für ein Saftgetränk ist geeignet, auf einen bestimmten Hersteller hinzuweisen. Das Umfeld zeigt, dass es außer dem klägerischen Produkt kein Produkt gibt, dass eine vergleichbare Ausstattung aufweist. Es gibt, wenn man das Umfeld auch auf andere Lebensmittel wie Obstmus und Joghurt erweitert, zwar eine Vielzahl von Standbeuteln. Sie unterscheiden sich bereits ausreichend durch die Form des „nackten“ Standbeutels, was erst recht aber gilt, wenn man die sonstigen Gestaltungsmerkmale mitberücksichtigt. Die Ausstattung des klägerischen Produkts weist daher von Haus aus bereits eine durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart auf.

ccc. Die Elemente Farbe und Graphik auf der Schauseite stehen vorliegend bei der Gesamtanmutung des klägerischen Produkts nicht im Vordergrund, weil die A/ B in verschiedenen Sorten und damit auch in verschiedenen Farbgebungen und graphischen Darstellungen auf der Schauseite auf dem Markt erhältlich ist. Die Gestaltungsmerkmale, die übergreifend alle A-Varianten gleichermaßen aufweisen und damit diese aus Sicht des angesprochenen Verkehrs maßgeblich prägen, sind vor allem die aluminiumfarbene Standbeutelverpackung mit einer farblichen Schauseite nach Art eines Aufklebers, auf der neben der Marke im oberen Drittel in der Regel Abbildungen zu finden sind, die mit der jeweiligen Geschmacksrichtung zusammenhängen und dem Aufdruck weiterer Verbraucherinformationen unmittelbar auf der aluminiumfarbenen „nackten“ Rückseite des Standbeutels. Da eine solche Aufmachung im Getränkebereich, aber auch im sonstigen Umfeld wie im Bereich Früchtemus oder Joghurtgetränke u.ä. ansonsten nicht bekannt ist, ist eine originäre wettbewerbliche Eigenart der Aufmachung zu bejahen.

bb. Der Grad der wettbewerblichen Eigenart der Gestaltung des klägerischen Produkts ist, mangels ähnlicher Aufmachungen im wettebwerblichen Umfeld, auch bereits von Haus aus als mindestens durchschnittlich anzusehen. Da das klägerische Produkt durch die Dauer und die Intensität seines Marktauftritts seit 1969 sehr bekannt ist, ist auch von einer gesteigerten und damit überdurchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart auszugehen. Der Grad der wettbewerblichen Eigenart eines Erzeugnisses kann durch seine tatsächliche Bekanntheit im Verkehr verstärkt werden (vgl. nur BGH, Urt. V. 15.1.22016 – I ZR 197/15 – Bodendübel,, in juris Rn. 43 mwN). Dies können die Mitglieder des Senats, die dem angesprochenen Verkehrskreis angehören und denen das Produkt seit Kindertagen bekannt ist, nicht nur aus eigener Anschauung beurteilen, sondern diese Feststellung wird auch durch die zur Akte gereichten GfK-Umfragen bestätigt. Auch wenn die GfK- Untersuchungen sich zum Teil nur mit dem nackten Standbeutel befassen oder auch nur Assoziationen belegen, kann man an der hohen Assoziationsrate die Bekanntheit des Produkts und seiner Gestaltung ablesen. Auf die Gfk-Gutachten kommt es im Ergebnis aber auch nicht an, weil die hohe Bekanntheit von A/Sun dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig ist.

cc. Die Beklagte vertritt lediglich die Ansicht, dass die hohe Bekanntheit im Markt nicht zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt werden dürfe. Denn dass die Standbeutelverpackung jahrelang in Alleinstellung auf dem Markt vertrieben wurde und die wettbewerbliche Eigenart erhöhte, beruhe nur darauf, dass die Klägerin seit 1996 bis 2014 zu Unrecht eine entsprechende Formmarke eingetragen hatte und damit ihre Konkurrenz markenrechtlich daran gehindert gewesen sei, die Form zu übernehmen.

aaa. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Dass die Marke mittlerweile gelöscht ist, führt nicht dazu, dass man deshalb im Rahmen der Prüfung der wettbewerblichen Eigenart, die nicht mehr als Marke eingetragene „nackte“ Standbeutelform als solche bei der Betrachtung außer Acht lassen müsste, damit man den ansonsten ausgelaufenen Sonderrechtsschutz nicht unzulässig verlängerte (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.2015 – I ZR 107/13 – juris Rn. 22 – Exzenterzähne I). Für ein abgelaufenes Patent hat der BGH entschieden (BGH, aaO, Rn. 23 mwN):

„Unter dem Gesichtspunkt, den nach Ablauf eines Sonderrechtsschutzes freien Stand der Technik für den Wettbewerb offenzuhalten, besteht keine Veranlassung, vom abgelaufenen Sonderrechtsschutz erfassten, technisch bedingten Merkmalen eines Erzeugnisses aus Rechtsgründen von vornherein die Eignung abzusprechen, auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen und dem Erzeugnis damit wettbewerbliche Eigenart zu verleihen. Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz ist nach Schutzzweck, Voraussetzungen und Rechtsfolgen anders als die Sonderschutzrechte ausgestaltet. Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können unabhängig vom Bestehen von Ansprüchen aus einem Schutzrecht gegeben sein, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen.“

Unabhängig davon, dass der Markenschutz aufgehoben ist, ist die wettbewerbliche Eigenart, die sich nach der Verkehrsanschauung der angesprochenen Verkehrskreise bestimmt, maßgeblich und diese ist durch die Marktverhältnisse, wie sie tatsächlich vorlagen und noch vorliegen, bestimmt.

bbb. Im vorliegenden Fall ist zwar zu berücksichtigen, dass die Marke von vornherein wegen absoluter Schutzhindernisse nicht hätte eingetragen werden dürfen. Dennoch ist kein Grund ersichtlich, die Grundsätze die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung „ Exzenterzähne“ getroffen und in der Entscheidung „Bodendübel“ (Urt. v. 15.12.2016 – I ZR 197/15) bestätigt hat, nicht zu übertragen. Denn auch im vorliegenden Fall gilt, dass Schutzzweck, Voraussetzungen und Rechtsfolgen bei Formmarken und § 4 Nr. 3a UWG unterschiedlich sind. Die Formmarke ist gelöscht worden, weil ihrer Eintragung der Schutzausschließungsgrund der technisch bedingten Form entgegen stand (s. BPatG München, Beschl. v. 28.6.2017 – 26 W (pat) 63/14 -, juris Rn. 15). Zweck des Schutzausschließungsgrunds ist es, eine Monopolisierung technischer Lösungen im Wege des Markenrechts zu verhindern (vgl. BGH, aaO, - Exzenterzähne -, Rn. 14). Es sollen also solche Warenformen von der Eintragung ausgeschlossen werden, durch die nur eine technische Lösung verkörpert wird und deren Eintragung als Marke deshalb die Verwendung dieser technischen Lösung durch andere Unternehmen tatsächlich behindern würde (BGH, aaO, - Exzenterzähne -, Rn. 22 mwN).

ccc. Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können hingegen unabhängig vom Bestehen von Anspüchen aus einem Sonderschutzrecht gegeben sein, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen (zum Patent: vgl. BGH, aaO, - Bodendübel -, Rn. 21 mwN). Im Rahmen der wettbewerblichen Eigenart geht es um die Nachahmung einer Produktgestaltung und der damit verbundenen Gefahr der Herkunftstäuschung und nicht isoliert um den Schutz einer technischen Lösung, sodass Wertungswidersprüche zum Markenrecht vermieden werden. Da es bei der Frage der wettbewerblichen Eigenart darum geht festzustellen, ob eine Ware in ihrer konkreten Ausgestaltung oder durch bestimmte Merkmale dazu geeignet ist, die interessierten Verkehrskreise auf ihre betriebliche Herkunft oder ihre Besonderheit hinzuweisen (vgl. nur BGH, aaO, - Bodendübel, -, Rn. 19 mwN), kommt es auf die Frage, ob daneben zu Recht oder Unrecht eine Formmarke bestand, keine Rolle. Die Gestaltung des klägerischen Produkts ist dem Verkehr – unabhängig von der späteren Eintragung der Formmarke - bereits seit 1969 bekannt. Die konkrete Gestaltung wies von Haus aus und von Anfang an wettbewerbliche Eigenart auf. Da dem Verkehr das klägerische Produkt in dieser wettbewerblich eigenartigen Aufmachung seit Markteinführung bekannt ist und ihm vergleichbare Aufmachungen im wettbewerblichen Umfeld nicht begegnet sind, ist die Aufmachung auch in hohem Maße geeignet, den angesprochenen Verkehr auf die betriebliche Herkunft des Produkt aus einem bestimmten Betrieb hinzuweisen.

d. Bei der angegriffenen Ausstattung handelt es sich um eine nahezu identische Nachahmung. Zwar ist die Form des Standbeutels leicht S-förmig. Der Unterschied wird aber – wie vom Landgericht zutreffend festgestellt - vom Verkehr kaum wahrgenommen, weil auch der Standbeutel der Klägerin, wenn man ihn aufstellt, leicht an der Seite einknickt. Die Beklagte hat zudem nicht nur den „nackten“ Standbeutel quasi identisch übernommen, sie hat auch die sonstigen Gestaltungsmerkmale übernommen: So hat sie auch ihre Marke und die Bild- und Farbelemente nur auf der Schauseite nach Art eines Aufklebers aufgedruckt. Alle sonstigen Angaben wie Zutaten, Nährstoffangaben etc. befinden sich auf der silberfarbenen Rückseite des aluminiumfarbenen „nackten“ Standbeutels. Die Ausstattung entspricht vom Aufbau her daher fast 1:1 dem Aufbau der klägerischen Ausstattung. Auf der Schauseite ist neben dem Bildelement, das – wie bei den klägerischen Produkten - einen Hinweis auf die Geschmacksrichtung gibt, im oberen Drittel die Marke der Beklagten aufgebracht. Bis auf die Kennzeichnung selbst werden alle Gestaltungselemente in Form und Struktur übernommen.

e. Vom Grundsatz her ist es zwar anerkannt, dass eine auffällige, abweichende Herstellerkennzeichnung geeignet sein kann, der Gefahr der Herkunftstäuschung entgegenzuwirken (vgl. BGH GRUR 2009, 1069 – Knoblauchwürste -, in juris Rn. 16 m,wN). Aber ebenso ist anerkannt, dass trotz unterschiedlicher Kennzeichung eine unlautere Nachahmung in Betracht kommen kann (vgl. BGH, aaO).

aa. Im vorliegenden Fall einer durch lange Marktpräsenz und Markterfolg gesteigerten wettbewerblichen Eigenart und einer nahezu identischen Nachahmung ist eine klare und eindeutige der Herkunftstäuschung entgegenwirkende Aufklärung erforderlich. Da der Verkehr daran gewöhnt ist, dass im Fruchsaftgetränkebereich bisher nur die Klägerin in silbernen Standbeuteln mit farblich bedruckter Schauseite und „nackter“ Rückseite Getränke vertrieben hat, könnte bereits eine unmittelbare Herkunftstäuschung in Betracht kommen, indem sich Verbraucher in erster Linie an der ihnen bekannten Standbeutelform mit der genannnten Besonderheit orientieren und – zumal es bisher nicht erforderlich war – nicht so sehr auf die Kennzeichnung achten und sich deshalb bereits vergreifen könnten.

bb. Selbst wenn man eine unmittelbare Herkunftstäuschung ablehnen würde, wäre jedenfalls die Gefahr einer mittelbaren Herkunftstäuschung zu bejahen. Dabei kann zwar aus Sicht des Senats nicht darauf abgestellt werden, dass der Verkehr in der Marke der Beklagten nur eine Handelsmarke erblicken würde (vgl. BGH aaO.). Dafür ist nichts vorgetragen. Vielmehr ist unstreitig, dass die Gruppe der Beklagten nicht nur mit Getränken handelt, sondern solche gerade auch selbst herstellt. Vorliegend wird jedoch der Verbraucher, der Kindergetränke in silbernen Standbeuteln mit einer farblich gestalteten Schauseite und „nackter“ Rückseite nur von der Klägerin kennt, wegen der 1:1 Übernahme davon ausgehen, dass der Originalhersteller eine solch enge Anlehnung wie die durch das Beklagtenprodukt an seine seit Jahrzehnten verwendete und im Markt bekannte Ausstattung ohne wirtschaftliche oder gesellschaftsrechtliche Verbindungen nicht dulden werde.

f. Mit diesem Ergebnis wird der Beklagten nicht grundsätzlich verwehrt, auf eine gemeinfreie technische Lösung zurückzugreifen, die aus ihrer Sicht technisch am sinnvollsten und effizientesten und gleichzeitig kostengünstigsten ist. Es ist ihr jedoch zuzumuten, sich in der Gesamtgestaltung so weit von dem klägerischen Produkt zu entfernen, dass eine andere Gesamtwirkung erzielt und damit eine Herkunftstäuschung vermieden wird.

2. Die Annexansprüche auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung ergeben sich aus §§ 9 UWG iVm § 242 BGB. Sie sind mit der Berufung nur dahingehend angegriffen worden, dass bereits kein Unterlassungsanspruch bestehe."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




OLG Köln: Hersteller von Softair-Replika-Waffen kann sich nicht auf ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz berufen

OLG Köln
Urteil vom 08.11.2019
6 U 212/18


Das OLG Köln hat entschieden, dass der Hersteller von Softair-Replika-Waffen sich nicht auf ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz berufen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

c. Bei Annahme einer Nachahmung iSd § 4 Nr. 3 UWG in Bezug auf die Originalwaffen ist im vorliegenden Fall eine vermeidbare Herkunftstäuschung nach lit a) zu verneinen.

Unlauter handelt nach § 4 Nr. 3a UWG, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Die bloße Tatsache, dass die angebotenen Produkte Nachahmungen sind, begründet für sich allein nicht die Unlauterkeit iSd. § 4 Nr. 3 UWG (Senat, GRUR-RR 2018, 207 Rn. 90). Es müssen besondere Umstände hinzukommen, die dieses Verhalten unlauter machen (Köhler in K/B/F, UWG, 37. Aufl. § 4 Rn. 3.40 mwN). Eine Herkunftstäuschung, die vorliegt, wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck gewinnen können, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originals oder einem mit ihm geschäftlich oder organisatorisch verbundenen Unternehmen (vgl. Köhler, aaO, Rn. 3.42 mwN), ist vorliegend nicht festzustellen.

aa. Es ist unstreitig, dass nicht nur die Klägerin auf dem deutschen Markt von Replika-Waffen aktiv ist, sondern neben ihr noch weitere Hersteller und Anbieter von Replika-Waffen existieren. Weiter ist unstreitig, dass die Klägerin die Ausstattungen ihrer hier im Raum stehenden Replikas stets mit den Originalmarken der Hersteller der „scharfen“ Waffen kennzeichnet, sodass für den Verbraucher der Eindruck erweckt wird, die Replika-Waffen stammten vom Originalhersteller selbst oder seien jedenfalls mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht worden. Welches Verkehrsverständnis zugrunde zu legen ist, wenn einem Mitglied des angesprochenen Verkehrskreises eine nachgebaute Soft-Air-Waffe begegnet, die nicht mit der Marke des Originalherstellers gekennzeichnet ist, ist nicht hinreichend dargetan. Die Klägerin behauptet zwar, dass die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund ihrer Bekanntheit wüssten, dass bestimmte Originalwaffen exklusiv von der Klägerin nachgebaut würden. Auch habe es – was durch die Vorlage der Artikel belegt ist – Pressberichte über die Kollaboration der Klägerin mit einigen Herstellern gegeben. Der Verkehr würde daher automatisch bei Nachbauten bestimmter – jedenfalls der diesem Verfahren zugrunde liegenden - Modelle davon ausgehen, dass diese von der Klägerin stammten.

bb. Diese Schlussfolgerung lässt sich indes nur dann ziehen, wenn auch die Klägerin die Replikas ohne Markenanbringung angeboten und vertrieben hätte. Dann mag angesichts von Dauer und Bekanntheit der klägerischen Produkte der Verkehr evtl. davon ausgehen, dass bestimmte Waffen stets nur von der Klägerin nachgebaut werden dürfen und auch werden. Vorliegend ist aber unstreitig, dass die Klägerin ihre Waffen mit den entsprechenden Marken kennzeichnet. Damit musste der Verkehr sich bislang keine Gedanken darüber machen, welcher Replika-Hersteller welche Waffen nachbaut, sondern er konnte sich beim Erwerb an der Kennzeichnung auf den Replika-Waffen bzw. deren Umverpackung orientieren. Weshalb der angesprochene Verkehr vor diesem Hintergrund bei einem nicht gekennzeichneten, also einem erkennbaren No-Name-Produkt dennoch eine Verbindung zur Klägerin herstellen sollte bzw. davon ausgehen sollte, dass neben den „Marken-Replika-Waffen“ auch Replika-Waffen ohne Markenaufbringung nur von der Klägerin stammen können sollen, ist weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich, sodass eine vermeidbare Herkunftstäuschung ausscheidet.

3. Auch ein Unterlassungsanspruch wegen Rufausbeutung iSd. § 4 Nr. 3b UWG scheidet aus. Zwar ist jedem originalgetreuen Nachbau von dem Verkehr bekannten Produkten eine gewisse Rufausbeutung immanent (s. BGH, Urt. v. 14.1.2010 – I ZR 88/08 – Opel-Blitz II, juris Rn. 30). Eine über die mit der wirklichkeitsgetreuen Nachbildung zwangsläufig verbundene Rufausbeutung als solche hinaus reichende Rufausbeutung ist jedoch vorliegend nicht ersichtlich.

a. Die Bekanntheit und der gute Ruf der Originalwaffen mögen unterstellt werden, zumal es bei dem für eine Rufübertragung erforderlichen Bekanntheitsgrad nicht ohne weiteres auf die Gesamtheit des Verkehrs, sondern maßgeblich auf die Bekanntheit in dem Kundenkreis abzustellen ist, der mit der in Frage stehenden Rufausbeutung angesprochen wird (vgl. BGH, aaO, G, Rn. 48 mwN). Jedenfalls für diesen Kundenkreis, der sich aus Waffeninteressenten zusammensetzt, kann davon ausgegangen werden, dass diese eine bekannte Waffe wohl auch allein an ihren charakteristischen Gestaltungsmerkmalen erkennen werden.

b. Der Ruf der Originalwaffen wird jedoch nicht in einer die Wettbewerbswidrigkeit begründenden Weise beeinträchtigt oder ausgenutzt. Zwar kommt den Replika-Waffen der Beklagten der gute Ruf der Originalwaffen im Rahmen ihres Absatzes durchaus zugute. Denn den Waffeninteressenten ist gerade – was zwischen den Parteien unstreitig ist – an möglichst realitätsgetreuen Replika-Waffen gelegen, sodass eine Anlehnung an den guten Ruf nicht verneint werden kann (vgl. BGH, aaO, - G, Rn. 53). Es findet jedoch weder eine Beeinträchtigung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts statt noch eine unangemessene Ausnutzung. Die Unangemessenheit ist dabei durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen des Herstellers des Originals und des Nachahmers sowie der Abnehmer und der Allgemeinheit unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Nachahmungsfreiheit festzustellen (Köhler, aaO, Rn. 3.51 mwN).

aa. Da für eine Beeinträchtigung des Rufs keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen sind, kommt allein eine Ausnutzung des guten Rufs in Betracht. Ein solche Ausnutzung iSd § 4 Nr. 3b UWG liegt jedoch nicht vor, da über die bloße Anlehnung hinaus, die mit dem möglichst wirklichkeitsgetreuen Nachbau zwangsläufig verbunden ist, keine weiteren Umstände ersichtlich sind, die zu einer Rufausnutzung führen. Wie der Bundesgerichtshof in seiner G-Entscheidung entschieden hat, ist es grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig, wenn der gute Ruf eines Produkts nur dadurch ausgenutzt wird, dass das Produkt als Vorlage für ein Spielzeug verwendet wird (vgl. BGH, Urt. v. 12.10.1995 – I ZR 191/93 – Spielzeugautos, in juris Rn. 36).

bb. Da im Bereich der „freien“ Waffen überdies unstreitig Nachbauten existieren, denen Lizenzverträge zugrunde liegen, begegnen den angesprochenen Verkehrskreisen auf dem Markt der „freien“ Waffen solche, die unter Verwendung von Originalmarken vermarktet werden und solche, die ohne Marken der Originalhersteller angeboten werden. Weshalb ein potenzieller Abnehmer gerade bei einem Produkt, das zwar – wie es auf dem Gebiet von Replikas üblich ist - dem Original wirklichkeitsgetreu nachgebildet ist, aber eben nicht die Marke des Originalherstellers trägt, den guten Ruf und die damit verbundenen Qualitätserwartungen an das Originalprodukt auf den nicht gekennzeichneten No-Name-Nachbau übertragen sollte, wenn daneben Nachbauten mit Originalmarken gekennzeichnet auf dem Markt angeboten werden, ist ebenfalls weder hinreichend dargetan und noch sonst ersichtlich.

4. Soweit die Klägerin behauptet, dass gerade ihre Produkte, also ihre Replika-Waffen selbst, über einen guten Ruf verfügten, der durch die identische Nachahmung unlauter ausgenutzt werde, wäre – unabhängig davon, dass eine Nachahmung gerade ihrer Replika-Waffen nach wie vor nicht festgestellt werden kann - das unter Ziff. 1b zur Nachahmung Ausgeführte entsprechend zu berücksichtigen, weil ihre „freien“ Waffen unter den Kennzeichen der Originalhersteller vertrieben werden und sich damit ihr guter Ruf nicht ohne weiteres von dem der „scharfen“ Originalwaffen abgrenzen lässt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Schmuck kann als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt sein - zur wettbewerblichen Eigenart von Modeschmuck

OLG Frankfurt am Main
Urteil vom 11.12.2018
11 U 12/18


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Schmuck bei Erreichen der Schöpfungshöhe als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt sein kann. Zudem kann Modeschmuck auch wettbewerbliche Eigenart aufweisen und so vor Nachahmungen geschützt sein.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Mit Recht ist sie vom Landgericht zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Schadensersatzzahlung und zur Erstattung von Abmahnkosten wegen des Angebotes der streitgegenständlichen Schmuckstücke aus ihrer Modellreihe "1" und des Modells "2 bunt" verurteilt worden. Das Landgericht hat nämlich mit Recht der Klage in diesem Umfang stattgegeben, weil die Produkte der Beklagten eine vermeidbare Herkunftstäuschung mit den streitgegenständlichen klägerischen Schmuckstücken aus der X Serie der Klägerin herbeiführen und daher in unlauterer Weise die Leistungsschutzrechte der Klägerin verletzen (§§ 8 I, III Nr. 1, 3, 4 Nr. 3 lit. a; 9, 12 I S. 2 UWG, § 242 BGB). Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, denen sich der Senat anschließt, kann verwiesen werden. Im Hinblick auf die Ausführungen der Beklagten sind lediglich folgende Anmerkungen veranlasst:

1. Den Erwägungen des Landgerichts steht nicht entgegen, dass sich die Klägerin in erster Linie auf urheberrechtliche Ansprüche gestützt hatte und dass das Landgericht insoweit die Aktivlegitimation der Klägerin offengelassen hat. Ein Gleichlauf der Aktivlegitimation für urheberrechtliche und wettbewerbsrechtliche Ansprüche ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon deshalb abzulehnen, weil der lauterkeitsrechtliche Rechtsschutz nach Schutzzweck, Voraussetzungen und Rechtsfolgen anders als die Sonderschutzrechte ausgestattet ist.

Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können unabhängig vom Bestehen von Ansprüchen aus einem Schutzrecht bestehen, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestandes liegen (BGH, Urteil vom 4.5.2016, Az.: I ZR 58/14 Tz. 37 - Segmentstruktur = GRUR 2017, 79, 82). Das ist hier, wie nachfolgend aufgezeigt wird, der Fall. Es spielt daher auch keine Rolle, dass die Klägerin nicht über einen designrechtlichen Schutz für ihre Produkte verfügt. Da die Klägerin Herstellerin der Originalprodukte ist, bestehen an Ihrer Aktivlegitimation für die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz keine Zweifel (BGH a.a.O.). Die Parteien stehen sich auf identischen Vertriebskanälen, nämlich u. a. im Vertrieb über den stationären Einzelhandel, als Mitbewerber gegenüber.

2. Der Verbotstatbestand des § 4 Nr. 3a UWG ist erfüllt, weil die von der Beklagten nachgeahmten Produkte der Klägerin wettbewerbliche Eigenart aufweisen und weil bei den angegriffenen Erzeugnissen der Beklagten eine vermeidbare Täuschung über deren betriebliche Herkunft entsteht.

a. Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale eines Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2012, 1155 [BGH 22.03.2012 - I ZR 21/11] Rn. 19 - Sandmalkasten; GRUR 2016, 725 [BGH 19.11.2015 - I ZR 149/14] Rn. 15 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm II). Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass den von der Klägerin als Schutzgegenstand reklamierten Produkten wettbewerbliche Eigenart zukommt. Zutreffend hat das Landgericht auf den durch die prägenden Bestandteile hervorgerufenen Gesamteindruck der Produkte abgestellt (BGH GRUR 2010, 80 [BGH 28.05.2009 - I ZR 124/06], Tz. 32 - LIKEaBIKE). Es ist daher irrelevant, dass die Beklagte den einzelnen Komponenten der Halsketten eine Schutzfähigkeit abspricht.

Die eine wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmale müssen vom Kläger konkret vorgetragen und vom Tatrichter festgestellt werden. Dies ist hier geschehen, wobei die Ausführungen des Landgerichts zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit und zur wettbewerblichen Eigenart in ihrer Gesamtheit betrachtet werden müssen.

Das Landgericht hat die wettbewerbliche Eigenart der Klagegestaltungen aus der konkreten Gestaltung und Kombination der verschiedenen Einzelelemente in Zusammenspiel mit der Farbgebung abgeleitet. Diese besteht in der durchgehenden Anordnung zweier alternierend aufgereihter, umlaufender Elemente, die jeweils durch dünne Zylinder aus Glas abgesetzt sind, wobei eines der beiden Elemente jeweils zusammengesetzt ist aus einem farbigen Würfel aus Polarisschmuck (geschliffener Kunststoff), gefolgt von einem quadratischen silber- oder goldfarbenen Metallplättchen, einem quadratischen Straßrondell und einem weiteren quadratischen Metallplättchen in derselben Farbe, während das andere Element aus einem Würfel aus geschliffenem Kristallglas besteht, der in der Farbgebung mit dem farbigen Würfel aus Polaris korrespondiert. Bei der Klagegestaltung gem. Abbildung k (i) und k (ii) orientiert sich die Farbgebung an den Farben des Regenbogens, bei den Klagegestaltungen gem. Abbildungen k (iii) kommen Rot-, Schwarz- und Grautöne zum Einsatz, bei der Klagegestaltung gem. Abbildung k (iv) werden Blau-, Schwarz-, Rosa-, und Violettfarben verwendet, bei der Klagegestaltung gem. Abbildung k (v) werden Grau-, Schwarz, Hellbraun- und Abricotfarben eingesetzt.

Damit sind die erforderlichen Feststellungen zu dem für die wettbewerbliche Eigenart maßgeblichen Gesamteindruck getroffen worden. Die dagegen erhobenen Einwände der Beklagten sind nicht berechtigt:

aa) Das Landgericht hat sich durch die Vernehmung der Einkaufsleiterin der Klägerin B davon überzeugt, dass die Klägerin erstmals im Jahr 2005 Klagegestaltungen in Verkehr gebracht hat, die in ihrer den Gesamteindruck prägenden Struktur bis zum Verletzungszeitpunkt unverändert geblieben sind. Es hat ferner die Darlegungs- und Beweislast zur Feststellung der wettbewerblichen Eigenart der klägerischen Erzeugnisse zutreffend verteilt:

Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass zwar grundsätzlich der Anspruchsteller die klagebegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat, zu denen auch die wettbewerbliche Eigenart des als Schutzgegenstand geltend gemachten Erzeugnisses gehört. In diesem Zusammenhang kann es aber ausreichend sein, das Produkt vorzulegen, sofern sich der Anspruchsteller berechtigterweise auf eine dem Erzeugnis innewohnende Eigenart beruft. In einem solchen Fall obliegt es dann dem Anspruchsgegner darzulegen, dass die für die Eigenart relevanten Gestaltungsmerkmale schon vorbekannt waren oder im Verletzungszeitpunkt am Markt bekannt waren, was zu einer Schwächung oder dem Wegfall der Eigenart führen kann (vgl. BGH GRUR 1998, 477, 479 [BGH 06.11.1997 - I ZR 102/95] - Trachtenjanker; OLG Köln GRUR-RR 2015, 441, 442 - VITASED; Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., Rn. 3.78 zu § 4 UWG). So liegt der Fall hier:

Die Schmuckstücke der Klägerin stellen in ihrer konkreten Gestaltung und Farbgebung keine "Allerweltsartikel" dar. Sie grenzen sich von den üblichen als Modeschmuck verkauften Würfelketten dadurch ab, dass der Gesamteindruck der klägerischen Produkte durch die immer gleich filigrane, aber nicht stereotyp wirkende Elementführung in Kombination mit der Materialwahl einen besonders wertigen Eindruck der (Mode-) schmuckstücke vermittelt. Durch die besondere Anordnung und durch die Farbgebung wird den streng geometrischen Elementen eine gewisse Leichtigkeit oder - wie es die Klägerin ausdrückt - "Lässigkeit" verliehen. Dadurch wohnt diesem Erzeugnis die Eignung inne, den angesprochenen Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb hinzuweisen.

bb. Die Beklagte hätte daher darlegen müssen, dass schon im Jahr 2005 im Markt ähnliche Schmuckketten wie die "X" etabliert gewesen waren. Das ist ihr nicht gelungen. Die Beklagte hat sich in erster Linie auf ihre eigenen Produkte bezogen, die im Anlagenkonvolut B 5 abgebildet wurden und als Muster vorgelegt worden sind. Ihr Vorwurf, das Landgericht habe sich nicht damit beschäftigt und das Beweisangebot auf Vernehmung des Zeugen C übergangen, ist unberechtigt. Das Landgericht hat sich vielmehr mit den Entgegenhaltungen der Beklagten auseinandergesetzt, diese aber zutreffend als von den Klageprodukten deutlich abweichende Erzeugnisse bewertet.

Dies gilt auch im Hinblick auf die Produkte der Beklagten selbst. Mit Schriftsatz vom 21. 9. 2016 hatte die Beklagte vorgetragen, sie habe schon seit 1999 "aufgereihte Regenbogenketten mit entsprechenden Elementen" vertrieben (Bl. 217), ohne aber deren Gestaltung vorzulegen. Daher blieb offen, was mit "entsprechenden" Elementen gemeint war. Mit Schriftsatz vom 10. 3. 2017 ist vorgetragen worden, der Zeuge C könne ausführlich zur Entwicklung des "Würfelkettenmarktes" berichten (Bl. 457). Diesem pauschalen und für sich gesehen unerheblichen Vortrag ist das Landgericht mit Recht nicht nachgegangen. Es bestand auch kein Anlass, die als Anlagenkonvolut B 5 vorgelegten Ketten der Beklagten in Augenschein zu nehmen. Das Landgericht hat nämlich zum Einen die Abbildungen dieser Ketten untersucht und sie mit Recht als deutlich von den Klägermodellen abweichend bewertet. Davon hat sich auch der Senat aus eigener Anschauung überzeugt. Ferner hat das Landgericht zutreffend berücksichtigt, dass eine erhebliche Marktpräsenz der Beklagten trotz gegenteiligen Vortrages der Klägerin nicht dargelegt worden ist. Hierauf geht die Berufung nicht ein, so dass sich weder Verfahrensfehler noch eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung erkennen lässt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Gezielte Behinderung nach § 4 Nr 4 UWG durch systematischen Nachbau einer Vielzahl von Produkten eines Mitbewerbers

BGH
Urteil vom 20.09.2018
I ZR 71/17
Industrienähmaschinen
UWG §§ 3, 4 Nr. 3 und 4, § 8 Abs. 1 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass eine gezielte Behinderung nach § 4 Nr 4 UWG durch systematischen Nachbau einer Vielzahl von Produkten eines Mitbewerbers vorliegen kann.

Leitsätze des BGH:

a) Für eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne aufgrund der Annahme lizenzvertraglicher Beziehungen sind über eine fast identische Nachahmung hinausgehende Hinweise auf mögliche lizenzrechtliche Verbindungen erforderlich.

b) Eine Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG kommt beim systematischen Nachbau einer Vielzahl eigenartiger Erzeugnisse einer Mitbewerberin in Betracht.

BGH, Urteil vom 20. September 2018 - I ZR 71/17 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Volltext OLG München: Keine wettbewerbswidrige Nachahmung der PUMA "The Fur Slide by Rihanna“ Badelatschen durch Dolce & Gabbana Pelz-Badelatschen

OLG München
Urteil vom 12.07.2018
29 U 1311/18


Das OLG München hat entschieden, dass keine wettbewerbswidrige Nachahmung der PUMA "The Fur Slide by Rihanna“ Badelatschen durch eine ebenfalls mit Pelz versehene Dolce & Gabbana Badelatschen vorliegt. Die Produkte weisen zu deutliche Unterschiede auf.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben, weil die Antragstellerin geltend macht, die Antragsgegnerin verletze das Wettbewerbsrecht im Zuständigkeitsbereich der angerufenen deutschen Gerichte (vgl. BGH Urteil vom 15.02.2018, Az. I ZR 138/16, juris, dort Tz. 19 - Ortlieb). Überdies ergibt sich die Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin sich auf das Verfahren vor den deutschen Gerichten eingelassen hat, ohne deren fehlende internationale Zuständigkeit zu rügen (Art. 26 Abs. 1 Satz 1 Brüssel-Ia-VO).

2. Es kann dahinstehen, ob die erlassene einstweilige Verfügung schon deshalb aufzuheben war, weil sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO der Antragsgegnerin zugestellt wurde, was zweifelhaft erscheint, da die Antragstellerin innerhalb der Monatsfrist alles ihrerseits Erforderliche getan hat, um die Auslandszustellung im Wege der Rechtshilfe über das Gericht zu veranlassen (vgl. OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2015, 183). Die einstweilige Verfügung war jedenfalls deshalb aufzuheben, weil ein Verfügungsanspruch nicht besteht. Mit dem Angebot des von der Antragstellerin angegriffenen Schuhs der Dolce & Gabbana S.r.L. ist keine unlautere Nachahmung des Schuhmodells „The Fur Slide by Rihanna“ der Antragstellerin verbunden.

Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3, § 4 Nr. 3 UWG. Der Vertrieb einer Nachahmung kann nach § 4 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände - wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft (§ 4 Nr. 3 a UWG) oder eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts (§ 4 Nr. 3 b UWG) - hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen.

Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (vgl. BGH GRUR 2015, 909 Tz. 9 - Exzenterzähne; BGH GRUR 2017, 79 Tz. 64 - Segmentstruktur).

a) Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 4 Rn. 3.24 unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung).

Der Schuh „The Fur Slide by Rihanna“ der Antragstellerin weist wettbewerbliche Eigenart auf. Die Merkmalskombination einer Badeschlappe mit Kunstfellriemen war, bis die Antragstellerin mit ihrem Modell auf den Markt gekommen ist, nicht bekannt. Das Modell setzt sich deutlich von anderen Badeschlappen und auch Sandalen, die mit Kunstfell besetzt sind, ab. Diese außergewöhnliche und auffallende Merkmalskombination ist geeignet, die angesprochenen Verkehrskreise auf die Herkunft der Schuhe hinzuweisen. Die aufgrund der Bewerbung des Modells durch Rihanna eingetretene Bekanntheit des Modells steigert dessen wettbewerbliche Eigenart, so dass von einer hohen wettbewerblichen Eigenart des Schuhmodells der Antragstellerin auszugehen ist.

b) Das angegriffene, von der Antragsgegnerin vertriebene Modell des Herstellers Dolce & Gabbana S.r.L. stellt keine identische oder nahezu identische Nachahmung, jedoch eine nachschaffende Nachahmung dar. Eine nachschaffende Nachahmung liegt vor, wenn die fremde Leistung nicht identisch oder nahezu identisch nachgeahmt, sondern lediglich als Vorbild benutzt und nachschaffend unter Einsatz eigener Leistung wiederholt wird. Entscheidend ist, ob die Nachahmung wiedererkennbare prägende Gestaltungselemente des Originals aufweist oder sich deutlich davon absetzt (Aöhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 4 Rn. 3.37 m.w.N.). Das angegriffene Modell weist gegenüber dem Schuh der Antragstellerin zahlreiche Unterschiede auf. So ist die Untersohle anders gestaltet, auch die Musterung der Oberfläche ist nicht identisch, die Schuhform ist im vorderen Bereich deutlich abweichend und der Riemen weist nicht die auffallende Kennzeichnung mit dem springenden Puma und dem Schriftzug „PUMA“ auf. Hinsichtlich der die wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmalskombination ist beim angegriffenen Modell jedoch das Modell der Antragstellerin als Vorbild erkennbar. Der von der Antragsgegnerin vertriebene Schuh greift die Kombination einer Badelatsche mit Felloptik beim Riemen auf, setzt sich von diesem erkennbaren Vorbild allerdings dadurch deutlich ab, dass der Riemen statt wie bei der Antragstellerin aus Stoff mit Kunstfellbesatz aus Leder mit echtem Nerz beschaffen ist, was nicht nur zu einer anderen Haptik führt, sondern auch optisch deutlich erkennbar ist.

c) Diese nachschaffende Nachahmung ist nicht gemäß § 4 Nr. 3 a UWG unlauter, weil keine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft der Ware herbeigeführt wird.

aa) Eine unmittelbare Herkunftstäuschung liegt nicht vor und zwar unabhängig davon, ob man diesbezüglich auf die Erwerbssituation abstellt oder aber auch eine sog. postsale confusion ausreichen lässt (vgl. zum Streitstand Aöhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 4 Rn. 3.44b m.w.N.). Sowohl für den Erwerber als auch für einen späteren Verwender des Produkts ist offensichtlich, dass es sich um ein DOLCE & GABBANA Produkt und nicht um ein Produkt unmittelbar aus dem Betrieb der Antragstellerin handelt. Der Schriftzug „DOLCE & GABBANA“ ist sowohl auf dem Schuhkarton als auch auf dem Schuhbeutel und zweifach auf dem Schuh selbst in nicht übersehbarer Form aufgebracht. Auch das Produkt der Antragstellerin ist in kaum zu übertreffender Deutlichkeit mit Marken und Logo der Antragstellerin auf dem Karton und vor allem dem Schuh selbst gekennzeichnet. Die Annahme, dass der Verkehr bei dem Produkt der Antragsgegnerin davon ausgeht, dass es sich um den bekannten Schuh der Antragstellerin handelt, ist fernliegend.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es insoweit auf den Erwerber oder zumindest den Verwender des Produkts an und nicht darauf, ob außenstehende Dritte das vom Abnehmer gekaufte Produkt während dieser es trägt, irrtümlich für das Original halten (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 4 Rn. 3.44b m.w.N.), schon weil § 4 Nr. 3 a UWG auf die Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft abstellt. Aus der Entscheidung Armbanduhr des Bundesgerichtshofs (GRUR 2016, 803), auf die sich die Antragstellerin insoweit beruft, folgt nichts anderes. Gegenstand der Entscheidung war, ob ein geschütztes Design verletzt war. Für die Frage, ob das angegriffene Produkt einen mit dem geschützten Design übereinstimmenden Gesamteindruck hervorruft, kann die Tragesituation von Bedeutung sein. Dies hat jedoch mit der Feststellung, ob bei einer geschäftlichen Entscheidung eine Herkunftstäuschung im Sinne von § 4 Nr. 3 a UWG herbeigeführt wird, nichts zu tun.

bb) Auch eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liegt nicht vor. Für die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft genügt es, wenn der Verkehr bei der Produktnachahmung annimmt, es handle sich um eine neue Serie oder um eine Zweitmarke des Originalherstellers oder es bestünden Lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 4 Rn. 3.44 m.w.N.). Dass der Verkehr annimmt, dass es sich bei einer Badelatsche mit der Kennzeichnung „DOLCE & GABBANA“ um eine neue Serie oder eine Zweitmarke der Antragstellerin handelt, ist fernliegend. Gegen die Annahme lizenzvertraglicher oder gesellschaftsvertraglicher Beziehungen oder auch eine sonstige Kooperation zwischen der Antragstellerin und der Dolce & Gabbana S.r.L. spricht, dass der Verkehr sich bei Schuhen an den am Produkt oder der Verpackung angebrachten Herstellerangaben orientiert (vgl. BGH GRUR 2017, 734 Tz. 61 - Bodendübel). Die eindeutige Kennzeichnung der Produkte nur mit „DOLCE & GABBANA“ bzw. nur mit den Kennzeichen der Antragstellerin spricht für den Verkehr somit gegen die Annahme einer in irgendeiner Form bestehenden Kooperation. Dem Verkehr mag bekannt sein, dass die Antragstellerin Kooperationen auch mit Luxusmarken durchführt. In diesen Fällen wird eine Kooperation, ein „Dual Branding“, typischerweise aber werblich herausgestellt, was hier gerade nicht der Fall ist.

Hinzu kommt, der Verkehr eine Kooperation zwischen der Antragstellerin und der Dolce & Gabbana S.r.L. zumindest hinsichtlich des konkret angegriffenen Produkts in keiner Weise erwartet. Wie die Antragstellerin selbst ausführt, ist sie ein weltweit führender Hersteller im Sport- und Sport-Lifestyle-Bereich. Sie wirbt damit, dass sie bei ihren Produkten gerade keine echten Tierfelle verwendet. Eine Kooperation hinsichtlich eines Schuhs mit echtem Nerz widerspricht somit in eklatanter Weise dem von der Antragstellerin gepflegtem und beworbenen Image ihrer Produkte als Sport-Lifestyle-Produkte gerade ohne echte Tierfelle. Selbst für den Teil des angesprochenen Verkehrs, der diese Werbung nicht kennt, ist die nur auf eine Anlehnung an eine Gestaltungskombination begründete Annahme, dass die Produktion eines mit echtem Nerz hergestellten Schuhs des Luxusartikelherstellers Dolce & Gabbana S.r.L. auf eine Kooperation mit der Antragstellerin zurückgeht, sehr fernliegend.

Im Unterschied zu dem vom OLG Düsseldorf (Urteil vom 08.05.2018, Az. I-20 U 142/17, Anlage BK 23) entschiedenen Fall, bei dem eine vermeidbare Herkunftstäuschung hinsichtlich mit den Marken „DIVIDED“ und „H& M“ gekennzeichneten, mit dem Produkt der Antragstellerin nahezu identischen Badelatschen mit Plüschfell-Riemen angenommen wurde, handelt es sich bei dem vorliegend angegriffenen Produkt gerade nicht um eine nahezu identische Nachahmung des Produkts der Antragstellerin, sondern ein sich von diesem ganz deutlich unterscheidenden Produkt aus echtem Nerz. Die Übernahme allein der gestalterischen Idee, eine Badelatsche mit Riemen in Fell-Optik herzustellen, führt in Anbetracht der deutlichen Kennzeichnung der Produkte nicht zu einer Herkunftstäuschung.

d) Durch das angegriffene Produkt wird auch die Wertschätzung für den Schuh „The Fur Slide by Rihanna“ der Antragstellerin nicht unangemessen ausgenutzt oder beeinträchtigt.

Eine Ausnutzung der Wertschätzung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise die Wertschätzung für das Original („guter Ruf“; „Image“), also die Vorstellung der Güte oder Qualität, auf die Nachahmung übertragen (vgl. Aöhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 4 Rn. 3.53 m.w.N.). Vorliegend handelt es sich bei dem von der Antragsgegnerin vertriebenen Produkt um das deutlich höherpreisige und hinsichtlich der verwendeten Materialien hochwertigere Produkt. Der „gute Ruf“ oder das „Image“ des Produkts der Antragstellerin wird nicht auf das Produkt der Antragsgegnerin übertragen. DOLCE & GABBANA Produkte haben als absolute Luxusgüter einen ganz anderen Ruf und ein ganz anderes Image als das Produkt der Antragstellerin und die durch das angegriffene Produkt angesprochenen Verkehrskreise übertragen auch nicht auf das aus echtem Nerz bestehende Produkt der Antragsgegnerin das Image aus dem Sport-Lifestyle-Bereich des „The Fur Slide by Rihanna“ Schuhs. In ihrer eigentlichen Funktion als „Badelatsche“ sind beide Schuhe nicht zu gebrauchen. Auch eine Beeinträchtigung des guten Rufs des Produkts der Antragstellerin findet durch das Luxusprodukt der Antragsgegnerin nicht statt."


Den Volltext der Entscheidung mit Abbildungen der Badelatschen finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Gumminoppenstriegel - Ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz für Pferdebürste

OLG Frankfurt
Urteil vom 19.04.2018
6 U 56/17


OLG Frankfurt hat entschieden, dass auch eine Pferdebürste wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz genießen kann und Ansprüche wegen unlauterer Nachahmung durch Vertrieb eines Plagiats bestehen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagte hat durch das Angebot des "A" nach § 4 Nr. 3a UWG unlauter gehandelt.

a) Die Klägerin ist als Alleinvertriebsberechtigte für das streitgegenständliche Produkt für die Geltendmachung von Ansprüchen aus ergänzendem Leistungsschutz aktivlegitimiert.

(1) Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz dienen vorrangig dem Schutz individueller Leistungen und daneben dem Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb (BGH, GRUR 2007, 984 [BGH 24.05.2007 - I ZR 104/04] Rn. 23 - Gartenliege; BGH, GRUR 2010, 80 [BGH 28.05.2009 - I ZR 124/06] Rn. 17 - LIKEaBIKE). Sie sollen grundsätzlich nur von demjenigen geltend gemacht werden können, der die zu schützenden Leistungen erbracht hat. Das ist in der Regel der Hersteller der nachgeahmten Ware (BGH, GRUR 2016, 730 [BGH 02.12.2015 - I ZR 176/14], Rnr. 21 - Herrenhuter Stern; GRUR 1994, 630, 634 [BGH 24.03.1994 - I ZR 42/93] - Cartier-Armreif). Allerdings kann auch einem inländischen Vertriebsunternehmen aus einer ausschließlichen Vertriebsberechtigung zusätzlich ein eigenes wettbewerbliches Leistungsschutzrecht erwachsen. Dieses ist als verletzt anzusehen, wenn durch den Vertrieb eines (nahezu) identisch nachgeahmten Erzeugnisses über die Herkunft aus dem Betrieb eines bestimmten Herstellers und damit auch über die Herkunft aus dem Betrieb des ausschließlichen Vertriebsberechtigten getäuscht wird (BGH GHRUR 1994, 630, 634 - Cartier-Armreif; BGH GRUR 1991, 223, 224 [BGH 18.10.1990 - I ZR 283/88] - Finnischer Schmuck; BGH GRUR 1988, 620, 621f. - Vespa-Roller). Soweit die Beklagte hierzu darauf hinweist, der BGH habe in seiner "Herrnhuter-Stern"-Entscheidung sich nicht zu einer Anspruchsberechtigung des Alleinvertriebsberechtigten geäußert, ergibt sich hieraus nicht, dass er an seiner in der Cartier-Entscheidung geäußerten Auffassung nicht mehr festhalten wolle. Es gab lediglich keine Veranlassung, sich in einem Fall zum Alleinvertriebsberechtigten zu äußern, in dem der Hersteller Ansprüche geltend machte.

(2) Die Klägerin hat eine Stellung als Alleinvertriebsberechtigte inne, die ihr ein eigenes wettbewerbsrechtliches Leistungsschutzrecht verschafft. Die Klägerin vertreibt die Produkte in Deutschland. Dass ihr ein Alleinvertriebsrecht eingeräumt worden ist, ergibt sich indiziell schon daraus, dass die Herstellerin C als Konzernmutter ihre Alleingesellschafterin ist und im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich als Gesellschaftszweck festgehalten ist, dass die Klägerin in Europa die Produkte der C vertreiben soll. Dies wird dadurch gestützt, dass die Klägerin auch tatsächlich als Alleinvertriebsberechtigte auftritt und die einzige ist, die die Produkte in Europa vertreibt (z.B im Katalog in Anlage K 3, letzte Seite). Schließlich hat die Klägerin eine Bestätigung der Herstellerin vorgelegt (Anlage K 51, Bl. 310). All dies lässt für den Senat eine hinreichende Überzeugung auf eine konkludente vertragliche Alleinvertriebsabrede zu, zumal zwischen Konzerngesellschaften derartige Strukturen mit Vertriebstöchtern für bestimmte geografische Gebiete alles andere als ungewöhnlich sind.

b) Der Gumminoppenstriegel "A" der Klägerin verfügt über wettbewerbliche Eigenart.

(1) Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH, GRUR 2015, 909 [BGH 22.01.2015 - I ZR 107/13], Rnr. 10 - Exzenterzähne). Maßgebend bei der Beurteilung ist der Gesamteindruck, den ein bestimmtes Produkt vermittelt. Dabei muss sich die wettbewerbliche Eigenart gerade aus den übernommenen Gestaltungsmerkmalen des Erzeugnisses ergeben. Es müssen also gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sein, im Verkehr auf eine bestimmte betriebliche Herkunft oder auf die Besonderheit des jeweiligen Erzeugnisses hinzuweisen, was dann der Fall ist, wenn sich das Produkt von anderen Produkten im Marktumfeld so abhebt, dass der Verkehr es einem bestimmten Hersteller zuordnet (BGH WRP 2013, 1189 [BGH 24.01.2013 - I ZR 136/11], Rnr. 24 - Regalsystem). Der Grad der wettbewerblichen Eigenart kann durch eine hohe tatsächliche Bekanntheit des Produkts beim angesprochenen Verkehrskreis nochmals erhöht werden (BGH GRUR 2007, 984 [BGH 24.05.2007 - I ZR 104/04] Rnr. 28 - Gartenliege).

(2) Das Landgericht ist nach diesen Maßstäben zu Recht vom Vorliegen einer Eigenart ausgegangen; es hat ausgeführt:

"Das Produkt der Klägerin ist geprägt durch seine charakteristische, markante ergonomische Formgebung, die gekennzeichnet ist durch den auf der Oberseite des Striegels aufgebrachten ovalen Haltegriff, der eine Handhabung für Personen mit kleineren als auch mit größeren Händen ermöglicht. Des Weiteren ist das Produkt gekennzeichnet durch die Kombination von zwei Kunststoffen, wobei der härtere Kunststoff in den zentralen Bereichen des Geräts allgemein dessen Stabilität dient und der weichere, gummiartige Kunststoff im Griffbereich der ermüdungsarmen, gelenkschonenden und abrutschsicheren Handhabung dient. Diese verschiedenen Eigenschaften werden durch die unterschiedliche Farbgebung der Griffpartien hervorgehoben. Eine solche Gesamtheit der äußeren Gestaltungselemente liegt bei den Wettbewerbsprodukten gemäß den Abbildungen in den Anlagen K 19 bis K 20 nicht vor. Vielmehr sind diese Produkte dadurch gekennzeichnet, dass anstelle eines ovalen Haltegriffs eine Schlaufe auf dem Striegel angebracht ist. Damit hebt sich das Produkt der Klägerin deutlich vom wettbewerblichen Umfeld ab. Demnach liegt hier eine wettbewerbliche Eigenart des Produktes vor."

Diesen überzeugenden - wenn auch nicht tragenden - Ausführungen des Landgerichts tritt der Senat in vollem Umfang bei. Die von der Beklagten hiergegen vorgebrachten Argumente greifen nicht durch. Soweit die Beklagte vorträgt, die besondere Ergonomie müsse als rein technische Benutzungsanforderung außer Betracht bleiben, ist darauf hinzuweisen, dass eine wettbewerbliche Eigenart und damit ein Schutz vor Nachahmung erst dann ausscheidet, soweit sich in der technischen Gestaltung eine gemeinfreie technische Lösung verwirklicht. Denn die technische Lehre und der Stand der Technik sind grundsätzlich frei benutzbar, soweit kein Sonderschutz (mehr) eingreift (vgl. BGH GRUR 2002, 820 (822) [BGH 07.02.2002 - I ZR 289/99][BGH 07.02.2002 - I ZR 289/99][BGH 07.02.2002 - I ZR 289/99] - Bremszangen; BGH GRUR 2007, 339 [BGH 21.09.2006 - I ZR 270/03] Rnr. 27 - Stufenleitern). Dies gilt uneingeschränkt für technisch notwendige Gestaltungselemente (BGH WRP 2015, 1090 [BGH 22.01.2015 - I ZR 107/13] Rn. 18 - Exzenterzähne; BGH WRP 2016, 854 [BGH 19.11.2015 - I ZR 109/14] Rnr. 24 - Hot Sox). Technische Notwendigkeit ist aber nur anzunehmen, wenn Merkmale aus technischen Gründen zwingend bei gleichartigen Konstruktionen verwendet werden müssen und der erstrebte technische Erfolg anderweit nicht erreichbar ist; der technische Erfolg beurteilt sich dabei nach der technischen Funktion des Erzeugnisses im Hinblick auf den konkreten Gebrauchszweck (BGH WRP 2017, 792 [BGH 15.12.2016 - I ZR 197/15] Rn. 31 - Bodendübel). Eine für den Gebrauchszweck "optimale" Kombination technischer Merkmale ist aber nicht gleichbedeutend mit einer technisch notwendigen Gestaltung (BGH GRUR 2009, 1073 [BGH 02.04.2009 - I ZR 199/06][BGH 02.04.2009 - I ZR 199/06] Rn. 13 - Ausbeinmesser). Davon zu unterscheiden sind solche technischen Merkmale, die zwar technisch bedingt, aber ohne Qualitätseinbußen frei wählbar und austauschbar sind (vgl. BGH GRUR 2010, 80 [BGH 28.05.2009 - I ZR 124/06] Rn. 27 - LIKEaBIKE; BGH GRUR 2012, 58 [BGH 12.05.2011 - I ZR 53/10] Rn. 43 - Seilzirkus). Sie können eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, sofern der Verkehr wegen dieser Merkmale auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Betrieb Wert legt oder damit - ohne sich über die Herkunft Gedanken zu machen - gewisse Qualitätserwartungen verbindet (BGH WRP 2013, 1189 [BGH 24.01.2013 - I ZR 136/11] Rnr. 19 - Regalsystem; BGH WRP 2015, 1090 [BGH 22.01.2015 - I ZR 107/13] Rnr. 19 - Exzenterzähne; BGH WRP 2016, 854 [BGH 19.11.2015 - I ZR 109/14] Rnr. 24- Hot Sox). Ob die Ausgestaltung der technischen Merkmale für sich gesehen oder zumindest in ihrer Kombination nicht technisch notwendig ist, kann ein Vergleich mit anderen marktgängigen Produkten zeigen, die demselben technischen Zweck dienen (BGH WRP 2017, 792 [BGH 15.12.2016 - I ZR 197/15] Rn. 31 - Bodendübel). Gerade dieser Vergleich mit den Konkurrenzprodukten am Markt zeigt im vorliegenden Fall jedoch, dass offensichtlich sämtliche Wettbewerber andere Lösungen für den Griff des Gummistriegels gefunden haben, was deutlich gegen eine technische Notwendigkeit spricht.

c) Es liegt eine nachschaffende Leistungsübernahme vor. Auch hier kann den nachfolgend wiedergegebenen Ausführungen des Landgerichts beigetreten werden: "Das streitgegenständliche Produkt der Beklagten stellt eine Leistungsübernahme des klägerischen groben Noppenstriegels dar. Aufgrund des hohen Grades an Übereinstimmung handelt es sich um eine nahezu identische Nachahmung des Originalprodukts. Die Beklagte hat bei ihrem eigenen Produkt gerade die Merkmale übernommen, auf denen die oben dargelegte wettbewerbliche Eigenart des Produkts der Klägerin beruht. Das Produkt der Beklagten muss mit dem "Originalprodukt" übereinstimmen oder ihm zumindest so ähnlich sein, dass es sich in ihm wiedererkennen lässt (Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Auflage 2016, § 4 Rn. 3.34). Bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit ist auf die Sichtweise des durchschnittlich informierten und situations-adäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers abzustellen, der die betreffenden Produkte nicht nebeneinander sieht und unmittelbar miteinander vergleicht, sondern auf Grund seiner Erinnerung in Beziehung zueinander setzt ( OLG Köln, WRP 2014, S. 337 [OLG Köln 16.08.2013 - 6 U 13/13]). Betrachtet man hier beide Produkte, ist dies der Fall. Das charakteristische Design des Produkts der Klägerin wurde im vorliegenden Fall (fast) vollkommen übernommen. Der bei Konkurrenzprodukten so bisher nicht genutzte und sehr prägnante nach oben stehende "Halteknauf" findet sich gerade auch beim Produkt der Beklagten wieder. Die beiden Produkte unterscheiden sich für den Verbraucher ausschließlich durch die unterschiedliche Farbgebung, nämlich durch das von der Beklagten verwendete Schottenmuster. Eine unterschiedliche farbliche Gestaltung ein und desselben Produkts ist jedoch absolut üblich. Auch die Klägerin selbst bietet ihre Striegel in verschiedenen farblichen Ausgestaltungen an. Allein diese farbliche Differenz kann deshalb nicht dazu führen, dass eine Nachahmung der wesentlichen Merkmale verneint werden kann."

Die hiergegen von der Beklagten vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. Insbesondere die Produktkennzeichnung mit der Marke "A" stellt eine Nachahmung nicht in Frage, sondern kann höchstens bei der Frage einer möglichen Herkunftstäuschung eine Rolle spielen. Der "ovale Aufsatz" ist auf den Lichtbildern nicht erkennbar.

d) Schließlich ist die Nachahmung auch unter dem Gesichtspunkt der Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 3a UWG) als unlauter anzusehen.

Eine Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck gewinnen können, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originals oder einem mit ihm geschäftlich oder organisatorisch verbundenen Unternehmen (BGH, GRUR, 2009, 1069 [BGH 02.04.2009 - I ZR 144/06], Rn. 14f. - Knoblauchwürste). Dabei muss beachtet werden, dass es weniger auf die Unterschiede als auf die Übereinstimmungen der Produkten ankommt, denn der Verkehr nimmt diese erfahrungsgemäß nicht gleichzeitig wahr, sondern gewinnt seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks, in dem regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale deutlicher hervortreten (BGH, GRUR 2007, 795 [BGH 11.01.2007 - I ZR 198/04], Rn. 34 - Handtaschen). Ob und welche Maßnahmen Wettbewerbern zur Verhinderung einer Herkunftstäuschung zugemutet werden können, ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen. Bei dieser Abwägung sind unter anderem das Interesse des Herstellers des Originalerzeugnisses an der Vermeidung einer Herkunftstäuschung, das Interesse der Wettbewerber an der Nutzung nicht unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungselemente sowie das Interesse der Abnehmer an einem Preis und Leistungswettbewerb zwischen unterschiedlichen Anbietern zu berücksichtigen (vgl. BGH, GRUR 2013, 951 [BGH 24.01.2013 - I ZR 136/11] Rn. 35 f. - Regalsystem). Ob die deutliche Hervorhebung des Herstellernamens bzw. der Herstellermarke ausreicht, um die Gefahr einer Herkunftsverwechslung in ausreichendem Maße einzudämmen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH, GRUR 2015, 909 [BGH 22.01.2015 - I ZR 107/13], Rn. 36 -Exzenterzähne; BGH, NJW-RR 2001, 824, 826- Viennetta).

Das streitgegenständliche Produkt hat hier sowohl technische als auch gestalterische Elemente des Originalprodukts in einem derartigen Umfang übernommen, dass von einer nahezu identischen Leistungsübernahme auszugehen ist. Daher sind strenge Anforderungen an die abstandshaltenden Maßnahmen zu stellen. Dem wird die aufgebrachte Marke/Logo nicht gerecht. Hierbei kann es dahinstehen, ob es sich bei der angebrachten Marke/Logo um eine Hersteller- oder Händlermarke handelt. Zwar sind die auf den gegenüberstehenden Produkten aufgebrachten Kennzeichen von der Erscheinung anders gestaltet, jedoch sind beide am Griff und damit jeweils an derselben Stelle des Striegels aufgebracht. Hinzu kommt, dass die Kennzeichnung auf dem streitgegenständlichen Produkt aufgrund ihrer geringen Größe und der Platzierung oberhalb des Schottenmusters weniger deutlich auffällt (Anlage K 8). Eine vermeidbare Herkunftstäuschung kann dann zu bejahen sein, wenn der Verkehr sich nicht auch an der Herstellerangabe, sondern allein an der äußeren Gestaltung orientiert und diese allein deswegen einem bestimmten Hersteller zuordnen würde (vgl. BGH, GRUR 1999, 751, 753 [BGH 14.01.1999 - I ZR 203/96] - Güllepumpen). Dies ist hier aufgrund des deutlichen Herausragens der Gestaltungen aus dem Wettbewerbsumfeld der Fall. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Verkehr eine abweichende Kennzeichnung auch für eine Zweitmarke oder ein Lizenzprodukt halten kann. Es ist zudem möglich, dass Teile des angesprochenen Verkehrs zwar aus der Ware selbst auf einen bestimmten Hersteller schließen, ihnen aber weder der Name des Herstellers noch deren Marke geläufig ist. Dieser Teil des Verkehrs erkennt wegen der abweichenden Kennzeichnung gar nicht, dass es sich um eine Nachahmung und nicht um das Original handelt.

Soweit für eine vermeidbare Herkunftstäuschung weiter erforderlich ist, dass das Erzeugnis eine "gewisse Bekanntheit" bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise erlangt hat, hat die Klägerin vorgetragen, dass die "D"-Produkte weltweit Marktführer im Bereich der Pferdepflegeprodukte sind. Die Klägerin hat weiterhin ihre Werbeanstrengungen seit dem Jahr 2004 dargelegt (Anlage K 22). Weiter hat sie zur Marktdurchdringung ausdrücklich vorgetragen (Bl. 204 ff.) und dies durch Google-Suchabfragen nach "Pferdestriegel" abgerundet, bei denen Produkte der Klägerin zuerst erschienen. Schließlich behauptet sie einen Marktanteil von 70 % im Bereich der Pferdepflegeprodukte (Bürsten und Striegel). Zwar hat die Beklagte all dies pauschal bestritten, dies ist jedoch angesichts der vorhandenen Marktkenntnis der Beklagten nicht ausreichend. Vielmehr hätte sie dem detaillierten Vortrag der Klägerin ihrerseits detailliert entgegentreten müssen.

3.) In der Folge steht der Klägerin zum einen ein Unterlassungsanspruch aus § 8 UWG zu; sie kann daher darüber hinaus aus § 12 I 2 UWG auch den Ersatz der ihr entstandenen Abmahnkosten verlangen, gegen deren Höhe von der Beklagten nichts erinnert wird und die auch für den Senat angemessen erscheint. Lediglich der Zinsanspruch besteht nicht in der geltend gemachten Höhe, da die Beklagte im Schreiben vom 10.12.2014 zur Zahlung bis 05.01.2015 eine Frist gesetzt wurde und die Beklagte sich daher erst ab 06.01.2015 in Verzug befand. Insoweit unterlag die Berufung daher der Zurückweisung.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Keine wettbewerbswidrige Nachahmung durch Verwendung der Slogans "gute und professionelle Beratung" und ein "Service in gewohnt guter Qualität"

BGH
Urteil vom 15.02.2018
I ZR 243/16
Gewohnt gute Qualität
ZPO §§ 139, 286; UWG § 4 Nr. 3


Der BGH hat entschieden, dass die Verwendung der Slogans "gute und professionelle Beratung" und ein "Service in gewohnt guter Qualität" mangels wettbewerblicher Eigenart keine wettbewerbswidrige Nachahmung darstellen kann.

Leitsätze des BGH:

a) Ein Rechtsmittelführer, der die Verletzung einer gerichtlichen Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO geltend macht, muss darlegen, wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert, insbesondere was er hierauf im Einzelnen vorgetragen hätte und wie er weiter vorgegangen wäre. Er ist dabei grundsätzlich nicht gehindert, sein bisheriges Vorbringen zu ändern und insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Eine durch Änderungen etwa entstehende Widersprüchlichkeit in seinem Vortrag
ist allein im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.

b) Eine "gute und professionelle Beratung" und ein "Service in gewohnt guter Qualität" sind keine besonderen Merkmale einer Dienstleistung und daher nicht geeignet, die wettbewerbliche Eigenart einer Dienstleistung zu begründen.

BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 - I ZR 243/16 - OLG Naumburg - LG Stendal

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: