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OLG Hamburg: Rückrufanspruch aus § 18 Abs. 2 MarkenG, Art. 129 Abs. 2 UMV setzt nicht voraus dass es bereits einen Lieferfall an einen gewerblichen Abnehmer gegeben hat

OLG Hamburg
Urteil vom 06.03.2025
5 U 2/24


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass ein Rückrufanspruch aus § 18 Abs. 2 MarkenG, Art. 129 Abs. 2 UMV nicht voraussetzt, dass es bereits einen Lieferfall an einen gewerblichen Abnehmer gegeben hat.

Aus den Entscheidungsgründen:
a. Der geltend gemachte Rückrufanspruch gem. § 18 Abs. 2 MarkenG, Art. 129 Abs. 2 UMV steht der Klägerin entgegen der Ansicht des Landgerichts zu.

aa. Die Ansprüche aus § 18 MarkenG finden über Art. 129 Abs. 2 UMV, § 119 MarkenG auch auf Verletzungen von Unionsmarken Anwendung.

bb. Nach § 18 Abs. 2 MarkenG kann der Inhaber einer Marke den Verletzer in den Fällen der §§ 14, 15 und 17 MarkenG auf Rückruf von widerrechtlich gekennzeichneten Waren oder auf deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen in Anspruch nehmen.

Der Rückrufanspruch gem. § 18 Abs. 2 MarkenG besteht „in den Fällen der §§ 14, 15 und 17 MarkenG“ (Mittsommer in BeckOK Markenrecht, 40. Ed., § 18 MarkenG Rn. 54). Es muss einer der in § 14 Abs. 2 bis 4, § 15 Abs. 2 und 3 sowie in § 17 Abs. 2 Satz 1 MarkenG normierten Verletzungstatbestände erfüllt sein (Mittsommer in BeckOK Markenrecht, 40. Ed., § 18 MarkenG Rn. 8).

Von der Rückrufverpflichtung erfasst sind Gegenstände, die der Verletzer bereits an Dritte / Abnehmer weitergegeben hat (vgl. BGH GRUR 2018, 292 Rn. 32 f. – Produkte zur Wundversorgung; Mittsommer in BeckOK Markenrecht, 40. Ed., § 18 MarkenG Rn. 36). Es genügt – anders als bei § 18 Abs. 1 Satz 1 MarkenG – nicht, dass der Verletzer widerrechtlich gekennzeichnete Waren z.B. mit dem verletzenden Zeichen versehen oder qualifizierten Besitz an ihnen erlangt hat. Da es um die Bereinigung der Vertriebswege geht, müssen widerrechtlich gekennzeichnete Waren auch tatsächlich in die Vertriebswege gelangt sein. Erforderlich ist, dass mindestens ein Lieferfall festgestellt werden kann, wobei die Lieferung nicht notwendig durch den in Anspruch genommenen Verletzer durchgeführt worden sein muss (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 18 Rn. 71). Weiter müssen sich die Waren grds. im Inland (bei Unionsmarken in der EU) befinden (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 18 Rn. 72).

Der Normzweck der Rückruf- und Entfernungsansprüche ist nicht nur die Verhinderung weiterer Verletzungen, sondern auch die Rückgängigmachung der Folgen der bereits begangenen Verletzung (vgl. Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 18 Rn. 74). Daher sind im Ausgangspunkt auch Waren, die sich bereits bei privaten oder gewerblichen Endabnehmern befinden, bei diesen Ansprüchen mit einzubeziehen (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 18 Rn. 74). Auch bei solchen Waren können Rückruf und Entfernung dazu beitragen, weitere Verletzungen zu verhindern, etwa wenn es sich um langlebige Waren handelt, die typischerweise als gebrauchte Ware weitervertrieben werden (Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 18 Rn. 74).

cc. Das Landgericht hat angenommen, es sei erforderlich, dass mindestens ein Lieferfall an einen gewerblichen Abnehmer festgestellt werden könne. Dies sei hier nicht der Fall, weswegen der Rückrufanspruch nicht bestehe. Das hiergegen gerichtete Berufungsvorbringen hat Erfolg.

dd. Mit ihrem Klageantrag begehrt die Klägerin vorliegend nur den Rückruf bei gewerblichen Abnehmern des Beklagten. Ein solcher Anspruch lässt sich im Streitfall entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht verneinen. Es ist nach dem Vorgenannten im Markenrecht nicht erforderlich, dass als Anspruchsvoraussetzung mindestens ein Lieferfall an einen gewerblichen Abnehmer des in Anspruch Genommenen festgestellt werden müsste. Denn es geht – wie die Berufung zu Recht geltend macht – um die Abgrenzung zur bloßen rechtsverletzenden Kennzeichnung und/oder dem (qualifizierten) Besitz. Ein Lieferfall muss insoweit vorliegen, als dass widerrechtlich gekennzeichnete Waren auch tatsächlich in die Vertriebswege gelangt sind. Dies kann für die gegenständlichen Uhren für das Gebiet der Europäischen Union aber festgestellt werden. Im Streitfall sind die rechtsverletzenden Uhren in die Vertriebswege gelangt, nämlich zum Beklagten, der diese – wie die beiden Testkäufe zeigen – auch weitervertrieben hat. Dies ist für den Anspruch aus § 18 Abs. 2 MarkenG genügend. Zudem ist ein Weitervertrieb der gegenständlichen „Boss“-Uhren durch Abnehmer des Beklagten, etwa über die Plattform eBay, auch nicht fernliegend.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Zur internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO bei Markenrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstößen - Parfumflakon III

BGH
Urteil vom 27.11.2014
I ZR 1/11
Parfumflakon III
Gemeinschaftsmarkenverordnung Art. 93 Abs. 5; Brüssel I-VO Art. 5 Nr. 3

Leitsätze des BGH:


a) Die Annahme einer Verletzungshandlung im Sinne von Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 setzt ein aktives Verhalten des Verletzers voraus. International zuständig sind deshalb die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem sich der Vorfall, der der behaupteten Verletzung zugrunde liegt, ereignet hat oder zu ereignen droht. Nicht zuständig sind dagegen die Gerichte
der Mitgliedstaaten, in dem die behauptete Verletzung lediglich ihre Wirkungen entfaltet.

b) An dem internationalen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung im Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO können neben Ansprüchen auf Geldersatz, Unterlassung und Beseitigung auch Nebenansprüche auf Auskunftserteilung geltend gemacht werden.

c) Die Annahme einer internationalen Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO für eine auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützte Klage unter dem Gesichtspunkt des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs setzt voraus, dass nach dem Vortrag des Klägers ein Wettbewerbsverstoß, der einen Schaden im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts verursacht hat, nicht ausgeschlossen ist. Ob tatsächlich ein schädigendes Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, aus dem sich ein Wettbewerbsverstoß ergibt, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die vom zuständigen Gericht anhand des anwendbaren nationalen Rechts zu prüfen ist.

BGH, Urteil vom 27. November 2014 - I ZR 1/11 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

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