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EuGH: Arzneimittel darf in anderem Mitgliedstaat nur dann vertrieben werden wenn dieser das Inverkehrbringen genehmigt hat

EuGH
Urteil vom 08.07.2021
C-178/20
Pharma Expressz


Der EuGH hat entschieden, dass ein Arzneimittel in einem anderen Mitgliedstaat nur dann vertrieben werden darf, wenn dieser das Inverkehrbringen genehmigt hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Ein in einem Mitgliedstaat nicht der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegendes Arzneimittel darf in einem anderen Mitgliedstaat nur dann vertrieben werden, wenn auch dieser Mitgliedstaat sein Inverkehrbringen genehmigt

Ohne diese Genehmigung kann die Abgabe dieses Arzneimittels dort jedoch möglich sein, wenn es im Einklang mit dem Unionsrecht in besonderen medizinischen Bedarfsfällen verwendet wird Im März 2019 wiesen die ungarischen Behörden das ungarische Unternehmen Pharma Expressz an, seine Geschäftspraxis zu unterlassen, unter Missachtung der hierfür im ungarischen Recht vorgesehenen Formalitäten in Ungarn Arzneimittel zu vertreiben, deren Inverkehrbringen als nicht der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegendes Arzneimittel durch einen anderen Mitgliedstaat genehmigt wurde. Nach ungarischem Recht dürfen nämlich Arzneimittel, die über keine von den ungarischen Behörden oder der Europäischen Kommission erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügen, nur dann vertrieben werden, wenn ihre Verwendung zu therapeutischen Zwecken den ungarischen Behörden von einem verschreibenden Arzt mitgeteilt wird, der eine Stellungnahme dieser Behörden zu dieser Anwendung einholen muss. Pharma Expressz hat den Bescheid der ungarischen Behörden beim Fővárosi Törvényszék
(Hauptstädtisches Stuhlgericht, Ungarn) angefochten, das den Gerichtshof um Klärung der Frage ersucht, ob es nicht gegen das Unionsrecht verstößt, die Einhaltung dieser Formalitäten für den in Ungarn erfolgenden Vertrieb von Arzneimitteln zu verlangen, deren Inverkehrbringen als nicht der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegende Arzneimittel durch einen anderen Mitgliedstaat genehmigt wurde.

Mit Urteil vom heutigen Tag weist der Gerichtshof darauf hin, dass nach der Arzneimittelrichtlinie ein Arzneimittel in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden darf, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats oder die Kommission in Anwendung des dafür vorgesehenen zentralisierten Verfahrens eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat.

Verfügt ein Arzneimittel also nicht über eine von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem es zum Verkauf angeboten wird, oder eine nach dem zentralisierten Verfahren erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen, darf es in diesem Staat nicht vertrieben werden, und zwar unabhängig davon, dass es in einem anderen Mitgliedstaat ohne ärztliche Verschreibung verkauft werden darf.

Zu dem in der Arzneimittelrichtlinie vorgesehenen Verfahren der gegenseitigen Anerkennung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen stellt der Gerichtshof fest, dass es unter strengen Voraussetzungen durchgeführt wird und davon abhängt, dass der Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines bestimmten Arzneimittels in einem Mitgliedstaat einen Antrag auf Anerkennung dieser Genehmigung in den anderen Mitgliedstaaten stellt, was nicht den Umständen der vorliegenden Rechtssache entspricht.

Folglich verlangt die Arzneimittelrichtlinie nicht nur nicht, dass ein Arzneimittel, dessen Inverkehrbringen als nicht der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegendes Arzneimittel durch einen Mitgliedstaat genehmigt wurde, durch einen anderen Mitgliedstaat, der dessen Vertrieb nicht genehmigt hat, ebenfalls als nicht der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegendes Arzneimittel anzusehen ist, sondern steht ganz im Gegenteil dieser Möglichkeit entgegen.

Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass die sich aus den ungarischen Rechtsvorschriften ergebenden Formalitäten offenbar die Umsetzung einer in der Arzneimittelrichtlinie vorgesehenen Ausnahme in ungarisches Recht darstellen, die in besonderen medizinischen Bedarfsfällen das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in einem Mitgliedstaat gestattet, selbst wenn keine von diesem Staat oder der Kommission erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen vorliegt. Da Ungarn mit der Einführung dieser Formalitäten eine ordnungsgemäße Umsetzung dieser Ausnahme vorgenommen hat, können sie jedoch nicht als mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahme gleicher Wirkung im Hinblick auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs eingestuft werden.


Tenor der Entscheidung:

1. Die Art. 70 bis 73 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die in der durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie, vorbehaltlich der Anwendung der in Art. 5 Abs. 1 vorgesehenen Ausnahme, dem entgegenstehen, dass ein Arzneimittel, das in einem Mitgliedstaat ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden darf, auch in einem anderen Mitgliedstaat als ein Arzneimittel anzusehen ist, das ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden darf, wenn dieses Arzneimittel in dem letztgenannten Mitgliedstaat über keine Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügt und nicht eingestuft worden ist.

2. Eine nationale Maßnahme zur Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2012/26 geänderten Fassung, die für die Abgabe eines Arzneimittels, das über keine Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügt, eine ärztliche Verschreibung und eine Stellungnahme der für die Gesundheit zuständigen Behörde vorschreibt, um die Erfüllung der in dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen sicherzustellen, stellt weder eine mengenmäßige Beschränkung noch eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV dar.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker kann nach § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 HWG unzulässig sein

BGH
Urteil vom 17.12.2020
I ZR 235/16
Apothekenmuster II
Richtlinie 2001/83/EG Art. 96 Abs. 1, Art. 94 Abs. 1; AMG § 47 Abs. 3; HWG § 7 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass die Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker nach § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 HWG unzulässig sein kann.

Leitsätze des BGH:
a) Die unionsrechtskonforme Auslegung von § 47 Abs. 3 AMG im Lichte von Art. 96 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG ergibt, dass es pharmazeutischen Unternehmen nicht erlaubt ist, Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben. Dagegen stehen diese Bestimmungen der Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker nicht entgegen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 11. Juni 2020 - C-786/18, GRUR 2020, 764 = WRP 2020, 1004 - ratiopharm).

b) Die Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker kann jedoch nach § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 HWG als Zuwendung in Form einer Ware unzulässig sein.

BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - I ZR 235/16 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH: Pharmaunternehmen dürfen keine Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abgeben - Gratismuster nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel zulässig

EuGH
Urteil vom 12.06.2020
C-786/18
ratiopharm GmbH / Novartis Consumer Health GmbH


Der EuGH hat entschieden, dass Pharmaunternehmen keine Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abgeben dürfen. Die Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheken ist hingegen zulässig.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Pharmazeutische Unternehmen dürfen keine Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abgeben

Dagegen verbietet es das Unionsrecht nicht, Gratismuster nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben.

Das Pharmaunternehmen Novartis stellt das Arzneimittel Voltaren Schmerzgel mit dem Wirkstoff Diclofenac her. Vor den deutschen Gerichten beantragt Novartis, dem Generikahersteller ratiopharm die Abgabe von Gratismustern des Arzneimittels Diclo-ratiopharm-Schmerzgel, das ebenfalls den Wirkstoff Diclofenac enthält, an Apotheker zu untersagen. Nach Auffassung von Novartis verstößt eine solche Abgabe gegen das deutsche Arzneimittelgesetz. Dort seien unter den Personen, an die Gratismuster von Arzneimitteln abgegeben werden dürften, zwar Ärzte, nicht aber Apotheker genannt. Diese Abgabe sei daher eine unzulässige Gewährung von Werbegaben.

Der Bundesgerichtshof ersucht in diesem Zusammenhang den Gerichtshof um die Auslegung des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (im Folgenden auch: Kodex). Er möchte wissen, ob dieser Kodex es pharmazeutischen Unternehmen erlaubt, Gratismuster von Arzneimitteln an Apotheker abzugeben.

Mit seinem Urteil von heutigen Tag entscheidet der Gerichtshof, dass der Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel es pharmazeutischen Unternehmen nicht erlaubt, Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben.

Dagegen verbietet es der Kodex nicht, Gratismuster von Arzneimitteln, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen, an Apotheker abzugeben.

Der Kodex ist nach Ansicht des Gerichtshofs dahin auszulegen, dass nur zur Verschreibung von
der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegenden Arzneimitteln berechtigte Personen, also
Ärzte, Gratismuster solcher Arzneimittel erhalten dürfen, was zur Folge hat, dass eine Abgabe an
Apotheker nicht zulässig ist. Diese Arzneimittel dürfen in Anbetracht der mit ihrem Gebrauch
verbundenen Gefahr oder der hinsichtlich ihrer Wirkungen bestehenden Unsicherheit nämlich nicht
ohne ärztliche Überwachung verwendet werden.

Allerdings wird den Apothekern durch den Kodex nicht die Möglichkeit genommen, im Rahmen des
nationalen Rechts Gratismuster von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erhalten,
damit sie sich mit neuen Arzneimitteln vertraut machen und Erfahrungen mit deren Anwendung
sammeln können.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: