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BGH: Champignons dürfen mit "Ursprungsland Deutschland" gekennzeichnet werden auch wenn sie erst kurz vor der Ernte nach Deutschland verbracht werden

BGH
Urteil vom 16.01.2020
I ZR 74/16
Kulturchampignons II
VO (EG) 1234/2007 Art. 113a Abs. 1; VO (EU) Nr. 1308/2013 Art. 76 Abs. 1; VO (EWG) Nr. 2913/92 Art. 23; VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 60 Abs. 1; VO (EU) Nr. 1169/2011 Art. 7 Abs. 1 Buchst. a; RL 2000/13/EG Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i; UWG §§ 3, 3a, 5 Abs. 1, 8; LFGB § 11 Abs. 1 Nr. 1


Der BGH hat in Umsetzung der EuGH-Entscheidung (siehe dazu EuGH: Champignons dürfen mit "Ursprungsland Deutschland" gekennzeichnet werden auch wenn sie erst kurz vor der Ernte nach Deutschland verbracht werden ) entschieden, dass Champignons mit "Ursprungsland Deutschland" gekennzeichnet werden dürfen, auch wenn sie erst kurz vor der Ernte nach Deutschland verbracht werden. Die Kennzeichnungsvorschriften schließen nach Ansicht des BGH eine Irreführung nach § 5 Abs. 1 UWG aus, auch wenn die Bezeichnung von Verbrauchern missverstanden werden kann.

Leitsätze des BGH:

a) Das kennzeichnungsrechtliche Irreführungsverbot (§ 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 LFGB aF sowie § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. a LMIV) findet auf die Ursprungsangabe für ein Lebensmittel, die nach Art. 113a Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 vorgeschrieben ist, keine Anwendung. Es dürfen im Falle einer solchen Angabe keine aufklärenden Zusätze verlangt werden, um einer etwaigen Irreführung des Verbrauchers entgegenzuwirken.

b) Das nach Art. 113a Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 anzugebende Ursprungsland von in Deutschland geernteten Kulturchampignons ist das Ernteland, auch wenn wesentliche Produktionsschritte in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfolgt sind und die Kulturchampignons erst drei oder weniger Tage vor der ersten Ernte ins Erntegebiet verbracht worden sind.

c) Ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 UWG scheidet aus, wenn gesetzliche Kennzeichnungsvorschriften eine bestimmte Bezeichnung vorschreiben und das so gekennzeichnete Produkt den gesetzlichen Kriterien entspricht. In einem solchen Fall genießt das Kennzeichnungsrecht Normvorrang und ist eine unlautere Irreführung auch dann nicht anzunehmen, wenn relevante Teile des Verkehrs die verwendete Bezeichnung falsch verstehen.

BGH, Urteil vom 16. Januar 2020 - I ZR 74/16 - OLG Stuttgart - LG Ulm

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




EuGH: Champignons dürfen mit "Ursprungsland Deutschland" gekennzeichnet werden auch wenn sie erst kurz vor der Ernte nach Deutschland verbracht werden

EuGH
Urteil vom 04.09.2019
C-686/17
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e. V. gegen Prime Champ Deutschland Pilzkulturen GmbH

Der EuGH hat entschieden, dass Obst und Gemüse (hier: Champignons) mit "Ursprungsland Deutschland" gekennzeichnet werden dürfen, auch wenn sie erst kurz vor der Ernte nach Deutschland verbracht werden. Es ist - so der EuGH - unerheblich, wenn wesentliche Produktionsschritte in einem anderen EU-Mitgliedstaat erfolgen.

Tenor der Entscheidung:

1. Art. 113a Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse in der durch die Verordnung (EG) Nr. 361/2008 des Rates vom 14. April 2008 geänderten Fassung und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und Nr. 1234/2007 des Rates sind dahin auszulegen, dass für die Bestimmung des Begriffs des Ursprungslands gemäß diesen Vorschriften auf die Zollregelungen zur Bestimmung des nichtpräferenziellen Ursprungs von Waren abzustellen ist, d. h. auf die Art. 23 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften und auf Art. 60 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union.

2. Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 2913/92 und Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 952/2013 in Verbindung mit Art. 31 Buchst. b der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 952/2013 mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union sind dahin auszulegen, dass das Ursprungsland von Kulturchampignons ihr Ernteland im Sinne dieser Vorschriften ist, und zwar unabhängig davon, ob wesentliche Produktionsschritte in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfolgt sind und ob die Kulturchampignons erst drei oder weniger Tage vor der ersten Ernte ins Erntegebiet verbracht worden sind.

3. Das in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür und Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission aufgestellte allgemeine Verbot, den Verbraucher über das Ursprungsland von Lebensmitteln zu täuschen, ist bei frischem Obst und Gemüse nicht auf die nach Art. 113a Abs. 1 der Verordnung Nr. 1234/2007 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 361/2008 geänderten Fassung und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1308/2013 vorgeschriebene Ursprungsangabe anzuwenden.

4. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass keine aufklärenden Zusätze als Ergänzung der nach Art. 113a Abs. 1 der Verordnung Nr. 1234/2007 in der durch die Verordnung Nr. 361/2008 geänderten Fassung und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1308/2013 vorgeschriebenen Angabe des Ursprungslands vorgeschrieben werden dürfen, um einer nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/13 sowie Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1169/2011 verbotenen Irreführung des Verbrauchers entgegenzuwirken.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: