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BGH legt EuGH vor: Hat Teilnehmer an in Deutschland unzulässigen Online-Poker-Spielen einen Anspruch auf Erstattung verlorener Einsätze gegen den Anbieter ?

BGH
Beschluss vom 10.01.2024
I ZR 53/23


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, ob Teilnehmer an in Deutschland unzulässigen Online-Poker-Spielen einen Anspruch auf Erstattung verlorener Einsätze gegen den Anbieter haben.

Pressemitteilung des BGH:
Aussetzung des Revisionsverfahrens I ZR 53/23 bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der
Europäischen Union (Erstattung von Verlusten bei verbotenen Online-Pokerspielen)

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob der Veranstalter eines im Inland verbotenen Online-Pokerspiels die verlorenen Spieleinsätze eines Spielers erstatten muss.

Von dem Verfahren unter dem Aktenzeichen I ZR 90/23, in dem der I. Zivilsenat am 7. März 2024 mündlich verhandeln wird, unterscheidet sich diese Sache maßgeblich dadurch, dass Gegenstand hier Verluste bei Online-Pokerspielen sind, die dem Totalverbot des § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag in der am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen und bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung (GlüStV 2012) unterlagen, und nicht Verluste bei Online-Sportwetten, für die der Veranstalter bereits eine Konzession nach § 4 Abs. 5, §§ 4a, 10a GlüStV 2012 beantragt hatte (vgl. auch den Terminhinweis vom heutigen Tag zum Verfahren I ZR 90/23).

Sachverhalt:

Die Beklagte mit Sitz in Malta bietet über eine deutschsprachige Webseite Glücksspiele an. Die Klägerin nahm in den Jahren 2018 und 2019 an virtuellen Pokerspielen der Beklagten teil, bei denen nicht gegen Menschen gespielt wird. Während dieses Zeitraums verfügte die Beklagte über eine Lizenz der maltesischen Glücksspielaufsichtsbehörde, aber über keine inländische Erlaubnis.

Die Klägerin macht die Unzulässigkeit der Online-Glücksspiele sowie die Unwirksamkeit der Glücksspielverträge geltend. Sie behauptet, sie habe nicht gewusst, dass es sich bei dem Angebot der Beklagten um ein verbotenes Glücksspiel gehandelt habe. Mit ihrer Klage hat sie von der Beklagten Rückzahlung der an sie geleisteten Zahlungen in Höhe der erlittenen Verluste von 132.850,55 € nebst Zinsen verlangt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich aus Art. 18 Abs. 1 der Brüssel-Ia-Verordnung. Es hat außerdem nach Art. 6 Abs. 1 der Rom-I-Verordnung deutsches Sachrecht für anwendbar gehalten.

Die Klägerin könne gegen die Beklagte einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB geltend machen. Die als Rechtsgrund in Betracht kommenden Glücksspielverträge seien gemäß § 134 BGB nichtig, weil das Veranstalten von öffentlichen Glücksspielen im Internet gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verboten gewesen sei. Diese Norm sei unionsrechtskonform und ihr Schutzzweck erfordere auch im Fall des einseitigen Verstoßes gegen das Verbot die Nichtigkeit der Glücksspielverträge.

Der Rückforderungsanspruch sei nicht nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Die Norm sei zwar nicht teleologisch zu reduzieren. Allerdings seien ihre Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt. § 817 Satz 2 BGB setze voraus, dass der Leistende, hier die Klägerin, vorsätzlich gegen das gesetzliche Verbot verstoßen habe. Dem stehe es gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen habe. Die Beklagte, die sich auf die Kondiktionssperre berufe, habe die Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Dies sei ihr letztlich nicht gelungen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Mit Beschluss vom 10. Januar 2024 hat der Senat das Revisionsverfahren bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren C-440/23 über ein Vorabentscheidungsersuchen des Civil Court Malta vom 11. Juli 2023 ausgesetzt. Das Vorabentscheidungsverfahren betrifft insbesondere die Frage, ob § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 unionsrechtskonform war.

Vorinstanzen:

LG Paderborn - Urteil vom 8. Juli 2021 - 4 O 323/20

OLG Hamm - Urteil vom 21. März 2023 - I-21 U 116/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 Abs. 4 GlüStV 2012

Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten.

§ 134 BGB

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB

Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.

§ 817 BGB

War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet. Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.



LG Regensburg: Teilnehmer an in Deutschland unzulässigen Online-Casino-Spielen haben einen Anspruch auf Erstattung verlorener Einsätze gegen den Anbieter

LG Regensburg
Urteil vom 17.11.2023
45 O 1022/22


Das LG Regensburg hat entschieden, dass Teilnehmer an in Deutschland unzulässigen Online-Casino-Spielen haben einen Anspruch auf Erstattung verlorener Einsätze gegen den Anbieter aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten aus abgetretenem Recht der Zeugin (§ 398 BGB) ein Schadenersatzanspruch in Höhe von 22.117,88 EUR aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV zu.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Die internationale Zuständigkeit folgt zwar nicht aus einer Bestimmung der EuGVVO. Für die nach dem 31.01.2020 eingeleiteten Verfahren ist das Vereinigte Königreich Drittstaat (Geimer, in: Zöller, ZPO, Art. 4 EuGVVO Rz 1). Hat der Beklagte im Vereinigten Königreich seinen Sitz, kommen gemäß Art. 6 Abs. 1 EuGVVO nur wenige Zuständigkeitsregeln der Verordnung zur Anwendung, nämlich solche, die universelle Geltung beanspruchen. Ansonsten gelten in Deutschland vorbehaltlich Art. 67 und Art. 71 die §§ 12 ff. ZPO. Gibraltar ist mit Großbritannien im Zuge des sog. „Brexits“ als Mitglied der Europäischen Union ausgeschieden.

Eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg folgt aber aus § 32 ZPO. Gemäß § 32 ZPO ist für eine Klage aus unerlaubter Handlung das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen wurde. Zur Begründung der Zuständigkeit ist es erforderlich, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk begangenen unerlaubten Handlung ergibt (Schultzky, in: Zöller, ZPO, § 32 Rz 22). Die Klägerin hat nach dem Dafürhalten des Gerichts schlüssig Tatsachen dargelegt, die eine unerlaubte Handlung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV begründen. Der Erfolgsort ist selbst dann in Deutschland belegen, wenn die Spielerin zuvor Gelder auf ein in Gibraltar geführtes Spielerkonto überwiesen hat. Denn bis zum Einsatz dieser Gelder stand der Spielerin eine Forderung auf Herausgabe des Spielgeldes zu, wenn sie sich entschied, dieses nicht zum Spiel einzusetzen. Diese Forderung war dem Vermögen der Spielerin zuzurechnen, welches wiederum grundsätzlich am Wohnsitz der Spielerin belegen ist. Diese Forderung ist durch den Einsatz der Gelder, der zu Spielverlusten führte, verlustig gegangen (LG Köln Urt. v. 23.8.2023 – 16 O 195/22, BeckRS 2023, 21916).

Die internationale Zuständigkeit erstreckt sich aber nur auf Ansprüche aus unerlaubten Handlungen, nicht auf bereicherungsrechtliche Ansprüche. Im besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung kann zwar – für Zwecke der örtlichen Zuständigkeit – auch über bereicherungsrechtliche Ansprüche entschieden werden. Ist der Klageantrag auf mehrere materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen gestützt, kommt dem zulässigerweise im besonderen Gerichtsstand angerufenen Gericht umfassende Kompetenz zur Entscheidung über den einheitlichen prozessualen Anspruch unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt „kraft Sachzusammenhangs“ zu (BGHZ 153, 173). Die umfassende Prüfungs- und Entscheidungskompetenz gilt aber nicht für die internationale Zuständigkeit (BGHZ 132, 114).

2. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg ist gegeben, da im hiesigen Zuständigkeitsbereich der Erfüllungsort liegt.

Erfüllungsort im Sinne der genannten Vorschrift ist Regensburg. Der Erfüllungsort für bereicherungsrechtliche Ansprüche liegt nämlich dort, wo die (gestörte) Primärpflicht zu erfüllen gewesen wäre (vgl. Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, Brüssel I a – VO Art. 7, RdNr. 35). Die Zeugin hat, wovon das Gericht nach ihrer Einvernahme über zeugt ist, als Spielerin ihr Geld von ihrem Wohnsitz eingezahlt, somit im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Regensburg.

II. Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Spielbeträge in Höhe von 22.117,88 EUR zu.

1. Auf den jeweiligen Spielvertrag ist gemäß Art. 4 Rom-I-Verordnung deutsches Recht anzuwenden, da nach dem schlüssigen Vortrag der Zeugin diese ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, sie von ihrer Wohnung in Regensburg aus über die deutschsprachige Internetdomain der Beklagten an den Online-Casinospielen teilgenommen hat und die Abbuchungen über ihr in Deutschland geführtes Girokonto erfolgten.

2. Die Klägerin ist aktivlegitimiert.

Die unstreitig erfolgte Abtretung ist gern. § 398 BGB wirksam.

a) Ein Verstoß gegen § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz mit der Folge einer Unwirksamkeit der Abtretung gern. § 134 BGB liegt nicht vor. Das RDG ist nicht anwendbar, da die Klägerin weder Rechtsdienstleistungen nach § 2 Abs. 1 RDG, noch Inkassodienstleistungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG erbringt. Wie sich aus dem Abtretungsvertrag (vgl. Anlage K 4) ergibt, liegt hier ein Forderungskauf vor. Die Klägerin übernimmt hiermit das Risiko des Ausfalls der Forderungen und macht die Forderungen im eigenen Namen gerichtlich geltend.

Auch wenn in dieser Erklärung eine Verlusthöhe von 23.638,84 Euro unter der Überschrift „Vertragsdaten“ angegeben ist, wird durch Ziffer 1 der Abtretungserklärung deutlich, dass sich die Abtretungserklärung auf sämtliche Schadenersatzansprüche erstreckt, die der Höhe nach gerade nicht konkretisiert sind.

b) Die Abtretung ist nicht i.S.v. § 138 BGB sittenwidrig und damit unwirksam. Eine Knebelung oder sonst untragbare Benachteiligung des Kunden, hier also der Zeugin …fand nicht statt. Es steht jedem Kunden frei, die Ansprüche selbst auf eigenes Risiko durchzusetzen oder einen anderen Preis für den Verkauf der Forderung auszuhandeln. Letztlich ist die vorliegende Vertragsgestaltung von der Vertragsfreiheit gedeckt.

Vorliegend ist im Besonderen zu berücksichtigen, dass den Angaben der Zeugin ein übergeordnetes Ziel zu entnehmen ist, nämlich endgültig einen Schlussstrich unter die zwischenzeitlich eingetretene Spielsucht zu setzen. Hiermit unvereinbar wäre es gewesen, in eigener Verantwortung einen langwierigen Gerichtsprozess zu betreiben, in welchem die getätigten Spieleinsätze nochmals ausführlich thematisiert werden müssten. Mit diesem unbedingten Willen einer endgültigen Distanzierung von der eigenen Spielsucht ist es vereinbar, die Forderung zu einem Preis zu verkaufen, welcher erheblich von den selbst getätigten Spieleinsätzen abweicht. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu den aufgeworfenen Problemen nicht existiert und zum Zeitpunkt der Abtretung auch noch keine klare Tendenz hinsichtlich der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte festzustellen war. Es bestand damit das Risiko für die Spielerin, nicht einmal den geringsten Teil der eingezahlten Gelder zurückzuerhalten. Die Beklagte selbst machte ja in umfangreichen Schriftsätzen deutlich, dass sie die Anspruchsvoraussetzungen nicht für gegeben hält.

3. Der Vortrag der Klagepartei zu den von der Zeugin getätigten Einsätzen inklusive Gewinnen und Guthaben ist ausreichend substantiiert. Die Ein- und Auszahlungen ergeben sich im Einzelnen aus der Anlage K 1. Ausnahmsweise war es ausreichend, in der Klageschrift auf diese Anlage Bezug zu nehmen. Es wäre eine bloße Förmelei, müsste diese umfangreiche Aufstellung in den Schriftsatz integriert werden. Die Aufstellung ist im Übrigen aus sich selbst heraus verständlich und stammt von der Beklagten selbst. Unter Verrechnung der Einsätze mit den Gewinnen/Guthaben ergibt sich der streitgegenständliche Betrag von 22.117,88 EUR. Dass einzelne Umsätze nicht stattgefunden hätten, wird von der beklagten Partei nicht substantiiert vorgetragen.

4. Die Beklagte hat gegen § 4 Abs. 4 GlüStV verstoßen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 – I-19 U 51/22).

§ 4 Abs. 4, Abs. 1 GlüStV ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Rechtsnorm ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes oder eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes an, also darauf, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausufern. Es reicht deshalb nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen (vgl. nur BGH, Urteil vom 13.03.2018 – VI ZR 143/17, beck-online; BGH, Urteil vom 22.06.2010 – VI ZR 212/09, beck-online; BGH, Urteil vom 13.03.2018 – II ZR 158/16, beck-online).

Ein gesetzliches Gebot oder Verbot ist als Schutzgesetz nur geeignet, soweit das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend klargestellt und bestimmt sind (BGH, Urteil vom 23.07.2019 – VI ZR 307/18, juris).

Diesen Anforderungen genügt § 4 Abs. 4 GlüStV. Dadurch, dass die Norm ein Verbot der Veranstaltung von Glückspielen im Internet vorsieht, dient sie gerade auch den in § 1 GlüStV aufgeführten Zwecken, zu denen die Verhinderung bzw. Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht, dem Spieler- und Jugendschutz und dem Schutz des Spielers vor betrügerischen Machenschaften. Zwar dient die Norm hiernach vor allem auch Allgemeininteressen; gerade auch der Schutz des einzelnen Spielers vor den genannten Gefahren des Glücksspiels liegt hiernach jedoch auch im Aufgabenbereich der Norm (OLG Köln, a.a.O.).

Die Beklagte handelte vorsätzlich. Ihr war bekannt, dass sie keine deutsche Lizenz zum Betrieb des Glücksspiels hatte.

Durch die Verletzung des Schutzgesetzes ist der Klägerin auch ein Schaden in Höhe des dargestellten Verlustes entstanden. Insofern kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, die Spielerin habe durch die Hingabe des Geldes eine Gewinnchance erworben; denn aufgrund der Nichtigkeit des Spielvertrages hätte die Klägerin im Fall eines Gewinnes keinen einklagbaren Einspruch erworben.

Auch ist der Anspruch der Klägerin nicht nach § 254 BGB ausgeschlossen oder beschränkt. Ein Verschulden der Spielerin in eigenen Angelegenheiten durch die freiwillige Hingabe des Geldes zu Zwecken des Online-Glücksspiels anzunehmen, liefe dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV zuwider und würde auch dessen Charakter als Schutzgesetz konterkarieren.

Der Rückzahlungsanspruch ist vorliegend auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit gemäß § 242 BGB ausgeschlossen.

Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten kann schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen ihre Interessen auch nicht als vorrangig schutzwürdig i.S.v. § 242 BGB. Indem die Beklagte einen ihr ohne weiteres möglichen Hinweis unterlassen hat, dass die Online-Glücksspiele in Deutschland nicht zulässig waren, ist sie zum einen bewusst die Gefahr eingegangen, Gelder ohne Rechtsgrund einzunehmen. Dass das Behalten von Geldern, die die Beklagte durch die rechtswidrige Veranstaltung von Glücksspiel eingenommen hat, besonders schutzwürdig wäre, ist nicht ersichtlich. Zum anderen hat die Spielerin für die von ihr geleisteten Spieleinsätze aber auch keine einklagbaren Forderungen erhalten, so dass es nicht treuwidrig erscheint, die Spieleinsätze zurückzufordern (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.12.2021 – 8 W 20/21, nicht veröffentlicht).

5. Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht gem. §§ 291, 288 BGB seit dem 22.08.2022, da die Klage zu diesem Zeitpunkt zugestellt worden ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Köln: Teilnehmer an in Deutschland unzulässigen Sportwetten hat einen Anspruch auf Erstattung verlorener Einsätze gegen den Anbieter

OLG Köln
Urteil vom 27.10.2023
6 U 77/23


Das OLG Köln hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass der Teilnehmer an in Deutschland unzulässigen Sportwetten einen Anspruch auf Erstattung verlorener Einsätze gegen den Anbieter hat.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die internationale Zuständigkeit gegeben. Diese folgt aus Art. 18 Abs. 1 EuGVVO, da es sich bei dem Kläger um einen Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO handelt. Als Verbraucher ist (in autonomer Auslegung) jede natürliche Person anzusehen, die Verträge zur Deckung ihres privaten Eigenbedarfs schließt, sofern diese nicht ihrer gegenwärtigen oder zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Verbraucher ist daher auch die Person, die einen Vertrag über die Teilnahme am Online-Poker-Spiel mit dem Ziel abschließt, daraus erhebliche Gewinne zu erwirtschaften (Gottwald in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2022, Brüssel Ia-VO, Art. 17). Auch richtet die Beklagte ihre Tätigkeit auf Deutschland aus. So sind ihre Glücksspielangebote gerade auch in deutscher Sprache verfügbar; wird den Verbrauchern auf der Website die Verwendung einer anderen Sprache als derjenigen ermöglicht, die in dem Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendet wird, so kann dies einen Anhaltspunkt bilden, der die Annahme erlaubt, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf andere Mitgliedstaaten ausgerichtet ist (EuGH, Urteil vom 07.12.2010 - C-585/08, C-144/09, juris, Rn. 84). Vorliegend kommt durch das Angebot in deutscher Sprache gerade auch die Absicht der Beklagten zum Ausdruck, um deutsche Kunden zu werben. Von der Regelung gemäß Art. 17, 18 EuGVVO erfasst sind auch Bereicherungsansprüche als Folge der Rückabwicklung des Vertrages (Gottwald in: Münchener Kommentar zur ZPO, Brüssel Ia-VO Art. 17 Rn. 5).

In der Rechtsfolge kann der Kläger als Verbraucher nach Art. 18 Abs. 1 EuGVVO den Gerichtsstand an seinem Wohnsitz wählen, der neben der internationalen zugleich auch die örtliche Zuständigkeit umfasst (vgl. Gottwald, a.a.O.).

2. Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1, S. 1, 1. Alt. BGB ein Anspruch auf Zahlung von 44.362,08 € zu.

a. Die Anwendung deutschen Rechts folgt aus Art. 6 Abs. 1 lit b) Rom-I-VO. Hiernach unterliegt ein Verbrauchervertrag dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Die Voraussetzungen liegen bei Spielerklagen gegen ausländische Online-Glücksspielanbieter - entsprechend den vorstehenden Ausführungen zu Art. 18 Abs. 1 EuGVVO - hier vor.

b. Der Kläger kann Rückzahlung seiner Spieleinsätze gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1, 1.Alt., 818 Abs. 2 BGB verlangen, da die zwischen den Parteien geschlossenen Spielverträge gemäß § 134 BGB von Anfang an nichtig waren.

Soweit die Beklagte zur Stütze ihrer Rechtsauffassung den Hinweisbeschluss des Senats vom 11.05.2023 (Az. 19 U 123/22, juris) zitiert (S. 25 f. der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 143 f. d. A.), wird klargestellt, dass sich dieser Beschluss im Wesentlichen mit den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 817 BGB befasst hat, es deren Vorliegen für die Bejahung eines Anspruchs aus § 812 BGB indes nicht bedarf, da es sich um jeweils eigene Anspruchsgrundlagen handelt (vgl. Senat, Urteil vom 17.11.2023, 19 U 123/22, NRWE; BGH, Urteil vom 28.01.1953 – II ZR 265/51, juris, Rn. 58; OLG Dresden, Urteil vom 31.05.2023 – 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231, Rn. 45; Schwab in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 7, 8. Auflage 2020, § 817 BGB, Rn. 4).

aa. Die Beklagte hat einen Vermögensvorteil durch Gutschrift der Wetteinsätze des Klägers auf ihren Konten erlangt.

bb. Die zwischen den Parteien zustande gekommenen Verträge sind gemäß § 134 BGB nichtig, da sie gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstießen. Nach dieser Vorschrift war in dem Zeitraum, in welchem die vorliegend geltend gemachten Einzahlungen zum Zweck der Teilnahme an Sportwetten erfolgten, das Veranstalten derselben im Internet ohne eine hierfür erteilte Lizenz verboten.

Die Bestimmungen des GlüStV 2012 zum Verbot des Internet-Glücksspiels waren in demjenigen Zeitraum, in dem der Kläger seine Wetteinsätze bei der Beklagten tätigte, wirksam und auch materiell mit dem Unionsrecht vereinbar, insbesondere stellten sie keine inkohärente Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gem. Art. 56 AEUV dar (vgl. hierzu ausführlich BGH, Urteil vom 28.09.2011 - I ZR 92/09, juris, Rn. 33 ff.; BGH, Urteil vom 22.07.2021 - I ZR 194/20, juris, Rn. 45; BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 18/16, juris, Rn. 38 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022 - 23 U 55/21, juris, Rn. 48; OLG Köln, Urteile vom 10.05.2019 – I-6 U 196/18, juris, Rn. 70, 82 und vom 31.10.2022 – 19 U 51/22, juris, Rn. 53; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2023, 14 U 256/21, juris, 60-71; OLG Dresden, Urteil vom 31.5.2023 - 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231, Rn. 30ff.).

Der Nichtigkeit gemäß § 134 BGB steht auch nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nur an die Beklagte, nicht jedoch an den Kläger richtete. Betrifft das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner, so hat dies im Regelfall nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge; anderes gilt aber, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen, und hieraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gefolgert werden muss (BGH, Urteile vom 22.05.1978 – III ZR 153/76, juris, Rn. 17; und vom 12.05.2011 − III ZR 107/10, juris, Rn. 12 m.w.N.). Sinn und Zweck der Verbote des GlüStV 2012 und insbesondere auch des § 4 Abs. 3 GlüStV 2012 war insbesondere auch die Verhinderung der Entstehung von Spielsucht sowie der Jugend- und Spielerschutz (OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2023, 14 U 256/21, juris, 59). Diesen Zielen liefe es zuwider, geschlossene Verträge über Online-Glücksspiele trotz des Verbots als wirksam anzusehen (vgl. auch Vossler in: BeckOGK-BGB, Stand: 01.09.2023, § 134 BGB, Rn. 219; Armbrüster in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 9. Auflage 2021, § 134 BGB, Rn. 175).

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Sportwetten gemäß § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 ein Erlaubnisvorbehalt geregelt ist, wonach unter bestimmten Voraussetzungen eine Erlaubnis für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erteilt werden kann. Denn die Beklagte verfügte über eine solche Erlaubnis in Nordrhein-Westfalen im hier streitgegenständlichen Zeitraum gerade nicht.

cc. Das Nichtigkeitsverdikt wird durch eine etwaige passive oder aktive Duldung (S. 21-23 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 139-141 d. A.) des Internet-Sportwettenangebotes der Beklagten durch die für eine etwaige Ahndung zuständigen Behörden ebensowenig in Frage gestellt wie durch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, kraft derer eine Einschätzung der Beklagten, es sei mit behördlichen Maßnahmen gegen ihr Internet-Sportwettenangebot nicht zu rechnen, gerechtfertigt gewesen sein mag.

Die Frage der Duldung durch Verwaltungsbehörden kann deshalb dahinstehen, weil der durch zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen gewährte Schutz privater (natürlicher oder juristischer) Personen einerseits und die Frage der verwaltungsbehördlichen Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten andererseits grundsätzlich unabhängig voneinander zu beantworten sind. Der Bestand und die Durchsetzbarkeit eines zivilrechtlichen Anspruchs (hier aus § 812 Abs. 1 BGB) hängt nicht davon ab, ob mit einer Durchsetzung öffentlich-rechtliche Verhaltenspflichten seitens der zuständigen Behörden zu rechnen ist, weshalb eine Berufung darauf, die zuständige Verwaltungsbehörde sei gegen einen Gesetzesverstoß nicht vorgegangen, zivilrechtlich nicht verfängt und insbesondere der Anwendung von § 134 BGB nicht entgegensteht (BGH, Urteil vom 22.07.2021 – I ZR 194/20, Rn. 53, juris; KG Berlin Urteil vom 06.10.2020 - 5 U 72/19, Rn. 53, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022 – 23 U 55/21, juris, Rn. 49; OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022 – 10 U 736/22, Rn. 48 - 51, juris; Senat, Urteil vom 17.11.2023 – 19 U 123/22, NRWE). Selbst wenn in Zusammenhang mit einer Duldung öffentlich-rechtliche Sanktionen nicht hätten erfolgen können oder/und die materiellen Voraussetzungen einer Erlaubniserteilung vorlagen oder/und ein Anspruch auf Erteilung einer Konzession bestanden hätte, so führte dies demgemäß nicht dazu, dass ohne tatsächliche Konzessionserteilung oder in der Zeit vor Erteilung in dem allein zivilrechtlich zu bewertenden Verhältnis zum spielenden Verbraucher zu dessen Nachteil der Schutz des GlüStV 2012 entfiele und aus dem verbotenen Angebot eines Online-Glücksspiels bereits ein erlaubtes Online-Glücksspiel würde (LG Köln, Urteil vom 30.03.2023 – 36 O 290/20, juris, Rn. 46, juris).

Abweichendes lässt sich auch nicht aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung (S. 2, 22 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 120, 140 d. A.) herleiten, da dieser einer unterschiedlichen Erfassung eines Lebenssachverhaltes im öffentlich-rechtlichen Regelungskontext gegenüber der Behandlung in Zusammenhang mit der Frage des Eingreifens einer zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage nicht entgegensteht. Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips verpflichtet die rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder, die Inhalte von Rechtssätzen so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten keine gegenläufigen Regelungen erreichen (BVerfG, Urteil vom 07.05.1998 – 2 BvR 1991/95, juris, Rn. 58; vgl. hierzu auch Ossenbühl in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Auflage 2007, § 100 Rn. 85 ff.). Dieser Grundsatz ist jedoch nicht verletzt, wenn der Normgeber mit abweichenden Regelungen der Eigenart der verschiedenen Regelungsbereiche Rechnung trägt, was insbesondere unterschiedliche Wertungen im Zivilrecht gegenüber dem öffentlichen Recht rechtfertigen kann (BVerfG, Beschluss vom 15.07.1969 – 1 BvR 457/66, juris, Rn. 21 zu unterschiedlichen Wertungen im Steuer- und Handelsrecht).

Mit diesem Gehalt ist der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung von der fachgerichtlichen Rechtsprechung aufgegriffen worden (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22.12.1999 – 11 C 9/99, juris, Rn. 20 ff.; BSG, Urteil vom 24.10.2019 – B 9 SB 1/18 R, juris, Rn. 27). Im zivilrechtlichen Kontext ist er insbesondere dafür herangezogen worden, um im Rahmen einer systematischen Auslegung zur Bestimmung des objektiven Willens des Gesetzgebers auf Normen anderer Gesetze zurückzugreifen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12.06.2006 - II ZB 21/05, juris, Rn. 10; Urteil vom 06.12.2017 - XII ZR 95/16, juris, Rn. 22, Urteil vom 13.10.2021 – VIII ZR 91/20, juris, Rn. 73), wobei abweichende Wertungen im öffentlichen Recht gegenüber dem Zivilrecht insbesondere mit den Aspekten der schon im Grundsatz nach Sachbereichen differenzierten Rechtsordnung sowie der unterschiedlichen Zielsetzungen in den jeweiligen Regelungszusammenhängen als gerechtfertigt bewertet worden sind (BGH, Urteil vom 13.10.2021 – VIII ZR 91/20, Rn. 73 zu unterschiedlichen Wertungen im Sozialrecht und Mietrecht).

Vorliegend stellte sich demgegenüber kein Auslegungsproblem – das Rechtswidrigkeitsverdikt des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist eindeutig und wird auch von den verwaltungsgerichtlichen Wertungen, auf welche sich die Beklagte beruft (vgl. S. 9-18 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 127-136 d. A.; Anlagen B 23- B 25, Bl. 150-187 d. A.) nicht in Frage gestellt. Ferner ergibt sich auch kein Wertungswiderspruch, da sich nicht nur die Wirkung der Duldung, sondern auch der Aussagegehalt der sie tragenden Erwägungen auf den öffentlich-rechtlichen Bereich und die Frage des Drohens einer öffentlich-rechtlichen Sanktionierung beschränkt.

dd. Die Rückforderung ist vorliegend nicht gemäß § 762 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen, da die Regelung nur dann anzuwenden ist, wenn der Spiel- oder Wettvertrag wirksam ist (Haertlein in: BeckOGK-BGB, Stand: 01.07.2023, § 762 BGB, Rn. 116). Verstößt der Spiel- oder Wettvertrag dagegen - wie vorliegend - gegen ein gesetzliches Verbot, ist der Rückforderungsausschluss nach § 762 Abs. 1 S. 2 BGB nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 12.07.1962 – VII ZR 28/61, juris, Rn. 15; Laukemann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Auflage, Stand: 14.07.2023, § 762 BGB, Rn. 42).

ee. Der Rückforderung steht auch nicht die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB entgegen. Der Ausschluss der Rückforderung nach dieser Vorschrift greift nur ein, wenn der Leistende vorsätzlich verbots- oder sittenwidrig gehandelt oder sich der Einsicht in das Verbots- oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat (BGH, Urteile vom 26.01.2006 - IX ZR 225/04, juris, Rn. 28; vom 14.12.2016 - IV ZR 7/15, juris, Rn. 43 und vom 01.10.2020 – IX ZR 247/19, juris, Rn. 33).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Wendet der Bereicherungsschuldner ein, dass dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zur Last fällt, so trägt er hierfür die Darlegungs- und Beweislast, da es sich bei § 817 S. 2 BGB um eine rechtshindernde Einwendung handelt (Schwab in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 7, 8. Auflage 2020, § 817 BGB, Rn. 89). Ihrer Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf einen Gesetzesverstoß des Klägers ist die Beklagte indes nicht nachgekommen. Insbesondere kann von einem Verstoß des Klägers gegen § 285 StGB nicht ausgegangen werden. Dieser erforderte zumindest bedingten Vorsatz (Schönke/Schröder/Heine/Hecker, 30. Auflage 2019, § 285 StGB, Rn. 4). Einen solchen hat die Beklagte indes nicht hinreichend dargetan.

Der Kläger ist demgegenüber seiner sekundären Darlegungslast dadurch nachgekommen ist, dass er angegeben hat, erst im November 2022 erfahren zu haben, dass die Beklagte nicht die erforderliche Lizenz besaß (S. 3 des angefochtenen Urteils).

ff. Der Anspruch ist auch nicht nach § 817 S. 2 BGB deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger sich der Erkenntnis der Unerlaubtheit des Sportwettenangebotes der Beklagten leichtfertig verschlossen hätte. Zwar stünde ein leichtfertiges Verschließen der vorhandenen Kenntnis gleich (BGH, Urteil vom 02.12.2021 – IX ZR 111/20, Rn. 31, juris). Anhaltspunkte für Leichtfertigkeit des Klägers sind indes nicht ersichtlich. Insbesondere kann der Inhalt von § 4 GlüStV 2012, zumal bei einem juristischen Laien, nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden.

gg. Jedenfalls aber wäre - wollte man Vorsatz oder ein leichtfertiges Sich-Verschließen auf Seiten des Klägers annehmen - eine teleologische Reduktion von § 817 S. 2 BGB vorzunehmen. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des in Rede stehenden Verbotsgesetzes kann eine einschränkende Auslegung der Vorschrift geboten sein (BGH, Urteile vom 31.05.1990 - VII ZR 336/89, juris, Rn. 14 f. und vom 10.11.2005 - III ZR 72/05, juris, Rn. 11-13), da der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenden Norm innerhalb der Leistungskondiktion nicht dadurch konterkariert werden darf, dass der durch sie zu verhindernde sittenwidrige Zustand über § 817 S. 2 BGB perpetuiert wird, wodurch überdies womöglich weiterem sitten- oder verbotswidrigen Handeln Vorschub geleistet würde (BGH, Urteile vom 13.03.2008 - III ZR 282/07, juris, Rn. 10 und vom 18.12.2008 - III ZR 132/08, juris, Rn. 14). Die Regelungen des GlüStV 2012 sind - wie ausgeführt - u. a. dazu bestimmt, dem Schutz der Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen und/oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glücksspiels zu schützen. Auch die konkret einschlägige Verbotsnorm gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verfolgt jedenfalls unter anderem den Zweck des Spielerschutzes. Diese Intention des Verbotsgesetzes würde jedoch unterlaufen, wenn die Spieleinsätze kondiktionsfest wären, also dem Anbieter des verbotenen Glücksspiels dauerhaft verblieben (so auch OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 - 19 U 51/22, juris, Rn. 67; OLG Dresden, Urteile vom 27.10.2022 – 10 U 736/22, juris, Rn. 56 ff. und vom 31.05.2023 – 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231, Rn. 51; OLG München, Beschluss vom 20.09.2022 – 18 U 538/22, juris, Rn. 24).

hh. Da eine positive Kenntnis des Klägers von einem Nichtbestehen seiner Leistungspflicht - wie ausgeführt - nicht angenommen werden kann, steht der Rückforderung auch nicht § 814 BGB entgegen.

ii. Hinsichtlich einer Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB fehlt es bereits an konkretem Vortrag der Beklagten. Eine solche könnte allenfalls dann - teilweise - angenommen werden, wenn und soweit die Beklagte die erhaltenen Zahlungen tatsächlich weitergeleitet hätte und die der Beklagten ihrerseits aufgrund der Nichtigkeit der geschlossenen Spielerverträge zustehenden Bereicherungsansprüche gegen andere Spieler nicht erfolgversprechend durchgesetzt werden könnten. Hierzu hat die Beklagte indes nichts dargetan.

kk.
Der Rückzahlungsanspruch ist vorliegend auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit gemäß § 242 BGB ausgeschlossen.

Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten kann schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen ihre Interessen auch nicht als vorrangig schutzwürdig i.S.v. § 242 BGB. Hinzukommt, dass die Beklagte es unterließ, einen ihr ohne weiteres möglichen Hinweis dahin zu erteilen, dass ihr Online-Glücksspielangebot in Nordrhein-Westfalen wegen Fehlens einer Lizenz unzulässig war oder sein könnte. Dass das Behalten von Geldern, die die Beklagte durch die rechtswidrige Veranstaltung von Sportwetten eingenommen hat, besonders schutzwürdig wäre, ist nicht ersichtlich. Im Ergebnis ist die Zurückforderung der Spieleinsätze nicht treuwidrig (so auch: Senat, Urteile vom 31.10.2022 – 19 U 51/22, juris, Rn. 72 und vom 17.11.2023 – 19 U 123/22, NRWE; OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.12.2021 - 8 W 20/21, BeckRS 2021, 55956, Rn. 17; OLG Hamm Beschluss vom 12.11.2021 - 12 W 13/21, BeckRS 2021, 37639, Rn. 23; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2023 – 14 U 256/21, juris, Rn. 107-109; OLG Dresden, Urteil vom 31.5.2023 – 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231, Rn. 52).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OVG Sachsen-Anhalt: Payment-Blocking - Untersagungsverfügung für Zahlungsdienstleistungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel durch gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder rechtmäßig

OVG Sachsen-Anhalt
Beschluss vom 26.10.2023
3 M 72/23


Das OVG Sachsen-Anhalt hat entschieden, dass die Untersagungsverfügung für Zahlungsdienstleistungen (Payment-Blocking) im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel durch die gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder rechtmäßig ist.

Die Pressmitteilung des Gerichts:
Oberverwaltungsgericht bestätigt in einem Eilverfahren Rechtmäßigkeit der Untersagung von Zahlungen für unerlaubtes Glücksspiel (Payment-Blocking)

Der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 26. Oktober 2023 die Beschwerde einer Veranstalterin von Glücksspielen gegen die Ablehnung ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Untersagungsverfügung für Zahlungsdienstleistungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel zurückgewiesen.

Die in Malta ansässige Antragstellerin bietet Online-Glücksspiele an, die u.a. auf deutschsprachigen Internetseiten abrufbar waren, ohne über die nach dem Glücksspielstaatsvertrag für solche Spiele erforderliche Erlaubnis zu verfügen, sodass ihr das Veranstalten unerlaubter Glücksspiele untersagt wurde.

Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder mit Sitz in Halle (Saale) hat außerdem einem Zahlungsdienstleister die Mitwirkung an Zahlungen für unerlaubtes Glücksspiel an den Angeboten der Antragstellerin untersagt. Gegen diese Untersagung von Zahlungstransaktionen (sogenanntes Payment-Blocking) ist die Antragstellerin in einem Eilverfahren vorgegangen. Das Verwaltungsgericht Halle (Saale) hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass für den Antrag kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, weil die Antragstellerin aufgrund der fehlenden Erlaubnis kein Glücksspiel in Deutschland betreiben dürfe.

Der 3. Senat hat die Beschwerde der Antragstellerin gegen diesen Beschluss zurückgewiesen. Das Rechtsschutzbedürfnis sei der Antragstellerin zwar nicht abzusprechen, weil von der Untersagungsverfügung Blockadewirkungen auf Ein- und Auszahlungen für nicht verbotene Auslandsspiele ausgehen könnten.

In der Sache sei der Antrag jedoch nicht begründet, weil die gegen den Zahlungsdienstleister gerichtete Untersagungsverfügung nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig sei. Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Glücksspielstaatsvertrags, die der Glücksspielbehörde ermögliche, Zahlungsdienstleistungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel zu unterbinden, sei mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes und den unionsrechtlichen Grundfreiheiten des freien Zahlungsverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar.

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei auch im Hinblick darauf, dass sich Anordnungen des Payment-Blocking auch auf Zahlungen für nicht verbotene Glücksspiele im Ausland auswirken können (sogenanntes Overblocking), nicht verletzt. Der Senat gehe zwar davon aus, dass ein Zahlungsdienstleister bei einer Einzahlung nicht mit vollständiger Gewissheit feststellen könne, ob die jeweilige Zahlung aus Deutschland oder aus dem Ausland erfolge. Zahlungsdienstleister könnten aber im Rahmen ihres Vertragsverhältnisses mit dem in der Untersagungsverfügung bezeichneten Glücksspielanbieter Nachweise darüber verlangen, dass der Anbieter hinreichende (technische) Vorkehrungen getroffen habe, um unerlaubtes Glücksspiel auszuschließen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass Zahlungsdienstleister letztlich gezwungen seien, die Geschäfte mit einem Glücksspielanbieter vollständig abzubrechen, könnten Anordnungen des Payment-Blocking dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Hierzu habe die Glücksspielbehörde im jeweiligen Einzelfall eine Ermessensentscheidung zu treffen. Im konkreten Fall sei die Ermessensentscheidung der Glücksspielbehörde, die mit dem Gefährdungspotential von Online-Glücksspielen und der Bekämpfung von Suchtgefahren begründet worden sei, nicht zu beanstanden, zumal das unerlaubte Glücksspiel in Deutschland eine tragende Säule des Geschäftsbetriebs der Antragstellerin gewesen sei.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. Oktober 2023 - 3 M 72/23 -

VG Halle, Beschluss vom 21. August 2023 - 7 B 164/23 HAL -


LG Koblenz: Spieler hat gegen Betreiber eines in Deutschland illegalen Online-Casinos aus Malta Anspruch auf Erstattung der verlorenen Einsätze

LG Koblenz
Urteil vom 24.07.2023
1 O 224/22


Das LG Koblenz hat entschieden, dass ein Spieler gegen den Betreiber eines in Deutschland illegalen Online-Casinos aus Malta einen Anspruch auf Erstattung seiner verlorenen Einsätze hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Verlustfrei zocken im Online-Casino

Kann eine Spielerin ihre in den Jahren 2015 bis 2020 in einem Online-Casino erlittene Verluste von deren Betreiberin zurückverlangen? Diese Frage hatte die 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu entscheiden.

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte ist ein führender Online-Glücksspiel-Anbieter aus Malta, welcher mehrere Online-Casino-Seiten betreibt und über eine Glücksspiellizenz der Glücksspielbehörde von Malta verfügt. Über eine entsprechende Glücksspiellizenz in Deutschland oder für das Bundesland Rheinland-Pfalz, in welchem die Klägerin wohnt, verfügte die Beklagte hingegen jedenfalls im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Spieleinsätze nicht. Die Internetseiten der Beklagten nebst den FAQ und den Geschäftsbedingungen sind vollständig auf Deutsch abgefasst.

In der Zeit vom 27.12.2015 bis zum 02.12.2020 verlor die Klägerin auf den Online-Casino-Seiten der Beklagten unter Berücksichtigung von Gewinnen (Einzahlungen abzüglich Auszahlungen) Spielbeträge von insgesamt 632.250,00 €.

Die Klägerin ist der der Auffassung, dass aufgrund des damaligen gesetzlichen Verbot von Online-Glückspielen sie einen Rückzahlungsanspruch auf die geleisteten Einsätze habe. Weiterhin habe sie erst im Jahr 2022 erfahren, dass Online-Glückspiele im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erlaubt gewesen seien, sodass mögliche Rückzahlungsansprüche nicht verjährt seien.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Erstattung der Spieleinsätze in Höhe von 632.250 €.

Die Entscheidung:

Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat der Klage vollumfänglich stattgegeben.

Die Klägerin habe einen Rückzahlungsanspruch auf die geleisteten und verlorenen Spieleinsätze in Höhe von 632.250,00 €, weil die Beklagte diese ohne Rechtsgrund erlangt habe. Der zwischen den Parteien geschlossene Online-Glückspielvertrag verstoße im streitgegenständlichen Zeitraum gegen ein gesetzliches Verbot und sei deshalb nichtig.

Zwar sei der Glückspielstaatsvertrag im Jahr 2021 neu geregelt und es bestünde nunmehr die Möglichkeit, eine Erlaubnis für öffentliche Glückspiele im Internet zu erhalten. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage des Gesetzesverstoßes sei vorliegend aber Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, sodass es auf die Frage einer etwaigen späteren Legalisierung des Angebots der Beklagten nicht ankomme.

Vorliegend könne sich die Beklagte auch nicht auf § 762 BGB berufen, weil diese Vorschrift nur greife, wenn die Rückforderung auf den Spielcharakter gestützt wird.

Auch könne sich die Beklagte nicht auf § 817 S. 2 BGB berufen, wonach die Rückforderung ausgeschlossen ist, wenn auch dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zur Last fällt. Die Beklagte sei insoweit beweispflichtig geblieben, dass die Klägerin in subjektiver Hinsicht vorsätzlich verbotswidrig gehandelt oder sich der Einsicht in die Gesetzeswidrigkeit zumindest leichtfertig verschlossen hat. Ein lediglich objektiver Verstoß gegen das Verbotsgesetz genüge nicht.

Im Rahmen der persönlichen Anhörung der Klägerin ist die Kammer nicht zur der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin positiv wusste, dass Online-Glücksspiele in Deutschland (mit Ausnahme von Schleswig-Holstein) in dem streitgegenständlichen Zeitraum verboten waren. Die Klägerin habe sich problemlos auf der deutschsprachigen Webseite der Beklagten registrieren und auch die entsprechenden Zahlungen vornehmen können. Im Übrigen drängt sich nicht ohne Weiteres auf, dass die gleichen Glücksspiele, die in Spielhallen und Casinos erlaubt sind, einem Totalverbot unterliegen, wenn sie im Internet angeboten und zudem in den Medien beworben werden. Hinzu kommt, dass die Beklagte über eine Lizenz in einem EU-Staat verfügt und ihre Leistungen in Deutschland frei zugänglich angeboten hat. Bei dieser Sachlage musste es sich für die Klägerin nicht aufdrängen, dass das aus dem europäischen Ausland stammende Online-Angebot verboten sein könnte.

Schließlich seien die geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt, weil die Beklagte beweisfällig geblieben ist, dass die Klägerin tatsächlich vor dem Jahr 2022 Kenntnis von der den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hat.

Auszug aus dem Glückspielstaatsvertrag 2011:

§ 4 Allgemeine Bestimmungen
(1) […]
(4) Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten.

Auszug aus dem Glückspielstaatsvertrag 2021:

§ 4 Allgemeine Bestimmungen
(1) […]
(4) Eine Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet darf nur für den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien, für die Veranstaltung, Vermittlung und den Eigenvertrieb von Sportwetten und Pferdewetten sowie für die Veranstaltung und den Eigenvertrieb von Online-Casinospielen, virtuellen Automatenspielen und Online-Poker erteilt werden. Im Übrigen sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten.

Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch:

§ 817 Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten
[...] Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.




LG Traunstein: Anspruch auf Erstattung verlorener Einsätze gegen Anbieter in Deutschland verbotener Online-Glücksspiele

LG Traunstein
Versäumnisurteil vom 24.04.2023
9 O 2541/22


Das LG Traunstein hat entschieden, dass ein Anspruch auf Erstattung verlorener Einsätze gegen Anbieter in Deutschland verbotener Online-Glücksspiele besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Das angerufene Landgericht Traunstein ist nach Art. 7 Ziff. 1, 2 EuGVVO international und örtlich zuständig. Soweit Ansprüche aus Leistungskondiktion geltend gemacht werden, sind diese als vertragliche Ansprüche unter dem Vertragsgerichtsstand nach Art. 7 Ziff. 1 EuGVVO einklagbar. Der Erfüllungsort liegt am Wohnsitz des Spielers in 8... R.. Soweit Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung geltend gemacht werden, folgt der Gerichtsstand aus Art. 7 Ziff. 2 EuGVVO, da der Schaden in Deutschland, nämlich am Wohnsitz des Spielers in Kastl eingetreten ist.

2. Nach Art. 6 der Rom I Verordnung ist deutsches Recht anwendbar. Der Nutzung der Internetdomain durch den Spieler liegt ein Verbrauchervertrag im Sinne dieser Vorschrift zugrunde. Der Spieler handelte nicht in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit. Die Beklagte ist eine Unternehmerin im Sinne dieser Vorschrift. Da sie das Glücksspiel auf ihrer deutschen Homepage anbot, übte sie ihre gewerbliche Tätigkeit in Deutschland aus. Daher unterliegt der Vertrag dem Recht Deutschlands, da hier der Spieler als Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für die geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Ansprüche folgt die Anwendbarkeit deutschen Rechts somit aus Art. 12 Abs. 1 lit. e), 10 Abs. 1, 6 Abs. 1 Rom I VO.

Auf die deliktischen Schadensersatzansprüche findet gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom II VO ebenfalls deutsches Recht Anwendung, da in Deutschland die Schadensfolge eingetreten ist.

3. Die Beklagte hat nach § 823 Abs. 2 BGB dem Kläger Schadensersatz zu leisten und hierzu gemäß § 249 Abs. 1 BGB die erhaltenen Zahlungen unter Abzug der erhaltenen Gewinne zurückzubezahlen. Die Beklagte hat gegen § 4 Abs. 4 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlÜStV) verstoßen, wonach das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten ist. Bei dem Staatsvertrag handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (vgl. Grüneberg, § 823, Rn. 75).

4. Der Kläger kann seinen Anspruch daneben auch auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB stützen, da die Zahlungen des Spielers an die Beklagte rechtsgrundlos erfolgten. Der Vertrag über die Ausübung des Glücksspiels auf der Internetdomain der Beklagten ist nach § 134 BGB nichtig, da die Veranstaltung eines öffentlichen Glücksspiels im Internet nach § 4 Abs. 4 GlÜStV bis zum 30.06.2021 verboten war. Der Rückforderungsausschluss gemäß § 817 Satz 2 BGB ist vorliegend nicht anwendbar, da ein Kondiktionsausschluss einerseits einen starken Anreiz für die Fortsetzung des gesetzeswidrigen Angebots durch Anbieter verbotener Online-Glücksspiele setzen würde und andererseits dem Schutzzweck der Verbotsnorm, nämlich dem Schutz der Spieler vor den Gefahren des Glücksspieles, zuwiderlaufen würde. Da es sich um ein verbotenes Glücksspiel handelt, ist auch § 762 Abs. 1 Satz 1 BGB, nach dem das aufgrund eines (wirksamen) Spiel- oder Wettvertrages Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, nicht anwendbar (vgl. Grüneberg, 82. Auflage, § 762, Rz. 3).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VGH München: Anordnung der Gemeinsamen Glücksspielbehörde gegenüber Access-Provider den Zugriff auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet zu sperren mangels Befugnisnorm rechtswidrig

VGH München:
Beschluss vom 23.03.2023
23 CS 23.195


Der VGH München hat entschieden, dass die Anordnung der Gemeinsamen Glücksspielbehörde gegenüber einem Access-Provider, den Zugriff auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet zu sperren, mangels Befugnisnorm rechtswidrig war.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts, auf dessen Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen wird, ist auch unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Vortrags der Antragsgegnerin sowie ihres Beschwerdevorbringens im Ergebnis zutreffend. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare (§ 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021, § 9 des Ausführungsgesetzes des Landes S.-A. zur Verwaltungsgerichtsordnung (AG VwGO LSA)) Verfügung der Antragsgegnerin vom 6. Oktober 2022, mit der die Antragstellerin als Internet-Access-Provider zur Sperrung von Internetseiten verpflichtet wurde, auf denen die Beigeladenen unerlaubtes Glücksspiel anbieten, ist zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Var. 1 VwGO) und begründet. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Denn die im Bescheid vom 6. Oktober 2022 ihr gegenüber getroffenen Anordnungen, 1. die Internetseiten (= Domains) der Beigeladenen „im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler zu sperren, so dass ein Zugriff über die von ihr in Deutschland zur Verfügung gestellten Zugänge zum Internet nicht mehr möglich ist“, 2., „künftig von der Antragsgegnerin mitzuteilende Internetseiten (= Domains), auf denen sich nach Art und Umfang wesentlich deckungsgleiche unerlaubte Glücksspielangebote (sog. Mirror-Pages) von unter Nr. 1 benannten Anbietern oder deren Rechtsnachfolgern vermittelt bzw. veranstaltet werden, im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler zu sperren“, sowie die daran anknüpfenden Umsetzungsfristen (Nrn. 3 und 4) und die Zwangsgeldandrohung (Nr. 5) erweisen sich nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen und möglichen summarischen Prüfung aller Voraussicht nach als rechtswidrig.

Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Anordnungen weder auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 (2.1.) noch auf die allgemeine Auffangermächtigung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2021 (2.2.) gestützt werden können. Schließlich kann auch das für die Antragsgegnerin grundsätzlich anzuwendende allgemeine Ordnungsrecht des Landes S.-A. (vgl. § 27a Abs. 3 und Abs. 4 GlüStV 2021) nicht Grundlage der Entscheidung sein (2.3.).

2.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 hat die Antragsgegnerin als Glücksspielaufsicht (vgl. § 27a Abs. 1 und 2 GlüStV 2021) die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrags begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben; sie kann im Rahmen ihrer Zuständigkeit (vgl. §§ 27f Abs. 2, 9a Abs. 3 GlüStV 2021) die hierfür erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021). Unbeschadet sonstiger in diesem Staatsvertrag und anderen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehener Maßnahmen kann sie insbesondere gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote Maßnahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes – TMG – verantwortliche Diensteanbieter, insbesondere Zugangsvermittler und Registrare, ergreifen, sofern sich Maßnahmen gegenüber einem Veranstalter oder Vermittler dieses Glücksspiels als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweisen; diese Maßnahmen können auch erfolgen, wenn das unerlaubte Glücksspielangebot untrennbar mit weiteren Inhalten verbunden ist.

Die Antragsgegnerin hat die gegenüber der Antragstellerin erlassene Sperrverfügung auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 gestützt und die Antragstellerin als verantwortliche Diensteanbieterin in Anspruch genommen. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 sind nach summarischer Prüfung indes nicht erfüllt. Zwar war vor Erlass der streitgegenständlichen Sperrverfügung eine Bekanntgabe des unerlaubten Glücksspielangebots gegenüber der Antragstellerin als deren Adressatin erfolgt. Auch dürfte nach Aktenlage davon auszugehen sein, dass sich Maßnahmen gegenüber den Beigeladenen als Veranstalter bzw. Vermittler unerlaubten Glücksspiels als nicht durchführbar erwiesen haben, da mehrere bestandskräftige, von verschiedenen Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder erlassene Untersagungsverfügungen nicht zur Einstellung des unerlaubten Angebots geführt haben.

Allerdings handelt es sich bei der Antragstellerin als Zugangsvermittlerin nicht um eine – wie von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 vorausgesetzt – im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortliche Diensteanbieterin (2.1.1.). Eine Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV Maßnahmen zur Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote gegenüber Diensteanbietern unabhängig von deren Verantwortlichkeit nach §§ 8 bis 10 TMG erlassen werden können, weil sich die Verantwortlichkeit – wie von der Antragsgegnerin angenommen – unmittelbar aus der glücksspielrechtlichen Norm selbst ergibt, kommt nicht in Betracht (2.1.2.).

2.1.1. Den Ausgangspunkt der Auslegung der gesetzlichen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 bildet zunächst deren Wortlaut.

a) Dieser streitet mit seiner ausdrücklichen Gesetzesformulierung, wonach nur im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortliche Diensteanbieter als Adressaten von Sperrverfügungen in Betracht kommen, dafür, dass das Haftungssystem der §§ 8 bis 10 TMG in Bezug genommen wird. Damit muss neben dem Erfordernis des Vorliegens eines Diensteanbieters i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG als weiteres Tatbestandsmerkmal dessen (telemedienrechtliche) „Verantwortlichkeit“ i.S.d. §§ 8 bis 10 TMG bestehen. Demnach scheidet die Inanspruchnahme eines nach dem TMG nicht verantwortlichen Diensteanbieters auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 aus (vgl. OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – 6 B 11175/22.OVG – juris Rn. 7; Liesching, Sperrverfügungen gegen Access-Provider in Bezug auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet, ZfWG 2022, 404, 405; Dünchheim, GlücksspielR, 2021, § 9 Rn. 29 ff.; Anstötz/Tautz, Internetsperre 2.0 – Eine effektive Maßnahme gegen illegale Online-Glücksspielangebote, ZdiW 2022, 173, 176, 178).

Angesichts der ausdrücklichen Inbezugnahme als Rechtsgrundverweisung steht dem entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht entgegen, dass die §§ 8 bis 10 TMG für sich genommen eine Verantwortlichkeit des Diensteanbieters nicht zu begründen oder zu erweitern vermögen, sondern im Rahmen der Anwendung bestehender gesetzlicher Tatbestände zu beachtende Privilegierungen darstellen. Einem Verständnis der Verweisung auf §§ 8 bis 10 TMG als bloße Umschreibung der Tätigkeit der jeweiligen zu adressierenden Diensteanbieter steht entgegen, dass der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 ausdrücklich von „im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortlichen“ Diensteanbietern und nicht lediglich von Diensteanbietern im Sinne des §§ 8 bis 10 TMG spricht, so dass explizit vorausgesetzt wird, dass deren Verantwortlichkeit nicht gemäß §§ 8 bis 10 TMG ausscheidet.
12
b) Bei der Antragstellerin handelt es sich nicht um eine im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortliche Diensteanbieterin.

Nach diesen Vorschriften wird die Verantwortlichkeit der jeweiligen Diensteanbieter für fremde Informationen in Abhängigkeit zu ihrer Verbindung zu diesen Informationen beschränkt. Für die Antragstellerin als Access-Provider ist die Regelung des § 8 TMG maßgeblich. Danach sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie (1.) die Übermittlung nicht veranlasst, (2.) den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und (3.) die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben. Der Freistellung von der Verantwortlichkeit nach § 8 TMG liegt das Regulierungsziel zugrunde, einen Diensteanbieter, welcher von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz übermittelt oder den Zugang zu einem solchen Netz vermittelt, von der Verantwortlichkeit bezogen auf solche Informationen zu befreien, mit denen er in keiner Weise in Verbindung steht. Die Regelung fungiert mithin als Filter, welcher die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach den allgemeinen Gesetzen einschränkt, soweit deren Kontroll- oder Einflussmöglichkeiten begrenzt sind (vgl. BT-Drs. 14/6098, S. 23 f.; Erwägungsgrund 42 der RL 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“ = E-Commerce-Richtlinie); Liesching, a.a.O., ZfWG 2022, 404, 406; Hennemann in Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR, 38. Ed. 1.11.2022, § 7 TMG Rn. 6, § 8 TMG Rn. 5 und Rn. 8). Auch eine positive Kenntnis von Drittinhalten und rechtswidrigen Handlungen von Drittanbietern hebt die Verantwortlichkeitsprivilegierung grundsätzlich nicht auf; lediglich wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen, findet die Privilegierung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG keine Anwendung (§ 8 Abs. 1 Satz 3 TMG).

Die Antragstellerin erfüllt den Privilegierungstatbestand, denn sie veranlasst weder die Übermittlung der Glücksspielangebote noch wählt sie diese oder den Adressaten aus. Ein Fall des kollusiven Zusammenwirkens, der die Privilegierung entfallen ließe, scheidet offenkundig aus.

2.1.2. Die Benennung von Registraren und Zugangsvermittlern als Regelbeispiele, die Gesetzeshistorie, die Gesetzessystematik oder der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 vermögen keine anderweitige Auslegung dahingehend zu begründen, dass deren Anwendungsbereich unabhängig von einer Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach §§ 8 bis 10 TMG eröffnet wäre.

a) Zunächst folgt aus dem Wortlaut und der Benennung von Zugangsvermittlern und Registraren als Regelbeispiele keine erweiternde Auslegung dergestalt, dass ein Zugangsvermittler oder ein Registrar in jedem Falle verantwortlicher Diensteanbieter im Sinne der Vorschrift und damit eine Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal des verantwortlichen Diensteanbieters i.S.d. §§ 8 bis 10 TMG stets entbehrlich wäre.

Allerdings stellt sich der Wortlaut mit Blick auf die genannten Regelbeispiele in zweierlei Hinsicht als widersprüchlich dar. Zum einen ist hinsichtlich des Registrars der Anwendungsbereich der §§ 8 bis 10 TMG von vornherein nicht eröffnet, weil der Registrar kein Diensteanbieter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG ist. Der Registrar stellt Nutzern keine Informationen bereit und vermittelt keinen Zugang zur Nutzung von Telemedien, sondern nimmt lediglich die administrative Abwicklung der Domainregistrierung vor, indem er der Registrierungsstelle die für die Registrierung der Domain erforderlichen Daten mitteilt (BGH, U.v. 15.10.2020 – I ZR 13/19CR 2021, 58 = juris Rn. 16 f.).

Aber auch der Zugangsvermittler resp. Internet-Access-Provider, den die Landesgesetzgeber mit der Formulierung des Regelbeispiels zu adressieren beabsichtigt haben dürften, ist zwar Diensteanbieter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG, wird aber hinsichtlich der in Rede stehenden Glücksspielangebote mit Blick auf das dargestellte abgestufte technikbezogene Haftungssystem in aller Regel den Privilegierungstatbestand des § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG erfüllen, so dass bei der dargestellten Auslegung nach dem Gesetzeswortlaut entgegen der Konzeption des Regelbeispiels lediglich im Ausnahmefall eine Verantwortlichkeit nach dem TMG und damit eine Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 auf den Zugangsvermittler in Betracht kommt (vgl. Liesching, a.a.O., ZfWG 2022, 406; Anstötz/Tautz, ZdiW 2022, 173, 177 f.; Ennuschat/Klestil, ZfWG 2009, 389, 390; Frey/Rudolph/Oster, MMR-Beilage 2012, 1, 17; Sieber/Nolde, Sperrverfügungen im Internet, 2008, S. 23).

Dennoch rechtfertigt bzw. erlaubt die Benennung der Zugangsvermittler als Regelbeispiel eines verantwortlichen Diensteanbieters keine erweiternde Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 dahingehend, dass die Vorschrift selbst eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter unabhängig von einer Privilegierung gemäß §§ 8 bis 10 TMG begründet. Zwar bleiben gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 TMG behördliche und gerichtliche Anordnungen zur Sperrung von Internetseiten aufgrund allgemeiner Gesetze auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit eines Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 TMG unberührt. Derartige Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen müssen allerdings „klar gesetzlich geregelt“ sein (Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes, BT-Drs. 18/12202, S. 11). Mit Blick auf die von einer solchen gesetzlichen Regelung berührten grundrechtlich geschützten Interessen der unternehmerischen Freiheit des Diensteanbieters (Art. 16 EU-Grundrechtecharta; Art. 12 Abs. 1 GG) und des Rechts der Nutzer des Dienstes auf Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) sind staatlicherseits angeordnete Maßnahmen der Sperre oder Entfernung von Informationen nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig, das die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs hinreichend klar bestimmt (vgl. BGH, U.v. 26.11.2015 – I ZR 174/14GRUR 2016, 268, 276 Rn. 72 f. unter Verweis auf BVerfG, B.v. 8.8.1978 – 2 BvL 8/77BVerfGE 49, 89, 126 = NJW 1979, 359, sowie BVerfG, U.v. 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02BVerfGE 108, 282, 311 = NJW 2003, 3111). Der Gesetzgeber ist gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfG, B.v. 26.9.1978 – 1 BvR 525/77BVerfGE 49, 168, 181 = NJW 1978, 2446; BVerfG, B.v. 24.11.1981 – 2 BvL 4/80BVerfGE 59, 104, 114 = NJW 1982, 1275; BVerfG, B.v. 18.5.1988 – 2 BvR 579/84BVerfGE 78, 205, 212 = NJW 1998, 2593; BVerfG, B.v. 7.5.2001 – 2 BvK 1/00BVerfGE 103, 332, 384 = NVwZ-RR 2002, 81). Die notwendige Bestimmtheit fehlt nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig ist (vgl. BVerfG, B.v. 22.6.1977 – 1 BvR 799/76BVerfGE 45, 400, 420 = NJW 1977, 1723; BVerfG, B.v. 8.11.2006 – 2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02BVerfGE 117, 71, 111 = NJW 2007, 1933; stRspr). Die Betroffenen müssen jedoch die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. BVerfG, B.v. 7.5.2001 – 2 BvK 1/00BVerfGE 103, 332, 384 = NVwZ-RR 2002, 81; BVerfG, U.v. 27.7.2005 – 1 BvR 668/04BVerfGE 113, 348, 375 = NJW 2005, 2603 m.w.N.) und die gesetzesausführende Verwaltung muss für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92BVerfGE 110, 33, 54 = NJW 2004, 2213; BVerfG, U.v. 27.7.2005 – 1 BvR 668/04BVerfGE 113, 348, 375 = NJW 2005, 2603). Zur notwendigen Erkennbarkeit des Norminhalts gehört die Klarheit (vgl. BVerfG, B.v. 31.5.1988 – 1 BvR 520/83BVerfGE 78, 214, 226 = NJW 1989, 666; BVerfG, U.v. 2.3.2006 – 2 BvR 2099/04BVerfGE 115, 166, 190 = NJW 2006, 976; BVerfG, U.v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04BVerfGE 119, 331, 366 = NVwZ 2008, 183; stRspr) und, als deren Bestandteil, die Widerspruchsfreiheit (vgl. BVerfG, U.v. 7.5.1998 – 2 BvR 1991/95, 2 BvR 2004/95BVerfGE 98, 106, 118 f. = NJW 1998, 2341; BVerfG, U.v. 15.7.2003 – 2 BvF 6/98BVerfGE 108, 169, 181, 183 = NVwZ 2003, 1497; BVerfG, U.v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04BVerfGE 119, 331, 366 = NVwZ 2008, 183, stRspr) der Norm. Die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit sind umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm vorsieht (vgl. BVerfG, B.v. 24.11.1981 – 2 BvL 4/80BVerfGE 59, 104, 114 = NJW 1982, 1275; BVerfG, B.v. 6.5.1987 – 2 BvL 11/85BVerfGE 75, 329, 342 = NJW 1987, 3175; BVerfG, B.v. 3.6.1992 – 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89BVerfGE 86, 288, 311 = NJW 1992, 2947; BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92BVerfGE 110, 33, 55 = NJW 2004, 2213; BVerfG, B.v. 8.11.2006 – 2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02BVerfGE 117, 71, 111 = NJW 2007, 1933; vgl. zu alldem BVerfG, B.v. 23.3.2011 – 2 BvR 882/09BVerfGE 128, 282, 318).

Nach diesen Maßstäben stellt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 trotz der Benennung des Zugangsvermittlers als Regelbeispiel keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine Sperrverfügung gegenüber einem Zugangsvermittler als nicht im Sinne des § 8 bis 10 TMG verantwortlichem Diensteanbieter dar, weil die Vorschrift insoweit den Anforderungen, die an die Klarheit und Bestimmtheit der gesetzlichen Grundlage für einen Grundrechtseingriff zu stellen sind, nicht genügt. Angesichts der dargestellten Inkonsistenz der Regelung fehlt es an der notwendigen Klarheit der gesetzlichen Grundlage. Diese lässt sich insoweit auch nicht anhand der Gesetzesgenese, der Gesetzesmaterialien oder einer systematischen Auslegung herstellen, weil sich auch hieraus nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen lässt, dass der Gesetzgeber des Glücksspielstaatsvertrags 2021 entgegen dem Wortlaut des Tatbestands auf eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz verzichten und Sperrverfügungen gegenüber diesen auch im Falle einer Privilegierung nach den §§ 8 bis 10 TMG zulassen wollte.

b) Aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt sich nicht, dass eine Inanspruchnahme des Diensteanbieters ohne inhaltliche Bezugnahme auf dessen Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz beabsichtigt war.

aa) So werden auch in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 die „im Sinne der §§ 8 bis 10 Telemediengesetz verantwortlichen Diensteanbieter“ adressiert und die staatsvertragliche Ermächtigung zu Sperranordnungen ausdrücklich vor dem Hintergrund als angemessen erachtet, dass sie „dem System abgestufter Verantwortlichkeit, wie es auf der Grundlage der E-Commerce-Richtlinie der EU in den §§ 8 bis 10 Telemediengesetz vorgesehen ist, Rechnung trägt“ (LT-Drs. 18/11128, S. 122). Dies spricht gegen ein Verständnis des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 als eine von den Anforderungen der §§ 8 bis 10 TMG unabhängige Störerbestimmung, sondern dafür, dass nach dem Willen der Landesgesetzgeber nicht jeder Diensteanbieter losgelöst von den §§ 8 bis 10 TMG verantwortlich und damit Adressat einer Sperrverfügung sein soll.

Soweit die Antragsgegnerin auf die Erwägung des Landesgesetzgebers verweist, dass „unabhängig von der neu geschaffenen Ermächtigung eine vollständige Unterbindung des unerlaubten Glücksspiels grundsätzlich zu bevorzugen“ sei (LT-Drs. 18/11128, S. 122), bezieht sich dies auf den Vorrang eines Vorgehens unmittelbar gegen die Veranstalter und Vermittler unerlaubten Glücksspiels gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2021.

bb) Hinreichend eindeutige Anhaltspunkte für eine Planwidrigkeit der Rechtsgrundverweisung auf die §§ 8 bis 10 TMG in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 lassen sich auch aus der Gesetzeshistorie nicht ableiten.

Schon die Ermächtigungsgrundlage für Sperrverfügungen nach dem GlüStV 2008 setzte gesetzlich eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach den telemedienrechtlichen Regelungen des damals geltenden Teledienstegesetzes (TDG) voraus. Die hierzu ergangene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ging davon aus, dass – wenngleich hierdurch faktisch der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2008 eingeschränkt werde – eine systemwidrige erweiternde Auslegung nicht möglich sei (VG Köln, U.v. 15.12.2011 – 6 K 5404/10 – juris Rn. 39; vgl. auch OVG NW, B.v. 26.1.2010 – 13 B 760/09 – juris Rn. 9 und 12; VG Düsseldorf, U.v. 29.11.2011 – 27 K 3883/11, 27 K 5887/10 – juris). Auch in der wissenschaftlichen Fachliteratur wurde auf die praktisch erheblichen Beschränkungen wegen des Erfordernisses einer telemedienrechtlichen Verantwortlichkeit und die Möglichkeit einer gesetzgeberischen Nachbesserung im Falle einer politisch erachteten Notwendigkeit von Internetsperren hingewiesen (vgl. Ennuschat/Klestil, ZfWG 2009, 389, 390 f.; Sieber/Nolde, Sperrverfügungen im Internet, 2008, S. 23).

Der erste Entwurf des Glücksspieländerungsstaatsvertrags vom 14. April 2011 sah sodann zunächst eine Änderung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2008 dahingehend vor, dass unabhängig von der Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz die zuständige Behörde diesen nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung am Zugang zu den Angeboten untersagen könne (abrufbar unter https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tris/de/search zum Notifizierungsverfahren Nr. 2011/0188/D; vgl. auch Mitteilung 201 der Kommission – SG(2011) D/52931, Nr. 2.8). Nachdem die Europäische Kommission unter dem 18. Juli 2011 im Rahmen des Notifizierungsverfahrens eine ausführliche Stellungnahme abgegeben hatte und zuvor auch die Arbeitsgruppe „Glücksspielstaatsvertrag“ der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien unter Berücksichtigung der abgegebenen Stellungnahmen unter dem 8. Juni 2011 die (vollständige) Streichung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 der Entwurfsfassung vom 14. April 2011 empfohlen hatte (vgl. Bericht der Landesregierung NRW für die 19. Sitzung des Haupt- und Medienausschusses des Landtages NRW am 14.7.2011, TOP 4, Vorlage 15/745, Anlage 2, S. 3 f. und 7), überarbeiteten die Landesgesetzgeber ihre Entwurfsfassung. In der Antwort der Bundesrepublik Deutschland vom 7. Dezember 2011 zu der Stellungnahme der Europäischen Kommission heißt es, die Bundesländer wiesen darauf hin, dass sie die von der Kommission und Malta kritisierte Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 gestrichen hätten (vgl. Mitteilung 201 der Kommission – SG(2011) D/52931, Nr. 2.8). Die Regelung war dementsprechend in der am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen Fassung des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags nicht mehr enthalten.

Auch der am 1. Januar 2020 in Kraft getretene Dritte Glücksspieländerungsstaatsvertrag sah keine Änderung des § 9 GlüStV 2012 vor. Erst durch den am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag 2021 wurde die Ermächtigung zum Erlass von Sperrverfügungen in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 wieder aufgenommen, welche – auch bereits in der der Kommission am 18. Mai 2020 notifizierten Entwurfsfassung (abrufbar unter https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tris/de/search/?trisaction=search.detail& year=2020& num=304, Notifizierungsnummer 2020/0304/D) – wiederum den Verweis auf die Verantwortlichkeitsprivilegierungen des TMG beinhaltet (vgl. zur Entstehungsgeschichte auch OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 8 ff.). Vor dem Hintergrund, dass die Landesgesetzgeber die telemedienrechtliche Verantwortlichkeit im Bewusstsein der zur Vorgängervorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2008 ergangenen Rechtsprechung, der dieser zustimmenden Literaturstimmen und des im GlüStV 2012 gescheiterten Versuchs, eine sonderordnungsrechtliche Störerbestimmung unabhängig von der Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz einzuführen, beibehalten und ausweislich der amtlichen Erläuterungen zum Staatsvertrag, welche den einzig verlässlichen Anhaltspunkt für den Willen der Ländergesamtheit bilden (vgl. BVerfG, U.v. 11.9.2007 – 1 BvR 2270/05 – juris Rn. 168 zum Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag; OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 14), ein Vorgehen nach dem „System abgestufter Verantwortlichkeit, wie es auf der Grundlage der E-Commerce-Richtlinie der EU in den §§ 8 bis 10 Telemediengesetz vorgesehen ist“, aus Gründen der Angemessenheit für notwendig erachtet haben, lässt sich nicht darauf schließen, sie hätten nunmehr das Haftungssystem des Telemediengesetzes, das die jeweilige Nähe des Diensteanbieters zur angebotenen Information berücksichtigt, trotz dessen ausdrücklicher Inbezugnahme außer Acht lassen wollen.

Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, die Landesgesetzgeber hätten im Glücksspielstaatsvertrag 2021 – anders als noch im Glücksspielstaatsvertrag 2008 – erkannt, dass die Durchleitung fremder Informationen keine strafrechtliche Relevanz aufweise, da sich in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 der strafrechtliche Mitwirkungsgedanke nicht mehr finde und die Norm nicht mehr als bloße Klarstellung bezeichnet werde, so dass § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 losgelöst von strafrechtlichen Erwägungen als Grundlage für Maßnahmen gegenüber Diensteanbietern diene, lässt allein dies nicht darauf schließen, die Landesgesetzgeber hätten nunmehr eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter unabhängig von der Anwendung des technikbezogenen abgestuften Haftungssystems des TMG begründen wollen. Zwar finden die Privilegierungen gemäß §§ 8 bis 10 TMG auch im Strafrecht Anwendung (BGH, U.v. 11.3.2004 – I ZR 304/01 = GRUR 2004, 860, 862; Hoffmann/Volkmann in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, vor § 7 TMG Rn. 15); umgekehrt begründet der Ausschluss eines Privilegierungsgrundes nach dem TMG aber allein noch keine Strafbarkeit (Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 19.1 Allgemeine Probleme des Internetstrafrechts, Stand 58. EL März 2022, Rn. 25). Auch die Anwendung der Privilegierungstatbestände der §§ 8 bis 10 TMG erfolgt daher losgelöst von strafrechtlichen Erwägungen.

c) Ebenso wenig lässt die systematische Gesamtschau vergleichbarer Ermächtigungsgrundlagen für Maßnahmen gegen Diensteanbieter zur Sperrung fremder Inhalte darauf schließen, der Landesgesetzgeber habe mit dem Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 auch nicht verantwortliche Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG erfassen wollen.

Nach der bis zum 6. November 2020 und damit während der Vertragsverhandlungs- und Ratifizierungsphase des Glücksspielstaatsvertrags 2021 noch geltenden Regelung in § 59 Abs. 4 des Rundfunkstaatsvertrags – RStV – konnten Maßnahmen zur Sperrung von Angeboten gegen den „Diensteanbieter von fremden Inhalten nach den §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes“ gerichtet werden (vgl. auch OVG NW, B.v. 19.3.2003 – 8 B 2567/02 – juris Rn. 45 zur entsprechenden Vorgängerregelung in § 22 Abs. 3 Mediendienste-Staatsvertrag). Soweit § 20 Abs. 4 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags – JMStV – in seiner ebenfalls bis zum 6. November 2020 geltenden Fassung eine entsprechende Geltung des § 59 Abs. 4 RStV anordnete, bestand diese jugendschutzrechtliche Eingriffsermächtigung zunächst nur „unter Beachtung der Regelungen zur Verantwortlichkeit nach den §§ 7 bis 10 des Telemediengesetzes“. Nach der zum 7. November 2020 geänderten Fassung des § 20 Abs. 4 JMStV sowie der gleichzeitig in Kraft getretenen Regelung in § 109 Abs. 3 des Medienstaatsvertrags als Nachfolger des Rundfunkstaatsvertrags können Maßnahmen zur Sperrung von Angeboten nunmehr gegen Dritte unter Beachtung der Vorgaben des Telemediengesetzes gerichtet werden (vgl. dazu: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Netzsperren, Rechtslage und gesetzgeberischer Spielraum, WD 10 – 3000 – 016/21, S. 23). Angesichts dieser Gesetzesentwicklungen zur Frage der Verantwortlichkeit der Diensteanbieter für fremde Inhalte kann nicht davon ausgegangen werden, der Landesgesetzgeber habe mit dem am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 versehentlich an das abgestufte Haftungssystem der §§ 8 bis 10 TMG angeknüpft (OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 20).

Soweit der Landesgesetzgeber in den amtlichen Erläuterungen darauf verweist, eine § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 entsprechende Ermächtigung („IP-Blocking“) finde sich in einer Vielzahl von Glücksspielregulierungen europäischer Staaten („60% der EU/EWR-Mitgliedstaaten“), die wie die deutsche Glücksspielregulierung an die grundrechtlichen Vorgaben der EMRK gebunden seien (LT-Drs. 18/11128, S. 122), lässt auch dies nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit auf ein Versehen bei der Ausgestaltung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 schließen. Aufgrund des in den Erläuterungen zitierten Abschlussberichts der Europäischen Kommission vom November 2018 zu der Studie „Evaluation of Regulatory Tools for Enforcing Online Gambling Rules and Channelling Demand towards Controlled Offers” (LT-Drs. 18/11128, S. 62) musste dem Landesgesetzgeber nämlich bewusst sein, dass in den meisten der an der Studie teilnehmenden Staaten eine erlassene Sperrungsanordnung zugleich für sämtliche Internet-Service-Provider gilt (vgl. S. 38 des Abschlussberichts, abrufbar unter https://single-market-economy.ec.europa.eu/ publications_en). Gleichwohl hat eine danach naheliegende Anordnung einer sonderordnungsrechtlichen Störerbestimmung unter Verzicht auf ein System abgestufter Verantwortlichkeit in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 keinen Niederschlag gefunden (OVG RLP, B.v. 31.1.2023 – a.a.O. – juris Rn. 21).

Für das Vorliegen einer Planwidrigkeit der dynamischen Rechtsgrundverweisung auf die §§ 8 bis 10 TMG in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 spricht – anders als die Antragsgegnerin wohl meint – auch nicht die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 1 TMG. Hiernach bleiben Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 TMG unberührt. Diese Regelung begründet aber nicht selbst solche Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung für den Diensteanbieter und stellt keinen Tatbestand dar, mit dem eine Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz begründet wird, sondern sieht lediglich vor, dass anderweitig begründete gesetzliche Verpflichtungen unberührt bleiben, d.h. fortbestehen (Spindler in Spindler/Schmitz, TMG – Kommentar, 2. Aufl. 2018, § 7 TMG Rn. 43 f. m.w.N.).

Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG. Zwar dürfte § 8 TMG, insbesondere § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG, wonach die Inanspruchnahme auf Beseitigung bzw. Unterlassung von nichtverantwortlichen Diensteanbietern ausgeschlossen ist, vorrangig im Zivilrecht Geltung beanspruchen. Durch die ausdrückliche Inbezugnahme im § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 in Gestalt einer Rechtsgrundverweisung lässt sich der Anwendungsbereich der §§ 8 bis 10 TMG jedoch vorliegend nicht auf die zivilrechtliche Haftung begrenzen. Demnach bleibt in der hiesigen Konstellation eines Rechtsgrundverweises einer öffentlich-rechtlichen Norm auf § 8 TMG kein Raum für die Beschränkung der Privilegierungen auf zivilrechtliche Ansprüche.

d) Bei dem vorstehenden Befund einer dem Wortlaut nach widersprüchlichen – da mit dem Tatbestand inkonsistenten – Benennung von Regelbeispielen und einer historischen und systematischen Auslegung, die nicht den Schluss zulässt, der Gesetzgeber habe nur versehentlich an das System der telemedienrechtlichen Verantwortlichkeit nach den §§ 8 bis 10 TMG angeknüpft, scheidet eine erweiternde Auslegung der Vorschrift nach deren Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Ziele des Staatsvertrags (§ 1 GlüStV 2021) im Sinne einer teleologischen Extension nach dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz sowie dem Demokratieprinzip aus, da sie mit dem Gebot der Normenklarheit unvereinbar wäre und unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers eingriffe (BVerfG, B.v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10BVerfGE 128, 193/210 = NJW 2011, 836; BVerfG, B.v. 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06BVerfGE 126, 286/306 = NJW 2010, 3422 Rn. 64; BVerfG (K), B.v. 3.3.2015 – 1 BvR 3226/14NZS 2015, 502 Rn. 18; BVerfG (K), B.v. 23.5.2016 – 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15NJW-RR 2016, 1366 Rn. 39).

Zwar sollten nach den amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 durch diesen die Vollzugsmöglichkeiten zur Unterbindung unerlaubter Glücksspielangebote als wesentliches Ziel der Glücksspielregulierung mit Blick auf ein konsequentes, zügiges und nachhaltiges Vorgehen der Länder verbessert werden (LT-Drs. 18/11128, S. 51) und die Neuregelung der Rechtsgrundlage für Maßnahmen gegen Diensteanbieter mit dem Ziel der Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote („IP-Blocking“) die Erreichung der Zielsetzungen des § 1 GlüStV 2021 fördern, wobei die Landesgesetzgeber davon ausgehen, die Wiedereinführung der Ermächtigung zu Sperranordnungen habe sich im Gefolge der Schwierigkeiten des Vollzugs des Glücksspielstaatsvertrags 2012/2020 nicht zuletzt gegenüber ausländischen Veranstaltern und Vermittlern von nach diesem Staatsvertrag nicht erlaubten Glücksspielen, die auf den Geltungsbereich dieses Staatsvertrags ausgerichtet seien, als geeignet und erforderlich erwiesen, um die genannten Ziele des § 1 GlüStV 2021 effektiv zu erreichen (LT-Drs. 18/11128, S. 122). Tatsächlich ist der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 aber sowohl seinem Wortlaut nach als auch nach den amtlichen Erläuterungen durch die dynamische Rechtsgrundverweisung auf das abgestufte Haftungssystem der §§ 8 bis 10 TMG faktisch eingeschränkt (s.o.). Soweit die Antragsgegnerin fordert, die Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021

OLG Frankfurt: Sportwetten-Teilnehmer hat keinen Anspruch auf Rückzahlung verlorener Sportwetteinsätze gegen ein aus Unionsgründen konzessionsloses Wettbüro

OLG Frankfurt
Hinweisbeschluss vom 19.01.2023
8 U 102/22


Das OLG Frankfurt hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass ein Sportwetten-Teilnehmer keinen Anspruch auf Rückzahlung verlorener Sportwetteinsätze gegen ein aus Unionsgründen konzessionsloses Wettbüro hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts
Sportwetten - Aus Unionsgründen konzessionsloses Wettbüro haftet nicht für verlorene Sportwetteinsätze

Das OLG hat mit heute veröffentlichter Entscheidung bestätigt, dass ein Wettbüro nicht zur Rückzahlung verlorener Wetteinsätze verpflichtet ist.

Wurde einem Wettbüro im Hinblick auf unionsrechtliche Bedenken gegen die Regelungen über die Erteilung von Konzessionen zur Veranstaltung von Sportwetten keine Konzession erteilt, obwohl es sich darum bemüht hat, kann das konzessionslos handelnde Wettbüro nicht sanktioniert werden. Schließt eine Privatperson mit einem solchen Wettbüro Sportwetten ab, sind diese nicht wegen Gesetzesverstoß nichtig. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichter Entscheidung bestätigt, dass das Wettbüro in diesem Fall nicht zur Rückzahlung verlorener Wetteinsätze verpflichtet ist.

Der Kläger nimmt das beklagte Wettbüro auf Rückzahlung verlorener Sportwetten in Anspruch. Er hatte von 2018 bis 2020 in Wettbüros der Beklagten und über deren deutschsprachige Webseiten Sportwetten abgeschlossen. Die Onlinewetten tätigte er von zu Hause über sein Smartphone; seinen Einsätzen im Internet in Höhe von gut 40.000 € stehen Auszahlungen von knapp 5.000 € gegenüber. Die Beklagte verfügte in der streitgegenständlichen Zeit nicht über eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten. Sie hatte zwar eine Konzession beantragt. Das VG Wiesbaden hatte die zuständige Behörde auch zur Erteilung verpflichtet. Das Verfahren war aber wegen unionsrechtlicher Bedenken gestoppt worden. Zwischenzeitlich verfügt die Beklagte über eine Konzession.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Das OLG hielt die hiergegen eingelegte Berufung ebenfalls für erfolglos. Es bestätigte, dass der zwischen den Parteien geschlossene Wettvertrag nicht wegen eines Gesetzesverstoßes des konzessionslos handelnden Wettbüros nichtig sei. Ein Mitgliedstaat dürfe keine strafrechtlichen Sanktionen für ein Verhalten verhängen, mit dem der Betroffene verwaltungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge, die gegen Unionsrecht verstießen. So sei es hier. Die damals geltenden Regelungen nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2012 zur Konzessionserteilung für die Veranstaltung von Sportwetten seien intransparent gewesen und hätten deshalb gegen Unionsrecht verstoßen.

Im Hinblick auf die Unionswidrigkeit der damals geltenden Bestimmungen zur Konzessionserlangung dürfte die Beklagte weder strafrechtlich noch verwaltungsrechtlich sanktioniert werden. Die fehlende Konzession wirke sich dann auch nicht auf die Wirksamkeit der Wettverträge mit dem Kläger aus. Dies gebiete der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. Sei eine öffentlich-rechtliche Verbotsnorm (hier das Verbot der Veranstaltung von Glücksspielen ohne Konzession) im Ausnahmefall wegen Verstoßes gegen übergeordnetes Unionsrecht nicht wirksam, bleibe auch der privatrechtliche Vertrag (hier zwischen dem Wettbüro und dem Kläger) wirksam.

Dabei dürften sich allerdings nur solche Anbieter auf die Unionswidrigkeit berufen, die - wie hier das beklagte Wettbüro - alles unternommen hätten, um eine Sportwettenkonzession zu erlangen. Insoweit habe das Landgericht entgegen der Auffassung des Klägers gerade nicht der Beklagten „indirekt jedes Glücksspielangebot ohne Grenzen zugesprochen“. Die Entscheidung übertrage allein die Folgen der der gerichtlich festgestellten Rechtswidrigkeit des damaligen Konzessionsverfahrens konsequent auf das Privatrecht.

Der Kläger hat auf diesen Hinweis hin seine Berufung zurückgenommen. Damit ist das klageabweisende Urteil des Landgerichts rechtskräftig.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 19.1.2023, 8 U 102/22

Erläuterungen:
Das OLG Frankfurt am Main, 23. Zivilsenat hatte sich im Rahmen eines Hinweisbeschlusses vom 8.4.2022, Az 23 U 55/21 vor einem Jahr mit der Frage der Rückerstattung verlorener Wetteinsätze bei Teilnahme an einem Online-Casino befasst. Dort waren Ansprüche des Spielers gegen die auf Malta ansässige Casinogesellschaft zuerkannt worden.

Der Senat grenzt sich von dieser Entscheidung ab und verweist darauf, dass nach dem damals geltenden Glücksspielstaatsvertrag 2012 Online-Sportwetten grundsätzlich genehmigungsfähig gewesen wäre, nicht aber Online-Casino-Angebote.


VG München: Anordnung der Gemeinsamen Glücksspielbehörde gegenüber Access-Provider den Zugriff auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet zu sperren wohl rechtswidrig

VG München
Beschluss vom 10.01.2023
M 27 S 22.5246


Das VG München hat entschieden, dass die Anordnung der Gemeinsamen Glücksspielbehörde gegenüber einem Access-Provider den Zugriff auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet zu sperren, wohl rechtswidrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Antrag ist zulässig. Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Glücksspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 GlüStV haben nach Art. 10 Satz 2 Halbs. 2 AGGlüStV i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV keine aufschiebende Wirkung (BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 10 CS 13.2300 – juris-Leitsatz). Die Androhung eines Zwangsgeldes ist nach § 9 AGVwGO LSA ebenfalls kraft Gesetzes sofort vollziehbar.

2. Der Antrag ist auch begründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen. Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung; umgekehrt kommt dem öffentlichen Interesse am Vollzug regelmäßig der Vorrang zu, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist. Erscheinen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache hingegen als offen, ist eine von der Vorausbeurteilung der Hauptsache unabhängige Folgenabwägung vorzunehmen, wobei auch die gesetzgeberische Entscheidung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs mit zu berücksichtigen ist.

Die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens sind vorliegend als offen zu betrachten.

Die Antragsgegnerin stützt die in Nr. 1 und Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids getroffenen Anordnungen auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV. Nach dieser Vorschrift kann die Glücksspielaufsicht unbeschadet sonstiger in diesem Staatsvertrag und anderen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehener Maßnahmen insbesondere nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote Maßnahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes verantwortliche Diensteanbieter, insbesondere Zugangsvermittler und Registrare, ergreifen, sofern sich Maßnahmen gegenüber einem Veranstalter oder Vermittler dieses Glücksspiels als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweisen; diese Maßnahmen können auch erfolgen, wenn das unerlaubte Glücksspielangebot untrennbar mit weiteren Inhalten verbunden ist.

Die streitgegenständlichen zentralen rechtlichen Fragestellungen, nämlich ob die Antragstellerin als verantwortliche Diensteanbieterin im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 i.V.m. §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes anzusehen ist, die Inanspruchnahme der Antragstellerin mithin als Störerin oder lediglich als sog. Nichtstörerin erfolgen konnte, die Inanspruchnahme der Antragstellerin unter Berücksichtigung der berührten Grundrechte ferner verhältnismäßig und ermessensgerecht war, sind aufgrund ihrer Komplexität einer abschließenden Beantwortung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zugänglich.

Es ist in diesem Zusammenhang jedoch unter Bezugnahme auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Ermessensfehlerhaftigkeit einer Sperrungsanordnung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2008 (vgl. etwa VG Düsseldorf, U.v. 29.11.2011 – 27 K 5887/10 – juris Rn. 59 ff.) darauf hinzuweisen, dass begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Sperrverfügung bestehen.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der Grundrechtsintensivität der streitgegenständlichen Verfügung ergibt die vorzunehmende Interessenabwägung trotz der gesetzgeberischen Wertung der § 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV sowie § 9 AGVwGO LSA als auch des Umstands, dass es sich bei den angegriffenen behördlichen Verfügungen um solche der Gefahrenabwehr handelt, ein Überwiegen des Suspensivinteresses der Antragstellerin gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Der in der Hauptsache gebotene Streitwert in Höhe von 5.000,00 EUR war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Braunschweig: Spieler hat gegen Betreiber eines in Deutschland illegalen Online-Casinos aus Malta Anspruch auf Erstattung der verlorenen Einsätze

OLG Braunschweig
Urteil vom 23.02.2023
9 U 3/22


Das OLG Braunschweig hat entschieden, dass ein Spieler gegen den Betreiber eines in Deutschland illegalen Online-Casinos aus Malta einen Anspruch auf Erstattung seiner verlorenen Einsätze hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Online-Glücksspieler bekommt Geld zurück

Ein Spieler aus Braunschweig verlor in den Jahren 2018 und 2019 über 40.000 Euro bei Casino-Glücksspielen im Internet. Auf die Klage des Spielers verurteilte das Landgericht Braunschweig den in Malta ansässigen Veranstalter zur Erstattung des verlorenen Einsatzes.

Der Veranstalter ging dagegen in Berufung, die jedoch ohne Erfolg blieb. Das Oberlandesgericht Braunschweig wies nun mit Urteil vom 23. Februar 2023 (Az. 9 U 3/22) die Berufung zurück. Die Rückforderung sei berechtigt. In Niedersachsen war es nach damaliger Gesetzeslage verboten, Online-Glücksspiele anzubieten. Der Spielvertrag mit dem Kläger sei deshalb nichtig. Der Kläger könne demzufolge seinen Spielverlust erstattet verlangen.

Eine abweichende Bewertung ergebe sich auch nicht durch den bloßen Hinweis in der Werbung oder auf der Homepage des Veranstalters, dass sich das Spielangebot nur an Einwohner Schleswig-Holsteins richte. Denn daraus folge nicht zwingend, dass die Glücksspielteilnahme für Teilnehmende anderer Bundesländer verboten sei. Im Übrigen habe der beklagte Veranstalter auch nicht bewiesen, dass der in Braunschweig wohnende Kläger anderweitig von diesem Verbot Kenntnis erlangt habe. Als Beweis genüge es nicht, lediglich allgemein auf Berichte in den Medien zu verweisen, da der Kläger diese nicht zwangsläufig wahrgenommen habe und auch dazu nicht verpflichtet gewesen sei.

Das Berufungsurteil ist nicht rechtskräftig. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat wegen der Bedeutung für zahlreiche ähnliche Verfahren in Deutschland die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.



OVG Rheinland-Pfalz: Anordnung der Gemeinsamen Glücksspielbehörde gegenüber Access-Provider Zugriff auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet zu sperren rechtswidrig

OVG Rheinland-Pfalz
Beschluss vom 31.01.2023
6 B 11175/22.OVG


Das OVG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die Anordnung der Gemeinsamen Glücksspielbehörde gegenüber einem Access-Provider, den Zugriff auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet zu sperren, mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig ist.

Die Pressemitteilung
Sperrungsanordnung für unerlaubte Glücksspielangebote im Internet gegenüber Zugangsvermittler rechtswidrig

Für die von der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder gegenüber einem Zugangsvermittler (Access-Provider) angeordnete Sperrung von Internetseiten eines ausländischen Glücksspielanbieters besteht keine Rechtsgrundlage. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem Eilverfahren.

Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder in Halle (Saale) ist bundes­länderübergreifend verantwortlich für die Bekämpfung von illegalem Glücksspiel im Internet und der Werbung dafür. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2022 ordnete die Behörde gegenüber der Antragstellerin – einer Anbieterin von Telekommunikations­diensten mit Sitz in Rheinland-Pfalz – u.a. an, bestimmte Internetseiten (Domains) mit Glücksspielangeboten von zwei Lotterieunternehmen mit Sitz in der Republik Malta im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler zu sperren, so dass ein Zugriff über die von der Antragstellerin in Deutschland zur Verfügung gestellten Zugänge zum Internet nicht mehr möglich sei. Die Antragstellerin erhob dagegen Klage und suchte zugleich um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach. Das Verwaltungs­gericht Koblenz lehnte ihren Eilantrag ab. Auf die hiergegen eingelegten Beschwerden der Antragstellerin und der beigeladenen Glücksspielanbieter änderte das Oberverwal­tungsgericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ab und ordnete die aufschie­bende Wirkung der Klage gegen die angefochtene Sperrungsanordnung an.

Die gegenüber der Antragstellerin getroffene Sperrungsanordnung sei offensichtlich rechtswidrig. Sie könne nicht auf die Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrages 2021 – GlüStV 2021 – gestützt werden. Nach dieser Bestimmung könne die Antragsgegnerin als Glücks­spielaufsicht nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspiel­angebote Maß­nahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen im Sinne der §§ 8 bis 10 des Tele­mediengesetzes – TMG – verantwortliche Diensteanbieter, insbesondere Zugangs­vermittler und Registrare, ergreifen, sofern sich Maßnahmen gegenüber einem Ver­anstalter oder Vermittler dieses Glücksspiels als nicht durchführbar oder nicht erfolg­versprechend erwiesen. Diese Voraussetzungen seien aber nicht erfüllt. Bei der Antragstellerin handele es sich bereits nicht um einen im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortlichen Diensteanbieter, so dass es keiner Entscheidung bedürfe, ob die wei­teren Voraussetzungen der Regelung für ein Einschreiten gegen die Antragstellerin gegeben seien. Das Gericht teile nicht die Auffassung der Antragsgegnerin, dass sich die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 aus dieser Norm selbst bestimme, ohne dabei auf eine Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz abzustellen. Der Wortlaut der Vorschrift lasse diese Auslegung nicht zu. Ein derartiges Normverständnis werde auch nicht durch die Entstehungsgeschichte oder den Sinn und Zweck der Regelung getragen. Die Antragstellerin sei nach Maßgabe des dargelegten Verständnisses des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 kein im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortlicher Diensteanbieter. Nach der für die Antragstellerin als Zugangsvermittler maßgeblichen Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG seien Dienste­anbieter für fremde Informationen, zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermittelten, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst (Nr. 1), den Adressaten der übermittelten Information nicht ausgewählt (Nr. 2) und die übermittelten Informatio­nen nicht ausgewählt oder verändert hätten (Nr. 3). Die Antragstellerin erfülle diese Haf­tungsausschlussvoraussetzungen. Weder veranlasse sie die Übermittlung der Glücks­spielinhalte noch wähle sie diese oder den Adressaten aus. Die Haftungsprivilegierung finde zwar nach § 8 Abs. 1 Satz 3 TMG keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeite, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Ein solcher Fall scheide hier jedoch offenkundig aus.

Die angegriffene Sperrungsanordnung könne auch nicht auf die Auffangermächtigung des § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 gestützt werden, wonach die für alle Länder oder in dem jeweiligen Land zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen könne. Einer Anwendung dieser allgemeinen Auffangermächtigung stehe insoweit die spezialgesetzliche Sonderregelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 entgegen, die eine abschließende Regelung für das Ergreifen von Maßnahmen zur Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote gegen Diensteanbieter enthalte.

Beschluss vom 31. Januar 2023, Aktenzeichen: 6 B 11175/22.OVG



LG Bielefeld: Teilnehmer an illegalem Online-Glücksspiel hat Anspruch gegen Online-Glücksspielbetreiber auf Rückzahlung der Einsätze aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB

LG Bielefeld
Urteil vom 21.11.2022
8 O 386/21


Das LG Bielefeld hat entschieden, dass der Teilnehmer an einem illegalen Online-Glücksspiel einen Anspruch gegen den Online-Glücksspielbetreiber auf Rückzahlung der Einsätze aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB hat.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Anwendbarkeit deutschen Rechts ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 der Rom I-VO. Danach ist bei Verträgen mit Verbrauchern – wie hier – das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies betrifft auch die Beurteilung der Wirksamkeit des Vertrags sowie etwaige Folgen der Nichtigkeit des Vertrags, vgl. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a, e Rom I-VO, einschließlich der bereicherungsrechtlichen Folgen, vgl. Art. 10 Abs. 1I Rom II-VO (OLG Frankfurt Beschl. v. 08.04.2022, 23 U 55/21).

2. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 15.176,00 € gegen die Beklagte.

Dieser ergibt sich aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB.

a) Unstreitig hat die Beklagte im Zeitraum von 24.09.2019 bis 08.04.2021 aufgrund von Einzahlungen des Klägers – unter Berücksichtigung von entsprechenden Auszahlungen - einen Betrag von 15.176,00 € als Vermögensvorteil erlangt. Diesem Vorbringen des Klägers ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

b) Die Leistung erfolgte allerdings ohne Rechtsgrund, da die Spielverträge wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und gemäß § 134 BGB nichtig sind.

Nach vorstehender Norm ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Gegen dieses Verbot hat die Beklagte verstoßen, indem sie ihre Online-Glücksspiele auch Spielteilnehmern in Nordrhein-Westfalen zugänglich gemacht hat. Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. steht in Einklang mit Unionsrecht (BGH Urt. v. 28.09.2011, I ZR 92/09; BVerwG Urt. v. 26.10.2017, BVerwGE 160, 193). Der EuGH hat entschieden, dass die unionsrechtliche Kohärenzprüfung beschränkender Maßnahmen im Glücksspielsektor im Einzelfall Sache der nationalen Gerichte ist (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010, C-46/08, NVwZ 2010, 1422). Zwar besteht nach der Neuregelung des GlüStV 2021 die Möglichkeit der Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet, § 4 Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2021. Dass die Beklagte eine derartige Erlaubnis für den Betrieb von Online-Casinos erteilt worden ist, trägt sie jedoch nicht vor. Ohne entsprechende Erlaubnis sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet weiterhin verboten, § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021. Im Übrigen ist für die Frage der Nichtigkeit eines Vertrages gem. § 134 BGB auf den hier maßgeblichen Zeitraum 2019-2021 abzustellen, da sich die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes grundsätzlich nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht richtet (BGH Urt. v. 23.02.2012, I ZR 231/10). Im Fall der nachträglichen Aufhebung eines Verbotsgesetzes ist anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das zuvor unter Verstoß gegen das aufgehobene Gesetz abgeschlossen wurde, hiervon grundsätzlich unberührt bleibt (BGH Urt. v. 03.07.2008, III ZR 260/07).

c) Auch steht § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB dem nicht entgegen. Dieser setzt einen grundsätzlich wirksamen Vertrag voraus, der nur gem. § 762 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Verbindlichkeit begründet. Bei anderweitig begründeter Unwirksamkeit des Spiel- oder Wettvertrags, insbesondere bei Nichtigkeit gemäß § 134 BGB, bestimmt sich die Rückerstattung geleisteter Einsätze nach den allgemeinen Regeln des Bereicherungs- und Deliktsrechts (Habersack in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 762 Rn. 24).

d) Dem Rückzahlungsanspruch steht auch keine Kondiktionssperre nach § 817 S. 2 BGB entgegen. Gem. § 817 S. 2 BGB ist eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetzes- oder Sittenverstoß zur Last fällt.

Neben den objektiven müssen die subjektiven Voraussetzungen erfüllt sein. Der Leistende muss sich zumindest leichtfertig dem Gesetzes- oder Sittenverstoß verschlossen haben (vgl. BGH Urt. v. 22.04.1997, XI ZR 191/96). Für die Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB sind die bereicherten Beklagten darlegungs- und beweisbelastet (vgl. Sprau in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, 817 Rn. 8; OLG Hamm, Beschl. v. 12.11.2021,12 W 13/21).

Diese ist jedoch beweisfällig geblieben. Der Beklagten ist es nicht gelungen, das Gericht davon zu überzeugen, dass dem Kläger bewusst war, dass er an einem illegalen Glücksspiel teilnimmt und mithin wusste, selbst strafbare Handlungen zu begehen.

aa) Der Kläger hat hierzu im Rahmen seiner persönlichen Anhörung angegeben, er habe nie daran gedacht, dass seine Teilnahme an Online-Glücksspielen strafbar sein könnte. Die Internetpräsenz der Beklagten hätte für ihn den Eindruck erweckt, als handele es sich um ein völlig legales Angebot. Es habe sich schließlich um eine deutsche Website gehandelt, auf der er sich mit seinem Personalausweis verifizieren musste. Zudem seien die Einzahlungen von seinem deutschen Bankkonto abgebucht worden, ohne dass seine Bank etwas dagegen eingewendet habe. Er sei das erste Mal im Sommer 2021 durch eine Werbeanzeige darauf aufmerksam geworden, dass es sich um ein illegales Glücksspielangebot handeln könnte.

bb) Die Angaben des Klägers waren nachvollziehbar und plausibel, Zweifel an der Richtigkeit haben sich nicht ergeben. Hiernach ergab sich auch kein Anhaltspunkt dafür, der Kläger habe sich der Einsicht in die Strafbarkeit seines Handelns leichtfertig verschlossen.

cc) Die Beklagte hat ihrerseits auch keinen Beweis für Vorsatz oder Leichtfertigkeit angetreten.

Die erforderliche Kenntnis des Klägers ergibt sich nicht bereits aus dem Umstand, dass es im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Spieleinsätze bereits Medienberichte zur Frage der Legalität sowie erste Urteile über Rückerstattungen aus illegalem Online-Glücksspiel gegeben hat. Denn allein das Vorhandensein dieser Berichterstattung lässt nicht den zwingenden Schluss zu, dass der Kläger die Berichte und Informationen auch inhaltlich wahrgenommen hat.

Auch aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergibt sich die erforderliche Kenntnis des Klägers nicht. Es entspricht bereits der Lebenserfahrung, dass Verbraucher Allgemeine Geschäftsbedingungen im Internet regelmäßig nicht positiv zur Kenntnis nehmen. Letztlich kann dies dahinstehen. Denn auch aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt sich nicht hinreichend eindeutig, dass die Teilnahme an den angebotenen Glücksspielen am Wohnort des Klägers gesetzlich verboten war. Vielmehr folgt hieraus lediglich, dass der Kläger hierzu eigene Nachforschungen anzustellen habe. Die vom BGH (BGH Urt. v. 26.01.2006, IX ZR 225/04) geforderte Eindeutigkeit des gesetzlichen Verbots folgt hieraus jedenfalls nicht.

dd) Im Übrigen kann dahin stehen, ob der Kläger sich der Erkenntnis, dass er an einem illegalen Glücksspiel teilnimmt, leichtfertig verschlossen hat.

Denn eine Anwendbarkeit des § 817 Abs. 2 BGB ist - selbst das Vorliegen seiner Voraussetzungen unterstellt - aufgrund einer gebotenen teleologischen Reduktion ausgeschlossen (so auch LG Paderborn, Urteil vom 08.07.2021, 4 O 323/20; LG Gießen, Urteil vom 25.02.2021, 4 O 84/20; LG Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, 2 O 616/20; LG Aachen, Urteil vom 28.10.2021, 12 O 510/20).

Sinn und Zweck des § 817 S. 2 BGB ist es, dass derjenige, der sich selbst außerhalb der Rechtsordnung bewegt, hierfür keinen Schutz erhalten soll. Dieser Schutzzweck kann im Einzelfall mit den Steuerungszielen kollidieren, die das gesetzliche Verbot verfolgt (Schwab in: MüKo, BGB, 8. Aufl. 2020, § 817 Rn. 22). Ziel des Glücksspielstaatsvertrags und konkret des § 4 Abs. 4 GlüStV ist der Schutz des Spielers vor suchtfördernden, ruinösen oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glücksspiels (vgl. LG Aachen, a.a.O.). Die Gefährdung des Spielers besteht fort, solange diese Angebote für ihn verfügbar sind. Ein Ausschluss der Rückforderung, wie ihn § 817 S.2 BGB eigentlich vorschreibt, würde die Anbieter von Online-Glücksspielen zum Weitermachen geradezu ermutigen, denn sie könnten die erlangten Gelder - ungeachtet der zum streitgegenständlichen Zeitpunkt herrschenden Illegalität ihres Geschäftsmodells und somit der Nichtigkeit des Vertrages – behalten.

Aus diesem Gesichtspunkt ist auch eine Rückforderung nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Köln: Teilnehmer an illegalem Online-Glücksspiel hat Anspruch gegen Online-Glücksspielbetreiber auf Rückzahlung der Einsätze

OLG Köln
Urteil vom 31.10.2022
19 U 51/22


Das OLG Köln hat entschieden, dass der Teilnehmer an einem illegalen Online-Glücksspiel einen Anspruch gegen den Online-Glücksspielbetreiber auf Rückzahlung der Einsätze hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Teilnahme an Online-Glücksspielen - Rückzahlungsanspruch eines Spielers

Der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat über das Bestehen eines Rückzahlungsanspruchs im Kontext der Teilnahme an Online-Glücksspielen entschieden.

Der Kläger nahm auf der von der Beklagten - von ihrem Sitz im europäischen Ausland aus - betriebenen Website an Online-Glücksspielen, hier in Form von "Poker" und "Black Jack", teil. Seine auf die Rückzahlung seiner Spieleinsätze gerichtete Klage hat das erstinstanzlich zuständige Landgericht abgewiesen.

Auf die dagegen gerichtete Berufung hat der Senat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Die keinen Zulässigkeitsbedenken begegnende Klage sei begründet. Die Anwendung deutschen Rechts folge aus Art. 6 Abs. 1 lit b) Rom-I-VO. Nach Maßgabe dessen könne der Kläger Rückzahlung seiner Spieleinsätze nach der bereicherungsrechtlichen Vorschrift des § 812 Abs. 1, S. 1, 1. Alt. BGB verlangen. Der zwischen den Parteien geschlossene Spielvertrag sei gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 von Anfang an nichtig gewesen. Nach dieser Vorschrift sei im maßgeblichen Zeitraum das Veranstalten von Glücksspielen im Internet verboten gewesen. Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 sei im fraglichen Zeitraum wirksam und auch materiell mit dem Unionsrecht vereinbar gewesen. Der Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 134 BGB stehe auch nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlüStV nur an die Beklagte, nicht jedoch an den Kläger richte; zwar sei in dem Falle, dass das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner treffe, regelmäßig nicht von der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts auszugehen. Dies sei hier aber anders zu beurteilen, da es dem Sinn und Zweck, insbesondere der Bekämpfung der Spielsucht und dem Jugendschutz, zuwiderlaufe, geschlossene Verträge über Online-Glücksspiele trotz des Verbots als wirksam anzusehen.

Die Rückforderung scheide auch nicht wegen Eingreifens einer Ausschlussnorm aus. § 762 Abs. 1 S. 2 BGB setze eine hier nicht gegebene Wirksamkeit des Spiel- und Wettvertrages voraus. Im Rahmen der Ausschlussnorm des § 817 S. 2 BGB sei zu berücksichtigten, dass die deutschsprachige Internetseite sowie der deutschsprachige Kundenservice der Beklagten dem Grunde nach durchaus geeignet seien, den Anschein von Legalität vermitteln. Auch im Lichte der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergebe sich keine andere Beurteilung; die vollständige Erfassung oder sogar inhaltliche Auseinandersetzung des Verbrauchers damit könne nicht erwartet werden, namentlich dann nicht, wenn diese lediglich elektronisch abrufbar und von gewissem Umfang seien.

Selbst wenn man annehmen wolle, die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB erfasse auch leichtfertiges Handeln, ergebe sich kein anderes Ergebnis, denn ein derartiges Handeln des Klägers sei nicht anzunehmen. Insbesondere könne der Inhalt von § 4 GlüStV 2012, zumal bei einem juristischen Laien, nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden. Eine allgemeine Bekanntheit lasse sich auch nicht allein aus Beiträgen in der Presseberichterstattung ableiten; es sei kein solches Ausmaß erreicht, dass eine Kenntnisnahme bei durchschnittlichem Medienkonsum nach der Lebenserfahrung angenommen werden könne. Soweit die Werbung für Online-Glücksspiele im Übrigen einen textlich dargestellten und/oder schnell gesprochenen Hinweis dahingehend beinhalte, das Angebot richte sich nur an Spieler in Schleswig-Holstein, führe auch dies zu keiner anderen Beurteilung. Eine allgemeine Bekanntheit des generellen Verbots von Online-Glücksspielen außerhalb dieses Bundeslandes in Deutschland lasse sich daraus nicht herleiten. Jedenfalls bedürfe es einer einschränkenden Auslegung des § 817 S. 2 BGB; es dürfe nicht außer Betracht bleiben, welchen Zweck das in Frage stehende Verbotsgesetz verfolge. Der Anspruch des Klägers sei im Übrigen auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit ausgeschlossen.

Der Anspruch des Klägers ergebe sich zudem aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1, 4 GlüStV, § 284 StGB. Beide letztgenannten Vorschriften seien Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB und die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt.

Der Anspruch des Klägers sei auch nicht gemäß § 254 BGB aufgrund eines überwiegenden Mitverschuldens ausgeschlossen oder beschränkt; denn ein Verschulden des Klägers in eigenen Angelegenheiten durch die freiwillige Hingabe des Geldes zu Zwecken des Online-Glücksspiels anzunehmen, liefe Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 GlüStV zuwider und konterkariere auch dessen Charakter als Schutzgesetz.

Die Ansprüche des Klägers seien schließlich auch nicht verjährt, §§ 195, 199 BGB. Der Kläger habe schlüssig und seitens der Beklagten nicht erheblich bestritten dargetan, dass er erst im Jahr 2021 aufgrund entsprechender Berichterstattung in den Nachrichten von der möglichen Unwirksamkeit der mit der Beklagten geschlossenen Verträge erfahren habe. Die Verjährungsfrist habe somit erst mit Ende des Jahres 2021 zu laufen begonnen.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen.



OLG Köln: Teilnehmer an illegalem Online-Glücksspiel hat keinen Anspruch gegen Zahlungsdienstleister auf Rückzahlung der Einsätze

OLG Köln
Urteil vom 23.06.2022
18 U 8/21


Das OLG Köln hat entschieden, dass der Teilnehmer an einem illegalen Online-Glücksspiel keinen Anspruch gegen den Zahlungsdienstleister auf Rückzahlung der Einsätze hat.

Auis den Entscheidungsgründen:
aaa) Ein auf Erstattung von Zahlungsbeträgen gerichteter Anspruch des Klägers aus § 675c Abs. 2, § 675 Abs. 2 Satz 1, § 675u Satz 2 BGB ist nicht gegeben. Ein solcher Anspruch setzt einen nicht autorisierten Zahlungsvorgang voraus, was im vorliegenden Fall aufgrund der durch den Kläger erteilten Autorisierungen nur angenommen werden könnte, wenn die Autorisierungen nichtig wären.

bbb) Dies ist hier nicht der Fall, denn die Autorisierungen sind, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, nicht nach § 134 BGB nichtig.

(1) Soweit das Landgericht eine Nichtigkeit nach § 134 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 4 GlüStV 2011 verneint hat, wird auf die keiner Ergänzung bedürfenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen, denen die Berufung auch nicht entgegen tritt.

(2) Die Autorisierungen sind auch nicht nach § 134 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 nichtig. Dabei kann dahin stehen, ob die Autorisierung des (spielenden) Kunden als dessen einseitige Willenserklärung überhaupt als Mitwirkungshandlung der Beklagten im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 in Betracht kommt (zweifelnd Hendricks/Lüder, ZfGW 2020, 216, 221). Denn ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 würde die Wirksamkeit der Autorisierung nicht berühren.

(a) Teilweise wird die auf einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStv 2011 gestützte Nichtigkeit der Autorisierung für möglich erachtet, jedoch unter Hinweis auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2011 vom Einschreiten der Glücksspielaufsichtsbehörde abhängig gemacht; habe diese ein Verbot der Mitwirkung angeordnet, solle die Autorisierung nach § 134 BGB nichtig sein (vgl. OLG München, Beschluss vom 6. Februar 2019 - 19 U 793/18, WM 2019, 1301, 1303 f.; LG Düsseldorf, Urteil vom 10. Oktober 2019 - 8 O 398/18, BeckRS 2019, 24433 Rn. 21; LG Hamburg, Urteil vom 3. Januar 2020 - 330 O 111/19, BeckRS 2020, 1847 Rn. 11; ebenso Armbrüster, in: MünchKommBGB, 9. Aufl., § 134 Rn. 175).

Ergänzend wird darauf abgestellt, dass der in § 1 GlüStV 2011 niedergelegte Schutzzweck konterkariert würde, nähme man eine Nichtigkeit der Zahlungsvorgänge an, denn die Möglichkeit der Schadlosstellung beim Zahlungsdienstleister begründete - einem "Freibrief" gleichkommend - für Spieler den Anreiz, ohne eigenes Verlustrisiko an illegalen Glücksspielen teilzunehmen (OLG München, Beschluss vom 6. Februar 2019 - 19 U 793/18, WM 2019, 1301, 1304; LG Düsseldorf a.a.O. Rn. 24; LG Hamburg a.a.O.; Armbrüster, in: MünchKommBGB, 9. Aufl., § 134 Rn. 175; ebenso Vossler, in BeckGOK-BGB, Stand: 1. Juni 2021, § 134 Rn. 219 aE).

(b) Andere wiederum vertreten den Standpunkt, dass Autorisierungen stets wirksam seien, auch wenn die zu autorisierende Zahlung gegen ein gesetzliches Verbot verstoße (Schmalenbach, in: BeckOK-BGB, Stand: 62. Edition [1. Mai 2022], § 675j Rn. 6; Vossler, in BeckGOK-BGB, Stand: 1. September 2020, § 134 Rn. 219).

Dies wird zum einen damit begründet, dass das in § 675o Abs. 2 BGB geregelte Recht des Zahlungsdienstleisters, die Ausführung eines gegen sonstige Rechtsvorschriften verstoßenden autorisierten Zahlungsvorgangs abzulehnen, funktionslos sei, wenn der Rechtsverstoß bereits zur Unwirksamkeit der Autorisierung führe (Schmalenbach a.a.O.). Des Weiteren wird aus der Gesetzessystematik ein Gebot abgeleitet, die Autorisierung als solche wertneutral zu behandeln und die Zulässigkeit der Zahlung ex post aus der Sicht des Zahlungsdienstleisters zu beurteilen, wofür auch die Haftungsfreistellung in § 676c Nr. 2 BGB spreche (Schmalenbach a.a.O.).

(c) Der Senat tritt im Ergebnis dem letztgenannten Standpunkt bei, demzufolge Autorisierungen auch wirksam sind, wenn die zu autorisierende Zahlung gegen das Mitwirkungsverbot nach § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 verstößt. Denn § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 ist kein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB (vgl. Landgericht Berlin, Urteil vom 7. Oktober 2021 - 10 S 5/19, Anlage B 37 - Bl. 203 ff. [210 ff.] eA m.w.N.; Armbrüster, in: MünchKommBGB, 9. Aufl., § 134 Rn. 175; Vossler, in: BeckOGK-BGB, Stand: 1. September 2020, § 134 Rn. 219; in diesem Sinne auch Heintz/Scholer, VuR 2020, 323, 328 und [zu § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021]; Findeisen, WM 2021, 2128, 2135; a.A. obiter dicta wohl LG Ulm, Urteil vom 16. Dezember 2019 - 4 O 202/18, WM 2020, 742, 745, das im Rahmen der Prüfung des § 823 Abs. 2 BGB unter anderem den Charakter des § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 als "Verbotsgesetz" diskutiert und bejaht).

(aa) § 134 BGB, demzufolge ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig ist, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, findet auch auf die Autorisierung im Sinne des § 675j Abs. 1 BGB Anwendung. Zwar handelt es sich hierbei um eine einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Zahlungsdienstnutzers (vgl. Jungmann, in: MünchKommBGB, 8. Aufl., § 675j Rn. 12; Sprau, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 675j Rn. 3). Doch ist dies unschädlich. Denn als Rechtsgeschäft im Sinne des § 134 BGB sind auch einseitige Rechtsgeschäfte wie etwa Gestaltungserklärungen und Kündigungen erfasst (vgl. nur BGH, Urteil vom 18. Februar 2020 - KZR 7/17, NJW-RR 2020, 546 Rn. 18; Armbrüster, in: MünchKommBGB, 9. Aufl., § 134 Rn. 34).

(bb) Jedoch handelt es sich bei § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 nicht um ein Verbotsgesetz, dessen Verletzung die Wirksamkeit der Autorisierung berührt.

(aaa) Dabei ist im Ausgangspunkt allerdings davon auszugehen, dass § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 eindeutig ("... sind verboten") ein Verbot ausspricht. Dieses Verbot besteht unabhängig von einer gegenüber den Normadressaten des § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 erfolgen Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote durch die Glücksspielaufsichtsbehörde; die Bekanntgabe nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2011 setzt ein Mitwirkungsverbot voraus und bedingt nicht erst ein solches.

(bbb) Darüber hinaus steht außer Zweifel, dass die Unterbindung von Transaktionen dem mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Zweck, illegales Glücksspiel zu unterbinden, Rechnung trägt. Denn ein für Zahlungsdienstleister bestehendes Regressrisiko kann diese zum Rückzug aus dem Glücksspielsegment veranlassen, wodurch Glücksspieleanbietern das Angebot (unerlaubter) Glücksspiele und Spielern das Erlangen von Spielguthaben erschwert würde (vgl. Hendricks/Lüder, ZfGW 2020, 216, 220; ebenso LG Ulm, Urteil vom 16. Dezember 2019 - 4 O 202/18, WM 2020, 742, 745). Das demgegenüber vereinzelt vorgebrachte "Freibrief"-Argument (vgl. dazu oben unter [2] [a]) ist durchaus vertretbar, jedoch schon deswegen nicht überzeugend, weil die Spieler sich des Zahlungsdienstleisters überhaupt nicht bedienen könnten, wenn diese das Mitwirkungsverbot, was ihnen ohne Weiteres möglich ist, beachten würden.

(ccc) Allerdings bedingt eine systematischhistorische Betrachtung der Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages 2011 die Notwendigkeit, bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2011 einzubeziehen (zutreffend Hendricks/Lüder, ZfGW 2020, 216, 220; vgl. auch Haertlein, in: BeckOGK-BGB, Stand: 1. April 2022, § 762 Rn. 149; Neuhof, WuB 2020, 332, 335 f.). Dies ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien, in denen der innere Zusammenhang zwischen den beiden vorgenannten Regelungen hervorgehoben wird (vgl. nur LT BW-Drucks. 15/1570 S. 17, 32). Den Gesetzesmaterialien lässt sich des Weiteren entnehmen, dass nur eine subsidiäre Inanspruchnahme der Zahlungsdienstleister nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2011 ermöglicht werden sollte, denn diese setzte neben der vorherigen Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote eine erfolglos gebliebene Inanspruchnahme des vom Online-Glücksspielverbot in § 4 Abs. 4 GlüStV adressierten Veranstalters bzw. Vermittlers voraus (vgl. etwa LT BW-Drucks. 15/1570 S. 32). Dem durch den Kläger in diesem Zusammenhang (ab Bl. 111 eA) eingenommenen Standpunkt, ein Rückgriff auf die Gesetzesmaterialien sei ausgeschlossen (ebenso LG Ulm, Urteil vom 16. Dezember 2019 - 4 O 202/18, WM 2020, 742, 746), vermag der Senat nicht beizutreten. Der Rückgriff auf die Gesetzgebungsmaterialien ist allgemein anerkannt; es fügt sich, dass auch das Bundesverfassungsgericht in seinem "Spielhallenbeschluss" auf die Erläuterungen zum Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag zurückgegriffen hat (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 7. März 2007 - 1 BvR 1314/12 u.a., BVerfGE 145, 20 Rn. 133; vgl. auch Hendricks/Lüder a.a.O.).

Sieht man § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 und § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2011 im Zusammenhang, ergibt sich, dass § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 lediglich die gesetzliche Grundlage dafür schafft, dass die Glücksspielaufsicht die Mitwirkung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2011 untersagt und so das Verbot aus § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 konkretisiert. Zweck dieser Verknüpfung ist es ersichtlich, auf diesem mittelbaren Weg die Glücksspielveranstalter zu treffen, die ihren Sitz regelmäßig im Ausland haben und deshalb für deutsche Verwaltungsbehörden nicht erreichbar sind (vgl. Findeisen, WM 2021, 2128, 2129).

Vor diesem Hintergrund erweist sich auch der vereinzelt geäußerte Einwand, bei einem solchen Verständnis sei § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 funktionslos (LG Ulm, Urteil vom 16. Dezember 2019 - 4 O 202/18, WM 2020, 742, 745), als unbegründet. Im Gegenteil ermöglicht erst das in § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 statuierte öffentlichrechtliche Mitwirkungsverbot eine auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2011 gestützte Inanspruchnahme von Zahlungsdienstleistern als Störer (wie hier Heintz/Scholer, VuR 2020, 323, 328; Hendricks/Lüders, ZfGW 2020, 216, 220, dort auch mit Hinweis auf die Rechtslage unter der Ägide des Glücksspielstaatsvertrages vom 30. Januar 2007, der wegen des Fehlens einer entsprechenden Verbotsnorm nur eine beschränkte Inanspruchnahme als Nichtstörer ermöglichte).

Mit Blick auf den öffentlichrechtlichen Charakter des Mitwirkungsverbots nach § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV, die nur subsdiär ausgestaltete Inanspruchnahme des gegen das Mitwirkungsverbot verstoßenden Zahlungsdienstleisters und die einseitige Ausgestaltung des Mitwirkungsverbots, die regelmäßig gegen eine Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB spricht (vgl. Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 134 Rn. 9; Vossler, in: BeckGOK-BGB, Stand: 1. Juni 2022, § 134 Rn. 56; jeweils m.w.N.), geht der Senat davon aus, dass auch ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 die zivilrechtliche Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts - hier einer Autorisierung des Zahlers - unberührt lässt (in diesem Sinne auch Findeisen, WM 2021, 2128, 2135 [zu § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021]).

bbb) Auch ein Anspruch des Klägers aus § 675c Abs. 2, § 675f Abs. 1, § 280 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben.

(1) (a) Die Beklagte hat mit dem (autorisierten) Transfer der Beträge als E-Geld von dem B-Konto des Klägers auf das B-Konto des Glücksspieleanbieters keine ihr gegenüber dem Kläger bestehende (neben)vertragliche Pflicht verletzt. Sie war vielmehr nach § 675o Abs. 2 BGB zur Ausführung der ihr erteilten Zahlungsaufträge verpflichtet und zu einer Ablehnung unter anderem nur berechtigt, wenn die Ausführung des Zahlungsauftrages nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt. Dabei ist anerkannt, dass sich ein Zahlungsdienstleister in der Regel auf eine rein formale Prüfung darauf, ob der ihm erteilte Auftrag seinem äußeren Erscheinungsbild nach in Ordnung ist, beschränken darf (vgl. Sprau, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 675o Rn. 2/3, § 675f Rn. 8 m.w.N.). Da Zahlungsdienstleister bei der Abwicklung des Überweisungsverkehrs zum Zweck eines technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Zahlungsverkehrs tätig werden, können sie sich wegen dieses beschränkten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge regelmäßig nicht um die Interessen der am Zahlungsverkehr beteiligten Personen kümmern und müssen sie sich nach dem sog. Grundsatz der Auftragsstrenge (Sprau a.a.O.) innerhalb der ihnen erteilten Aufträge halten (vgl. BGH, Urteile vom 6. Mai 2008 - XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 Rn. 14; vom 22. Juni 2004 - XI ZR 90/03, WM 2004, 1625, 1626; und vom 22. Juni 2010 - VI ZR 212/09, WM 2010, 1393 Rn. 18).

Zwar ist anerkannt, dass Warn- und Hinweispflichten der Zahlungsdienstleister bestehen können, wenn sie von einem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Kontoinhabers Kenntnis haben (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2008 - XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 Rn. 14) oder wenn sie aufgrund massiver Anhaltspunkte den Verdacht hegen, dass ein Kunde bei der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch eine Straftat einen anderen schädigt (vgl. BGH a.a.O. Rn. 15). Hieraus erwachsen jedoch keine generellen Prüfungs- und Überwachungspflichten der Zahlungsdienstleister. Vielmehr sind die Warn- und Hinweispflichten auf die Ausnahmefälle beschränkt, dass Treu und Glauben es nach den Umständen des Einzelfalls gebieten, den Auftrag nicht ohne vorherige Rückfrage beim Auftraggeber auszuführen, um diesen vor einem möglicherweise drohenden Schaden zu bewahren (BGH, Urteil vom 22. Juni 2004 - XI ZR 90/03, WM 2004, 1625, 1626). Um die Zahlungsdienstleister nicht übermäßig zu belasten und um den bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht übermäßig zu erschweren, beschränken sich die Warn- und Hinweispflichten auf objektive Evidenz aufgrund massiver Verdachtsmomente; zusätzliche Prüfungspflichten sollen gerade nicht begründet werden (vgl. BGH, Urteile vom 6. Mai 2008 - XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 Rn. 16 und vom 22. Juni 2010 - VI ZR 212/09, WM 2010, 1393 Rn. 18).

(b) Nach Maßgabe der auch auf den vorliegenden Fall anwendbaren Maßstäbe sind hier Umstände, die geeignet wären, ausnahmsweise eine Warn- und Hinweispflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger zu begründen, nicht feststellbar.

(aa) Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, war in dem Zeitpunkt der Autorisierung der Zahlungsaufträge durch den Kläger für die Beklagte nicht erkennbar, ob die Beträge, deren Transfer an den Glückspieleanbieter zunächst nur der Aufladung des dort für den Kläger geführten Spielerkontos diente, in der Folgezeit für unerlaubte Glücksspiele eingesetzt würden. Denn der Glücksspieleanbieter verfügte über eine Genehmigung für die Veranstaltung und den Vertrieb von Online-Casinospielen nach dem Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels des Landes C (Anl. B 2).

(bb) Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung verfangen nicht.

Zutreffend ist allerdings im Ausgangspunkt der Hinweis der Berufung darauf, dass das von der Genehmigung erfasste Online-Casinospiel nach den landesrechtlichen Vorschriften nur für Spieler erlaubt war, die - anders als der Kläger - ihren Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in C haben.

Doch verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. Denn nach dem unbestritten gebliebenen Beklagtenvorbringen bot der Glücksspieleanbieter auch Sportwetten an, deren Veranstaltung und Vermittlung im Internet nach § 4 Abs. 5 GlüStV 2011 erlaubnisfähig waren und die jedenfalls als Folge einer Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Hessischer VGH, Beschluss vom 16. Oktober 2015 - 8 B 1028/15, NVwZ 2016, 171), in der das im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehene Konzessionssystem als im Widerspruch zum Grundgesetz stehend eingestuft wurde, und unter dem Eindruck der Ince-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 14. Februar 2016 - Rs. C-336/14, NVwZ 2016, 369) auch ohne Konzession bundesweit geduldet wurden (vgl. Bayerische LT-Drucks. 18/11128 S. 70 f.).

Soweit die Berufung unter Hinweis auf die als Anlage B 4 vorgelegte Ergänzungsvereinbarung zum "Payment Processing Agreement" einwendet, die Zahlungstransfers an den Glücksspieleanbieter seien zweckgebunden nur für Onlinecasino und Onlinepoker erfolgt, vermag sie damit nicht durchzudringen. Die Beklagte hat hierzu in erster Instanz in Erwiderung auf die mit Schriftsatz vom 2. November 2020 aufgestellte Behauptung des Klägers mit (nachgelassenem) Schriftsatz vom 25. November 2020 (auf GA 390 f.) unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Glücksspieleanbieter die Zahlungsdienste der Beklagten auch für die von ihm angebotenen Sportwetten habe in Anspruch nehmen können und dass dies der durch die Beklagte mit dem Glückspieleanbieter gelebten Vertragspraxis entsprochen habe. Diesem Vorbringen ist der für die Voraussetzungen einer Warn- und Hinweispflicht darlegungs- und beweisbelastete Kläger bis zuletzt nicht entgegen getreten, so dass es nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden und somit als unstreitig zugrunde zu legen ist. Vor diesem Hintergrund durfte die Beklagte auch von der Verwendung des transferierten Geldes für Sportwetten im Sinne des § 4 Abs. 5 GlüStV 2011 ausgehen, für die es auf den Wohnsitz bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt des Spielers im Zeitpunkt der Online-Spielteilnahme nicht ankam, weshalb es auf die damit zusammenhängenden Ausführungen der Berufung nicht ankommt und entgegen der von der Berufung (auf Bl. 101, 105 eA) vertretenen Annahme auch eine auf den Verdacht einer Straftat nach § 284 StGB gestützte Hinweispflicht der Beklagten nicht bestand.

(2) Auch sonst lässt sich eine Warn- und Hinweispflicht der Beklagten nicht begründen. Eine solche lässt sich insbesondere nicht aus einer (durch das "Payment Processing Agreement" vermittelten) bloßen Kenntnis der Beklagten von einer möglichen Teilnahme des Klägers an Glücksspielen (einschließlich Sportwetten) herleiten. Grundsätzlich hat aufgrund der im Zivilrecht herrschenden Privatautonomie jede Partei ihre Belange selbst wahrzunehmen.

(a) Zwar ist anerkannt, dass sich im Rahmen vertraglicher Beziehungen aus § 241 Abs. 2 BGB für eine Partei mit überlegener Sachkunde eine Warn- und Hinweispflicht zur Wahrung des Leistungs- oder Integritätsinteresses des Vertragspartners ergeben kann, wenn dieser mangels eigener Kenntnisse der Gefährdung seiner Belange nicht selbst in ausreichendem Maße entgegenwirken kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2012 - III ZR 190/11, WM 2012, 2296 Rn. 14 m.w.N.).

So liegt der Fall hier jedoch nicht, denn es fehlt an der für die Annahme einer solchen Warn- und Hinweispflicht erforderlichen Informationsasymmetrie. Der Kläger wusste um den Verwendungszweck der transferierten Gelder und um das Verlustrisiko, das jedem Glücksspiel inhärent ist (zutreffend Beyer, WuB 2020, 378, 381, 382; in diesem Sinn auch Findeisen, WM 2021, 2128, 2135; Hendricks/Lüder, ZfGW 2020, 216, 221). Dass er das Risiko des Verlustes seines Spieleinsatzes nicht gekannt habe, behauptet auch der Kläger nicht, sondern er bestreitet, dass er von der Illegalität des Glücksspiels Kenntnis gehabt habe. Damit zeigt er jedoch weder eine Informationsasymmetrie im vorbeschriebenen Sinne noch ein mit der Illegalität verbundenes spezifisches Risiko auf, das über die jedem Glücksspiel innewohnenden vermögensrechtlichen Risiken hinausgeht.

Es ist auch nicht ersichtlich, welchen Sinn ein Hinweis der Beklagten an den Kläger hätte haben sollen. Wäre für die Beklagte erkennbar gewesen, dass die angewiesenen Beträge (möglicherweise) der Teilnahme an einem verbotenen Glücksspiel dienen sollten, hätte sie den Kläger auch nur hierüber unterrichten können. Sie konnte aber ohne Weiteres davon ausgehen, dass dies dem Kläger bereits bekannt war, wusste er doch, welchem Zweck die angewiesenen Beträge zu dienen bestimmt waren. Eine entsprechende Information des Klägers hätte bei diesem also vorhersehbar nicht zu einem Erkenntnisgewinn geführt.

(b) Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob sich etwas anderes ergibt, wenn die Glückspieleaufsicht den Zahlungsdienstleister gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2011 unterrichtet hat (so Haertlein, in: BeckOGK-BGB, Stand: 1. April 2022, § 762 Rn. 149; ferner wohl Heintz/Scholer, VuR 2020, 323, 326 sub 1. aE). Denn vorliegend ist eine solche Unterrichtung weder dargetan noch ersichtlich.

ccc) Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 ist nicht gegeben. Die Beklagte hat mit der Ausführung der durch den Kläger autorisierten Zahlungen zur Aufladung seines bei dem Glücksspieleanbieter geführten Spielerkontos nicht gegen ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB verstoßen. Dabei kann dahin stehen, ob die Beklagte vorliegend gegen das in § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 statuierte Mitwirkungsverbot verstoßen hat. Denn § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 ist kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (vgl. OLG München, Beschluss vom 28. Februar 2020 - 8 U 5467/19, WM 2020, 736, 739; Landgericht Berlin, Urteil vom 7. Oktober 2021 - 10 S 5/19, Anlage B 37 - Bl. 203 ff. (218) eA; Beyer, WuB 2020, 378, 382; Haertlein, in: BeckOGK-BGB, Stand: 1. April 2022, § 762 Rn. 150; Heintz/Scholer, VuR 2020, 323, 326 f., die aber die Annahme einer individualschützenden Wirkung als "durchaus vertretbar" ansehen; Hendricks/Lüder, ZfGW 2020, 216, 221; a.A. LG Ulm, Urteil vom 16. Dezember 2019 - 4 O 202/18, WM 2020, 742, 744 ff., das allerdings seine Prüfung eines Schutzgesetzes mit der eines Verbotsgesetzes im Sinne von § 134 BGB vermengt).

(1) Als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB kommt jede Rechtsnorm gemäß Art. 2 EGBGB in Betracht, die (zumindest auch) dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Es kommt nicht auf die Wirkung, sondern auf den Inhalt und Zweck des Gesetzes, insbesondere darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat. Hierfür genügt, dass die Norm auch das Interesse der einzelnen schützen sollte, wenngleich sie in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge hat.

Ob Verbote, deren Einhaltung durch strafrechtliche Sanktionen mittelbar oder durch öffentlichrechtliche Maßnahmen unmittelbar erzwungen werden kann, nur die Interessen der Gesamtheit zu schützen bestimmt sind oder ob daneben jeder einzelne, dem die Vorschrift zugutekommt, in diesem ihn berührenden Bereich gegen die Übertretung des Verbots geschützt sein soll, ist mangels einer ausdrücklichen Erklärung aus dem Gesetz insgesamt zu erschließen. Der Schutz des Einzelnen bedeutet dabei, dass sein Interessenbereich nicht nur durch die Maßnahmen der Behörden nach Maßgabe ihrer - möglicherweise überprüfbaren - rechtlichen Beurteilung und ihres Ermessens geschützt sein soll, dass vielmehr dem Einzelnen selbst die Rechtsmacht in die Hand gegeben ist, diesen Kreis unmittelbar, nämlich mit Mitteln des Privatrechts gegen denjenigen zu schützen, der das Verbot übertritt und sein Rechtsinteresse beeinträchtigt. Ein Gebot oder Verbot ist auch nur dann als Schutzgesetz geeignet, wenn das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend klargestellt und bestimmt ist (BGH, Urteil vom 27. November 1963 - V ZR 201/61, BGHZ 40, 306, zitiert nach juris Rn. 1 f.).

(2) Nach dieser Maßgabe ist der Schutzgesetzcharakter des § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 zu verneinen.

(a) Der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 legt jedenfalls eine individualschützende Zielrichtung des Mitwirkungsverbots nicht nahe (ebenso Heintz/Scholer, VuR 2020, 323, 327).

Nichts anderes ergibt sich mit Blick auf § 1 Nr. 3 GlüStV 2011, der als eines der mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Ziele die Gewährleistung des Spielerschutzes nennt, auf den sich der Kläger stützt (ebenso LG Ulm, Urteil vom 16. Dezember 2019 - 4 O 202/18, WM 2020, 742, 744, 746). Maßgeblich ist nicht das Gesetz insgesamt, sondern die konkrete Einzelnorm, die der Prüfung auf eine etwaige individualschützende Ausrichtung unterliegt (vgl. Wagner, in: MünchKommBGB, 8. Aufl., § 823 Rn. 562). Im Übrigen muss dem in § 1 Nr. 3 GlüStV 2011 genannten "Spielerschutz" nicht zwingend individualschützende Bedeutung beigemessen werden, sondern er kann auch als Gemeinwohlzweck verstanden werden, wie dies die meisten der in § 1 GlüStV 2011 genannten Ziele nahe legen (vgl. Haertlein, in: BeckGOK-BGB, Stand: 1. April 2022, § 762 Rn. 150).

(b) Demgegenüber sprechen die Gesetzesmaterialien gegen eine individualschützende Ausrichtung des § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 (ebenso OLG München, Beschluss vom 28. Februar 2020 - 8 U 5467/19, WM 2020, 736, 739 f.; Heintz/Scholer, VuR 2020, 323, 327). Danach steht - wie bereits (oben unter bb bbb [2] [c] [bb] [ccc]) ausgeführt - die Norm des § 4 Abs. 1 GlüStV 2011 im Zusammenhang mit den in § 9 GlüStV 2011 geregelten Befugnissen der Glücksspielaufsicht zur Überwachung der durch den Glücksspielstaatsvertrag begründeten Verpflichtungen, die in § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2011 ausdrücklich als "öffentlichrechtlich" benannt werden (vgl. OLG München, Beschluss vom 28. Februar 2020 - 8 U 5467/19, WM 2020, 736, 739). Dies spricht dafür, das Mitwirkungsverbot in § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 als öffentlichrechtliche Verbotsnorm einzustufen, die das unerlaubte Glücksspiel im Interesse der Allgemeinheit untersagt (vgl. Findeisen, WM 2021, 2128, 2129: Verbotsnorm des öffentlichen Wirtschaftsrechts). Dass damit auch Individualinteressen geschützt werden, ist nicht Ausdruck einer entsprechenden Zielrichtung des Gesetzes, sondern erweist sich als Reflex, was für die Annahme eines Schutzzweckcharakters nicht genügt (vgl. OLG München, Beschluss vom 28. Februar 2020 - 8 U 5467/19, WM 2020, 736, 739; Sprau, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 823 Rn. 58).

Gegen die Annahme eines Schutzgesetzes spricht auch, dass die der Glücksspielaufsicht in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV 2011 zur Durchsetzung des Mitwirkungsverbots eingeräumte Befugnis zur Untersagung der weiteren Mitwirkung eine - gegenüber dem Adressaten des durch § 4 Abs. 4 GlüStV 2011 statuierten Verbots - nur nachrangige Inanspruchnahme des Zahlungsdienstleisters als Störer vorsieht, die zudem die vorherige Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote voraussetzt (vgl. OLG München, Beschluss vom 28. Februar 2020 - 8 U 5467/19, WM 2020, 736, 739 f.).

(c) Damit fehlt es aber auch an der für die Annahme eines Schutzgesetzes weiteren Voraussetzung, dass die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs sinnvoll und im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint (vgl. BGH, Urteile vom 19. Februar 2008 - XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276 Rn. 18; und vom 13. März 2018 - II ZR 158/16, BGHZ 218, 80 Rn. 22). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber sich gegen eine allgemeine deliktische Haftung für primäre Vermögensschäden entschieden hat. Der Vermögensschutz wird im deliktischen Haftungssystem grundsätzlich nur über § 826 BGB gewährleistet. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung darf nicht durch eine ausufernde Annahme von Schutzgesetzen unterlaufen werden. Die Schutzvoraussetzungen müssen bei hypothetischer Annahme eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB mit denen des § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 826 BGB vergleichbar sein (BGH, Urteil vom 19. Februar 2008 - XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276 Rn. 20).

Das Mitwirkungsverbot in § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011 hat keines der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter im Blick, sondern schützt (reflexartig) nur reine Vermögensinteressen von Spielern. Eine Verletzung solcher Interessen löst einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB nur bei sittenwidrigem Verhalten und vorsätzlicher Schadenszufügung aus. Gemessen daran können grundsätzlich nur solche Normen als Schutzgesetze qualifiziert werden, die entweder nur vorsätzlich verletzt werden können oder im Fall fahrlässiger Begehung ein sittenwidriges Verhalten sanktionieren (BGH, Urteil vom 19. Februar 2008 - XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276 Rn. 21). Davon kann bei einer Verbotsnorm (wie § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2011), deren Verletzung kein Verschulden erfordert - und deshalb öffentlichrechtlich aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (neben einer vorrangigen Inanspruchnahme des Glücksspielanbieters) vor einer Umsetzung des Verbots eine Unterrichtung des Zahlungsdienstleisters durch die Glücksspielaufsicht erfordert - nicht die Rede sein, so dass ein Verstoß nicht zu einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB führen darf (ebenso Beyer, WuB 2020, 378, 382).

ddd) Schließlich besteht kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 284, 27 Abs. 1 StGB. § 27 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass jemand vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat; eine haftungsbegründende strafbare Beihilfehandlung erfordert mithin einen sogenannten doppelten Gehilfenvorsatz (vgl. OLG München, Beschluss vom 28. Februar 2020 - 8 U 5467/19, WM 2020, 736, 739). Daran fehlt es hier, denn - wie bereits ausgeführt - war es für die Mitarbeiter/Organe der Beklagten weder erkennbar noch war es offensichtlich, dass der Glücksspieleanbieter bewusst eine Straftat nach § 284 Abs. 1 BGB beging.

eee) Schließlich steht dem Kläger gegenüber der Beklagten auch ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht zu. Die Beklagte hat durch Leistung des Klägers nichts ohne Rechtsgrund erlangt. Der Belastung des klägerischen Bankkontos in Höhe der zuvor von der Beklagten auf Anweisung des Klägers an den Glücksspieleanbieter übermittelten Beträge lag als Rechtsgrund jeweils ein gegen den Kläger gerichteter Aufwendungsersatzanspruch der Beklagten aus § 675c Abs. 1, § 670 Abs. 1 BGB zugrunde, weil die Beklagte aus den vorstehend im Einzelnen ausgeführten Gründen die Aufwendungen für erforderlich halten durfte.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Mönchengladbach: Ausländisches Online-Casino ohne deutsche Erlaubnis muss deutschem Spieler verlorene Einsätze von knapp 100.000 EURO erstatten

LG Mönchengladbach
Urteil vom 03.12.2021
2 O 54/21


Das LG Mönchengladbach hat entschieden, dass ein ausländisches Online-Casino ohne deutsche Erlaubnis einem deutschem Spieler verlorene Einsätze von knapp 100.000 EURO erstatten muss.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das Landgericht Mönchengladbach ist zuständig.

Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Mönchengladbach folgt aus Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 Brüssel la-VO/EuGVV0.

Der Kläger ist hier Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Denn Verbraucher ist eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient. Unzweifelhaft ist vorliegend keiner dieser Zwecke einschlägig, so dass der Kläger als Verbraucher zu behandeln ist. Dies hat die Beklagte auch letztlich nicht substantiiert in Abrede gestellt. Denn es ist unstreitig geblieben, dass der Kläger als städtischer Beamter zwar intensiv und – wie die Beklagte meint – professionell gespielt hat, dass dies aber eben kein Ausfluss seiner beruflichen Tätigkeit, sondern ein exzessiv betriebenes „Freizeitvergnügen“ war.

Vorliegend ist auch deutsches Recht anwendbar. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts folgt aus Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO, wonach bei Verträgen mit Verbrauchern das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorliegend – unstreitig – Deutschland. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. I lit. b) Rom I-VO liegen auch für die Beklagte vor. Denn die Beklagte hat hier im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit einen Vertrag mit einem Verbraucher geschlossen und dabei ihr Angebot u.a. auf das Land ausgerichtet, indem der Verbraucher, hier also der Kläger, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Denn sie hat ihr Internetangebot u.a. auf deutsch angeboten und im Übrigen auch keine technischen Vorkehrungen getroffen hat, um eine Spielteilnahme von Deutschland aus zu verhindern oder über die fehlende Legalität zumindest hinreichend präzise zu belehren, obwohl sie selbstverständlich faktisch wusste, dass eine große Anzahl der Spieler ihr Angebot von Deutschland aus genutzt hat.

Soweit es hier um die Rückabwicklung eines nichtigen Vertrages geht, unterfällt auch dies dem Vertragsstatut des Art. 6. An der Anwendbarkeit des deutschen materiellen Rechts ändert es auch nichts, dass die Beklagte ausweislich Ziffer 24 der Allgemeinen Vertragsbedingungen den Vertrag dem Recht von Gibraltar unterwerfen möchte. Denn diese Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, selbst wenn sie – vorgelegt wird nur die für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht relevante AGBFassung vom 10.11.2020 – auch schon 2005/2006 in dieser Form Teil der AGB gewesen wäre. Die §§ 305 ff. BGB bleiben hier anwendbar; denn gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-l-VO darf eine Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Nach ständiger

Rechtsprechung des BGH steIlt eine Rechtswahlklausel, die von einem ausländischen

Unternehmer gegenüber deutschen Kunden gestellt wird und die für alle Rechtsstreitigkeiten ausschließlich das ausländische Recht gelten lässt, eine unangemessene Benachteiligung zu Lasten des Verbraucher dar (vgl. BGH, Urt. V. 19. 7. 2012, I ZR 40/11, MMR 2013, 501 (504)). Die Überschrift „Anwendbares Recht" vermittelt dem Verbraucher dabei einen falschen Eindruck und hält ihn potentiell davon ab, geeignete RechtsschutzmögIichkeiten zu ergreifen, weil aus der pauscha!en Verweisung auf ausländisches Recht auch nicht hinreichend konkret erkennbar wird, in welchem Umfang verwiesen wird und welche Regelungen letztendlich Anwendung finden.

II.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 99.045,-- € aus § 812 Abs. 1 1 Satz 1 1. Var. BGB, da er seine Spieleinsätze bei der Beklagte ohne rechtlichen Grund getätigt hat. Denn der Vertrag über die Teilnahme an dem von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin betriebenen Online-Glücksspiel war gernäß § 134 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) nichtig. Danach ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Die Beklagte hat vorliegend gegen diese Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Onlineangebot auch Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen, vorliegend dem Kläger, zugänglich gemacht hat.

Im Einzelnen:

2. a) Die Beklagte hat die Differenz aus Einzahlungen und Auszahlungen hier ohne rechtlichen Grund erlangt, weil der zugrundeliegende Glücksspielvertrag nichtig im Sinne des § 134 BGB war. Der Kläger hat hier schlüssig vorgetragen, in dem streitgegenständlichen Zeitraum Verluste von 99.045,-- € bei Online Spielen, vor allem bei Online-Casino- Spielen der Beklagten bzw. genauer der ……erlitten zu haben. Die Beklagten hat die Summe als solche auch unstreitig gestellt – bzw. den ursprünglich versehentlich überhöhten Klagebetrag auf 99.045,-- € korrigiert – sie hat nur pauschal eingewandt, der Kläger habe bei ihr im streitgegenständlichen Zeitraum auch an angeblich legalen Sportwetten teilgenommen. Richtig ist, dass die Länder gemäß § 4 Abs. 5 GlüStV (2012) für die Durchführung oder Vermittlung von Sportwetten eine Erlaubnis erteilen können, es ist jedoch hier jedoch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Beklagte im Jahr 2018 über eine derartige Erlaubnis verfügt hätte.

Letztlich mag dies dahinstehen, denn hier ist im Ergebnis als unstreitig zu behandeln, dass die in Rede stehenden Verluste des Klägers ausschließlich bei Online-Spielen bzw. Online-Casino-Spielen bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten erfolgten. Das Gericht hat diese Frage im Termin mit den Erschienenen erörtert und den Kläger im

Einzelnen zu den verschiedenen, in Anlage K 1 der Klage aufgelisteten Spielen um Erläuterung gebeten. Der Kläger hat daraufhin nachvollziehbar und überzeugend klargestellt, dass es sich sämtlich um Online Spiele gehandelt habe und nicht um Sportwetten, mit denen er zwar ursprünglich im Jahre 2005/2006 begonnen habe, die im Zuge der Ausprägung seiner Spielsucht für ihn aber im streitgegenständlichen Zeitraum keine Rolle mehr gespielt hätten, weil Sportwetten keinen sofortigen Erfolg mit sich brächten, sondern im Regelfall auf ein frühestens am Folgetag stattfindendes Ereignis abgeschlossen würden. Auf weitere Nachfrage des Gerichts zu den scheinbar nach Sportwetten klingenden Spielen in der Liste, - wie z.B. „Football“ hat der Kläger nachvollziehbar erläutert, dass es sich auch insoweit um Online-Casinospiele handele, und es insoweit bei der Bezeichnung nur um die Dekoration oder Werbung des Spieltisches gegangen sei, teils hätten auch die Dealer an den Tischen dann entsprechende Trikots getragen. Diesem dezidierten Vortrag des Klägerseite ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten, insbesondere hat sie ihre diesbezügliche offenbar ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung, dass der Kläger im Jahr 2018 auch Sportwetten getätigt habe im Termin im Rahmen der ausführlichen Erörterung nicht substantiiert. Weder hat sie – obwohl die angebotenen Spiele von ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin angeboten wurden und sie daher über umfassende Kenntnis verfügt – erläutert, wann der Kläger nun welche Sportwette abgeschlossen haben soll, noch hat sie bestritten, dass es sich bei den nach Sportwetten klingenden Bezeichnungen tatsächlich nur um die Webenamen von Online-Casinotischen handelt. Mangels substantiierten Bestreitens ist damit vorliegend als unstreitig zu behandeln, dass der Kläger mit der vorliegenden Klage nur die Rückzahlung von Verlusten erstrebt, die aus dem Online-Casino der Electra Works Limited resultieren.

Diese Online Casino-Spiele sind gesetzwidrig, § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) normiert ein klares Verbot für Online-Casinos. Die nach gibraltarischem Recht erteilte Erlaubnis hilft der Beklagten insoweit nicht weiter, in Deutschland war das Angebot illegal. Der Kläger hat auch erläutert, nahezu ausschließlich von zu Hause aus am Handy (gelegentlich am PC) gespielt zu haben und ansonsten auch auf Spaziergängen mit seinem Hund die schnelle Verfügbarkeit des Online-Casinos genutzt zu haben. Die Beklagte hat zwar mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger stets aus NordrheinWestfalen gespielt hat, das reicht hier aber für einen Erfolg dieses Vorbringens nicht aus. Denn es ist nicht ersichtlich und wird von Beklagtenseite auch nicht geltend gemacht, dass der Kläger sich im streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt in einem Land aufgehalten hätte, indem das Online-Spielangebot der Beklagten legal ist, unabhängig davon, dass der Kläger auch schlüssig dargetan hat, wegen der sozialen Kontrolle weder auf der Arbeitsstelle noch im Urlaub gespielt zu haben.

Auch die von Beklagtenseite bemühte Erlaubnismöglichkeit im Rahmen des neuen GlüStV beseitigt die Nichtigkeit des Vertrages für das Jahr 2018 nicht, denn diese besteht – wenn überhaupt – ab dem 30.06.2021. Dabei ist für die Frage der Nichtigkeit eines Vertrages gemäß § 134 BGB auf den hier maßgeblichen Zeitraum 01.01.2018 bis 21.12.2018 abzustellen, da sich die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes grundsätzlich nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht richtet (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 12.11.2021, 1-12 W 13/21, Bl. 1182 ff. d. GA m.w.Nw.). Selbst im Fall der nachträglichen Aufhebung eines Verbotsgesetzes ist anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das zuvor unter Verstoß gegen das aufgehobene Gesetz abgeschlossen wurde, hiervon grundsätzlich unberührt bleibt (BGH NJW 2008, 3069, Rn. 14; NJW-RR 1997, 641, 642). Etwas anderes kommt – so auch das OLG Hamm in der vorzitierten Entscheidung – ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft gerade in der Erwartung und für den Fall geschlossen wird, dass das Verbotsgesetz aufgehoben werden wird (BGH WuM 2007, 440). Diese Voraussetzungen liegen indes im vorliegenden Fall ersichtlich nicht vor.

Soweit die Beklagte sich im Hinblick auf die sich in 2020 abzeichnende Gesetzesänderung auf eine aktive Duldung der Genehmigungsbehörden beruft, die die entsprechenden Anbieter zum 15.10.2020 aufgefordert hätten, das Internet-Glücksspielangebot einzustellen, um sodann perspektivisch ggf. eine Erlaubnis erhalten zu können, ändert dies ebenfalls nichts an der Gesetzwidrigkeit im Jahre 2018. Der von der Beklagten angestrengte Umkehrschluss einer aktiven Duldung auch für die Zeit vor dem 15.10.2020 erschließt sich dem Gericht insoweit bereits nicht, als das behördliche Übergangsregime erst im März 2020 vereinbart wurde und vorausschauend offenbar lediglich die Voraussetzungen für eine künftige

Erlaubniserteilung für die jeweiligen Anbieter regeln wollte. Zwar besteht nach der Neuregelung des GlüStV 2021 die Möglichkeit der Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet - § 4 Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2021 -, dass der Beklagten eine derartige Erlaubnis für den Betrieb von Online-Casinos erteilt worden wäre, trägt sie jedoch – unabhängig davon, dass dies die Illegalität der in 2018 angebotenen CasinoSpiele auch nicht rückwirkend beseitigen würde - selbst nicht vor.

Ebensowenig vermag das Gericht nachzuvollziehen, was die Beklagte aus den von ihr angeführten Formblättern des hessischen Innenministeriums ableiten möchte, schon der diesbezügliche Text als solcher gibt keine Hinweise auf die Erteilung der Konzession oder eine aktive Duldung.

Entgegen der von Beklagtenseite vertretenen Ansicht steht das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) auch im Einklang mit Unionsrecht (BGH, Urteil vom 28.09.2011, MMR 2012, 191; BVerwG, Urteil vom 26.10.2017, NVwZ 2018, 895, BVerwGE 160, 193). Ohne entsprechende Erlaubnis sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet weiterhin verboten, § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021. Hierzu führ das Bundesverwaltungsgericht in der vorstehend zitierten Entscheidung vom 26.10.2017 (dort Rn. 30 ff.) folgendes aus: „Wie der Senat…, das Bundesverfassungsgericht ... und der Europäische Gerichtshof ... zum damaligen § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 bereits entschieden haben, ist ein generelles Internetverbot für öffentliches Glücksspiel mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Unionsrecht vereinbar. Mit dem Internetverbot werden in nicht diskriminierender Weise verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität, verfolgt. In der … Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass Glücksspiele im Internet die genannten Ziele in besonderem Maße gefährden, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt. Schon wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter bergen Online-Glücksspiele anders geartete und größere Gefahren des Auftretens krimineller Verhaltensweisen wie der betrügerischen Manipulation und der Geldwäsche. Zudem begründen die Eigenheiten des Internets, verglichen mit herkömmlichen Vertriebsformen, anders geartete und größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können ... Dass sich an diesem Befund zwischenzeitlich etwas geändert hätte, ist weder berufungsgerichtlich festgestellt noch vorgetragen oder im Hinblick auf die weiterhin bestehenden Besonderheiten des Internets sonst ersichtlich. Gerade in Anbetracht der spezifischen Gefahren, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind, haben die Länder das Internetverbot grundsätzlich beibehalten . .. Den spezifischen Sucht-, Betrugs-,Manipulations- und Kriminalitätspotenzialen der einzelnen Glücksspielformen soll nunmehr lediglich mit differenzierten Maßnahmen begegnet werden (§ 1 Satz 2 GlüStV 2012). .. Das Online-Verbot von Casinospielen und Poker hat der Gesetzgeber hingegen beibehalten, da bei diesen Spielen ein herausragendes Suchtpotenzial, eine hohe Manipulationsanfälligkeit und eine Anfälligkeit zur Nutzung für Geldwäsche bestünden (amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59). Ausgehend von den dargestellten legitimen Gemeinwohlzielen ist das Internetverbot auch nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag verfassungs- und unionsrechtskonform. Es schränkt zwar die durch Art. 56 f. AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ein, die … ihren Sitzgliedstaaten der Europäischen Union haben und ihre Dienstleistungen im Bundesgebiet erbringen wollen. Diese Beschränkung ist aber gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen. Es ist grundsätzlich Sache des Mitgliedstaates, das nationale Schutzniveau in Bezug auf Glücksspiele selbst zu bestimmen und die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen zu beurteilen ... Die staatlichen Stellen verfügen im besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben .... Das nationale Gericht muss eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen, unter denen die streitigen restriktiven Rechtsvorschriften erlassen und durchgeführt worden sind ... Ausgehend von diesen Maßstäben steht die Eignung des Internetverbots zur Verfolgung der legitimen Gemeinwohlziele des Glücksspielstaatsvertrages nicht in Zweifel. Der Europäische Gerichtshof hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass eine die Dienstleistungsfreiheit einschränkende Regelung nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden darf, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt ... Hingegen verpflichten die unionsrechtlichen Grundfreiheiten den Mitgliedstaat nicht zu einer sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifenden Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen .. . Das demgegenüber höhere Suchtpotenzial von Online-Casinospielen und Online-Poker haben die Länder in ihren amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag unter Bezugnahme auf eingeholte Studien und Berichte hinreichend dargestellt. Diese Glücksspiele weisen nach der entsprechenden Einschätzung der Länder außerdem eine gegenüber anderen Glücksspielangeboten höhere Anfälligkeit für Manipulationen und die Nutzung für Geldwäsche auf (vgl. amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 1511570, S. 59). ...Insbesondere ist gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 3 GlüStV 2012 eine Erlaubnis für solche Online-Glücksspiele ausgeschlossen, bei denen besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung bestehen."


Die Einzelrichterin schließt sich dieser überzeugend und umfassend begründeten Ansicht zur unionsrechtlichen Konformität der Regelung des § 4 Abs. 4 GlüStV an.

b) § 4 Abs. 4 GlüStV erfordert also solches auch keinen subjektiven Tatbestand, so dass hier dessen objektive Verwirklichung, d.h. das Betreiben von OnlineGlücksspiel ohne behördliche Erlaubnis, für die Annahme eines Verbotsgesetzes im Sinne des § 134 BGB genügt, unabhängig davon, dass die Beklagte auch nicht ernsthaft geltend machen könnte, angesichts der von ihr selbst angeführten umfänglichen und professionellen anwaltlichen Beratung nicht zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt zu haben.

c) § 762 BGB steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, weil diese Norm auf gesetzwidrige, d.h. nichtige Spielverträge ohne behördliche Erlaubnis keine Anwendung findet (vgl. Palandt, BGB, 79 Auflage 2020, § 762 BGB Rn. 9 m.w.Nw.)

d) Die Beklagte kann sich hier auch nicht mit Erfolg auf den allgemeinen Ausschluss des § 814 BGB berufen. Denn ihr ist es – sie trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen des Ausschlusstatbestandes (vgl. BeckOK BGB, Stand 01.11.2021 § 814 BGB Rn. 15) – bereits nicht gelungen, konkrete Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Klägers von der Nichtschuld, d.h. hier von der Gesetzeswidrigkeit hinreichend substantiiert vorzutragen. Unabhängig davon ist sie diesbezüglich auch beweisfällig geblieben.

Im Einzelnen: Der Kläger hat insoweit angegeben, nichts von der Illegalität der OnlineCasino-Spiele gewusst zu haben. Diesbezüglich hat er nachvollziehbar geschildert, dass er ausgehend von gelegentlichen, legalen Sportwetten schrittweise zum Online Casino gekommen sei, das er neben den sogenannten Slider Games intensiv ab 2015 gespielt habe. Dabei sei es ihm vor allem um den schnellen Erfolg gegangen. Er habe seine zunehmende Sucht stets vor allen – sogar vor seiner Familie versteckt – und nie mit jemandem zusammen gespielt oder sich über das OnlineSpielen ausgetauscht. Schließlich habe er mit dem Rücken zu Wand gestanden und sei auch nicht mehr kreditwürdig gewesen. Er sei sodann am 21.12.2021 in einer ausweglosen Situation und akut suizidgefährdet gewesen, habe aber – glücklicher Weise an den Feiertagen sozial kontrolliert durch sein familiäres Umfeld – letztlich den anderen Weg gewählt und sich Hilfe gesucht. Erst dabei habe er von der Möglichkeit des charge back erfahren.

Der Kläger hat die Abläufe und seine damaligen Verhaltensweise im Termin nachvollziehbar, in sich stimmig und sehr überzeugend geschildert. Gerade ein in ein bürgerliches Umfeld eingebundener Familienvater wird nachvollziehbarer Weise kein Interesse daran haben, dass in seinem privaten oder beruflichen Umfeld bekannt wird, dass er – wie er deutlich formulierte – heimlich Haus und Hof verspielt. Die Beklagte hat demgegenüber nur pauschal eine Kenntnis des Klägers von der Nichtschuld behauptet und insoweit konkret lediglich auf ihre AGB Bezug genommen. Aus 2.1 der AGB der Beklagten lässt sich jedoch – selbst wenn der Kläger ihn gründlich gelesen hätte – nicht klar erkennen, dass das Nutzen eines Online-Casinos von NordrheinWestfalen aus illegal war und der Kläger insoweit für ihn erkennbar auf eine Nichtschuld leistete. Ausdrücklich erwähnt werden nur die USA, Polen und andere Länder, verbunden mit der Aufforderung an den Kunden, nur in den Ländern zu spielen, in denen dieses erlaubt ist. Diese AGB klärt den Kunden angesichts der komplexen und komplizierten Rechtslage in den verschiedenen Ländern bereits nicht hinreichend klar und deutlich über das Problem der Illegalität auf und lässt nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass er ein illegales Angebot nutzt. Stattdessen versucht die Beklagte hier nur mit vagen, insoweit bereits AGB-widrigen- Formulierungen das rechtliche Prüfungsrisiko auf den Kunden zu überbürden. Darüber hinaus hat der Kläger – ebenfalls unwidersprochen vorgetragen – seit 2005 unter derselben Kontonummer bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten angemeldet gewesen zu sein. Die Beklagte trägt hier nicht vor, wann sie 2.1 ihrer AGB erstmals in der vorliegenden Fassung ihren Verträgen zugrunde gelegt haben will, aber sollten diese bereits 2005/2006 bestanden haben, hätte der Kläger, der ehrlich angab, im Zweifel AGB akzeptiert zu haben, sicher aber nicht mehr erinnern zu können, diese AGB mehr als 1 Jahrzehnt vor seiner Online-Spielleidenschaft „abgehakt“. Insoweit lässt sich angesichts der komplexen Rechtslage hieraus nicht ernsthaft eine Kenntnis des Klägers erkennen. Dies gilt auch für den von der Beklagten vorgelegten Medienspiegel (vgl. Anlage B 23, Bl. 808 ff. d. GA) der sich teilweise auf Berichte nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum bezieht, nur vereinzelt Berichte vor Ende des streitgegenständlichen Zeitraumes aufführt, bei denen jedoch nicht erkennbar ist, warum diese dem Kläger bekannt geworden sein sollen und der sich im Übrigen auf auf Gerichtsentscheidungen beschränkt, die einem Laien erst Recht nicht bekannt sein müssen.

Auch im Übrigen vermag die Argumentation der Beklagten nicht zu überzeugen. So macht sie selbst im vorliegenden Verfahren unter Berufung auf ihr großes Team aus Juristen und juristischen Professoren unter Rückgriff auf angebliche aktive Duldungen, deren Rückwirkung und den Verstoß deutschen Rechts gegen die

Dienstleistungsfreiheit nachdrücklich geltend, ihr Angebot sei mitnichten illegal. Wenn das das Prüfungsergebnis eines großen in dieser Materie erfahrenen Teams an Juristen ist, wie soll dann der Verbraucher – selbst wenn er nicht spielsüchtig wäre – die rechtlichen Konsequenzen dieser komplexen Materie überblicken. Nach alledem hat die Beklagte weder schlüssig dargetan noch bewiesen, dass der Kläger in Kenntnis von der Nichtschuld auf diese geleistet hat.

d) Ebenso wenig kann die Beklagte sich hier mit Erfolg auf den Kondiktionsausschluss des § 817 Satz 2, 2. Hs. BGB berufen. Nach dieser Norm ist eine Rückforderung zwar ausgeschlossen, wenn dem Leistenden – hier also der Kläger - gleichfalls ein Gesetz- oder Sittenverstoß zur Last fällt, weder vermag das Gericht jedoch zu erkennen, dass die Beklagte einen Gesetzesverstoß des Klägers substantiiert vorgetragen oder unter Beweis gestellt hätte, noch geht die Unterzeichnerin davon aus, dass § 817 BGB auf Fälle wie den vorliegenden überhaupt Anwendung fände, weil § 817 BGB insoweit teleologisch zu reduzieren ist.

Im Einzelnen:

Die bereicherte Beklagte trägt als Diejenige, die auf die rechtshindernde Einwendung der der Kondiktionssperre beruft, die Darlegungs- und Beweislast. Zu diesen Voraussetzungen gehört auch soweit man hier auf § 284 StGB abstellt, das vorsätzliche Handeln auf Seiten des Leistenden. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar vorgetragen, dass ihm die Illegalität seines Handelns nicht bewusst gewesen sei. Ihm ist insoweit auch zuzugestehen, dass die Rechtslage ausgesprochen komplex war und die deutschsprachige AGB eines großen, aus der Werbung bekannten Unternehmens sowie öffentliche und aggressive, direkt an den

Spieler gerichtete Werbemaßnahmen bis hin zu Anrufen, die die Beklagte nicht in Abrede gestellt hat, dem Kunden den Eindruck der Professionalität und Legalität vermitteln. Wie bereits ausgeführt hat die Beklagte – der Verweis auf Ziffer 24 der AGB führt wie ausgeführt nicht weiter - nichts dargetan, was auch nur einen bedingten Vorsatz des Klägers erkennen ließe.

Im Übrigen wäre der Kläger strafrechtlich für seine Handlungen auch nicht verantwortlich, es fehlt bereits an der Zurechenbarkeit und der subjektiven Tatseite (vgl. dazu OLG Hamm aaO). Denn der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum ohne jeden Zweifel spielsüchtig. Zwar hat die Beklagte dies zulässig mit Nichtwissen bestritte, unstreitig ist jedoch geblieben, welch enorme Summe der Kläger in den Jahren 2015 bis Ende 2018 zum Spielen aufgewandt hat , wie sich seine finanzielle Situation dadurch entwickelte und wie sehr das Spielen seinen Alltag dominierte. Der

Kläger hat plastisch und im Termin unwidersprochen das Ausmaß seiner

Spielleidenschaft dargelegt, bei der es sich – selbst für den Laien erkennbar – um eine krankhafte Spielsucht handelte. Allein die verspielte Summe von ca. einer halben Million und die Bereitschaft einer ruhigen, vernunftbegabten Person, Haus und Hof einzusetzen dokumentieren diesen seelisch krankhaften Zustand ebenso eindrucksvoll wie die – unstreitig gebliebene – Schilderung morgens bereits im Bad und auf dem Hundespaziergang gespielt, sich private Darlehen mit falschen Angaben erschlichen zu haben und sich letztendlich in einer scheinbar aussichtslosen Situation manövriert zu haben.

Unabhängig davon findet nach der hier vertretenen Ansicht § 817 BGB vorliegend ohnehin keine Anwendung, weil sein Anwendungsbereich teleologisch zu reduzieren ist. Der BGH hat eine teleologische Reduktion der Kondiktionssperre bereits für die die nach einem Schneeballsystem organisierten „Schenkkreise" angenommen und hält insoweit eine „schutzzweckorientierte Einschränkung für geboten, und zwar auch für den Fall, dass sich der Leistende der Einsicht der Sittenwidrigkeit möglicherweise leichtfertig verschlossen hat. Diesbezüglich hat der BGH ausgeführt, dass die Kondiktionssperre nicht dazu führen dürfe, dass die Initiatoren der „Spiele", die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder im Ergebnis behalten dürften (BGH NJW 2006, 45, Rn. 12). Auch innerhalb der Leistungskondiktion sei der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenden Norm maßgebend, der nicht konterkariert werden dürfe (BGH NJW 2008, 1942, Rn. 10). Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass das den Schenkkreisen zugrundeliegende Schneeballsystem nicht ohne weiteres mit den zufälligen Gewinnen oder Verlusten eines Online-Casinos vergleichbar ist, dennoch sind die vom BGH aufgeführten Rechtsgedanken aus der vorzitierten Entscheidungen auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn auch hier geht es um eine schutzzweckorientierte Einschränkung der Norm, damit die Initiatoren der Spiele nicht die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder im Ergebnis behalten dürfen. Soweit dem entgegengehalten wird, dies ermögliche für den Spieler ein risikoloses Spielen (vgl. LG München BeckRS 2021,11488) verkennt diese Argumentation, dass dies in die Risikosphäre desjenigen fällt, der derartige Spiele illegal veranstaltet ohne eine ausschließlich legale Nutzung technisch sicher zu stellen oder zumindest durch hinreichend klare Hinweise klarzustellen, dass eine Nutzung in dem jeweiligen Land illegal sind.

Auch die Entscheidung des BGH vom 30.07.1968 (BeckRS 1968, 31177398) spricht nicht gegen eine grundsätzliche Einschränkung der Kondiktionssperre für den Bereich der Online-Glücksspiele, da es bei der dortigen Entscheidung auf den Schutzzweck des hier maßgeblichen § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) nicht ankam.

Der Rückzahlungsanspruch ist vorliegend auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit ausgeschlossen.

Es trifft zwar zu, dass ein widersprüchliches Verhalten rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 242 BGB sein kann. Dies gilt insbesondere für die Fälle des „venire contra factum proprium", wenn also für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist (BGH NJW 1985, 2589, 2590; 1986, 2104, 2107) oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Es muss objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens vorliegen, weil das frühere Verhalten mit dem späteren unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig sind (BGH NJW 2016, 3518, 3520). Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagte kann indes schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Interessen der Beklagte nicht als vorrangig schutzwürdig i.S.v. § 242 BGB (vgl. OLG Hamm, aaO). Dies gilt erst Recht als bei dem Kläger – die Beklagte hat seinen dezidierten Vortrag zu seinem Spielverhalten und dessen Auswirkungen nicht in Abrede gestellt – erkennbar spielsüchtig war als er an den hier in Rede stehenden Spiele teilnahm.


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