Skip to content

OLG Nürnberg: Online-Marktplatz haftet für Urheberrechtsverletzungen der Händler nach den Grundsätzen der Intermediärshaftung

OLG Nürnberg
Urteil vom 01.08.2023
3 U 2910/22

Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass der Betreiber eines Online-Marktplatzes für Urheberrechtsverletzungen von Händlern nach den Grundsätzen der Intermediärshaftung haftet.

Aus den Entscheidungsgründen:
Für diese Urheberrechtseingriffe haftet die Beklagte – obwohl als Betreiberin einer Internetplattform nur mittelbare Verletzerin – als Täterin, da sie Verkehrspflichten verletzte.

1. Zwar ist auf die streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen nicht das neue Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz anwendbar, weil die Verletzungshandlungen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01.08.2021 erfolgten.

2. Die Beklagte haftet auch nicht dadurch, dass sie Drittanbietern ihre Plattform für Onlinehandel zur Verfügung stellte und dort urheberrechtsverletzende Angebote veröffentlicht werden konnten, nach allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätze als Täterin für die begangene Urheberrechtsverletzung. Denn die fraglichen Fernseher wurden auf der Online-Handelsplattform der Beklagten lediglich durch Dritte unter den Händlerbezeichnungen „I.“ und „T.“ und somit nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung der Beklagten angeboten. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte tatsächlich und nach außen sichtbar die inhaltliche Verantwortung für die auf der Internetseite veröffentlichten Inhalte übernahm oder den zurechenbaren Anschein erweckte, sich damit zu identifizieren.

Dagegen sprechen auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Anlage K 30). Danach wird Vertragspartner der Endkunden ausschließlich der Händler und nicht die Beklagte. Die Beklagte bietet lediglich Links zu den Diensten der angeschlossenen Affiliate Stores an und ist weder dafür verantwortlich, die Affiliate Stores oder deren Leistungen zu prüfen oder zu bewerten, noch macht sie irgendwelche Versprechungen in Bezug auf diese. Sie bietet den Drittanbietern in elektronischer Form nur Hilfe bei der Einrichtung ihrer Shops und unterstützt die Verkaufsabwicklung durch einen optionalen Rechnungsservice. Zwar führt die Beklagte für den Händler den Datenimport (Produktdetails, Bilder etc.) auf die Homepage der Beklagten durch; der Händler muss jedoch garantieren, dass die von ihm für die Nutzung auf R. sowie im Rahmen der jeweiligen Vertragserfüllung gegenüber den Endkunden genutzten Inhalte und Artikel frei von Rechten Dritter sind, bzw. er über entsprechende Rechte der Rechteinhaber zur Nutzung und Einräumung entsprechender Rechte in den Lieferländern verfügt. Für die Rechtmäßigkeit der Speicherung und das Vorhalten der Daten soll allein der Händler verantwortlich sein. Die Beklagte macht sich fremde Inhalte unter keinen Umständen zu eigen.

3. Die Beklagte haftet jedoch aufgrund der neueren Rechtsprechung zur urheberrechtlichen Intermediärshaftung wegen der Verletzung von Verkehrspflichten als Täterin einer Handlung der öffentlichen Wiedergabe.

a) Der Gerichtshof der Europäischen Union versteht in mittlerweile ständiger Rechtsprechung den Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ (vgl. § 15 Abs. 2 UrhG) weit und fasst darunter nicht nur den Upload als unmittelbare Wiedergabehandlung, sondern auch mittelbare Handlungen wie den Betrieb von Plattformen (EuGH, GRUR 2021, 1054 Rn. 77 ff. – Y.T. und uploaded). Bei der erforderlichen individuellen Beurteilung, ob neben der „Öffentlichkeit“ der Wiedergabe eine „Handlung der Wiedergabe“ vorliegt, soll nicht nur der „zentralen Rolle“ des Nutzers, sondern vor allem der „Vorsätzlichkeit seines Handelns“ besonderes Gewicht zukommen. Dabei sind alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die die betreffende Situation kennzeichnen und es ermöglichen, direkt oder indirekt Schlussfolgerungen hinsichtlich der Frage zu ziehen, ob der Plattformbetreiber bei der unerlaubten Wiedergabe dieser Inhalte vorsätzlich tätig wird oder nicht.

Infolgedessen bejaht auch der Bundesgerichtshof eine Haftung derartiger Intermediäre als Täter bei der Verletzung von Verkehrspflichten im Urheberrecht (BGH, GRUR 2022, 1308 Rn. 76 ff. – Y.T. II). In diesem Bereich tritt die Haftung als Täter an die Stelle der bisherigen Störerhaftung (BGH, GRUR 2022, 1328 Rn. 42 – uploaded III). Auf die Haftungsprivilegierung, die in der – der Umsetzung des Art. 14 Abs. 1 RL 2000/31/EG dienenden – Vorschrift des § 10 TMG vorgesehen ist, kann sich der täterschaftlich haftende Plattformbetreiber nicht berufen (vgl. BGH GRUR 2022,1328 Rn. 50 – uploaded III).

Nach den Vorgaben des EuGH ergeben sich insbesondere drei Fallgruppen, die eine täterschaftliche Haftung des Plattform-Betreibers begründen können (EuGH a.a.O. Rn. 84 f. – Y.T. und Cyando; BGH a.a.O. Rn. 77 f., Rn. 119 f. – Y.T. II):
- Der Plattformbetreiber weiß oder müsste wissen, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer derselben geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden und er ergreift nicht die geeigneten technischen Maßnahmen, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen;
- Der Betreiber ist an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt, er bietet auf seiner Plattform Hilfsmittel an, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder er fördert ein solches Teilen wissentlich, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu anregt, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen;
- Der Betreiber wurde vom Rechtsinhaber darauf hingewiesen, dass ein geschützter Inhalt über seine Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht wurde, und ergreift nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen, um den Zugang zu diesem Inhalt zu verhindern; dabei besteht die Pflicht, auch das fortgesetzte öffentliche Zugänglichmachen rechtsverletzender Inhalte durch gleichartige Verletzungshandlungen im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren zu unterbinden.

b) Diese Rechtsprechung, welche die Video-Sharing-Plattform „Y.T.“ und die Sharehosting-Plattform „up...“ betraf, ist auf den vorliegenden Fall – also auf einen Online-Marktplatz, auf dem Dritte ihre Produkte mittels des vom Plattformbetreiber zur Verfügung gestellten Shopsystems zum Kauf anbieten – übertragbar.

aa) Entscheidend für die Übertragbarkeit ist vor allem die zentrale Rolle des Betreibers der Plattform, auf der Nutzer urheberrechtlich geschützte Werke hochladen und abrufen können. Diese zentrale Rolle der Beklagten ist im vorliegenden Fall zu bejahen. Zwar besteht die Hauptaufgabe eines Online-Marktplatzes in der Zusammenführung von Verkäufern und Käufern sowie der Abwicklung der einzelnen Verkäufe und – anders als bei Video-Sharing-/Sharehosting-Plattformen – nicht in der Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Inhalten. Entscheidend ist jedoch, dass im Streitfall zwei Angebote von Fernsehern mit Produktbildern versehen wurden, welche u.a. das urheberrechtlich geschützte Foto zeigen, und dies über die Webseite der Beklagten öffentlich zugänglich gemacht wurde. Ohne die Bereitstellung und Verwaltung einer Online-Verkaufsplattform wie die der Beklagten wäre es somit unmöglich oder zumindest komplexer, diese potenziell urheberrechtsverletzenden Inhalte im Internet frei zu teilen (vgl. EuGH, a.a.O. Rn. 77 – Y.T. und uploaded).

Ohne Relevanz ist in diesem Zusammenhang, dass die Verwendung des Lichtbildwerks nicht der Hauptzweck des Verkaufsangebots war, sondern nur zu dekorativen Zwecken erfolgte. Denn die Voraussetzungen der Schranke des unwesentlichen Beiwerks nach § 57 UrhG – Austauschbarkeit des Lichtbildes, ohne dass dies dem durchschnittlichen Interessenten für den Kauf eines Fernsehers aufgefallen wäre – sind nicht gegeben.

bb) Dass die Beklagte nicht unter den Geltungsbereich des neuen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes fallen würde, führt nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung.

Nach § 3 Nr. 5 UrhDaG gilt dieses Gesetz nicht für Online-Marktplätze. Dies beruht darauf, dass der Hauptzweck von Online-Marktplätzen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 regelmäßig darin besteht, Online-Einzelhandel zu betreiben, und nicht darin, urheberrechtlich geschützte Inhalte zugänglich zu machen (Erwägungsgrund 62 UAbs. 1 S. 5 der RL (EU) 2019/790 über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt).

Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass Online-Marktplätze nicht unter die neuere Rechtsprechung zur urheberrechtlichen Intermediärshaftung fallen würden. Denn die in § 3 Nr. 5 UrhDaG gemachte Einschränkung – wonach Online-Marktplätze nicht erfasst werden – findet sich in den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs zur Täterhaftung von Plattformbetreibern nicht. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz eine abschließende Regelung hinsichtlich der für Urheberrechtsverletzungen haftenden Plattformen aufstellen wollte.

cc) Nicht entscheidungserheblich ist darüber hinaus, dass die ersten beiden Fallgruppen, die eine täterschaftliche Haftung des Plattform-Betreibers begründen können, auf Online-Verkaufsplattformen wie die Beklage der Natur der Sache nach in der Regel nicht übertragbar sind. Denn durch diese Fallgruppen wird ein abgestuftes System der täterschaftlichen Verantwortlichkeit von Intermediären geschaffen, welches der unterschiedlichen „Gefahrgeneigtheit“ der Hostprovider für Urheberrechtsverletzungen Rechnung trägt:
- Eine unmittelbare Täterhaftung kommt in Betracht, wenn der Plattformbetreiber weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer urheberrechtlich geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, und dennoch nicht die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreift. Dies gilt im verstärkten Maße, wenn der Betreiber aktive Hilfestellung leistet oder die Plattform gar überwiegend für Urheberrechtsverletzungen genutzt wird.
- Hostprovider wie Online-Marktplätze – die nicht in erster Linie betrieben werden, um Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten zu gewähren – kommen dagegen als Nebentäter der Urheberrechtsverletzung erst nach Abschluss eines zweistufigen Verfahrens in Betracht: Sie müssen zum einen auf eine klare Urheberrechtsverletzung hingewiesen worden sein und es zum anderen (pflichtwidrig) unterlassen haben, das konkrete Angebot unverzüglich zu sperren und Vorsorge zu treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Schutzrechtsverletzungen kommt. Bei Verkaufsplattformen wie die der Beklagten ist somit erst das Untätigbleiben auf einen hinreichenden Hinweis haftungsbegündend.

dd) Gegen eine Übertragung der Rechtsprechung spricht auch nicht die zum Markenrecht ergangene Entscheidung „Louboutin“ (EuGH, GRUR 2023, 250), aufgrund der eine Haftung der Beklagten nicht gegeben wäre.

Nach diesem Urteil ist eine Zeichenbenutzung durch das Betreiben eines Internet-Marktplatzes – selbst bei Vorliegen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses – zu verneinen, weil damit nur die technischen Voraussetzungen für die Zeichenverwendung durch Dritte geschaffen werden. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck vermittelt wird, dass der M.platz-Betreiber die angebotenen Waren im eigenen Namen und für eigene Rechnung vertreibt. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht dargetan, da nicht dargelegt ist, dass die Beklagte eine Plattform betrieb, die nicht nur Dritten den Vertrieb ermöglichte, sondern auch selbst Waren auf eigene Rechnung anbot und vertrieb.

Aufgrund der Eigenständigkeit der rechtlichen Voraussetzungen für eine Haftung für Markenverletzungen einerseits und Urheberrechtsverletzungen andererseits kann aus diesem Urteil nicht der Schluss gezogen werden, dass es auch im Urheberrecht auf den bei den angesprochenen Verkehrskreisen vermittelten Eindruck des Vertreibens im eigenen Namen und für eigene Rechnung entscheidungserheblich ankommt.

ee) Bei der Frage der Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur Täterhaftung von Internetplattformen auf den Streitfall kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Haftungserleichterungen des – Art. 14 RL 2000/31/EG (E-Commerce-RL) umsetzenden – § 10 TMG nach den Erwägungsgründen 42 und 43 der E-Commerce-RL für Tätigkeiten rein technischer, automatischer und passiver Art greifen sollen. Dieser Bereich ist nach der Rechtsprechung des EuGH bereits dann verlassen, wenn der Betreiber eine aktive Rolle spielt, die ihm eine Kontrolle ermöglicht, was insbesondere anzunehmen ist, wenn er Hilfestellung leistet, die Präsentation der fraglichen Verkaufsangebote zu optimieren oder zu bewerben (EuGH, GRUR 2011, 1025 Ls. 6 und Rn. 113 – L'Oréal SA /eBay; BGH, GRUR 2011, 1038 Rn. 24 – Stiftparfüm).

Im vorliegenden Fall existieren zwei Anzeigen des Unternehmens O. – einer Content-Distributions-Plattform – die den streitgegenständlichen Fernseher mit dem Lichtbild „Manhattan Bridge“ auf Drittwebseiten (www.b... .de und www.h .....de) bewerben (Anlagen K 6 und K 17). Ausweislich der auf den Screenshots enthaltenen Bildunterschrift handelt es sich jeweils um eine Werbeanzeige für die Handelsplattform der Beklagten, weil dort diese als „R..de“ bzw. „R.“ genannt wird. Nach den damaligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten konnte diese den Händler bewerben, auch unter konkreter Bezugnahme auf den Händler und/oder konkrete Angebote/Artikel des Händlers; der Händler räumt ihr dafür die entsprechenden Rechte an seinen Inhalten zur Bewerbung ein.

Vor diesem Hintergrund sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass R. nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Verkaufsgebühr, die mit Eingang einer Kundenbestellung fällig wird, zustand, hat die Beklagte nicht hinreichend bestritten, den Händlern Hilfestellung bei der Bewerbung der Verkaufsangebote geleistet zu haben. Vor dem Landgericht hatte die Beklagte ausweislich der für das Berufungsverfahren bindenden Ausführungen des Erstgerichts im angegriffenen Urteil lediglich mit Nichtwissen bestritten, dass sie das streitgegenständliche Bildmaterial genutzt habe, um im Rahmen von Werbeanzeigen auf Dritt-Webseiten Werbung für ihr Unternehmen zu machen, und ausgeführt, dass der als Anlage K 6 vorgelegte Screenshot nicht den Internetauftritt der Beklagten zeige. Dies ist jedoch – insbesondere da es sich bei der Frage der eigenen Mitwirkungshandlung um einen Gegenstand eigener Wahrnehmung handelt (§ 138 Abs. 4 ZPO) und der Beklagten eine sekundäre Darlegungslast obliegt – nicht ausreichend. Daher unterfällt der in der Berufungsinstanz erstmalig erfolgte und vom Kläger bestrittene Vortrag, wonach die Beklagte die in den Anlagen K 6 und K 17 wiedergegebenen Werbeanzeigen nicht in Auftrag gegeben habe, auch unter § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO.

c) Im vorliegenden Fall haftet die Beklagte als Täterin, weil die Voraussetzungen der dritten Fallgruppe des EuGH – trotz Hinweises nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergriffen zu haben, um den Zugang zu diesem Inhalt und kerngleichen Verletzungshandlungen zu verhindern – erfüllt sind.

Der Kläger wies die Beklagte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21.08.2018 (Anlage K 7) darauf hin, dass auf ihrer Plattform ein Verkaufsangebot des Händlers „I.-M.“ sein Urheberrecht an dem verfahrensgegenständlichen Lichtbildwerk verletze. Infolge dieses Hinweises hätte die Beklagte das entsprechende Angebot mit dem Lichtbild des Klägers löschen und im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren dafür Vorkehrungen treffen müssen, dass keine gleichartigen Verletzungshandlungen – also die Veröffentlichung dieser Fotografie im Rahmen anderer Angebote durch weitere Händler – auf ihrer Homepage begangen werden.

Die Beklagte hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen eine Überprüfung bestehender oder zukünftiger Angebote nicht möglich gewesen wäre. Insbesondere hätte sich die Beklagte an den betreffenden Händler (“I.-M.“) wenden können, um weitere Informationen etwa zur rechtsverletzenden Bilddatei einholen können. Dies ist durch die Beklagte nicht erfolgt. Vielmehr konnte der Kläger unstreitig auf der Plattform „R..de“ kurze Zeit später, am 05.10.2018 (vgl. Screeshot Anlage K 8) und 20.10.2018 (vgl. Anlage K 15) ein weiteres Verkaufsangebot eines anderen Händlers über einen Fernseher der Marke XORO mit der rechtsverletzenden Produktbebilderung auffinden.

V. Vor diesem Hintergrund stehen dem Kläger gegenüber der als Täterin haftenden Beklagten die nachfolgenden Ansprüche zu:

1. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG den Anspruch, es zu unterlassen, das Bildwerk „Manhattan Bridge“ zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen sowie öffentlich zugänglich zu machen und/oder machen zu lassen. Ein Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Verwertungshandlung des Verbreitens besteht hingegen nicht.

Eine Verletzungshandlung begründet die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (BGH, GRUR 2021, 1519 Rn. 33 – Uli-Stein-Cartoon). Dabei stellen im Urheberrecht – anders als etwa im Markenrecht (dazu OLG Nürnberg, GRUR 2023, 260 – E-X-D Extreme Durable) – die einzelnen Verwertungsrechte selbstständige Tatbestände dar (BGH, GRUR 2020, 843 Rn. 81 – Metall auf Metall IV).

Im vorliegenden Fall liegt lediglich ein Eingriff in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, § 19a UrhG sowie ein Eingriff in das Vervielfältigungsrecht nach § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG vor, da der Kläger lediglich darlegte, dass sein Lichtbild auf der Website der Beklagten zur Bebilderung eines zum Verkauf angebotenen Produktes verwendet wurde, sowie dass auf anderen Internetseiten eine Bewerbung dieses Angebots erfolgte (vgl. die Ausführungen unter Ziffer B.IV.). Dieser Vortrag begründet weder eine Wiederholungs- noch eine Erstbegehungsgefahr dafür, dass die Beklagte als Online-Handelsplattform das gegenständliche Lichtbild in seiner körperlich fixierten Form auch verbreiten (lassen) wird.

Der Unterlassungsanspruch besteht ungeachtet der Tatsache, dass die Beklagte pauschal behauptet (was das Landgericht im unstreitigen Tatbestand übernommen hat), lediglich Rechtsnachfolgerin der die Online-Handelsplattform betreibenden R2. Deutschland GmbH gewesen zu sein. Zwar geht der gesetzliche Unterlassungsanspruch nicht auf den Rechtsnachfolger über, da die Wiederholungsgefahr ein tatsächlicher Umstand ist, der sich der Rechtsnachfolge entzieht (BGH, GRUR 2010, 536 Rn. 40 – Modulgerüst II). Dem Handelsregisterauszug (Anlage K 4) kann jedoch eine Rechtsnachfolge nicht entnommen werden. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine Abänderung des Unternehmensgegenstands und der Firma sowie eine Sitzverlagerung.

2. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch, die jeweils im Besitz der Beklagten befindlichen Vervielfältigungsstücke und Daten des Lichtbildwerks „Manhatten Bridge“ zu vernichten und zu löschen, besteht nicht.

Der geltend gemachte Anspruch auf Vernichtung und Löschung kann vorliegend nicht auf den Beseitigungsanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG gestützt werden. Dafür wäre Voraussetzung, dass die Rechtsverletzung zu einer fortdauernden Störung oder Gefährdung geführt hat, die durch ein bloßes Unterlassen nicht beseitigt wird. Vor dem Hintergrund, dass unstreitig die Beklagte ihren Geschäftsgegenstand änderte und die Leiterin der Rechtsabteilung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausführte, dass die Beklagten über keinerlei Daten zu dem streitgegenständlichen Lichtbild mehr verfügen würde, sind die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs nicht dargetan.

Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 98 Abs. 1 S. 1 UrhG. Von dieser Vorschrift werden alle rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke i.S.v. § 16 UrhG erfasst. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Beklagte derartige Vervielfältigungsstücke im Eigentum oder Besitz hat, da sie unstreitig nur eine Plattform für Verkaufsangebote von selbständigen Händlern anbot. Für das Darlegen der Voraussetzungen für einen Vernichtungsanspruch ist nicht ausreichend, dass die Beklagte nach deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Händler den Datenimport (Produktdetails, Bilder etc.) auf ihre Homepage durchführte.

3. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 2 UrhG auf Zahlung von 6.675,00 € zu.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Täuschung über Identität des Anbieters auf Online-Handelsplattform nicht vom Schutzbereich des Markenrechts erfasst wenn nicht über Hersteller getäuscht wird

BGH
Urteil vom 15.10.2020
I ZR 210/18
Vorwerk
MarkenG § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3; UWG § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2


Der BGH hat entschieden, dass die Täuschung über die Identität des Anbieters auf einer Online-Handelsplattform nicht vom Schutzbereich des Markenrechts erfasst wird, wenn nicht über den Markeninhaber / Hersteller getäuscht wird.

Leitsätze des BGH:

1. Die Täuschung über die Identität eines Anbieters, die keine unzutreffende Vorstellung über die Herkunft eines mit der Marke beworbenen Produkts aus dem Betrieb des Markeninhabers verursacht, liegt außerhalb des Schutzbereichs der markenrechtlichen Herkunftshinweisfunktion.

2. Der Umstand, dass ein bestimmter Markenhersteller zum Kreis der auf einem Online-Marktplatz vertretenen Anbieter gehört, kann ein wesentliches Merkmal dieses Dienstleistungsangebots im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 1 UWG darstellen.

BGH, Urteil vom 15. Oktober 2020 - I ZR 210/18 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Kein Wettbewerbsverstoß wenn Unternehmen tatsächlich vorliegenden Rechtsverstoß eines Mitbewerbers bei Online-Handelsplattform meldet

OLG Hamm
Urteil vom 08.10.2020
4 U 7/20


Das OLG Hamm hat entschieden, dass kein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn einen Unternehmen einen tatsächlich vorliegenden Rechtsverstoß eines Mitbewerbers bei einer Online-Handelsplattform meldet.

Aus den Entscheidungsgründen:

b) Die Klage ist mit diesem negativen Feststellungsantrag auch begründet. Der Beklagten zu 1) steht der mit der Abmahnung vom 04.07.2019 geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Als Grundlage für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch kommt allenfalls die Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 UWG in Betracht. Die „Beschwerde“ der Klägerin bei dem Plattformbetreiber vom 03.06.2019 – nur diese ist Gegenstand der Abmahnung der Beklagten zu 1) vom 04.07.2019 – stellt indes keine unlautere geschäftliche Handlung dar.

aa) Es handelt sich um keine „aggressive geschäftliche Handlung“ im Sinne des § 4a UWG. Eine solche geschäftliche Handlung setzt nach § 4a Abs. 1 Satz 2 UWG eine Belästigung, eine Nötigung oder eine unzulässige Beeinflussung voraus. Dass die Klägerin den „B“-Plattformbetreiber mit ihrer Beschwerde belästigt oder genötigt hat, ist nicht ersichtlich. Auch eine unzulässige Beeinflussung liegt nicht vor. Nach § 4a Abs. 1 Satz 3 UWG liegt eine unzulässige Beeinflussung vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt. Hierfür fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

bb) Die Beschwerde vom 03.06.2019 beinhaltete auch keine „Anschwärzung“ im Sinne des § 4 Nr. 2 UWG. Eine solche Anschwärzung setzt nach dem Wortlaut der vorbezeichneten Vorschrift die Behauptung oder Verbreitung falscher oder nicht erweislich wahrer Tatsachen voraus.

(1) Es liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass die Klägerin – sei es nun in der Beschwerde vom 03.06.2019 und/oder in einer etwaigen weiteren Beschwerde – dem Plattformbetreiber über das Produktangebot mit der B SIN &00;0#####1 und das Produktangebot mit der B SIN &00;0#####2 hinaus weitere Produktangebote der Beklagten zu 1) gemeldet hat. Die Beklagten haben insofern letztlich nur Vermutungen geäußert. Dass die Beklagten – die Beklagte zu 1) verfügt immerhin über eine eigene vertragliche Beziehung zu dem Plattformbetreiber – nicht in der Lage gewesen wären zu eruieren, wie häufig und mit welchem jeweiligen konkreten Inhalt die Klägerin sich über die Beklagte zu 1) bei dem Plattformbetreiber beschwert hat, und hierzu im vorliegenden Rechtsstreit konkret vorzutragen, ist nicht erkennbar. Der Umstand, dass der Plattformbetreiber sowohl in seiner E-Mail vom 11.06.2019 als auch in seiner E-Mail vom 26.07.2019 auf eine „Beschwerde“ der Klägerin Bezug genommen hat, ist ohne Aussagekraft, weil die – einzige und auf die beiden oben bezeichneten Produktangebote beschränkte – Eingabe der Klägerin als Auslöser für eigene Überprüfungen des Plattformbetreibers gedient haben kann und nur aus diesem Grunde in den E-Mails Erwähnung gefunden haben mag.

(2) Dass die Klägerin über die beiden unter (1) genannten Produktangebote falsche oder nicht erweislich wahre Tatsachen behauptet hat, ist nicht ersichtlich. Es wäre ohnehin unsinnig, gegenüber dem „B“-Plattformbetreiber unrichtige Tatsachen über den Wortlaut oder die sonstige Gestaltung von Produktangeboten auf seiner eigenen Internetplattform zu behaupten.

cc) Die Beschwerde der Klägerin vom 03.06.2019 enthielt auch keine Herabsetzung oder Verunglimpfung der Beklagten zu 1) im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG. Die in dieser Beschwerde von der Klägerin geäußerte Rechtsauffassung, die beiden Produktangebote, die Gegenstand der Beschwerde waren und die hier auch nur in Rede stehen, entsprächen nicht den Vorgaben der VO (EU) Nr. 874/2012, war vielmehr zutreffend.

Gegenstand des Produktangebotes mit der B SIN &00;0#####1 und des Produktangebotes mit der B SIN &00;0#####2 waren jeweils Leuchten mit fest eingebauten LED-Modulen. Art. 4 Abs. 2 lit. d) der VO (EU) Nr. 874/2012 in der bis zum 24.12.2019 geltenden Fassung verpflichtete Händler von Leuchten, die an Endnutzer vermarktet wurden, dafür zu sorgen, dass jedes Modell, das im Internet zum Verkauf, zur Vermietung oder zum Ratenkauf angeboten wurde und für das vom Leuchtenlieferanten ein elektronisches Etikett bereitgestellt wurde, mit diesem Etikett gemäß dem Anhang VIII der Verordnung versehen war.

Die beiden hier in Rede stehenden „B“-Produktangebote der Beklagten zu 1) richteten sich – jedenfalls auch – an Endnutzer. Dass der Lieferant der Leuchten für diese Produkte kein elektronisches Etikett bereitstellte, haben die Beklagten nicht vorgetragen. Die beiden Produktangebote genügten den Vorgaben des Anhanges VIII der VO (EU) Nr. 874/2012 indes nicht. Nach Anhang VIII Nr. 2 Sätze 1 und 2 der VO (EU) Nr. 874/2012 musste das Etikett gut sichtbar und leserlich in der Nähe des Produktpreises dargestellt werden; hilfsweise erlaubte Anhang VIII Nr. 2 Sätze 3 und 4 der VO (EU) Nr. 874/2012 die Anzeige des Etiketts mit Hilfe einer sogenannten „geschachtelten Anzeige“ (Legaldefinition in Anhang VIII Nr. 1 lit. b) der VO (EU) Nr. 874/2012). Nach Anhang VIII Nr. 3 lit. a) der VO (EU) Nr. 874/2012 musste das als „Link“ für den Zugang zum Etikett genutzte Bild bei einer geschachtelten Anzeige ein Pfeil in der Farbe der Energieeffizienzklasse des Produkts auf dem Etikett sein; Anhang VIII Nr. 3 litt. b) und c) der VO (EU) Nr. 874/2012 enthielten weitere Vorgaben für die Gestaltung dieses Pfeils. Dieser Pfeil musste wiederum nach Anhang VIII Nr. 4 lit. a) der VO (EU) Nr. 874/2012 in der Nähe des Produktpreises dargestellt werden. Die beiden hier in Rede stehenden Produktangebote der Beklagten zu 1) enthielten in der Nähe des jeweiligen Produktpreises weder ein den Vorgaben des Anhanges I der VO (EU) Nr. 874/2012 entsprechendes Etikett noch einen den oben dargestellten Vorgaben entsprechenden „Link“ für eine „geschachtelte Anzeige“ des Etiketts.

dd) Die Beschwerde der Klägerin vom 03.06.2019 ist schließlich auch nicht als gezielte Behinderung der Beklagten zu 1) im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG zu werten.

Nicht jede Behinderung eines Wettbewerbers unterfällt der Regelung des § 4 Nr. 4 UWG. Es müssen vielmehr besondere, die Unlauterkeit der Behinderung des Wettbewerbers begründende Umstände hinzutreten (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. [2020], § 4 Rdnr. 4.7 m.w.N.). Derartige besondere Umstände sind hier nicht ersichtlich.

(1) Dass die beiden hier in Rede stehenden Produktangebote den für sie geltenden gesetzlichen Anforderungen nicht genügten und dementsprechend die von der Klägerin gegenüber dem „B“-Plattformbetreiber geäußerte Rechtsauffassung zutreffend war, hat der Senat oben bereits ausgeführt.

(2) Dass die Klägerin ihre Beschwerde an den Plattformbetreiber aus sachfremden – wettbewerbsfremden – Interessen abgesetzt hat, ist nicht ersichtlich. Dass die Klägerin zunächst den Weg der Beschwerde an den Plattformbetreiber gewählt hat, der überdies schnell und effizient zu einer Entfernung der nicht gesetzeskonformen Produktangebote aus dem Internet geführt hat, und nicht sofort eine gegebenenfalls Kostenerstattungsansprüche auslösende Abmahnung ausgesprochen hat, spricht im Gegenteil dafür, dass ihr Vorgehen dem Interesse an einem lauteren, gesetzeskonformen Wettbewerb entsprang.

(3) Dass die Klägerin das sogenannte „Infringement“-Verfahren des „B“-Plattformbetreibers missbraucht hat, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe dieses Verfahren nicht genutzt, sondern sich vielmehr direkt an die Rechtsabteilung des Plattformbetreibers gewandt. Hierfür spricht auch der Wortlaut der beiden E-Mails vom 11.06.2019 und vom 26.07.2019, in denen von einer Verletzung gewerblicher Schutzrechte nicht die Rede ist, sondern ausdrücklich auf eine Zuwiderhandlung gegen Anhang VIII der VO (EU) Nr. 874/2012 abgestellt wird. Das Vorbringen der Beklagten zu einem angeblichen Missbrauch des „Infringement“-Verfahrens ist vor diesem Hintergrund substanzlos und geht über bloße Vermutungen nicht hinaus.

(4) Eine gezielte Behinderung könnte allenfalls dann vorliegen, falls der Klägerin im unmittelbaren Rechtsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten zu 1) keine (lauterkeitsrechtlichen) Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) wegen der Zuwiderhandlung gegen Anhang VIII der VO (EU) Nr. 874/2012 zustehen, z.B. weil diese Zuwiderhandlungen nicht spürbar im Sinne des § 3a UWG sind. Die von der Klägerin beim Plattformbetreiber erhobene Beschwerde wäre dann mit dem Fall einer unberechtigten „externen“ Abmahnung gegenüber einem für den (vermeintlichen) Wettbewerbsverstoß „Mitverantwortlichen“ vergleichbar (vgl. zu dieser Fallgruppe: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 4 Rdnr. 4.167). Abgesehen davon, dass das Landgericht Frankfurt am Main in den beiden dort anhängigen Verfahren jeweils lauterkeitsrechtliche Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) bejaht hat, wäre eine „gezielte Behinderung“ der Beklagten zu 1) durch die Beschwerde der Klägerin bei dem Plattformbetreiber nur dann anzunehmen, wenn die Klägerin Kenntnis vom Fehlen (unmittelbarer) lauterkeitsrechtlicher Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) gehabt hätte oder sich dieser Kenntnis bewusst verschlossen hätte (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 4 Rdnr. 4.167). Hierfür fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Berlin: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Anbieten eines PKW in Rubrik Geländewagen einer Online-Handelsplattform obwohl kein Allradantrieb vorhanden ist

LG Berlin
Beschluss vom 12.03.2019
102 O 16/19


Das LG Berlin hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn ein Unternehmen einen PKW in der Rubrik "Geländewagen" einer Online-Handelsplattform anbietet, obwohl das Fahrzeug über keinen Allradantrieb verfügt.




EuGH: Verkauf mehrer Artikel auf Online-Plattform bedeutet nicht automatisch Handeln als Gewerbetreibender oder Unternehmer - Einzelfallprüfung erforderlich

EuGH
Urteil vom 04.10.2018
C-105/17
Komisia za zashtita na potrebitelite / Evelina Kamenova


Der EuGH hat entschieden, dass der Verkauf mehrer Artikel auf einer Online-Handelsplattform nicht automatisch ein Handeln als Gewerbetreibender oder Unternehmer und den damit einhergehenden Pflichten und Pflichtinformationen bedeutet. Vielmehr ist eine Einzelfallprüfung erforderlich.


Tenor der Entscheidung:

Art. 2 Buchst. b und d der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) und Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sind dahin auszulegen, dass eine natürliche Person wie die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die gleichzeitig eine Reihe von Anzeigen, in denen neue und gebrauchte Waren zum Verkauf angeboten werden, auf einer Website veröffentlicht, nur dann als „Gewerbetreibender“ bzw. „Unternehmer“ einzustufen ist und eine solche Tätigkeit nur dann eine „Geschäftspraxis“ darstellt, wenn diese Person im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt; dies anhand aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Eine Person, die auf einer Website eine Reihe von Verkaufsanzeigen veröffentlicht, ist nicht automatisch ein „Gewerbetreibender“

Diese Tätigkeit kann als „Geschäftspraxis“ eingestuft werden, wenn die Person im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt.

Ein Verbraucher erwarb auf einer Online-Plattform eine gebrauchte Armbanduhr. Nachdem er festgestellt hatte, dass die Uhr nicht die Eigenschaften aufwies, die in der Verkaufsanzeige angegeben waren, teilte der Verbraucher dem Verkäufer mit, dass er den Vertrag widerrufen wolle. Frau Evelina Kamenova, die Verkäuferin, lehnte es ab, die Ware gegen Erstattung des Entgelts zurückzunehmen. Daher legte der Verbraucher eine Beschwerde bei der bulgarischen Kommission für Verbraucherschutz (KfV) ein.

Nach einer Abfrage auf der fraglichen Online-Plattform stellte die KfV fest, dass am 10. Dezember 2014 noch acht Verkaufsanzeigen zu verschiedenen Waren auf dieser Website von Frau Kamenova unter dem Pseudonym „eveto-ZZ“ veröffentlicht waren.

Mit Bescheid vom 27. Februar 2015 stellte die KfV fest, dass Frau Kamenova eine Ordnungswidrigkeit begangen habe, und verhängte mehrere Geldbußen gegen sie, die auf das nationale Verbraucherschutzgesetz gestützt waren. Nach Ansicht der KfV hatte es Frau Kamenova in sämtlichen dieser Anzeigen unterlassen, Angaben zu Namen, Postanschrift und E-Mail-Adresse
des Gewerbetreibenden, zum Endpreis der zum Verkauf angebotenen Ware einschließlich aller Steuern und Abgaben, zu den Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen, zum Recht des Verbrauchers auf Widerruf des Fernabsatzvertrags und zu Bedingungen, Frist und Verfahren der Ausübung dieses Rechts zu machen sowie darauf hinzuweisen, dass eine gesetzliche
Gewährleistung für die Vertragsgemäßheit der Ware bestehe.

Frau Kamenova erhob vor den bulgarischen Gerichten Klage gegen diesen Bescheid und begründete diese damit, dass sie keine „Gewerbetreibende“ sei und die Vorschriften des bulgarischen Gesetzes daher nicht anwendbar seien. Vor diesem Hintergrund fragt der Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) den Gerichtshof, ob eine Person, die auf einer Website eine vergleichsweise große Zahl von Anzeigen über den Verkauf von Waren mit erheblichem Wert veröffentlicht, als „Gewerbetreibender“ im Sinne der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken eingestuft werden kann.

In seinem Urteil vom heutigen Tag führt der Gerichtshof zunächst aus, dass es für eine Einstufung als „Gewerbetreibender“ im Sinne der Richtlinie erforderlich ist, dass die betreffende Person „im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit“ oder im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt.

Der Gerichtshof stellt sodann klar, dass der Sinn und die Bedeutung des Begriffs „Gewerbetreibender“ anhand des Begriffs „Verbraucher“ zu bestimmen sind, der jeden nicht gewerblich oder beruflich Tätigen bezeichnet.

Der Gerichtshof stellt in diesem Zusammenhang fest, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, auf der Grundlage aller ihm vorliegenden tatsächlichen Angaben von Fall zu Fall zu entscheiden, ob eine natürliche Person wie Frau Kamenova im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit gehandelt hat, indem es u. a. prüft, ob der Verkauf planmäßig erfolgte, ob er eine gewisse Regelmäßigkeit hatte oder mit ihm ein Erwerbszweck verfolgt wurde, ob sich das Angebot auf eine begrenzte Anzahl von Waren konzentriert, und die Rechtsform sowie die technischen Fähigkeiten des Verkäufers ermittelt.

Um die fragliche Tätigkeit als „Geschäftspraxis“ einstufen zu können, muss das vorlegende Gericht zudem prüfen, ob diese Tätigkeit zum einen von einem „Gewerbetreibenden“ ausgeht und zum anderen eine Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise, Erklärung oder kommerzielle Mitteilung darstellt, „die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt“.

Daher gelangt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass eine natürliche Person, die eine Reihe von Anzeigen, in denen neue und gebrauchte Waren zum Verkauf angeboten werden, gleichzeitig auf einer Website veröffentlicht, nur dann als Gewerbetreibender“ einzustufen ist und eine solche Tätigkeit nur dann eine „Geschäftspraxis“ darstellt, wenn diese Person
im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: