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AG München: Kein wirksamer Vertragsschluss wenn "Jetzt Kaufen"-Button mit Einkaufswagen-Symbol verbunden ist

AG München
Urteil vom 26.01.2023
191 C 1446/22


Das AG München hat entschieden, das kein wirksamer Vertragsschluss vorliegt, wenn ein "Jetzt Kaufen"-Button mit einem Einkaufswagen-Symbol verbunden ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts vom 19.05.2025:
Kein Vertragsschluss bei Klick auf „Jetzt Kaufen“ - Kein wirksamer Reisevertrag bei irreführender Gestaltung der Homepage

Die Münchner Klägerin besuchte am 10.11.2021 die Homepage der Beklagten, um nach Reisen im Dezember 2021 zu suchen. Unter den Suchergebnissen befand sich eine Reise nach Dubai für zwei Personen. Die Klägerin gab die Personendaten ein, um den endgültigen Reisepreis zu erfahren.

Anschließend wurde die Klägerin auf eine Homepage weitergeleitet, welche Hinweise zur Unterrichtung von Reisenden bei einer Pauschalreise enthielt. Darunter befand sich ein farblich abgesetzter Kasten mit dem Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB […]. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben.“
Hierunter befand sich der Button „Jetzt kaufen“ mit dem Symbol eines Einkaufswagens daneben. Die Klägerin klickte auf die Schaltfläche „Jetzt kaufen“ und verließ anschließend die Homepage.

Am selben Abend erhielt die Klägerin eine Buchungsbestätigung und Zahlungsaufforderung der Beklagten für eine Reise nach Dubai zu einem Preis von 2.834 €. Da die Klägerin die Zahlung verweigerte, stornierte die Beklagte die Reise und stellte eine Storno-Gebühr in Höhe von 2.692,30 € in Rechnung. Diese bezahlte die Klägerin unter Vorbehalt.

Die Klägerin meint, es sei kein Vertrag zwischen ihr und der Beklagten zustande gekommen, da die Gestaltung der Homepage nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 312j Abs. 3 BGB entspreche. Sie verklagte das Reiseunternehmen daher vor dem Amtsgericht München auf Rückzahlung der 2.692,30 €.

Das Amtsgericht München gab der Klägerin mit Urteil vom 26.01.2023 Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 2.692,30 € nebst Zinsen. In seinem Urteil führte es unter anderem aus:

„[Zwischen] den Parteien wurde schon kein wirksamer Vertrag im Sinne des § 651a I BGB geschlossen. Für den Abschluss eines Vertrages bedarf es zweier übereinstimmender Willenserklärungen, Angebot, § 145 BGB, und Annahme, § 147 BGB. […]

[Es] liegt kein Angebot seitens der Beklagten in dem zur Verfügung stellen der Internetseite mit dem Button „Jetzt kaufen“ […]. Unstreitig hat die Klägerin auf diesen Button geklickt. Allerdings genügt die Gestaltung der Internetseite der Beklagten vor Bestellabschluss nicht den Anforderungen des § 312j III BGB. Denn zwar weist der Text des Buttons „Jetzt kaufen“ auf die Entgeltlichkeit des zu schließenden Vertrages hin. Allerdings kann das Symbol eines Einkaufswagens neben dem Schriftzug dahingehend verstanden werden, dass der Kunde durch das Klicken auf den Button erst seinen Warenkorb befüllt und sich nicht schon am Ende des Buchungsprozesses befindet.

Außerdem ist der Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB […]. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben“ irreführend. Denn durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont […] ergibt sich, dass der Kunde durch das Klicken auf den „Jetzt kaufen“ - Button lediglich AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptiert, sowie die Richtigkeit der eingegebenen Daten [und] den Erhalt des Formblatts bestätigt. Von der Abgabe einer abschließenden Willenserklärung nach § 145 BGB wegen einer Reise ist dem Text nichts zu entnehmen. Vielmehr legt der Text nahe, dass bei Fortsetzung des Buchungsprozesses noch weitere Erklärungen abzugeben sind. Außerdem fehlt eine Übersicht über die zu buchenden Reise, sowie eine Preisangabe.“

Ein bindendes Angebot der Beklagten sah das Gericht jedoch in der übersandten Buchungsbestätigung. Dieses wurde aber von der Klägerin nicht angenommen.

Urteil des Amtsgerichts München vom 26.01.2023
Aktenzeichen: 191 C 1446/22
Das Urteil ist rechtskräftig.


BVerwG: Pressefreiheit gilt auch für Online-Plattform FragDenStaat - kein Auskunftsanspruch gegen BND hinsichtlich der Nutzung der Spionagesoftware Pegasus

BVerwG
Urteil vom 07.11.2024
10 A 5.23


Das BVerwG hat entschieden, dass die Pressefreiheit auch für Online-Plattformen wie FragDenStaat gilt. Vorliegend hat das Gericht einen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegen den BND hinsichtlich der Nutzung der Spionagesoftware Pegasus jedoch verneint, da diesem überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der Kläger unterfällt dem persönlichen Anwendungsbereich des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

Das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verleiht in seiner objektiv-institutionellen Dimension und in Ermangelung einer einfachgesetzlichen bundesrechtlichen Regelung den Presseangehörigen einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden, soweit auf diese die Landespressegesetze mit den in ihnen enthaltenen Auskunftsanspruchsnormen wegen der entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Anwendung finden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2021 - 10 C 3.20 - BVerwGE 174, 66 Rn. 25 m. w. N.). Aufgrund dieses verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Presseangehörige auf hinreichend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden sind und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall. Dabei kommt eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht. Zudem darf der Anspruch in seinem materiellen Gehalt nicht hinter demjenigen der im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Abwägung zielenden Auskunftsansprüche nach den Landespressegesetzen zurückbleiben (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1452/13 - NVwZ 2016, 50 Rn. 12). Entscheidend ist, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, dass es den Anspruch auf Auskunft ausschließt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 18 m. w. N. und vom 9. November 2023 - 10 A 2.23 - NVwZ 2024, 573 Rn. 12).

Hiervon ausgehend kann sich der Kläger auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen. Es kommt nicht darauf an, ob seine publizistische Tätigkeit im Rahmen von Printmedien oder der digitalen Presse erfolgt (a). Der Kläger ist auch publizistisch tätig (b).

a) Der Begriff der Presse ist weit und formal und kann nicht von einer Bewertung des Druckerzeugnisses abhängig gemacht werden (BVerfG, Beschlüsse vom 25. Januar 1984 - 1 BvR 272/81 - BVerfGE 66, 116 <134> und vom 8. Oktober 1996 - 1 BvR 1183/90 - BVerfGE 95, 28 <35>). Er ist entwicklungsoffen (Bethge, in: Sachs, Grundgesetz, 10. Aufl. 2024, Art. 5 Rn. 68; Kaiser, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 4. Aufl. 2023, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 86; Degenhart, in: Kahl/​Waldhoff/​Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Oktober 2024, Art. 5 Rn. 193 ff.). Der Verfassungsgeber ist bei der Begriffswahl "Presse" mit dem Ziel der grundrechtlichen Sicherung der Demokratie (BVerfG, Urteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u. a. - BVerfGE 20, 162 <174 f.>) von dem zu dieser Zeit existierenden Massenmedium der Presse ausgegangen und hatte Druckerzeugnisse entsprechend der damaligen Herstellungstechnik vor Augen (etwa Degenhart, in: Kahl/​Waldhoff/​Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Oktober 2024, Art. 5 Rn. 193; Grabenwarter, in: Dürig/​Herzog/​Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Stand August 2024, Art. 5 Abs. 1 Rn. 239). Dieser technikbezogene Ansatz bestimmt den Begriff der Presse aber nicht abschließend. Der intendierte Schutz richtet sich nicht ausschließlich auf den Einsatz der Druckerpresse. Das Druckwerk ist die ursprüngliche, aber unter den Bedingungen der heutigen Zeit nur eine unter vielen weiteren Methoden der Vervielfältigung. Vor dem Hintergrund der gewandelten tatsächlichen Verhältnisse (Kaiser, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 4. Aufl. 2023, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 7) ist es für den Gewährleistungsgehalt der Pressefreiheit unerheblich, auf welche Art und Weise der geistige Inhalt verkörpert wird. Damit stehen mit der klassischen Presse vergleichbare Massenmedien, die deren Aufgabe erfüllen, umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1961 - 2 BvG 1/60 u. a. - BVerfGE 12, 205 <260 f.> und Beschluss vom 6. November 1979 - 1 BvR 81/76 - BVerfGE 52, 283 <296>), gleichermaßen unter verfassungsrechtlichem Schutz. Auch elektronische Medien haben an der Aufgabe der Sicherung der Demokratie teil (vgl. auch Degenhart, in: Kahl/​Waldhoff/​Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Oktober 2024, Art. 5 Rn. 197 f.; Grabenwarter, in: Dürig/​Herzog/​Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Stand August 2024, Art. 5 Abs. 1 Rn. 251 ff., 266; Cornils, in: Löffler, Presserecht, 7. Aufl. 2023, Einl. Rn. 106). Maßgeblich ist allein, inwieweit Online-Angebote funktional der Presse entsprechen. Jedenfalls journalistisch-redaktionell aufbereitete Beiträge in Wort und Bild, die an der für das demokratische Gemeinwesen unentbehrlichen Aufgabe der Wiedergabe der Meinungsvielfalt und der Meinungsbildung teilhaben, sind deshalb dem verfassungsrechtlichen Schutz der Pressefreiheit nach den dafür maßgeblichen Kriterien zuzuordnen. Dementsprechend unterfällt die digitale Presse, soweit sie funktional den traditionellen Presseerzeugnissen vergleichbar ist, der Pressefreiheit (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Oktober 2024 - 6 S 37/24 - juris Rn. 12 f.). Von einem digitale Formen der Verbreitung umfassenden Begriff der Presse ist auch das Bundesverfassungsgericht ausgegangen, als es das Setzen eines Links in einem Online-Artikel wegen seiner Einbettung in eine pressetypische Stellungnahme von der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als erfasst angesehen hat (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Dezember 2011 - 1 BvR 1248/11 - BVerfGK 19, 278 <284>). Für den verfassungsrechtlichen Schutz als Presse ist gleichfalls ohne Belang, ob die digitale Version ergänzende Texte zu einer Printversion enthält, das alleinige Format der Publikation ist oder der Alternativverbreitung der Printversion dient.

b) Entgegen der Auffassung des BND ist der Kläger publizistisch tätig. Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 2019 - 7 C 26.17 -‌ (BVerwGE 165, 82 Rn. 24 ff.) lässt sich die vom BND vertretene Meinung, die klägerische Tätigkeit diene nicht in eindeutiger Weise oder zumindest vorrangig einem publizistischen Zweck, nicht begründen. In dem in Bezug genommenen Urteil war die Aktivlegitimation eines Unternehmens zu beurteilen, das einen vornehmlich außerpublizistischen Geschäftszweck verfolgte und nicht vorrangig die Funktion der Presse wahrnahm. Die dort angelegten Maßstäbe führen im vorliegenden Fall indes zur Einordnung der Recherchetätigkeit des Klägers als Pressetätigkeit. Das konkrete Auskunftsbegehren des Klägers dient einem journalistisch-redaktionellen Zweck. Er beabsichtigt, seine Rechercheergebnisse zum Erwerb und zur Nutzung der Software "Pegasus" nach Auswertung zu veröffentlichen. Die Annahme, eine Publikation diene der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse, ist für Journalisten und Redakteure ohne Weiteres regelmäßig gerechtfertigt (BVerwG a. a. O. Rn. 26). Ob der Kläger auch oder gar vorrangig als Projektleiter des Portals FragDenStaat.de tätig ist, bleibt ohne Bedeutung für die Bejahung seiner Pressetätigkeit. Ob er diese haupt- oder nebenberuflich ausübt, ist gleichfalls unerheblich. Dass die Plattform Bürgerinnen und Bürger bei der Stellung von Anträgen auf Informationszugang nach den verschiedenen Informationsfreiheitsgesetzen unterstützt, steht der Beurteilung der Tätigkeit des Klägers als Pressetätigkeit gleichfalls nicht entgegen. Überdies kommt es auf eine Beurteilung der Tätigkeit der Plattform nicht an. Sie ist nicht Klägerin im vorliegenden Verfahren.

Der Kläger ist außerdem im Besitz eines bundeseinheitlichen Presseausweises für das Jahr 2024. Dieser gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 der Vereinbarung zwischen dem Vorsitz der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder und dem Trägerverein des Deutschen Presserates e. V. vom Journalistenverband Berlin und Brandenburg (JVBB) im Deutschen Journalistenverband ausgestellte Presseausweis indiziert, dass der Kläger als Inhaber des Ausweises sich auf die Pressefreiheit berufen kann. Anlass zu Ausführungen, unter welchen Voraussetzungen diese Indizwirkung entkräftet sein kann, besteht bei ihm nicht.

2. Es liegen aber überwiegende öffentliche Interessen vor, die dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch des Klägers entgegenstehen.

a) Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine einzelfallbezogene Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit entgegenstehenden öffentlichen und privaten Belangen. Belange, die nach Maßgabe einer Abwägung mit dem Informationsinteresse der Presse ein schutzwürdiges öffentliches Interesse an der Geheimhaltung von Informationen begründen und demgemäß den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse begrenzen können, sind vom BND als auskunftspflichtiger Stelle darzulegen und durch das Gericht grundsätzlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollumfänglich zu überprüfen (BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 -‌ BVerwGE 166, 303 Rn. 16 ff. m. w. N.).

Als schutzwürdiges öffentliches Interesse anerkannt ist die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste. Dieses Erfordernis, das das Bundesverfassungsgericht als Grenze des parlamentarischen Informationsanspruchs aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG anerkannt hat (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 - BVerfGE 146, 1 Rn. 94 f., 109, 112 ff.) und das als überwiegendes öffentliches Interesse in den Kanon der Auskunftsverweigerungsgründe nach den Landespressegesetzen eingeordnet werden kann, begrenzt den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse. Es findet - als Sicherung der Erfüllung der in § 1 Abs. 2 Satz 1 BNDG benannten Aufgaben des BND - spezielle Ausprägungen in dem Schutz der operativen Vorgänge des Dienstes, dem Schutz seiner Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten, dem Schutz seiner Arbeitsweise und Methodik, dem Schutz seiner Mitarbeiter vor Enttarnung sowie in dem nachrichtendienstlichen Quellenschutz (BVerwG, Urteile vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 19 f. m. w. N. und vom 9. November 2023 - 10 A 2.23 - NVwZ 2024, 573 Rn. 20).

Auch der Schutz der auswärtigen Interessen der Bundesrepublik Deutschland kann der Erteilung einer presserechtlichen Auskunft als überwiegendes öffentliches Interesse entgegenstehen (BVerwG, Beschlüsse vom 12. September 2024 ‌- 10 VR 1.24 - NVwZ 2024, 1773 Rn. 27 und vom 6. November 2024 - 10 VR 3.24 -‌ juris Rn. 7). Die Pflege auswärtiger Beziehungen fällt innerhalb des Verfassungsgefüges der Bundesrepublik Deutschland von der Verbandskompetenz her dem Bund zu (Art. 32 Abs. 1 GG), beim Bund zuvörderst der Bundesregierung. Deswegen steht ihr in diesem Bereich auch ein weit bemessener Spielraum eigener Gestaltung zu (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 2008 - 2 BvE 1/03 -‌ BVerfGE 121, 135 <158>), der sich weitgehend der gerichtlichen Kontrolle entzieht (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - NVwZ 2010, 321 Rn. 15). Bei der Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen bedient sich die Bundesregierung u. a. des BND, welcher gemäß § 1 Abs. 2 BNDG Erkenntnisse sammelt, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. Hierbei untersteht er der Aufsicht des Bundeskanzleramts gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BNDG (BVerwG, Beschluss vom 12. September 2024 - 10 VR 1.24 - NVwZ 2024, 1773 Rn. 27 f.).

Liegt dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden ein umfassendes Abwägungsmodell zu Grunde, erweist sich keine dieser Ausprägungen schutzwürdiger öffentlicher Interessen als von vornherein abwägungsfest im Sinne eines Vorrangs des öffentlichen Geheimhaltungsinteresses vor dem Informationsinteresse der Presse. So wird sich insbesondere das Interesse an einem Geheimschutz für die operativen Vorgänge des Bundesnachrichtendienstes, ohne dass hierzu nähere Darlegungen seitens der Beklagten erforderlich sind, in der Abwägung mit dem Informationsinteresse der Presse regelmäßig durchsetzen (BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 ‌- 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 20). Der Regelvorrang des öffentlichen Geheimhaltungsinteresses ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf Auskunftsbegehren zu beschränken, die sich auf den Einsatz menschlicher Quellen beziehen oder aufgrund derer die Enttarnung einer menschlichen Quelle droht. Vielmehr dient der Schutz operativer Vorgänge der Erfüllung der Aufgabe des BND. Operative Vorgänge setzen den Einsatz menschlicher Quellen nicht voraus, sondern umfassen alle Maßnahmen zur Informationsgewinnung. Ausschlaggebend ist nicht allein der Quellenschutz, sondern auch die Gefahr, dass durch Offenlegung operativer Vorgänge deren weitere Durchführung gefährdet oder Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des BND möglich werden. Allerdings ist der Zeitablauf als bedeutsamer, wenn auch nicht allein ausschlaggebender Faktor in Rechnung zu stellen, so dass eine drohende Offenlegung lange Zeit zurückliegender operativer Vorgänge nur dann zu einem Ausschluss des Auskunftsanspruchs führt, wenn noch, was dann besonderer Darlegung durch die Beklagte bedarf, die Möglichkeit von Rückschlüssen auf die heutige nachrichtendienstliche Arbeitsweise besteht (BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 ‌- 6 A 7.18 - BVerwGE 166, 303 Rn. 20).

b) In Anwendung dieser Maßstäbe ist das publizistische Informationsinteresse hinsichtlich der Fragen zu 1., ob der BND Vereinbarungen oder Verträge mit der NSO Group oder Anderen in Bezug auf die Nutzung der Software "Pegasus" hat oder hatte und ob er "Pegasus" gekauft hat, gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse nachrangig.

Der BND hat im Einzelnen plausibel dargelegt, dass diese Auskünfte seine Funktionsfähigkeit beeinträchtigen können. Die Fragen zielen auf die Offenlegung der aktuellen nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Methodik des BND ab. Diese könnte mittelbar auch operative Vorgänge gefährden. Zuzugeben ist dem Kläger, dass nicht alle Angaben, die einen Bezug zur operativen Tätigkeit des BND haben, in einem Maße geheimhaltungsbedürftig sind, dass ein publizistisches Informationsinteresse regelmäßig zurückstehen muss. Das wäre nur der Fall, wenn Auskünfte über die Arbeitsweise und Methodik eine konkrete operative Tätigkeit gefährden könnten. Im Übrigen kommt es maßgeblich darauf an, ob die Bekanntgabe der begehrten Informationen Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des BND ermöglicht. So liegt es hier. Zwar begehrt der Kläger mit den Eingangsfragen allein die Auskunft über die Existenz von Vereinbarungen mit der NSO Group oder Anderen, ohne sich auf konkrete Operationen zu beziehen. Die beanspruchte Information beinhaltet jedoch die Auskunft darüber, ob dem BND die Software "Pegasus" zur Verfügung steht. Damit wird die Möglichkeit von Operationen mit Hilfe der Software oder ihr Fehlen bekannt. Eine solche Bekanntgabe der Information, welche konkreten Operationen im Rahmen seiner Möglichkeiten nach dem Bundesnachrichtendienstgesetz überhaupt in Betracht kommen, muss indes unterbleiben. Nur so können nach den für den Senat überzeugenden Darlegungen der Beklagten Rückschlüsse auf konkrete Operationen und die Gefahr, dass laufende Operationen abgebrochen werden müssen, verhindert werden. Zielpersonen könnten anderenfalls gezielt nach Spuren der Software suchen, so dass der handelnde Nachrichtendienst aufgedeckt werden könnte oder die Zielpersonen ihr Kommunikationsverhalten ändern (vgl. auch die entsprechenden Erklärungen der Bundesregierung BT-Drs. 19/31818 S. 25 f. sowie BT-Drs. 19/32246 S. 4).

Die Informationen wären zudem für ausländische Geheim- und Nachrichtendienste und Andere mögliche Aufklärungsziele von bedeutendem Interesse. Diese könnten die Fähigkeiten des BND bei der nachrichtentechnischen Überwachung mithilfe von weiteren öffentlich verfügbaren Informationen ausleuchten, Rückschlüsse auf die technischen Fähigkeiten des BND ziehen und etwaige Spähmaßnahmen leichter entdecken, sich dagegen schützen und sie einem Staat zuordnen. Dies gilt bei einer Verneinung der verfahrensgegenständlichen Frage ebenso wie bei einer Bejahung. Auch bei einer Verneinung ließe sich in Zusammenschau mit anderen Informationen ein genaueres Bild der Fähigkeiten und Arbeitsweise des BND zeichnen, was ebenfalls die Funktionsfähigkeit des BND nachhaltig beeinträchtigen könnte.

Der Schutz der Zusammenarbeit des BND mit anderen Nachrichtendiensten wäre bei Erteilung der Auskünfte gleichfalls beeinträchtigt. Um außen- und sicherheitspolitisch relevante Erkenntnisse zu gewinnen, ist er in vielen Fällen auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten angewiesen. Dabei erfährt der BND beispielsweise, welches Erkenntnisinteresse der ausländische Nachrichtendienst verfolgt. Die Zusammenarbeit setzt voraus, dass die beteiligten Nachrichtendienste sich wechselseitig darauf verlassen können, dass von ihnen für geheimhaltungsbedürftig angesehene Informationen auch von der anderen Seite geheim gehalten werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 ‌- 2 BvE 2/15 - BVerfGE 143, 101 Rn. 127; BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 - NVwZ 2015, 1383 Rn. 11). Würde der BND über das Ob und Wie seiner Zusammenarbeit mit Dritten sprechen, würde er von den ausländischen Diensten als unzuverlässiger Partner wahrgenommen werden, was die Erfüllung seiner Aufgaben beeinträchtigen könnte. Ergänzend kommt hinzu, dass eine Offenbarung einer Zusammenarbeit des BND mit einem ausländischen Unternehmen hinsichtlich eines bedeutenden Überwachungsinstruments auch die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland mit dem betreffenden ausländischen Staat - vorliegend Israel - beeinträchtigen könnte.

Sind die Eingangsfragen aus Geheimhaltungsgründen nicht zu beantworten, scheidet auch die Beantwortung der weiteren Fragen (2. a) bis h)) aus. Unabhängig davon, ob sich die Fragestellungen auf operative Vorgänge und/​oder auf die Arbeitsweise und Methodik des BND beziehen, kommt es auf das Vorliegen einer der übrigen Fallkategorien, in denen das Informationsinteresse des Klägers hinter dem Geheimhaltungsinteresse des Staates zurückstehen müsste, nicht mehr an.

3. Aus Art. 10 EMRK ergeben sich hier wie regelmäßig keine weitergehenden Rechte (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 45, vom 24. Januar 2018 - 6 A 8.16 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 7 Rn. 34, vom 25. Oktober 2018 - 7 C 6.17 - Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 19 Rn. 18 und vom 28. Oktober 2021 - 10 C 3.20 - BVerwGE 174, 66 Rn. 28).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: § 656 Abs. 1 BGB nicht auf Online-Partnervermittlung anwendbar wenn Leistung im wesentlichen in Zugang zu Internetplattform besteht

BGH
Urteil vom 17.06.2021
III ZR 125/19
Online-Partnervermittlungsvertrag
BGB § 656 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass § 656 Abs. 1 BGB nicht auf eine Online-Partnervermittlung anwendbar ist, wenn die Leistung im wesentlichen aus dem unbeschränkten Zugang zur vom Anbieter betriebenen Internetplattform besteht.

Leitsatz des BGH:

§ 656 Abs. 1 BGB ist auf einen Vertrag über eine Online-Partnervermittlung, bei der
die Leistungspflicht des Partnervermittlers vor allem darin besteht, Kunden einen unbeschränkten Zugang zu seiner Internetplattform zu gewähren, auf der die Kunden aus
eigener Initiative einen Kontakt zu möglichen Partnern herstellen können, und bei der
die Partnervorschläge des Partnervermittlers allein auf einem elektronischen Abgleich
der nicht näher überprüften eigenen Angaben der Kunden beruhen, nicht entsprechend anwendbar (Abgrenzung von Senat, Urteile vom 4. März 2004 - III ZR 124/03,
NJW-RR 2004, 778, 779 und vom 17. Januar 2008 - III ZR 239/06, NJW 2008, 982
Rn. 21; BGH, Urteil vom 11. Juli 1990- IV ZR 160/89, BGHZ 112, 122, 126).

BGH, Urteil vom 17. Juni 2021 - III ZR 125/19 - LG Hamburg - AG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Dresden: Unbefugte Veröffentlichung einer fremden Handynummer auf einem Online-Portal ist Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und Verstoß gegen Art. 6 DSGVO

OLG Dresden
Beschluss vom 06.01.2021
4 U 1928/20


Das OLG Dresden hat entschieden, dass die unbefugte Veröffentlichung einer fremden Handynummer auf einem Online-Portal eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und einen Verstoß gegen Art. 6 DSGVO darstellt. Der Betroffene hat u.a. einen abmahnfähigen Unterlassungsanspruch gegen den Täter.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Allerdings hätte es vor Erlass dieses Beschlusses den Bekl. – ggf. telefonisch – anhören müssen. Als Ausfluss des Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, der eine besondere Ausprägung der Waffengleichheit ist, ist es grundsätzlich geboten, in einem gerichtlichen Verfahren der Gegenseite grundsätzlich vor einer Entscheidung Gehör und damit die Gelegenheit zu gewähren, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen. Entbehrlich ist eine vorherige Anhörung nur in Ausnahmefällen. Voraussetzung der Verweisung auf eine nachträgliche Anhörung ist, dass sonst der Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens vereitelt würde (BVerfG, einstweilige Anordnung vom 03. Juni 2020 – 1 BvR 1246/20 –, Rn. 16, juris Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 14 bis 16 juris). Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht erkennbar. Dies wirkt sich jedoch im Berufungsverfahren nicht mehr aus. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist jedenfalls geheilt, wenn das rechtliche Gehör im Rechtsmittelzuge gewährt wird (statt aller Burghart in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 81. Lieferung 09.2020, Art. 103 GG, Rn. 416). So liegt der Fall hier. Vor Erlass des im Berufungsverfahren allein streitgegenständlichen Verfügungsurteils vom 21.8.2020 ist dem Beklagten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hinreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden, von der er auch umfassend Gebrauch gemacht hat. Im Termin vom 11.8.2020 ist ihm zudem eine weitere Stellungnahmefrist eingeräumt worden, die Ausführungen im Schriftsatz vom 11.8.2020 hat das Landgericht bei der Entscheidung berücksichtigt.

2. Das Landgericht hat auch zutreffend einen Verfügungsanspruch der Klägerin aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog bejaht. Das durch § 823 BGB unter anderem geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht beinhaltet auch das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung. Dies bedeutet, dass der Betroffene die unbefugte Benutzung seiner persönlichen Daten nicht dulden muss (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 80. Aufl., § 823 Rz. 115 m.w.N.). Die unrechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten der Klägerin im Sinne des Art. 6 DSGVO stellt überdies die Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB dar, die ebenfalls mit einem Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB geltend gemacht werden kann (vgl. Palandt/Sprau, aaO., § 823 Rn 85 m.w.N.). Die Verwendung der Telefonnummer der Klägerin oder ihrer sonstigen Kontaktdaten in einer „gefakten“ xxx-Kleinanzeige stellt eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 12 DSGVO dar, bezüglich derer grundsätzlich Unterlassung verlangt werden kann. Die private Handynummer der Klägerin ist ein personenbezogenes Datum im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO, auch wenn in der Anzeige ihr Name nicht aufgeführt ist. Hierunter sind alle Informationen zu verstehen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (Betroffener) beziehen. Eine natürliche Person ist identifizierbar im Sinne dieser Norm, wenn sie direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann (Schreiber in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Artikel 4 DSGVO, Rn. 7). Unter der Geltung des BDSG war umstritten, unter welchen Voraussetzungen von einer solchen Identifizierbarkeit, auszugehen ist. Teilweise wurde insoweit auf einen subjektiven Maßstab abgestellt; entscheidend sollte hiernach sein, dass der verarbeitende Diensteanbieter in der Lage ist, mit den ihm normalerweise zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln unter vernünftigem Aufwand die Daten einem bestimmten Individuum zuordnen zu können. Kann er diese Zuordnung unter den genannten Bedingungen nicht selbst vornehmen, soll ein Personenbezug mangels Bestimmbarkeit zu verneinen sein (MMR 2000, 721 (722); Meyerdierks, MMR 2009, 8 (12); Nink/Pohle, MMR 2015, 563 (564 f.); Voigt/Alich, NJW 2011, 3541 (3542 m.w.N.). Nach anderer Auffassung kommt es demgegenüber auf ein objektives Verständnis an; entscheidend für die Frage, ob ein Datum personenbezogen ist oder nicht, sei allein, ob dieses durch einen beliebigen Dritten einem Individuum zugeordnet werden könnte (Däubler/Klebe/Wedde/Weichert/Weichert, § 3 BDSG Rz. 13). Personenbezogen ist ein Datum nach dieser Auffassung immer dann, wenn es durch irgendjemanden einer bestimmten Person zugeordnet werden kann. Ob auch derjenige, der die Daten verarbeitet, die Möglichkeit hat, die Zuordnung zum jeweiligen Individuum nachvollziehen zu können, ist irrelevant (zum Streitstand vgl. Hullen/Roggenkamp in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 12 TMG, Rn. 7ff). Vorliegend bedarf diese Frage keiner Entscheidung. Die Identifizierbarkeit der Klägerin über ihre Telefonnummer wird hier nämlich jedenfalls im Kontext der als Anlage AS 3 vorgelegten Kleinanzeige dadurch mit hinreichender Sicherheit gewährleistet, dass dort zusätzlich der auf sie hindeutende Nutzername "xxxxxxxxxxx" sowie ein Hinweis auf den Standort des Wagens an ihrem Wohnort in Leipzig enthalten ist. Unstreitig ist überdies, dass der Ehemann der Klägerin in der Vergangenheit über ein gleichartiges Fahrzeug verfügt hat. Infolge dieser Angaben ist es für einen größeren Personenkreis möglich, die Klägerin zu identifizieren. Die Weitergabe dieser Telefonnummer an einen unbestimmten Personenkreis im Rahmen einer ohne dessen Einwilligung für den Betroffenen eingestellten "xxx-Kleinanzeige" stellt eine rechtswidrige Verwendung dieser Daten dar, schon weil sie die Gefahr begründet, dass der Betroffenen gegen seinen Willen von fremden Personen unter dieser Nummer kontaktiert wird, wie es auch vorliegend geschehen ist. Die missbräuchliche Verwendung ihrer Telefonnummer, durch die Dritte veranlasst wurden, mit der Klägerin Kontakt aufzunehmen, stellt überdies eine tatbestandsmäßige Nachstellung im Sinne des § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB dar, der wiederum ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist. Ob ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht darüber hinaus durch die Kontaktaufnahme unter Verwendung der Pseudonyme "T... R..." und "P... W..." verletzt ist (zum Recht auf anonyme Kommunikation vgl. BVerfGE 95, 28; BGH NJW 2009, 2888, 2892f; Klass in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, Anhang zu § 12 – Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Rn. 245), kann angesichts dessen dahinstehen.

3. Die Klägerin hat darüber hinaus hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Beklagte Urheber dieser Tathandlungen gewesen ist (vgl. §§ 936, 920 Abs. 2 i.V.m. § 294 ZPO). Zur Glaubhaftmachung kann der Beweisbelastete sich aller Beweismittel bedienen, die auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. Beweismaß ist bei der Glaubhaftmachung nicht der Vollbeweis, sondern eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung (BGHZ 156, 139, 142; Zöller-Geimer/Greger, ZPO, aaO., § 294 Rz. 1 m.w.N.; Rz. 6 m.w.N.). Dabei bedeutet „überwiegende Wahrscheinlichkeit“, dass nicht nur ein „Quäntchen“ mehr für die Richtigkeit der Behauptung spricht. Zu fordern ist vielmehr ein den konkreten Umständen angepasstes Maß an Glaubhaftigkeit (Zöller, a.a.O.). Zur Widerlegung durch den Gegner ist die gleiche Glaubhaftmachung mit der gleichen Wahrscheinlichkeitsfeststellung möglich (Zöller-Geimer/Greger, § 294 Rz. 2 m.w.N.).

Wie das Landgericht geht auch der Senat davon aus, dass die Klägerin durch die Ausdrucke der X...-Registrierungsbedingungen glaubhaft gemacht hat, dass bei der Einrichtung von E-Mail-Accounts unter X...mail und der im Geschäftsverkehr verwendeten E-Mail-Adressen die Mobilfunknummer des Beklagten angegeben wurde. Auch die zur Generierung der Accounts notwendigen IP-Nummern stammen vom Telefonanbieter des Beklagten (Vodafone). Durch Vorlage eines X...-Ausdrucks in der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2020 (Anlage zum Protokoll, Bl. 115 d. A.) hat die Klägerin weiterhin glaubhaft gemacht, dass X... bereits seit dem Jahre 2012 bei der Einrichtung eines e-mail-accounts zwingend die Angabe der Handynummer verlangt hat und die Registrierung erst nach Aufruf einer Bestätigungs-SMS an diese Handynummer abgeschlossen ist. Dem stehen die vom Beklagten vorgelegten Unterlagen (Anlage AST10, Bl. 128 f. d. A.) nicht entgegen, weil mit den im Verfügungsverfahren zur Verfügung stehenden Beweismitteln jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass sich dies nur auf das isolierte Anmelden eines X...-Kontos ohne gleichzeitige Erstellung einer X...-E-Mail-Adresse beziehen, was auch die Klägerin für sich in Anspruch nimmt (Bl. 137 d. A., Anlage AS7, Bl. 139 d. A.). Die beigezogene Ermittlungsakte lässt überdies den Rückschluss zu, dass tatsächlich bei der Einrichtung der streitgegenständlichen Konten die Mobilfunk-Nummer des Beklagten angegeben und diesem im Nachgang auch mitgeteilt wurde (für „p...w...mail@gmail.com“ - Bl. 32 Ermittlungsakte; für „t...r...mail@gmail.com“ - Bl. 33 der Ermittlungsakte; für l...-u...@gmail.com“ - Bl. 19 Ermittlungsakte). Wieso gleichwohl ein unbekannter Dritter die Telefonnummer des Beklagten hätte verwenden sollen, um unter Einsatz erheblicher krimineller Energie der Klägerin nachzustellen und dies zugleich dem Beklagten in die Schuhe zu schieben, hat der Beklagte nicht plausibel machen können. Die erstmals im Berufungsverfahren erhobene Behauptung, er habe sein iPad mit den darauf enthaltenen Daten verschiedenen Mitarbeitern der K... GmbH zur Verfügung gestellt, erscheint zum einen nachgeschoben und unglaubhaft und kann eine solche Handlungsweise zum anderen nicht erklären. Hierfür ergibt sich auch nichts aus den mit der Berufungsbegründung vorgelegten und mit eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemachten Sachverhalten, die die Erstellung der Accounts und Versendung der entsprechenden E-Mails durch den Beklagten gerade nicht ausschließen. Dass der Kläger, wie er behauptet, vom Urlaub in I... aus, im Rahmen einer Besprechung, bei der typischerweise Handy und/oder Laptop aufgeklappt auf dem Tisch stehen, während einer Geschäftsreise in seiner Eigenschaft als Fotograf oder während einer "Autofahrt" nach I... (die zumindest durch eine Fähraufenthalt unterbrochen worden sein muss) zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt haben soll, von seinem sicherlich mit einem Internetzugang ausgestatteten Mobiltelefon E-Mails einzurichten oder zu verschicken, ist bereits nach der Lebenserfahrung und vor dem Hintergrund des geschilderten Fähigkeiten des Beklagten (u.a. Aufbau der Homepage der K... GmbH, digitale Fotografie) nicht plausibel. Da ein Unterlassungsanspruch unabhängig von der Frage besteht (s.o.), ob der Beklagte sich hinter den E-Mail Pseudonymen "T... R..." und "P... W..." verbirgt, kommt es bereits nicht darauf an, ob sich der Beklagte am 3.8.2019 in S... befand, wohingegen die dem Pseudonym "T... R..." an diesem Tage zugeordnete IP-Adresse bei der "... ... ... GmbH" lokalisiert wurde.

4. Das Landgericht hat schließlich auch einen Verfügungsgrund zu Recht bejaht. Bei der Frage, ob der Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder der Verhinderung drohender Gewalt erforderlich ist, sind die schutzwürdigen Interessen beider Seiten im Rahmen des gerichtlichen Beurteilungsspielraums gegeneinander abzuwägen. Es muss eine Dringlichkeit gegeben sein, die bei zu langem Zuwarten des Erlassantrages widerlegt werden kann (Zöller-Vollkommer, aaO., § 940 Rz. 4 jeweils m.w.N.). In persönlichkeitsrechtlichen Streitigkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Verfügungsgrund für eine auf Unterlassung gerichtet einstweilige Verfügung regelmäßig zu bejahen, wenn keine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, insbesondere durch Zuwarten, gegeben ist (zuletzt Senat, Beschluss vom 25. Januar 2018 - 4 U 1675/17 -, juris). Dies ist eine Frage des Einzelfalles, für die sich gleichwohl in der Rechtsprechung Regelfristen herausgebildet haben, bei deren Überschreitung von einer Selbstwiderlegung auszugehen ist. Diese reichen von vier Wochen bzw. einem Monat (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.1.2015 - 6 U 156/14 - juris; vgl. im Übrigen die Verweise auf nicht veröffentlichte Rechtsprechung der OLGe Koblenz und Köln sowie des KG bei Wenzel-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. Kap 12 Rn 145) über fünf Wochen (OLG Hamburg, Beschluss vom 15.12.2014 - 7 W 141/14 - juris) bis zu 8 Wochen bzw. zwei Monaten ab Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung (OLG Stuttgart, Urteil vom 08. Februar 2017 - 4 U 166/16 -, Rn. 35 - 36, juris Senat, Urteil vom 27. November 2018 – 4 U 1282/18 –, Rn. 11, juris). Vorliegend greifen diese Grundsätze indes schon deshalb nicht ein, weil sie voraussetzen, dass der Berechtigte trotz Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von der Durchsetzung seiner Unterlassungsansprüche absieht. Eine solche Kenntnis ist hier jedoch nicht anzunehmen. Die Klägerin hatte zwar schon im August 2019 Strafanzeige erstattet und es mag im Rahmen eines nachfolgenden Telefonats mit dem ermittelnden Polizeibeamten auch der Name des Beklagten gefallen sein. Ohne irgend welchen konkreten Ermittlungsergebnisse war es ihr aber zu diesem Zeitpunkt nicht zumutbar, einen Verfügungsantrag zu stellen, weil sie keine Mittel zur Glaubhaftmachung in der Hand hatte. Diese Möglichkeit ergab sich erstmals nach Einsicht in die Ermittlungsakte, diese wurde am 15.4.2020 gewährt, keine zwei Wochen später, nämlich am 27.4.2020 wurde der Antrag gestellt. Auch verfängt die Auffassung des Beklagten nicht, eine Dringlichkeit sei nicht gegeben weil schon eine Wiederholungsgefahr nicht vorliege - schließlich sei die Klägerin nach eigenen Angaben ab November 2019 nicht mehr belästigt worden. Dies kann sich zwanglos daraus erklären, dass die Belästigungen ohnehin unregelmäßig erfolgten und dass die Klägerin bereits im August 2019 Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet hatte und der Beklagte jedenfalls ab Dezember 2019 bereits „offiziell“ nämlich durch die Ladung zu seiner Beschuldigtenvernehmung Kenntnis von einem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren hatte. Bei der Nachteilsabwägung ist schließlich zu berücksichtigen, dass dem Beklagten durch den Erlass der Verfügung über die hiermit verbundene Kostenbelastung hinaus keinerlei Nachteile entstehen und er die Möglichkeit hat, einen Antrag auf Anordnung der Klageerhebung zur Hauptsache nach § 926 ZPO zu stellen, während umgekehrt die Klägerin in ihrer geschäftlichen Sphäre insofern durchaus Nachteile befürchten muss, als sie durch die Neugründung einer Veranstaltungsagentur sich ihren Kunden und Geschäftspartnerkreis erst aufbauen muss. Dass auch die Vorgänge in ihrer Privatsphäre sie vor dem Hintergrund ihrer Schwangerschaft/Entbindung auch psychisch nicht unerheblich belasten, hat sie durch eine Versicherung an Eides statt glaubhaft gemacht.

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