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OLG Frankfurt: Verstoß gegen Unterlassungsverfügung durch Weiterbetreiben der untersagten Angebote auf zwei Websites nur ein Verstoß und keine zwei selbstständige Zuwiderhandlungen

OLG Frankfurt
Beschluss vom 12.01.2022
6 W 106/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der Verstoß gegen eine Unterlassungsverfügung durch Weiterbetreiben der untersagten Angebote auf zwei Websites nur einen Verstoß und keine zwei selbstständige Zuwiderhandlungen darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Vollstreckung ist nicht verjährt. Der Eintritt der Verjährung ist von Amts wegen zu prüfen (Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl., § 890 Rn 23). Für die Ordnungsmittel des § 890 ZPO gilt die Regelung des Art. 9 EGStGB. Hinsichtlich der hier allein in Frage stehenden Verfolgungsverjährung bestimmt Art. 9 Abs. 1 EGStGB, dass die - in der Regel - zweijährige Verjährungsfrist beginnt, sobald die Handlung beendet ist, und dass die Verjährung die Festsetzung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft ausschließt. Die mit dem Ordnungsmittelantrag vom 17.10.2019 angegriffenen Handlungen in Gestalt des Betreibens eines auf das Generieren von "gekauften" Amazon-Bewertungen gerichteten Geschäftsmodells waren nicht zwei Jahre vor dem Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts vom 18.11.2021 bereits beendet. Der Antragsgegner hat die Internetportale "E" und "F" bis ins Jahr 2021 weiterbetrieben (vgl. Anlagen ZV 27 - 30). Nach dem Vortrag in der Beschwerdeschrift hat er seine Anteile an der F GmbH am 31.5.2021 veräußert.

2. Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Das Ordnungsmittel wurde angedroht (§ 890 Abs. 2 ZPO).

3. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner dem Verbot nach Ziff. 1 des Tenors, das durch den Zusatz im Berufungsurteil lediglich konkretisiert, nicht inhaltlich geändert wurde, schuldhaft zuwidergehandelt hat.

a) Die Antragstellerin hat mit dem Ordnungsmittelantrag vom 17.10.2019 dargelegt, der Antragsgegner betreibe die verbotenen Handlungen, die bislang über das Internetportal der B LLC abgewickelt wurden, nach Zustellung der einstweiligen Verfügung über das Internetportal der E LLC weiter. Außerdem betreibe er das Geschäftsmodell auch über die F GmbH und deren Webseiten.

b) Tatsächlich wurde das Geschäftsmodell, zu dem die dem Antragsgegner mit der einstweiligen Verfügung verbotenen Handlungen gehören, nach Zustellung der einstweiligen Verfügung fortgesetzt. Der Antragsgegner hat selbst vorgetragen, dass die Seite b.com seit dem 28.5.2019, also in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Zustellung der einstweiligen Verfügung, von der Fa. E LLC übernommen wurde (vgl. Berufungsurteil, S. 11). Auf Facebook hat E ausdrücklich damit geworben, "B" werde zu "E". Zahlreiche Inhalte bei E entsprechen jenen, die zuvor bei B verfügbar waren (Anlagen ZV 3-7). Im Herbst 2019 wurden Interessenten, die sich als Tester oder Drittanbieter auf der Website f.deals registrieren lassen wollten, automatisch zu der Website e.com geleitet (Anlage ZV 15). Auch nach Entfernung dieser Weiterleitung fanden sich dort weiterhin teilweise identische Texte (Anlage ZV 33). In den Nutzungsbedingungen von "E" hieß es sogar, sie regelten das Verhältnis zwischen dem Anbieter und Plattformbetreiber "F" und dem Nutzer (Anlage ZV 16). Ohne Erfolg bestreitet der Antragsgegner, dass auch über F Amazon-Rezensionen verkauft wurden. F ist jedenfalls Bestandteil eines einheitlichen Geschäftsmodells, das über die genannten Internetportale betrieben wurde. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht entscheidend darauf an, ob nach Zustellung der einstweiligen Verfügung auf F für Tester noch die grüne Schaltfläche mit dem Text "Jetzt Deine Bewertung kopieren und auf Amazon veröffentlichen" zugänglich war.

c) Der Antragsgegner ist für die über die Internetplattformen "e.com" und "f.de" generierten "bezahlten" Kundenbewertungen als Mittäter verantwortlich. Die Mittäterschaft ergibt sich aus einer Gesamtschau der Umstände. Sie führt zu dem Schluss, dass er das Geschäftsmodell der B LLC, der E LLC und der F GmbH aktiv gesteuert hat. Die Internetplattformen der B LLC, der E LLC und der F GmbH weisen zahlreiche Verbindungen zueinander auf und sind letztlich als ein und dasselbe Geschäftsmodell anzusehen, das fortgesetzt betrieben und aus einer Hand gesteuert wurde. Dies hat der Senat bereits im Berufungsurteil festgestellt. Dort heißt es, viele textliche Elemente und Fotos des von der F GmbH betriebenen Portals seien mit dem Portal B identisch (BU S. 9). Die F GmbH und die G GmbH, die 100% der Anteile der B LLC halte, haben ihren Geschäftssitz an derselben Adresse. Der Antragsgegner sei Geschäftsführer beider Gesellschaften (F und G). Es sei bereits 2018 geplant gewesen, dass der Service von B von F übernommen werde. Es sei davon auszugehen, dass beide Portale aus einer Hand gesteuert werden (BU S. 10). Seit dem 28.5.2019 sei die Seite der b.com von der Fa. E LLC übernommen worden (BU S. 11). An diesen Ausführungen, die Grundlage des vom Senat bestätigten Verbots sind, ist festzuhalten. Der Antragsgegner hat den Vortrag der Antragstellerin im Ordnungsmittelverfahren, der zahlreiche Indizien enthält, auch nicht im Einzelnen bestritten. Danach ist der Antragsgegner Geschäftsführer der F GmbH. Ausweislich des Impressums betreibt er die Websites f.de und f.deals (Anlage ZV 11). Sein pauschaler Vortrag, in Wahrheit betreibe er die Websites nicht selbst, ist nicht ausreichend. Der Antragsgegner ist auch für das Portal "e.com" verantwortlich. Dagegen spricht nicht der Umstand, dass er weder Teilhaber noch Organ der E LLC ist. Zahlreiche Indizien weisen darauf hin, dass er die Fortsetzung der Geschäfte über dieses Portal ins Werk gesetzt und weiter gesteuert hat. Dafür spricht, dass es sich bei der E LLC ebenfalls um eine ... Gesellschaft handelt, bei der formal die gleiche ... Geschäftsführerin eingesetzt ist, wie bei der B LLC. Das Portal war weiterhin auf den deutschen Markt ausgerichtet. Es bestanden zahlreiche inhaltliche Überschneidungen der Portale und die Verlinkung mit dem Portal B. Bei dieser Sachlage bestand für den Antragsgegner eine erhebliche sekundäre Darlegungslast, der er nicht nachgekommen ist.

4. Das Landgericht ist allerdings zu Unrecht von zwei Zuwiderhandlungen im Hinblick auf die beiden Portale F und E ausgegangen. Gegenstand des Verbots nach Ziff. 1 des Tenors ist nicht der Betrieb von Internetportalen, über die "bezahlte" Produkt- und Verkäuferbewertungen auf der Handelsplattform Amazon generiert werden können, sondern das Veröffentlichen von Bewertungen, deren kommerzieller Zwecks entgegen § 5a Abs. 6 UWG nicht kenntlich gemacht wird. Die Bewertungen werden von den auf den Plattformen registrierten Testern veröffentlicht. Der Antragsgegner ist Mittäter. Eine Zuwiderhandlung setzt damit voraus, dass nach Zustellung der einstweiligen Verfügung Produktrezensionen von Testern veröffentlicht wurden, die bei den Portalen von E bzw. F registriert waren, und an denen der Antragsgegner ebenfalls mittäterschaftlich beteiligt war.

a) Der Verweis auf das Urteil des Landgerichts Stadt2 im Hauptsacheverfahren führt insoweit nicht weiter (Urteil vom 7.10.2021 - ..., Anlage ZV 35). Das LG Stadt2 ist vorrangig von einer Erstbegehungsgefahr für die dem Unterlassungsanspruch entsprechenden Handlungen ausgegangen (S. 17). Soweit es ergänzend eine im Rahmen eines Testkaufs generierte Bewertung ins Feld führte, bezog sich diese auf das Portal B, also auf die Zeit vor Zustellung der einstweiligen Verfügung. Soweit es ergänzend auf Bewertungen der Tester "C" bzw. "D" abstellte, hat das LG Stadt2 nicht festgestellt, wann und über welches Portal diese Bewertungen generiert wurden (S. 20).

b) Die Antragstellerin hat jedoch mit Schriftsatz vom 22.3.2021 unwidersprochen vorgetragen, dass über die Seite e.com wie aus den Screenshots vom 18.11.2019, 14.7.2020, 18.9.2020 und 11.2.2021 ersichtlich (Anlagen ZV 27 - 30), Amazon-Rezensionen angeboten wurden, die ohne Hinweis auf den kommerziellen Hintergrund veröffentlicht werden. Sie hat ebenfalls dargelegt, dass ein Tester in einem YouTube-Video schilderte, wie er eine Rezension vom 8.5.2020 zu einem über E bezogenen Produkt veröffentlichte (Anlage ZV 31). Vor dem Hintergrund dieses Vorbringens hätte der Antragsgegner darlegen müssen, warum ausnahmsweise trotzdem keine dem Geschäftsmodell entsprechenden Amazon-Bewertungen veröffentlicht worden sein sollen. Daran fehlt es.

c) Das Weiterbetreiben der Geschäfte von B über die Portale von E bzw. F stellt sich als mittäterschaftlicher Beitrag zu den auf diesem Weg generierten "bezahlten" Rezensionen dar, die unter Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG veröffentlicht wurden. Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann allerdings nicht "pro Portal" (E und F) von einer selbstständigen Zuwiderhandlung ausgegangen werden. Es ist vielmehr von einer natürlichen Handlungseinheit auszugehen. Zu einer natürlichen Handlungseinheit können Verhaltensweisen zusammengefasst werden, die gegen dasselbe gerichtliche Verbot verstoßen und die aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen (BGH GRUR 2021, 767 Rn 21, 34). So liegt es im Streitfall. Das Weiterbetreiben der Geschäfte der B unter "neuer Flagge" stellt sich als einheitliches, zusammengehörendes Tun dar. Es bildet einen mittäterschaftlichen Beitrag zu den seitens der Tester veröffentlichten Rezensionen.

5. Ein Verstoß gegen die Unterlassungspflichten nach Ziff. 2. und 3. des Tenors der einstweiligen Verfügung kann nicht festgestellt werden. Danach ist es dem Antragsgegner verboten, Amazon-Drittanbietern zu ermöglichen, ihre Produkte mit gekauften Kundenbewertungen zu bewerben (Tenor zu 2.) und Amazon-Drittanbietern zu ermöglichen, ihre Produkte mit gekauften Verkäuferrezensionen zu bewerben (Tenor zu 3.). Diese Verpflichtungen sind ausdrücklich auf "Vertragspartner der B LLC, Straße1, Stadt1, Land1" beschränkt. Der Kernbereich eines derart beschränkten Verbots erstreckt sich nicht ohne weiteres auf die Vertragspartner anderer Unternehmen, die mit dem im Tenor bezeichneten Unternehmen vertraglich, personell oder gesellschaftsrechtlich verbunden sind. Die Antragstellerin hat auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die vertraglichen Beziehungen zwischen den Drittanbietern und der B noch Bestand hatten, als das Geschäftsmodell nach Zustellung der einstweiligen Verfügung über die Plattformen E bzw. F weitergeführt wurde und dieselben Drittanbieter entsprechende Vertragsbeziehungen mit den Nachfolgeunternehmen eingingen.

6. Das vom Landgericht festgesetzte Ordnungsgeld ist - da nicht zwei, sondern nur ein Verstoß anzunehmen ist - auf 10.000 € zu ermäßigen. Eine weitergehende Ermäßigung im Hinblick darauf, dass nur gegen Ziff. 1. des Tenors verstoßen wurde, kommt nicht in Betracht. Bei der Bemessung der Höhe eines Ordnungsmittels sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglichen künftigen Verletzungshandlungen für den Verletzten zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen den Verbotstitel soll sich für den Schuldner nicht lohnen (BGH Beschluss vom 23.10.2003 - I ZB 45/02, juris Rn 12). Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner das beanstandete Verhalten über einen längeren Zeitraum fortsetzte und dabei erheblichen Aufwand betrieb, um seine Beteiligung zu verschleiern. Er wickelte die Geschäfte zum Teil über eine (weitere) ... Gesellschaft ab. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände erscheint damit ein Ordnungsgeld von 10.000 € als angemessen.

7. An die Stelle eines nicht beitreibbaren Ordnungsgeldes tritt die Ordnungshaft (§ 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO). In entsprechender Anwendung strafrechtlicher Vorschriften kann das Ordnungsgeld durch Festsetzung eines Tagessatzes und der zur Ahndung erforderlichen Tagessatzanzahl bestimmt werden (BGH GRUR 2017, 318 Rn 19 ff - Dügida). Im vorliegenden Fall erscheint die Verhängung von zehn Tagessätzen angemessen, wobei ein Tagessatz 1.000 € beträgt. Dementsprechend ist die Höhe der Ersatzordnungshaft auf einen Tag Ordnungshaft für jeweils 1.000 € Ordnungsgeld festzusetzen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.6.2017 - 6 W 49/17, juris).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Kerngleicher Verstoß gegen Unterlassungsverpflichtung wenn Instagram-Influencer "B*******" statt "Bullshit" schreibt - 500 EURO Ordnungsgeld

OLG Frankfurt
Beschluss vom 23.09.2021
6 W 76/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein kerngleicher Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung vorliegt, wenn ein Instagram-Influencer "B*******" statt dem untersagten "Bullshit" schreibt. Wie schon das Landgericht hielt das OLG ein Ordnungsgeld von 500 EURO für angemessen.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das Landgericht hat der Antragsgegnerin durch Beschluss - einstweilige Verfügung - vom 19.3.2021 bei Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel u.a. untersagt,

Zusammenstellungen von Aussagen über Quality First, deren Influencer und deren Produkte in den Highlights des Instagram-Accounts „A“ mit „Mehr Bullshit“ zu bezeichnen, wenn dies geschieht wie nachfolgend eingeblendet am 22.1.2021:

(Von der Darstellung des nachfolgenden Bildes wurde aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgesehen - die Red.)

Die Antragsgegnerin hielt nach Zustellung der einstweiligen Verfügung weiterhin Zusammenstellungen von Aussagen über die Gläubigerin bereit. Diese waren nunmehr überschrieben mit „Mehr B********t“ und „Noch mehr B***“ (Screenshot vom 27.04.2021, Anlage G 2).

Auf Antrag der Antragstellerin hat das Landgericht durch Beschluss vom 21.6.2021 der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 €, ersatzweise ein Tag Ordnungshaft, auferlegt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, es handele sich um eine kerngleiche Verletzung der mit der einstweiligen Verfügung untersagten Handlung. Die Schuldnerin benutze den untersagten Begriff “Bullshit“ weiter. Sie habe lediglich die mittleren Buchstaben des Wortes durch Sternchen ersetzt. Angesprochenen Verkehrskreise verstünden hierunter weiter den untersagten Begriff.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Dieser hat das Landgericht mit Beschluss vom 17.8.2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht wegen eines schuldhaften Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 € festgesetzt. Dies ist weder dem Grund noch der Höhe nach zu beanstanden.

1. Zur Auslegung des Titels:

Die Urteilsformel (§ 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) muss inhaltlich bestimmt sein. Zur Bestimmung von Umfang und Reichweite der Urteilsformel können der Tatbestand und das dort in Bezug genommene Parteivorbringen sowie die Entscheidungsgründe herangezogen werden (ständige Rspr.; BGH GRUR 2014, 1211 Rn 16 - Runes of Magics II; BGH GRUR 2016, 395 Rn 18 - Smartphone-Werbung; BGH WRP 2016, 1221 Rn 14 - LGA tested).

Der Verbotstenor der einstweiligen Verfügung enthält das Verbot, „Zusammenstellungen von Aussagen über Quality First, deren Influencer und deren Produkte in den Highlights des Instagram-Accounts „A“ mit „Mehr Bullshit“ zu bezeichnen, wenn dies wie nachfolgend eingeblendet geschieht“. Es folgt eine Einblendung der Instagram-Seite, aus der sich allerdings nicht die Formulierung „Mehr Bullshit“ ergibt, sondern nur der Begriff „Mehr Bullsh...“ Der hieraus vermeintlich entstehende Widerspruch hinsichtlich der Reichweite des Titels lässt sich indes zwar nicht durch die Gründe des Beschlusses aufheben, die - bei Beschlussverfügungen typisch - kurzgehalten sind und zu dem hier gegenständlichen Antrag keine Ausführungen enthalten. In diesem Fall kann auf die Antragsschrift Bezug genommen werden, auf die das Landgericht verwiesen und damit zum Teil seiner Begründung gemacht hat. Darin hat die Antragstellerin unter Verweis auf die Anlage AS 8 (USB-Stick) vorgetragen, die Kategorie sei mit „Mehr Bullshit“ überschrieben worden. Aus den Bildschirmaufzeichnungen auf dem USB-Stick ergibt sich, dass die Antragsgegnerin die Inhalte unter der Überschrift „Mehr Bullshit“ geteilt hat. Der Titel ist daher dahingehend auszulegen, dass nicht nur „Mehr Bull...“, sondern auch „Mehr Bullshit“ erfasst ist.

2. Gegen diese Unterlassungsverpflichtung hat die Antragsgegnerin durch ihre Veröffentlichung unter der Überschrift „Mehr B********t“ (Anlage G 2) verstoßen. Hierin liegt ein kerngleicher Verstoß. Der Verkehr wird erkennen, dass auch mit der durch Sterne verfremdeten Aussage „Mehr Bullshit“ artikuliert werden sollte. Er ist daran gewöhnt, bei derart verfremdeten Wörter anzunehmen, dass ein inkriminiertes Wort, üblicherweise ein Schimpfwort, verwendet werden soll. Hinzu kommt, dass das menschliche Gehirn, wie von der Antragstellerin unbestritten vorgetragen, beim Lesevorgang insbesondere die Anfangs- und Endbuchstaben eines jeden Wortes erfasst. So vorgeprägt, wir der Verkehr bei der Suche nach einem inkriminierten (Schimpf-)Wort nur auf das Wort „Bullshit“ kommen können. Dem „plumpen Umgehungsversuch“ (so die Antragstellerin) ist daher kein Erfolg beschieden.

3. Der Verstoß erfolgte auch schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig. Ob dabei die Änderung der ursprünglichen Version zur hier gegenständlichen vor oder nach Zustellung der einstweiligen Verfügung erfolgte, ist nicht relevant. Die Antragsgegnerin hätte nach Zustellung der einstweiligen Verfügung ihren Instagram-Auftritt entsprechend anpassen müssen.

4. Die Höhe des Ordnungsgeldes begegnet keinen Bedenken. Sie wird von der Antragsgegnerin auch nicht explizit angegriffen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Dresden: Ordnungsgeld über 100.000 EURO gegen YouTube bzw Google wegen verspäteter Freischaltung eines zu Unrecht gesperrten Videos

OLG Dresden
Beschluss vom 29.06.2021
4 W 396/21


Das OLG Dresden hat gegen YouTube bzw. Google ein Ordnungsgeld über 100.000 EURO wegen verspäteter Freischaltung eines zu Unrecht gesperrten Videos verhängt. Zuvor war gegen den Videoportalbetreiber eine entsprechende Unterlassungsverfügung ergangen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Ordnungsmittelbeschlusses nach § 890 ZPO liegen vor. Die Verfügungsbeklagte hat - was sie selbst auch nicht in Abrede stellt - gegen die Unterlassungsverpflichtung aus dem Senatsurteil vom 20. April 2021 zuwidergehandelt. Allerdings ist das vom Landgericht festgesetzte Ordnungsgeld auf 100.000,00 € zu erhöhen.

Ordnungsmittel sind im Hinblick auf ihren Zweck zu bemessen. Die Ordnungsmittel des § 890 ZPO haben einen doppelten Zweck. Als zivilrechtliche Beugemaßnahme dienen sie - präventiv - der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen. Daneben stellen sie - repressiv - eine strafähnliche Funktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbotes dar. Dieser doppelte Zweck erfordert es, die Bemessung der Ordnungsmittel jedenfalls in erster Linie mit Blick auf den Schuldner und dessen Verhalten vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten (vgl. zu Vorstehendem nur: BGH, Beschluss vom 08. Dezember 2016, Az.: I ZB 118/15 - juris; BGH, Urteil vom 30. September 1993, Az.: I ZR 54/91 - juris); daneben soll die Bemessung bewirken, dass - wiederum aus Schuldnersicht - die Titelverletzung wirtschaftlich nicht lohnend erscheint, so dass weitere Zuwiderhandlungen auch deshalb unterbleiben (vgl. BGH, a.a.O.). Die Höhe des Streitwertes des Ausgangsverfahrens hat dagegen neben den vorgenannten, für die Höhe des Ordnungsgeldes maßgeblichen Bemessungsfaktoren keine unmittelbare Aussagekraft (vgl. BGH, a.a.O.).

Die dargestellten Maßstäbe für die Bemessung eines Ordnungsgeldes sind vom Landgericht
in der angefochtenen Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Verfügungsbeklagte hatte die durch Urteil erlassene Verbotsverfügung bereits mit ihrer
Verkündung zu beachten. Darüber hinaus ist ihr diese im Parteibetrieb bereits am 23. April
2021 zugestellt worden. Dennoch war das streitgegenständliche Video nach ihrem eigenen
Vorbringen erst am 14. Mai 2021 wieder im xxx-Kanal des Verfügungsklägers abrufbar und
hat sie erst zu dem vorgenannten Zeitpunkt die ihm gegenüber ausgesprochene Verwarnung
zurückgenommen. Die verzögerte Umsetzung der Unterlassungsverfügung ist nach ihrer
eigenen Darstellung auch nicht, wie jedoch vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung unzutreffend angeführt, aus technischen Gründen erst am 14. Mai 2021 erfolgt, sondern weil sie in dem streitgegenständlichen Video - anders als in der Senatsentscheidung vom 20. April 2021 im Einzelnen dargelegt - einen Verstoß gegen ihre „Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen über Covid-19“ gesehen hat und deshalb „die jeweiligen Konsequenzen der Entscheidung des OLG Dresden und ihre Möglichkeiten sorgfältig abwägen“ wollte bevor sie „das Videomaterial für den Abruf durch Dritte wieder bei xxx einstellte“. Dass eine solche Abwägung vor dem Hintergrund der Senatsentscheidung jedoch weder veranlasst noch geboten war, erschließt sich, zumal die Verfügungsbeklagte anwaltlich beraten war, von selbst. Vor dem Hintergrund ist in der Zuwiderhandlung ein vorsätzlicher und - aufgrund der Zeitdauer - auch schwerer Verstoß seitens der Verfügungsbeklagten gegen die Unterlassungsverfügung zu sehen, der - auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Verfügungsbeklagten - die Verhängung eines deutlich höheren Ordnungsgeldes als vom Landgericht angenommen rechtfertigt. Nachdem es sich jedoch auf der anderen Seite um den Erstverstoß seitens der Verfügungsbeklagten handelt, hat der Senat davon abgesehen, das Ordnungsgeld auf den Höchstbetrag festzusetzen, sondern hält im Ergebnis der Gesamtabwägung die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100.000,00 € (noch) für ausreichend.




BGH: Ersatzweise angeordnete Ordnungshaft bei Unterlassungsverfügung auch bei Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners möglich

BGH
Beschluss vom 18.12.2018
I ZB 72/17
ZPO § 240 Satz 1; InsO § 39 Abs. 1 Nr. 3; EGStGB Art. 9 Abs. 2 Satz 4


Der BGH hat entschieden, dass eine ersatzweise angeordnete Ordnungshaft im Rahmen einer Unterlassungsverfügung auch bei Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners möglich ist.

Leitsätze des BGH:

a) Eine Vollstreckung von ersatzweise angeordneter Ordnungshaft ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners nicht gehindert.

b) Die Frage, in welchen Fällen die Verjährung der Vollstreckung eines Ordnungsmittels ruht, ist in Art. 9 Abs. 2 Satz 4 EGStGB abschließend geregelt.

c) Die Vollstreckung kann nur dann im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1
EGStGB "nach dem Gesetz" nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden,
wenn diese Rechtsfolge im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist.

BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2018 - I ZB 72/17 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BVerfG: Vollstreckung von Ordnungshaft gegen Organ einer insolventen juristischen Person zulässig

BVerfG
Beschluss vom 09.05.2017
2 BvR 335/17


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Vollstreckung von Ordnungshaft gegen Organe einer insolventen juristischen Person zulässig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Ordnungsmittel des § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO haben nach herrschender Auffassung einen doppelten Zweck. Als zivilrechtliche Beugemaßnahme dienen sie präventiv der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen; daneben stellen sie repressiv eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots dar (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2016 - I ZB 118/15 -, juris, Rn. 17, m.w.N.; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02 -, juris, Rn. 38 = BGHZ 156, 335 <345 f.>, m.w.N., stRspr.; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 890 Rn. 5; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl. 2014, Rn. 1100; Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Zwangsvollstreckung, 2. Aufl. 2013, § 890 Rn. 2; Gottwald/Mock, Zwangsvollstreckung, 7. Aufl. 2015, § 890 Rn. 1 und 25; für ausschließlich repressiven Charakter des Ordnungsmittels: Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 8, 22. Aufl. 2004, § 890 Rn. 3; für ausschließlichen Beugezweck Sturhahn, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, Kommentar, 6. Aufl. 2016, § 890 Rn. 6, m.w.N.; offenlassend, z.B. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Aufl. 2017, § 890 Rn. 9).

Das Verständnis der Ordnungsmittel des § 890 ZPO als Maßnahmen zur Beugung des Willens des Schuldners, die zugleich strafrechtliche Elemente enthalten, steht mit der Verfassung in Einklang. Es muss allerdings gewährleistet sein, dass der Grundsatz „nulla poena sine culpa“ gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 20, 323 <332 ff.>; 58, 159 <162 f.>; 84, 82 <87>; BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2006 - 1 BvR 1200/04 -, juris, Rn. 11).

c) Nach diesen Maßgaben sind die angegriffenen Entscheidungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Der Einwand des Beschwerdeführers, die angefochtenen Entscheidungen missachteten den Schuldgrundsatz (Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG), ist unbegründet.

Die Festsetzung eines Ordnungsmittels im Sinne des § 890 Abs. 1 ZPO setzt ein Verschulden auf Seiten des Schuldners voraus (vgl. BVerfGE 20, 323 <332>; 58, 159 <162 f.>; 84, 82 <87>). Ist Schuldner eine juristische Person, kann nur die Schuld der für sie verantwortlich handelnden Personen maßgebend sein (vgl. BVerfGE 20, 323 <336>).

In den - unanfechtbar gewordenen - Beschlüssen des Landgerichts vom 18. August 2015 und des Oberlandesgerichts vom 14. September 2015, mit denen die Ordnungsmittel festgesetzt worden sind, haben die Fachgerichte ein gravierendes Verschulden der Vollstreckungsschuldnerin festgestellt. Ohne dass dies ausdrücklich ausgesprochen worden ist, kann damit nur ein Verschulden des Beschwerdeführers gemeint gewesen sein, der als Vorstand verantwortlich für die AG handelt und dessen Verschulden deshalb der AG zuzurechnen ist, die als solche nicht handlungsfähig ist. Dass die Fachgerichte der AG das Verschulden einer anderen Person als des Beschwerdeführers, durch den die AG auch im damaligen Verfahren vertreten worden ist, zugerechnet hätten, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist nicht ersichtlich. Das Oberlandesgericht verweist in seinem Beschluss vom 25. Januar 2017 vielmehr ausdrücklich darauf, ihm sei (schon) aus dem Erkenntnisverfahren bekannt, dass der Beschwerdeführer als verantwortlicher Vorstand der Vollstreckungsschuldnerin deren Aktivitäten selbst gelenkt habe und ihm grobes Verschulden zur Last falle.

Es stand zudem bereits bei Verhängung der Ordnungsmittel fest, dass die ersatzweise angeordnete Ordnungshaft nicht an der AG, sondern an dem Beschwerdeführer als dem verantwortlich für sie handelnden Organ zu vollziehen sein würde. Der Einwand des Beschwerdeführers, die Fachgerichte hätten bei Festsetzung der Ordnungsmittel nur die AG, nicht dagegen sein persönliches Verschulden in den Blick genommen, ist nach alledem unbegründet. Es bestand daher auch keine Veranlassung, erstmals im Rahmen des Verfahrens nach § 765a ZPO (i.V.m. Art. 8 Abs. 2 EGStGB) ein persönliches Verschulden des Beschwerdeführers festzustellen und zu bewerten."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Einstweilige Verfügung muss umgehend umgesetzt werden - Unzulässiger Fernsehspot muss gestoppt und gebuchte Werbezeiten ggf. storniert werden

OLG Frankfurt
Beschluss vom 23.06.2016
6 W 60/16

Das OLG Frankfurt hat mit dieser Entscheidung abermals betont, dass eine Unterlassungsverpflichtung aus einer einstweiligen Verfügung umgehend zu befolgen sind. Andernfalls drohen Ordnungsgelder. So muss ein unzulässiger Fernsehspot umgehend gestoppt und gebuchte Werbezeiten ggf. auch storniert werden.

Die Entscheidung:

"Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Vollstreckungsantrag nach § 890 ZPO ist unbegründet, da den Antragsgegnerinnen eine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung aus der Beschlussverfügung des Landgerichts vom 14.8.2015 nicht vorgeworfen werden kann.

Nach Rücknahme des weitergehenden Vollstreckungsantrages beschränkt sich der zur Begründung des Vollstreckungsantrages erhobene Vorwurf der Antragstellerin darauf, dass die Antragsgegnerinnen es versäumt hätten, die weitere Ausstrahlung des im Unterlassungstenor in Bezug genommenen Werbespots bis zum 18.8.2015, 23:27:55 Uhr zu unterbinden.

Zwar hat das Landgericht mit zutreffender Begründung angenommen, dass nach dem Sach- und Streitstand diejenigen TV-Spots, die nach dem (berichtigten) Nielsen-Belegungsbericht (Anlage ASt -) bis zu dem genannten Zeitpunkt unter dem Motiv Code ... auf verschiedenen Fernsehkanälen ausgestrahlt worden sind, in den Kernbereich des Unterlassungsgebots aus der einstweiligen Verfügung fielen. Den Antragsgegnerinnen kann jedoch im Hinblick auf die Gesamtumstände nicht angelastet werden, dass sie diese Ausstrahlungen nicht unterbunden haben.

Die einstweilige Verfügung ist dem Antragsgegnervertreter ausweislich des von ihm unterzeichneten Empfangsbekenntnisses am 17.8.2015 zugestellt worden, und zwar nach dessen unwiderlegte Darstellung zwischen 11:40 und 11:45 Uhr. Den Antragsgegnerinnen kann in diesem Zusammenhang nicht entgegengehalten werden, dass ihrem Prozessbevollmächtigten die Beschlussverfügung bereits am 14.8.2015 per Telefax übermittelt worden ist. Unabhängig davon, dass in dieser Übersendung vor der Unterzeichnung eines Empfangsbekenntnisses noch keine Zustellung lag und darüber hinaus dem Telefax die CD-Rom gemäß Anlage K 15 nicht beigefügt war, hat der Antragsgegnervertreter vorgetragen, dass ihm auch die Telefax-Sendungen erst am 17.8.2015 zusammen mit der postalisch zugesandten Beschlussausfertigung vorgelegt worden ist.

Nach dem demzufolge maßgeblichen Zeitpunkt - dem 17.8.2015, 11:40 Uhr - waren die Antragsgegnerinnen zwar gehalten, unverzüglich alle Maßnahmen zu ergreifen, die zur Einhaltung der tenorierten Unterlassungsverpflichtung erforderlich waren; hierzu gehörte es auch, die weitere Verbreitung von Werbespots, die von dem Verbot erfasst waren, zu unterbinden. Dies setzte jedoch zunächst eine genaue - anwaltliche Hilfe erfordernde - Prüfung von Inhalt und Umfang des Verbots voraus, die hier jedenfalls nicht ganz einfach war, da die einstweilige Verfügung selbst nicht mit einer Begründung versehen war und zur Auslegung des Titels auf die mit der Beschlussverfügung verbundene, 27-seitige Antragsschrift nebst deren umfangreichen Anlagen zurückgegriffen werden musste. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Verfügungsbegehren auf eine Vielzahl tatsächlicher und rechtlicher Gesichtspunkte gestützt war, was eine zutreffende Erfassung des Verbotsinhalts erschwerte.

Dass das Verbot sich auch auf die laufenden TV-Spots und nicht etwa nur auf das ebenfalls verbreitete YouTube-Video erstreckte, war für die Antragsgegnerinnen daher zwar mit anwaltlicher Hilfe erkennbar, lag aber auch nicht ohne weiteres auf der Hand. Dies gilt insbesondere, nachdem die im Verbotstenor in Bezug genommene Anlage K 14 das YouTube-Video wiedergibt und die CD-Rom gemäß Anlage K 15 den Spot mit zusätzlichen Untertiteln enthält, wie er in dieser Form in der TV-Werbung nicht benutzt worden ist. Die Erkenntnis, dass vom Kernbereich des Unterlassungstitels gleichwohl auch TV-Spots erfasst werden, setzte daher sorgfältige Prüfung an Hand der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der sog. Kerntheorie voraus.

Nach der Erkenntnis, dass auch die TV-Spots unter das Verbot fielen, hätten die Antragsgegnerinnen sofort die erforderlichen Maßnahmen zur Unterbindung einer weiteren Ausstrahlung ergreifen müssen, wofür grundsätzlich entweder eine Änderung des - bei den Fernsehsendern bereits gebuchten - Spots oder eine ersatzlose Stornierung dieser Spots in Betracht kam. Den Antragsgegnerinnen musste hierbei jedenfalls eine gewisse Zeit für die Prüfung zugebilligt werden, welche dieser Maßnahmen kurzfristig zum Erfolg führen konnten. In diesem Zusammenhang kann es - worauf die Antragsgegnerinnen mit Recht hinweisen - jedenfalls nicht als selbstverständlich angesehen werden, dass bereits gebuchte Werbezeiten innerhalb eines Sendeplans ohne weiteres innerhalb kürzester Zeit storniert werden können. Hinzu kommt, dass ausweislich des Nielsen-Belegungsplans der Spot auf über zehn Fernsehsendern geschaltet war.

Unter Berücksichtigung der dargestellten Gesamtumstände kann den Antragsgegnerinnen nicht im Sinne einer schuldhaften Zuwiderhandlung nach § 890 ZPO vorgeworfen werden, wenn sie die Unterbindung der weiteren Ausstrahlung des untersagten Fernsehspots erst nach Ablauf von etwa eineinhalb Tagen - durch Ausstrahlung eines abgeänderten Spots - erreicht haben.

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Antragsgegnerinnen ausweislich der von ihnen eingereichten Schutzschrift auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung vorbereitet waren; denn dies machte die dargestellte Prüfung, welchen Inhalt und Umfang die zugestellte Unterlassungsverfügung hatte, nicht entbehrlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) sind nicht erfüllt."



LG Potsdam: 20.000 EURO Ordnungsgeld für zweifachen Verstoß gegen Unterlassungstenor - Wettbewerbswidrige Printwerbung durch Bettenhersteller

LG Potsdam
Beschluss vom 01.12.2014
2 O 300/12


Wer zur Unterlassung verurteilt wird oder eine Unterlassungsverfügung kassiert, muss sich daran halten. Andernfalls droht insbesondere ein Ordnungsgeld. Das Gesetz sieht einen Rahmen von bis zu 250.000 EURO vor. Dieser Wert stellt die Höchstgrenze dar, die regelmäßig nicht ansatzweise ausgeschöpft wird.

Das LG Potsdam hat nun entschieden, dass ein Bettenhersteller für einen zweifachen Verstoß durch wettbewerbswidrige Printwerbung ein Ordnungsgeld von 20.000 EURO zahlen muss.

Aus den Entscheidungsgründen:
"Gegen die Schuldnerin war antragsgemäß gem. § 890 ZPO ein Ordnungsgeld in tenorierter Höhe zu verhängen.

Die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor (§§ 704, 724 ZPO).

Die Schuldnerin hat die ihr mit dem Anerkenntnisurteil vom 21.05.2013 untersagte Handlung, wie ersichtlich aus dem Beschlusstenor, entgegen der Untersagung zweimal vorgenommen. Sie hat in der Werbebeilage zur Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ vom 04.09.2014 (Anlage OA 2, Hülle Bl. 311 GA) zwei Betten, nämlich das Kinderbett „Nils“ und das Bett „Paris“ abgebildet und dabei einen Preis genannt, der nur das leere Bettgestell beinhaltet, ohne darauf in ausreichender Weise hinzuweisen, wie die Gläubigerin glaubhaft gemacht hat (auf die eidesstattliche Versicherung vom 22.09.2014, Anlage OA 3, Bl. 312 GA, wird Bezug genommen). In der vorgenannten Werbebeilage sind beide Betten mit einem Preis abgebildet ohne einen Hinweis darauf, was dieser Preis beinhaltet. Dies ist unstreitig. Anders als die Schuldnerin meint, genügt der unten links in kleiner Schrift angebrachte Hinweis „Alle Angebote sind ohne Deko, Matratzen und Auflagen.“ nicht den Anforderungen an einen deutlichen aufklärenden Verweis, dass der Preis nur das leere Bettgestellt beinhaltet. Es kommt dabei hier nicht darauf an, ob dieser Hinweis am Blickfang teilnimmt. Blickfangwerbung liegt nicht vor, da kein Artikel in der Werbebeilage besonders herausgestellt wird. Der Hinweis ist jedoch zu pauschal, da er sich auf alle Artikel, die beworben werden, bezieht, er ist an einer unauffälligen Stelle angebracht, die nur einem sehr sorgfältigen Leser ins Auge fällt und die Abbildungen der Betten weisen keinerlei Bezugszeichen auf, die auch einen durchschnittlich aufmerksamen Leser darauf hinweisen können, dass die Angabe im Bild nicht vollständig sind und ihn (überhaupt) veranlassen könnten, nach weiteren Angaben zu suchen. Letztlich lässt sich aus dem Hinweis auch nicht entnehmen, dass auch der Lattenrost im Preis nicht inbegriffen ist, da dort nur „Deko, Matratzen und Auflagen“ erwähnt werden.

Das Gericht hat bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes dem Umstand Rechnung getragen, dass die Schuldnerin durch ein empfindliches Übel zur zukünftigen Einhaltung der gerichtlichen Unterlassungsanordnung anzuhalten ist."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: