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EuGH: Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren bei Markenfälschung ist unionsrechtswidrig da dies unverhältnismäßig sein kann

EuGH
Urteil vom 19.10.2023
C-655/21
Verhältnismäßigkeit der Strafe bei Markenfälschung


Der EuGH hat entschieden, dass eine nationale Regelung, die eine Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren bei Markenfälschungen vorsieht, unionsrechtswidrig ist, da dies unverhältnismäßig sein kann.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Eine Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren im Falle der Markenfälschung kann sich als unverhältnismäßig herausstellen

Ein Strafverfahren wegen Markenfälschung wurde in Bulgarien gegen eine Eigentümerin eines Unternehmens eingeleitet, das Bekleidung verkauft. Die bulgarischen Behörden führten in einem von diesem Unternehmen gemieteten Geschäftslokal eine Kontrolle durch. Sie stellten fest, dass die auf den Waren angebrachten Zeichen bereits eingetragenen Marken ähnlich waren. Die Händlerin wurde wegen Benutzung der Marken ohne Zustimmung ihrer Inhaber vor das zuständige bulgarische Gericht gestellt. Das bulgarische Recht sieht Vorschriften vor, die dasselbe Verhalten sowohl als Straftat als auch als Ordnungswidrigkeit definieren.

Das bulgarische Gericht ersucht den Gerichtshof um Vorabentscheidung in Bezug auf die Vereinbarkeit des bulgarischen Rechts zur Ahndung der Markenfälschung mit dem Unionsrecht, da die vorgesehenen Sanktionen hoch seien und das Fehlen eines klaren und eindeutigen Kriteriums für die Einstufung als Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu einander widersprechenden Praktiken und zu einer Ungleichbehandlung von Einzelnen führe, die praktisch die gleichen Handlungen begangen hätten.

Erstens weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Markenfälschung vom nationalen Recht sowohl als Ordnungswidrigkeit als auch als Straftat eingestuft werden kann. Insoweit betont er, dass nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen Strafvorschriften hinsichtlich der Definition sowohl des Straftatbestands als auch des Strafmaßes zugänglich, vorhersehbar und klar sein müssen. So muss jeder Bürger erkennen, welches Verhalten seine strafrechtliche Verantwortlichkeit begründet. Dass Markenfälschung in Bulgarien auch ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen nach sich ziehen kann, bedeutet keinen Verstoß gegen diesen Grundsatz.

Zweitens verstößt nach Ansicht des Gerichtshofs eine nationale Rechtsvorschrift, die im Fall der wiederholten oder mit schwerwiegenden schädigenden Folgen einhergehenden Benutzung einer Marke eine Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren vorsieht, gegen das Unionsrecht. Der Gerichtshof erläutert, dass die Mitgliedstaaten, auch wenn die Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums strafrechtlich nicht zur Anwendung kommt, aufgrund des TRIPS-Übereinkommens , das sowohl die Union als auch die Mitgliedstaaten bindet, eine Haftstrafe für bestimmte Markenfälschungsstraftaten vorsehen können. In Ermangelung von Rechtsvorschriften auf europäischer Ebene sind die Mitgliedstaaten zwar befugt, die Art und Höhe der anwendbaren Sanktionen zu wählen. Diese repressiven Maßnahmen müssen jedoch verhältnismäßig sein. Wird aber für alle Fälle der ohne Zustimmung erfolgten Benutzung einer Marke im geschäftlichen Verkehr eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren vorgesehen, so ist diesem Gebot nicht Genüge getan. Eine solche Regelung berücksichtigt nämlich nicht die etwaigen spezifischen Umstände der Begehung dieser Straftaten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OVG Rheinland-Pfalz: DSGVO steht Übermittlung von personenbezogenen Daten an Polizei und Bußgeldbehörden zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nicht entgegen

OVG Rheinland-Pfalz
Beschluss vom 20.06.2023
7 B 10360/23


Das OVG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die Vorgaben der DSGVO der Übermittlung von personenbezogenen Daten an Polizei und Bußgeldbehörden zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nicht entgegen stehen.

Aus den Entscheidungsgründen:
d) Entgegen der Annahme der Antragstellerin war sie an der Preisgabe des verantwortlichen Fahrzeugführers oder der verantwortlichen Fahrzeugführerin nicht gehindert durch die Bestimmungen der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO –). Dabei bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten im Ordnungswidrigkeitenverfahren – in dessen Rahmen die vorliegenden Ermittlungen vorgenommen wurden – in den sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO fällt (zweifelnd: VG Regensburg, Urteil vom 17. April 2019 – RN 3 K 19.267 –, juris Rn. 25 ff.) oder sie hiervon gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. b) DSGVO ausgenommen ist (ebenfalls offenlassend: BayVGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2022 – 11 ZB 22.895 –, juris Rn. 18 und vom 30. November 2022 – 11 CS 22.1813 –, juris Rn. 34). Selbst wenn der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet sein sollte, wäre die Preisgabe der persönlichen Daten der Fahrzeugführer durch die Antragstellerin an die Polizei- oder Bußgeldbehörden gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Wahrung der berechtigten Interessen der Behörden, eines Dritten im Sinne von Art. 4 Nr. 10 DSGVO, zulässig. Behörden haben ein berechtigtes Interesse daran, die ihnen im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgaben zu erfüllen, zu denen die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gehört (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22. Juli 2022 – 11 ZB 22.895 –, juris Rn. 18). Gleiches gilt für das Führen eines Fahrzeugbuchs durch und die damit verbundene Datenerhebung durch den Fahrzeughalter (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30. November 2022 – 11 CS 22.1813 –, juris Rn. 34; ferner HambOVG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 4 Bs 84/20 –, juris Rn. 19: Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO). Ferner ist auch die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden – die Eröffnung des Anwendungsbereichs der DSGVO vorausgesetzt – gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO gerechtfertigt (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 17. April 2019 – RN 3 K 19.267 –, juris Rn. 30).

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Bayerischer VGH: Fahrtenbuchauflage wegen Verkehrsverstößen verstößt nicht gegen DSGVO

Bayerischer VGH
Beschluss vom 30.11.2022
11 CS 22.1813


Der Bayerische VGH hat entschieden, dass eine Fahrtenbuchauflage wegen Verkehrsverstößen nicht gegen die DSGVO verstößt.

Aus den Entscheidungsgründen:

2.) Wenn die Antragstellerin dagegen einwendet, es verstoße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), ein Fahrtenbuch auf unbestimmte Zeit führen zu lassen, geht dies daher bereits von unzutreffenden Voraussetzungen aus.

(3) Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, weshalb es, wie sie darüber hinaus in den Raum stellt, mit der Datenschutzgrundverordnung unvereinbar sein sollte, dass die Antragstellerin für neun Monate ein Fahrtenbuch zu führen, dieses Polizeibeamten sowie Vertretern des Landratsamts auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen und mindestens sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es zu führen ist, aufzubewahren hat. Nach der Rechtsprechung des Senats ist - ungeachtet der Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs der DSGVO (zweifelnd VG Regensburg, U.v. 17.4.2019 - RN 3 K 19.267 - juris Rn. 24 ff.) - im Falle des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a StVZO eine Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO zur Wahrung der berechtigten Interessen von Behörden und Gerichten, die insoweit Dritte im Sinn des Art. 4 Nr. 10 DSGVO sind, bei Abwägung mit den Interessen des Fahrzeugführers zulässig. Behörden und Gerichte haben ein berechtigtes Interesse daran, die ihnen im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgaben zu erfüllen, zu denen die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten sowie Straftaten gehört (vgl. BayVGH, B.v. 22.7.2022 - 11 ZB 22.895 - ZfSch 2022, 595 = juris Rn. 18).

Anders als die Beschwerde meint, setzt die Verfolgungsverjährungsfrist, die unter Umständen nur drei Monate beträgt (§ 26 Abs. 3 Satz 1 StVG), insoweit keine beachtliche Grenze. Nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DSGVO, auf den das Vorbringen der Sache nach abzielt, sind personenbezogene Daten zwar zu löschen, wenn sie für die Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr notwendig sind. Insoweit geht die Antragstellerin jedoch von einem zu engen Erhebungszweck aus. Wie der Antragsgegner zutreffend ausführt, zielt die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs auch darauf ab, ggf. eine Verfolgung von Verkehrsstraftaten zu ermöglichen (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.1964 - VII C 91.61 - BVerwGE 18, 107/108 f.). Insoweit gelten aber weitaus längere Verjährungsfristen (vgl. §§ 78 ff. StGB). Zudem kann die Fahrtenbuchauflage ihren Zweck, künftig die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten zu ermöglichen und dies zugleich den betroffenen Fahrern zur Verhinderung weiterer Zuwiderhandlungen im Vorfeld vor Augen zu führen (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2015 - 3 C 13.14 - BVerwGE 152, 180 Rn. 19), nur erfüllen, wenn die ordnungsgemäße Führung kontrolliert werden kann. Dies muss zur Sicherstellung eines rationellen Einsatzes der vorhandenen Mittel auch unabhängig vom Ablauf etwaiger Verjährungsfristen zum Ende der Maßnahme und in einem angemessenen Zeitraum danach möglich sein. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn § 31a Abs. 3 StVZO eine Pflicht zur Aufbewahrung des Fahrtenbuchs für sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es geführt werden muss, vorsieht. Damit bedarf auch keiner Erörterung, ob hier ein Ausnahmetatbestand gemäß Art. 17 Abs. 3 DSGVO vorliegen könnte.

(4) Schließlich ist nicht zu erkennen, dass die Fahrtenbuchanordnung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats mit Blick auf die seit Erlass des sofort vollziehbaren Bescheids verstrichene Zeit von sechs Monaten unverhältnismäßig geworden wäre. Die Erwägungen des Landratsamts, es handle sich hier um einen gravierenden Verkehrsverstoß, an deren Aufklärung die Antragstellerin nicht mitgewirkt habe, ist nicht zu beanstanden. Die konkreten Umstände des Einzelfalls musste es, entgegen der Ansicht der Beschwerde, insoweit nicht berücksichtigen. Denn das Gewicht der Zuwiderhandlung ergibt sich, wie ausgeführt, aus ihrer generellen Gefährlichkeit für die Sicherheit des Verkehrs. Wenn das Landratsamt eine Aufhebung der Verpflichtung nach neun Monaten in Aussicht gestellt hat, bewegt sich dies ersichtlich in dem Rahmen, den die Rechtsprechung für vergleichbare bzw. mit einem Punkt im Fahrerlaubnisregister bewertete Verstöße gebilligt hat (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2015 - 3 C 13.14 - BVerwGE 152, 180 Rn. 20 ff.; OVG NW, B.v. 13.1.2016 - 8 A 1030/15 - NJW 2016, 968 = juris Rn. 15; VGH BW, B.v. 4.12.2013 - 10 S 1162/13 - DAR 2014, 103 = juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 15.10.2018 - 11 CS 18.1240 - juris Rn. 19; B.v. 31.1.2022 - 11 CS 21.3019 - juris Rn. 13).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VG Ansbach: Fotografieren von Falschparkern und Übermittlung an Ordnungsbehörden durch Privatpersonen nicht datenschutzwidrig - berechtigtes Interesse gemäß Art. 6 Abs 1 lit. f DSGVO

VG Ansbach
Urteile vom 02.11.2022
AN 14 K 22.00468 und AN 14 K 21.01431


Das VG Ansbach hat entschieden, dass das Fotografieren von Falschparkern und die Übermittlung an die Polizei bzw. Ordnungsbehörden durch Privatpersonen nicht datenschutzwidrig ist. Nach Ansicht des Gerichts liegt ein überwiegendes berechtigtes Interesse gemäß Art. 6 Abs 1 lit. f DSGVO vor.

Die Pressemitteilung des Gericht:

Verwaltungsgericht Ansbach gibt Klagen gegen Verwarnungen wegen Ablichtung von Falschparkern statt

Das Verwaltungsgericht Ansbach hat mit heute bekanntgegebenen Urteilen zwei Klagen gegen Verwarnungen des Landesamtes für Datenschutzaufsicht (LDA) stattgegeben, mit denen das LDA die Ablichtung von Falschparkern rügte.

Gegenstand der Verwarnungen waren von den Klägern angefertigte Fotoaufnahmen von ordnungswidrig geparkten Fahrzeugen, die die Kläger mitsamt Anzeigen an die zuständige Polizei übersandten. Bei den angezeigten Verstößen handelte es sich beispielsweise um Parken im absoluten Halteverbot oder ordnungswidrig auf Gehwegen.

Das Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob die Übermittlung der Bildaufnahmen eine rechtmäßige Datenverarbeitung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) darstellte. Die Regelung setzt voraus, dass die Datenverarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist. Die Beteiligten stritten insbesondere um die rechtliche Frage, ob für die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung eine persönliche Betroffenheit des Anzeigenerstatters durch die Parkverstöße erforderlich sei und ob nicht für eine Anzeige die bloße schriftliche oder telefonische Schilderung des Sachverhalts unter Angabe des Fahrzeugkennzeichens genüge, sodass eine Übermittlung von Bildaufnahmen nicht erforderlich sei. Problematisch sei nach Ansicht des LDA zudem, dass mit den Fotos oft Daten erhoben würden, die über den reinen Parkvorgang hinausgingen, z.B. bei Ablichtung anderer Fahrzeuge und Personen. Die Kläger verwiesen auf ihnen gegenüber ergangene Hinweise der Polizei, wonach die Parksituation zum Beweis durch Fotoaufnahmen möglichst genau dokumentiert werden sollte. Zudem würde die Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten durch die Anfertigung von Fotos
vereinfacht.

Die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach gab den Klagen mit Entscheidung vom 2. November 2022 statt. Die schriftlichen Urteilsbegründungen liegen noch nicht vor.

Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. Gegen die Urteile kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gestellt werden.

(VG Ansbach, Urteile vom 2. November 2022 – AN 14 K 22.00468 und AN 14 K 21.01431)



OLG Frankfurt: Kein zulässiger Sonntagsverkauf wenn Einzelhandelsgeschäft nicht für den Sonntagsverkauf zugelassene Räumlichkeiten und Produkte provisorisch abtrennt

OLG Frankfurt
Beschluss vom 20.8.2020
2 Ss-OWi 867/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein zulässiger Sonntagsverkauf vorliegt, wenn Einzelhandelsgeschäft nicht für den Sonntagsverkauf zugelassene Räumlichkeiten und Produkte provisorisch abtrennt und so zu einem Kiosk umfunktioniert wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Einzelhandelsgeschäft wird nicht durch provisorische Abtrennung zum Kiosk mit zulässigem Sonntagsverkauf

Ein Einzelhandelsgeschäft unterliegt grundsätzlich dem Sonntagsverkaufsverbot. Die provisorische Abtrennung der nicht für den Sonntagsverkauf zugelassen Räumlichkeiten und Produkte führt nicht dazu, dass das Ladengeschäft zum „Kiosk“ wird und nicht mehr dem Sonntagsverkaufsverbot unterliegt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) bestätigte deshalb eine gegen den Betroffenen verhängte Geldbuße in Höhe von 500,00 €.
Nr. 67/2020

Der Betroffene wendet sich gegen eine Geldbuße i.H.v. 500 € wegen fahrlässigen verbotswidrigen „Öffnens einer Verkaufsstelle mit Kundinnen und Kunden für den geschäftlichen Verkehr außerhalb der Werktage“. Er meint, sein Einzelhandelsgeschäft könne am Sonntag als „Kiosk“ geöffnet sein, wenn er nur die entsprechenden für den Sonntagsverkauf zugelassenen Waren anbiete und die übrigen Räumlichkeiten mit den nicht für den Sonntagsverkauf zugelassenen Waren provisorisch abtrenne.

Die gegen das amtsgerichtliche Urteil eingelegte Rechtsbeschwerde hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Nach Auffassung des OLG verstieß der Betroffene vielmehr vorsätzlich gegen das Sonntagsverkaufsverbot. Nach dem Hessischen Ladenöffnungsgesetz sei die Ladenöffnung am Sonntag grundsätzlich verboten, wenn sie nicht ausdrücklich erlaubt sei. Eine derartige Erlaubnis habe der Betroffene nicht.

Der Betroffene sei vielmehr bereits im September 2019 vom Gewerbeamt auf das allgemeine Sonntagsverkaufsverbot hingewiesen worden. Er könne die gesetzgeberische Vorgabe auch nicht dadurch unterlaufen, dass er einen Rechtsanwalt gefragt und von diesem eine entgegenstehende Antwort erhalten habe. Der Rechtsanwalt habe die gesetzliche Regelung nicht durch eigenständige Bewertungen ersetzen können. Die Vorgehensweise des Betroffenen führe allein dazu, dass von einem vorsätzlichen Verhalten auszugehen sei und eine Haftung des Rechtsanwalts für die unrichtige Auskunft im Raum stehe.

Das Lebensmittelgeschäft des Betroffenen falle auch nicht unter den Begriff „Kiosk“, der zum Verkauf an Sonn- und Feiertagen berechtigt wäre. Der Begriff „Kiosk“ sei in Anlehnung an bauordnungsrechtliche Vorschriften zu verstehen. Es handele sich um „eine kleine ortsfeste, meist aus einem einzigen Raum bestehende bauliche Anlage, die in der Regel von Kundinnen und Kunden nicht betreten werden kann und bei der die Warenabgabe in Form des Schalterverkaufs stattfindet“. Diesem Begriffsverständnis entspreche das Lebensmittelgeschäft des Betroffenen - auch im Falle der provisorischen Abtrennung - nicht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.8.2020, Az. 2 Ss-OWi 867/20

Erläuterungen:
§ 3 Hessisches Ladenöffnungsgesetz - Öffnungszeiten
(1) Verkaufsstellen dürfen an Werktagen für den geschäftlichen Verkehr mit Kundinnen und Kunden von 0 bis 24 Uhr geöffnet sein.

(2) Verkaufsstellen müssen zu folgenden Zeiten für den geschäftlichen Verkehr mit Kundinnen und Kunden geschlossen sein:

1. an Sonn- und Feiertagen,

...

§ 4 - Sonderöffnungszeiten
(1) Abweichend von § 3 Abs. 2 dürfen

1. Tankstellen in der Zeit von 0 bis 24 Uhr für die Abgabe von Betriebsstoffen, Ersatzteilen für die Erhaltung oder Wiederherstellung der Fahrbereitschaft von Kraftfahrzeugen sowie für die Abgabe von Reisebedarf,

2. Verkaufsstellen auf internationalen Verkehrsflughäfen, Flughäfen und Personenbahnhöfen in der Zeit von 0 bis 24 Uhr, auf Flughäfen und Personenbahnhöfen jedoch nur für die Abgabe von Reisebedarf,

3. Kioske für die Dauer von sechs Stunden zur Abgabe von Zeitungen, Zeitschriften, Tabakwaren, Lebens- und Genussmitteln in kleineren Mengen,

4....



AG München: Bußgeld wegen Verstoß gegen Bundesdatenschutzgesetz durch Dashcam im PKW

AG München
Urteil vom 09.08.2017
1112 OWi 300 Js 121012/17


Das AG München hat einen Bußgeldbescheid wegen des Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz durch die Verwendung einer Dashcam im PKW bestätigt.

Die Pressemitteilung des AG München:

Das Auto im Fokus - Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz

Am 09.08.2017 wurde eine 52-jährige Geschäftsführerin aus München wegen vorsätzlicher unbefugter Erhebung und Verarbeitung und Bereithaltung von personenbezogenen Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, vom Amtsgericht München zu einer Geldbuße von 150 Euro verurteilt.

Die Betroffene parkte am 11.08.2016 von circa 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr ihren PKW BMW X1 in der Mendelssohnstraße in München. Das Fahrzeug war vorne und hinten mit einer Videokamera ausgestattet. Die Kameras fertigten laufend Videoaufzeichnungen des vor und hinter dem Fahrzeug befindlichen öffentlichen Verkehrsraums. Diese Aufzeichnungen wurden gespeichert. Auf diese Weise wurden mindestens drei andere Fahrzeuge, die sich vor oder hinter dem Straßenraum des geparkten Fahrzeugs befanden, aufgezeichnet. Die Videoaufzeichnungen wurden durch die Betroffene der Polizei übergeben, da ein anderes Fahrzeug ihr geparktes Fahrzeug gestreift und beschädigt hat und sie die Videoaufzeichnungen als Beweismittel vorlegen wollte.

Gegen die Betroffene wurde ein Bußgeldverfahren eingeleitet und ein Bußgeldbescheid erlassen wegen Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz.

Sie legte dagegen Einspruch ein. Sie ist der Meinung, dass durch die Aufnahme von Autokennzeichen keine schützenswerten Daten erhoben und gespeichert worden seien. Es sei ihr nur darauf angekommen, potentielle Täter einer Sachbeschädigung am PKW ermitteln zu können. Die einzelnen Fahrer der entsprechenden vor oder hinter dem PKW parkenden Autos seien nicht erkennbar gewesen.

Der zuständige Richter am Amtsgericht München beurteilte ihr Verhalten als vorsätzliche Ordnungswidrigkeit. „Nach Auffassung des Gerichtes überwiegt hier im vorliegenden Fall das Recht der gefilmten Personen auf informationelle Selbstbestimmung. Das Interesse der Betroffenen an der Aufdeckung von einer potentiellen Straftat muss hierbei zurückstehen. Das permanente anlasslose Filmen des vor und hinter dem geparkten Fahrzeug befindlichen Straßenraums verletzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und stellt einen schwerwiegenden Eingriff in dieses Recht dar. Es geht nicht an, dass 80 Millionen Bundesbürger mit Kameras herumlaufen, um irgendwelche Situationen aufnehmen zu können, die eine Straftat aufdecken könnten. Eine permanente Überwachung jeglichen öffentlich Raumes durch Privatbürger ist nicht zulässig, da es in das Recht unbeteiligter Personen in schwerwiegender Weise eingreift, selbst bestimmen zu können, wo und wann man sich aufhält, ohne dass unbeteiligte Personen dies dokumentieren und bei Behörden verwenden würden“, so das Urteil.

Das Gesetz sieht eine Geldbuße bis zu 300.000 Euro vor. Bei der Höhe hat das Gericht berücksichtigt, dass die Betroffene nur 1500 Euro netto verdient. „Zu ihren Gunsten konnte gewertet werden, dass offenbar in der Vergangenheit das Fahrzeug schon einmal beschädigt worden ist und die Betroffene subjektiv einen Anlass hatte, die Kameras einzusetzen“.

Urteil des Amtsgerichts München vom 09.08.2017, Aktenzeichen 1112 OWi 300 Js 121012/17

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.