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Volltext BGH liegt vor: Schiedsgericht des DFB kann gegen Verein Sanktionen für das Verhalten seiner Fans und Anhänger verhängen - kein Verstoß gegen ordre public

BGH
Beschluss vom 04.11.2021
I ZB 54/20
ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Schiedsgericht des DFB kann gegen Verein Sanktionen für das Verhalten seiner Fans und Anhänger verhängen - kein Verstoß gegen ordre public über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Die vom Deutschen Fußballbund gemäß § 9a der DFB-Rechts- und Verfahrensordnung gegen einen Ligateilnehmer für das Verhalten seiner Anhänger verhängte verschuldensunabhängige Verbandsstrafe in Form einer Geldstrafe stellt keine strafähnliche Sanktion dar, die dem mit Verfassungsrang ausgestattetem Schuldgrundsatz unterliegen könnte.

b) Zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts im Sinne des ordre public gehört der aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Freiheitsrechten folgende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der auch in der Zivilrechtsordnung Geltung beansprucht. Eine Verletzung des ordre public liegt allerdings nur vor, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das eklatant gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt.

BGH, Beschluss vom 4. November 2021 - I ZB 54/20 - OLG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Schiedsgericht des DFB kann gegen Verein Sanktionen für das Verhalten seiner Fans und Anhänger verhängen - kein Verstoß gegen ordre public

BGH
Beschluss vom 04.11.2021
I ZB 54/20


Der BGH hat entschieden, dass ein Schiedsgericht des DFB gegen einen Verein Sanktionen für das Verhalten seiner Fans und Anhänger verhängen kann. Insofern liegt auch kein ordre public-Verstoß vor.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Zur Haftung der Fußballvereine für das Verhalten ihrer Anhänger

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Schiedssprüche zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Schiedsspruch des "Ständigen Schiedsgerichts für die dritte Liga beim Deutschen Fußballbund" (Ständiges Schiedsgericht), mit dem eine gegen einen Ligateilnehmer für das Verhalten seiner Anhänger bei Heim- und bei Auswärtsspielen verhängte verschuldensunabhängige Geldstrafe bestätigt wurde, nicht gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstößt.

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist die ausgegliederte Fußball-Profiabteilung des FC Carl Zeiss Jena e.V. Ihre erste (Männer-)Mannschaft spielte in der vom Antragsgegner, dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), als Profiliga ausgerichteten dritten Liga. Die Parteien schlossen Anfang 2018 einen Schiedsgerichtsvertrag, in dem für Streitigkeiten über Sanktionen die Zuständigkeit des Ständigen Schiedsgerichts vereinbart wurde. Bei einem Auswärtsspiel und zwei Heimspielen im Jahr 2018 brannten Personen im Fanblock der Antragstellerin pyrotechnische Gegenstände ab oder warfen Gegenstände in Richtung Spielfeld.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Sportgericht des Antragsgegners belegte die Antragstellerin aufgrund dieser Vorfälle gemäß § 9a Nr. 1 und 2 der DFB-Rechts- und Verfahrensordnung (DFB-RuVO) mit einer Geldstrafe in Höhe von 24.900 €. Ihr wurde nachgelassen, hiervon einen Betrag in Höhe von bis zu 8.000 € für sicherheitstechnische, infrastrukturelle und gewaltpräventive Maßnahmen zu verwenden. Die Berufung der Antragstellerin wies das Bundesgericht des Antragsgegners zurück. Die dagegen erhobene Klage der Antragstellerin vor dem Ständigen Schiedsgericht blieb ohne Erfolg.

Den Antrag, diesen Schiedsspruch aufzuheben, hat das Oberlandesgericht als unbegründet zurückgewiesen. Die Anwendung der in § 9a DFB-RuVO geregelten Verbandsstrafenhaftung im Sinne einer objektiven Kausalhaftung für ein Fehlverhalten Dritter verstoße nicht gegen den ordre public im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts zurückgewiesen.

Der Schiedsspruch verstößt nicht wegen einer Verletzung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Schuldgrundsatzes gegen den ordre public. Die "Geldstrafe", die gegen die Antragstellerin für das Verhalten ihrer Anhänger verhängt und vom Schiedsgericht bestätigt worden ist, stellt keine strafähnliche Sanktion dar, die diesem Grundsatz unterliegen könnte. Sie dient nicht der Ahndung und Sühne vorangegangenen Fehlverhaltens der Antragstellerin, sondern soll den künftigen ordnungsgemäßen Spielbetrieb sichern. Die Sanktion ist nicht verhängt worden, weil die Antragstellerin Vorgaben des Antragsgegners zu Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten hätte, sondern weil die von der Antragstellerin ergriffenen Maßnahmen nicht ausgereicht haben, um Ausschreitungen ihrer Anhänger zu verhindern. Die "Geldstrafe" soll die Antragstellerin dazu anhalten, zukünftig alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um mäßigend auf ihre Anhänger einzuwirken und so künftige Zuschauerausschreitungen zu verhindern. Sie soll die Antragstellerin dazu veranlassen, in ständiger Kommunikation mit und in Kontakt zu ihren Fans befriedend auf diese einzuwirken, situationsabhängig geeignete präventive Maßnahmen zu ergreifen und dadurch die von ihren Anhängern ausgehenden Gefahren für den Wettkampfbetrieb bestmöglich zu unterbinden.

Die Einordnung der "Geldstrafe" als präventive Maßnahme entspricht der Rechtsprechung des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS), der das Ziel der verschuldensunabhängigen Haftung gleichfalls nicht in der Bestrafung des Vereins, sondern in der Prävention und Abschreckung sieht.

Der Schiedsspruch verstößt auch nicht wegen einer eklatanten Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit oder wegen einer Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes gegen den ordre public.

Vorinstanz:

OLG Frankfurt am Main - Beschluss vom 23. Juni 2020 - 26 Sch 1/20

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 9a DFB-RuVO

Verantwortung der Vereine

1. Vereine und Tochtergesellschaften sind für das Verhalten ihrer Spieler, Offiziellen, Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfen, Mitglieder, Anhänger, Zuschauer und weiterer Personen, die im Auftrag des Vereins eine Funktion während des Spiels ausüben, verantwortlich.

2. Der gastgebende Verein und der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaften haften im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art.

§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO

Aufhebungsantrag

(2) Ein Schiedsspruch kann nur aufgehoben werden, […]

2. wenn das Gericht feststellt, dass […]

b) die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.


BGH: Grundsatz der prozessualer Waffengleichheit gehört zum verfahrensrechtlichen ordre public - für Schiedsverfahren auch in § 1042 Abs. 1 Satz 1 ZPO geregelt

BGH
Beschluss vom 23.07.2020
I ZB 88/19
ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b, § 1042 Abs. 1 Satz 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3


Der BGH hat entschieden, dass der Grundsatz der prozessualer Waffengleichheit zum verfahrensrechtlichen ordre public-gehört und für Schiedsverfahren einfachrechtlich auch in § 1042 Abs. 1 Satz 1 ZPO geregelt ist.

Leitsatz des BGH:

Der verfassungsrechtliche Grundsatz prozessualer Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, der für das Schiedsverfahren einfachrechtlich in § 1042 Abs. 1 Satz 1 ZPO geregelt ist, gehört zum verfahrensrechtlichen ordre public.

BGH, Beschluss vom 23. Juli 2020 - I ZB 88/19 - Kammergericht

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: