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OVG Rheinland-Pfalz: Glücksspielrechtliches Mindestabstandsgebot für Wettvermittlungsstellen unionsrechtskonform

OVG Rheinland-Pfalz
Beschluss vom 12.09.2023
6 B 10622/23.OVG


Das OVG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass ein glücksspielrechtliches Mindestabstandsgebot für Wettvermittlungsstellen unionsrechtskonform ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Glücksspielrechtliches Mindestabstandsgebot für Wettvermittlungsstellen europarechtlich unbedenklich

Die Regelung im Landesglücksspielgesetz, wonach Wettvermittlungsstellen einen Mindestabstand von 250 Metern Luftlinie zu einer öffentlichen oder privaten Einrichtung, die überwiegend von Minderjährigen besucht wird, einhalten müssen, ist mit Unions­recht vereinbar. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem Eilverfahren.

Die Antragstellerin möchte in Zweibrücken eine Wettvermittlungsstelle weiterbetreiben. Ihren Antrag auf Verlängerung der ihr befristet erteilten glücksspielrechtlichen Erlaubnis lehnte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) mit der Begründung ab, dass der gesetzliche Mindestabstand zu einer Nachhilfeeinrichtung, die auch von Minder­jährigen besucht werde, nicht eingehalten sei. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und stellte beim Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße einen Eilantrag, den Betrieb der Wettvermittlungsstelle vorübergehend weiter zu dulden, ins­besondere keine Maßnahmen einzuleiten, die auf eine Schließung des Betriebs abzie­len. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag ab. Ihre hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht zurück.

Die für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle für Sportwetten erforderliche glücks­spielrechtliche Erlaubnis dürfe nach dem Landesglücksspielgesetz Rheinland-Pfalz (LGlüG) nur erteilt werden, wenn die Wettvermittlungsstelle unter anderem einen Mindestabstand von 250 Metern zu einer öffentlichen oder privaten Einrichtung, die überwiegend von Minderjährigen besucht werde, nicht unterschreite. Die Voraussetzun­gen dieser Mindestabstandsregelung lägen nicht vor. Die Regelung sei auch nicht – wie von der Antragstellerin geltend gemacht – aus unionsrechtlichen Gründen unanwend­bar. Insbesondere ein Verstoß gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot sei nicht feststellbar. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs könnten nämlich solche Beschränkungen der Glücksspieltätigkeit durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses wie den Schutz der Verbraucher, die Betrugsvorbeugung oder die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein. Die restriktive Maßnahme müsse allerdings geeignet sein, die Ver­wirklichung dieses Ziels dadurch zu gewährleisten, dass sie dazu beiträgt, die Tätig­keiten im Glücksspiel in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen. Der Senat teile die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Abstandsgebot dem Spieler- und Jugendschutz diene, da Sportwettangebote insbesondere auch für Kinder und Jugendliche ein hohes Gefährdungspotenzial hätten und damit eine örtliche Begren­zung des Angebots erreicht werden könne, um insbesondere Glücksspielsucht bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern und zu bekämpfen. Das mit dem Abstands­gebot verfolgte Ziel der Spielsuchtbekämpfung und des Jugendschutzes werde durch Ausnahmen in anderen Bereichen des Glücksspielrechts, insbesondere für Lotto-Annahmestellen und Bestandsspielhallen nicht derart konterkariert, dass eine kohärente und systematische Verfolgung dieser Ziele nicht mehr vorliege. Im Unter­schied zu Wettvermittlungsstellen, in denen sich ausschließlich Kunden fänden, die Sportwetten abschließen möchten oder Wettergebnisse live über Bildschirme mitver­folgten, gingen in Lotto-Annahmestellen vor allem Kunden ein und aus, die mit gewöhn­lichen, ihren Alltagsbedarf deckenden Bedürfnissen befasst seien. Aus diesem Grund komme dem Glücksspielangebot in Lotto-Annahmestellen wegen der dort bestehenden sozialen Kontrolle eine andere Qualität zu. Für Spielhallen sehe das Landesglücksspiel­gesetz mit 500 Metern einen doppelt so hohen Mindestabstand unter anderem zu Kinder- und Jugendeinrichtungen vor. Zwar habe der Gesetzgeber für bei Inkrafttreten des Landesglücksspielgesetzes im Jahr 2012 bestehende Spielhallen eine großzügige Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2028 gewährt. Die Übergangsfrist konterkariere die Mindestabstandsregelung aber nicht, weil sie ausweislich der Gesetzesmaterialien letztmalig verlängert worden sei und nur für Bestandsspielhallen gelte.

Beschluss vom 12. September 2023, Aktenzeichen: 6 B 10622/23.OVG


OVG Rheinland-Pfalz: DSGVO steht Übermittlung von personenbezogenen Daten an Polizei und Bußgeldbehörden zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nicht entgegen

OVG Rheinland-Pfalz
Beschluss vom 20.06.2023
7 B 10360/23


Das OVG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die Vorgaben der DSGVO der Übermittlung von personenbezogenen Daten an Polizei und Bußgeldbehörden zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nicht entgegen stehen.

Aus den Entscheidungsgründen:
d) Entgegen der Annahme der Antragstellerin war sie an der Preisgabe des verantwortlichen Fahrzeugführers oder der verantwortlichen Fahrzeugführerin nicht gehindert durch die Bestimmungen der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO –). Dabei bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten im Ordnungswidrigkeitenverfahren – in dessen Rahmen die vorliegenden Ermittlungen vorgenommen wurden – in den sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO fällt (zweifelnd: VG Regensburg, Urteil vom 17. April 2019 – RN 3 K 19.267 –, juris Rn. 25 ff.) oder sie hiervon gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. b) DSGVO ausgenommen ist (ebenfalls offenlassend: BayVGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2022 – 11 ZB 22.895 –, juris Rn. 18 und vom 30. November 2022 – 11 CS 22.1813 –, juris Rn. 34). Selbst wenn der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet sein sollte, wäre die Preisgabe der persönlichen Daten der Fahrzeugführer durch die Antragstellerin an die Polizei- oder Bußgeldbehörden gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Wahrung der berechtigten Interessen der Behörden, eines Dritten im Sinne von Art. 4 Nr. 10 DSGVO, zulässig. Behörden haben ein berechtigtes Interesse daran, die ihnen im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgaben zu erfüllen, zu denen die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gehört (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22. Juli 2022 – 11 ZB 22.895 –, juris Rn. 18). Gleiches gilt für das Führen eines Fahrzeugbuchs durch und die damit verbundene Datenerhebung durch den Fahrzeughalter (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30. November 2022 – 11 CS 22.1813 –, juris Rn. 34; ferner HambOVG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 4 Bs 84/20 –, juris Rn. 19: Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO). Ferner ist auch die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden – die Eröffnung des Anwendungsbereichs der DSGVO vorausgesetzt – gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO gerechtfertigt (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 17. April 2019 – RN 3 K 19.267 –, juris Rn. 30).

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OVG Rheinland-Pfalz: Bei unbekanntem Geburtsdatum kein Anspruch auf Eintragung eines fiktiven Geburtsdatums im Personalausweis

OVG Rheinland-Pfalz
Urteil vom 11.11.2022
7 A 10318/22.OVG


Das OVG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass bei einem unbekannten Geburtsdatum kein Anspruch auf Eintragung eines fiktiven Geburtsdatums im Personalausweis besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kein fiktives Geburtsdatum im Ausweis

Ein im Jahr 1957 in Algerien geborener Kläger mit deutscher Staatsangehörigkeit, dessen konkretes Geburtsdatum unbekannt ist, hat keinen Anspruch auf Eintragung eines fiktiven Geburtsdatums in seinen Personalausweis und seinen Reisepass. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Im Personalausweis und im Reisepass des Klägers ist als Geburts­datum „XX.XX.1957“ eingetragen. Hintergrund ist der Umstand, dass der Kläger, dem sein tatsächliches Geburtsdatum unbekannt ist, kein Dokument seines Geburtslandes vorlegen konnte, welches ein konkretes Geburtsdatum ausweist. Er verfügt lediglich über einen Auszug aus dem Geburtenregister seines Geburtslandes, aus dem sich sein Geburtsjahr ergibt, nicht jedoch der konkrete Geburtsmonat bzw. -tag. Auch seine alte und leicht demente Mutter kennt seinen Angaben zufolge das genaue Geburtsdatum nicht. Seinen Antrag, ihm neue Ausweisdokumente auszustellen und darin ein fiktives Datum einzutragen, lehnte die Stadt Ludwigshafen ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob er Klage, mit der er sein Begehren weiterverfolgte. Hierzu machte er geltend, infolge der unvollständigen Eintragungen in seinen Ausweisdokumenten erleide er immer wieder erhebliche Nachteile, insbesondere bei Reisen in außereuropäische Länder, bei der Korrespondenz mit dem Finanzamt oder wenn er im Internet einen Vertrag abschließen wolle, bei dem seitens des Vertragspartners die Angabe des Geburtsdatums als zwin­gende Voraussetzung gefordert werde.

Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt und verpflichtete die beklagte Stadt, in den Personalausweis und den Pass des Klägers einen konkreten Geburtstag und Geburts­monat einzutragen. Der Kläger habe zur Wahrung seines Persönlichkeits­rechts und aus Gründen des im Rechtsstaatsgebot wurzelnden Grund­satzes der Verhältnismäßigkeit einen Anspruch auf Eintragung eines „echten“ Geburtsdatums in seinen Ausweisdoku­menten. Dies könne z.B. der 1. Januar oder auch ein anderer Tag sein. Auf die Berufung der Beklagten hob das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und wies die Klage ab.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Eintragung eines gegriffenen Geburtsdatums – hier in Form eines fiktiven Geburtsmonats und -tags – in seinen Personalausweis oder Reisepass. Schon das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass aus dem Anspruch auf Ausstellung eines Ausweises oder Passes nach den Vorschriften des Personalausweis- und des Passgesetzes grundsätzlich nur ein Anspruch auf Ein­tragung der richtigen Daten im Dokument folge. Ein Anspruch des Klägers auf Erfas­sung eines gegriffenen Geburtsdatums in seinen Ausweisdokumenten folge auch nicht aus unionsrechtlichen Regelungen. Vielmehr existiere sowohl für den Reisepass als auch den Personalausweis (jeweils) eine europäische Verordnung, die die Behandlung unbekannter Geburts­daten entsprechend der Vorgehensweise der Beklagten ausdrück­lich vorsehe.

Ein Ver­stoß gegen höherrangiges Recht lasse sich vorliegend weder im Hinblick auf die Grund­rechte des Grundgesetzes noch in Bezug auf die Unionsgrundrechte feststellen. Die ausschließliche Erfassung wahrer Geburtsdaten und die Eintragung von Platz­haltern für unbekannte Bestandteile dieses Datums seien ohne weiteres geeignet, die hiermit vom Gesetzgeber offensichtlich bezweckte inhaltliche Richtigkeit sämtlicher Personaldateneintragungen in den Ausweisdokumenten bestmöglich zu gewährleisten. Daneben würden mit dieser Vorgehensweise einheitliche Sicherheitsstandards für Pässe und Reisedokumente zum Schutz vor Fälschungen bzw. zur Verhinderung eines Identitätsbetrugs festgelegt. Mildere, gleich geeignete Mittel seien im Hinblick auf die erstrebte umfassende inhaltliche Richtigkeit der Personaldateneintragungen bereits nicht ersichtlich. Schließlich werde die Grenze der Zumutbarkeit bei der gebotenen Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigen­den Gründe vorliegend noch gewahrt. Soweit es auf Seiten des Klägers zu Beeinträch­tigungen komme, insbesondere in den Bereichen Reisen, Online-Vertrags­abschlüsse sowie über das Internet abzugebende Erklärungen gegenüber Behörden, stünden ihm regelmäßig andere Wege offen, um seine Vorhaben umzusetzen, die ihn (noch) nicht über die Maße belasteten. Es sei Sache des Gesetzgebers darüber zu befinden, ob bei weiter voranschreiten­der Digitalisierung eine Änderung der derzeitigen Gesetzeslage geboten erscheine.

Urteil vom 11. November 2022, Aktenzeichen: 7 A 10318/22.OVG



OVG Rheinland-Pfalz: Auf Verpackung die mehrere einzeln verpackte Süßigkeiten enthält ist auch die Gesamtzahl der Einzelpackungen neben der Gesamtnettofüllmenge anzugeben

OVG Rheinland-Pfalz
Urteil vom 02.11.2021
6 A 10695/21


Das OVG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass auf einer Verpackung, die mehrere einzeln verpackte Süßigkeiten enthält, auch die Gesamtzahl der Einzelpackungen neben der Gesamtnettofüllmenge anzugeben ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Stückzahlangabe auf Süßigkeitenpackung

Auf einer Verpackung, in der mehrere einzeln verpackte Süßigkeiten enthalten sind, ist neben der Gesamtnettofüllmenge auch die Gesamtzahl der Einzelpackungen anzu­geben. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Die Klägerin stellt Süßigkeiten wie Bonbons und Schokoladen-Spezialitäten her. Das Landesamt für Mess- und Eichwesen des Landes Rheinland-Pfalz beanstandete anlässlich einer Prüfung mehrere Produkte der Klägerin wegen fehlender Stückzahl­angaben auf der Verpackung, in der sich mehrere einzeln verpackte Süßigkeiten befanden, und leitete deswegen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Daraufhin erhob die Klägerin Klage und beantragte die Feststellung, dass sie nicht gegen die Lebensmittelinformationsverordnung verstoße, wenn sie diese Produkte ohne die Angabe einer Stückzahl der in der Vorverpackung befindlichen Einzelpackungen in Ver­kehr bringe. Das Verwaltungsgericht Koblenz lehnte die Klage ab. Das Oberverwal­tungsgericht bestätigte diese Entscheidung und wies die Berufung der Klägerin zurück.

Die Klägerin verstoße mit der fehlenden Angabe der Gesamtzahl der Einzelpackungen gegen die Lebensmittelinformationsverordnung der Europäischen Union. Jedem Lebensmittel, das für die Lieferung an Endverbraucher bestimmt sei, seien Informatio­nen nach Maßgabe der Lebensmittelinformationsverordnung beizufügen. Für Produkte der hier in Rede stehenden Art, bei denen es sich um Vorverpackungen mit zwei oder mehr Einzelpackungen handele, sehe die Verordnung die Angabe der Gesamtnettofüll­menge und die Gesamtzahl der Einzelpackungen vor. Die Stückzahlkennzeichnungs­pflicht verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Entgegen der Ansicht der Klägerin führe sie nicht zu einem nicht zu rechtfertigenden oder gar sinn­losen Informationsüberschuss. Der Angabe der Stückzahl zusätzlich zur Gesamtnetto­füllmenge könne ein ergänzender Informationswert nicht abgesprochen werden. In Fällen, in denen der Endverbraucher abschätzen müsse, wie viele Vorverpackungen (Verkaufseinheiten) er für bestimmte Anlässe erwerben müsse, sei die Angabe der ent­haltenen Stückzahl – beispielsweise bei einer feststehenden Anzahl an Gästen – häufig hilfreicher als der Informationswert, der aus der Gesamtnettofüllmenge resultiere. Das Informationsbedürfnis an der Kenntnis der enthaltenen Stückzahl könne sich auch darauf erstrecken, in Erfahrung zu bringen, wie viele Einzelverpackungen in einer äußeren Verpackung enthalten seien, um damit die Kaufentscheidung auch anhand von umweltbezogenen Aspekten treffen zu können.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.

Urteil vom 2. November 2021, Aktenzeichen: 6 A 10695/21.OVG


OVG Rheinland-Pfalz: DSGVO ist nicht auf abgeschaltete Überwachungskameras anzuwenden - Art. 58 Abs. 2 lit. f DSGVO keine Befugnisnorm für Abbauanordnung

OVG Rheinland-Pfalz
Urteil vom 25.06.2021
10 A 10302/21


Das OVG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die DSGVO nicht auf abgeschaltete Überwachungskameras anzuwenden ist. Art. 58 Abs. 2 lit. f DSGVO ist daher keine Befugnisnorm für eine Abbauanordnung.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Der Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung ist nicht eröffnet.

Nach Art. 2 Abs.1 DS-GVO gilt die Verordnung für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Dabei bezeichnet „Verarbeitung“ gemäß Art. 4 Nr. 2 DS-GVO jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung. Daran fehlt es vorliegend.

Zwar handelt es sich bei Videoaufnahmen und deren vorläufiger Speicherung durch eine Überwachungskamera um Datenverarbeitungsvorgänge im Sinne von Art. 4 DS-GVO. Jedoch werden von der streitgegenständlichen Kamera 01 keine Daten (mehr) verarbeitet. Denn die in Ziffer 2 des Bescheids vom 23. November 2018 angeordnete Einstellung des Betriebes dieser Kamera ist, nachdem das Verwaltungsgericht die Klage insoweit abgewiesen, der Kläger diesbezüglich die Zulassung der Berufung nicht beantragt und sich auch der Berufung des Beklagten nicht gemäß § 127 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – angeschlossen hat, bestandskräftig geworden. Ist die Kamera ausgeschaltet, findet – da Anhaltspunkte für einen fortdauernden und der Verfügung widersprechenden Betrieb nicht vorliegen und auch vom Beklagte nicht vorgetragen werden – eine Verarbeitung personenbezogener Daten nicht (mehr) statt. Der sachliche Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung gemäß Art. 2 Abs. 1 DS-GVO ist im Hinblick auf die bloß vorhandene, aber deaktivierte Kamera nicht eröffnet (vgl. Polenz in: Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 1. Auflage 2019, Anhang 1 zu Art. 6 Rn. 43; ebenso: Datenschutzkonferenz, Orientierungshilfe Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen, 17. Juli 2020, Nr. 1.1, S. 5).

2. Ungeachtet dessen ermächtigt Art. 58 Abs. 2 lit. f DS-GVO nicht zur Anordnung des Abbaus der stillgelegten Kamera; eine erweiternde Auslegung der Vorschrift, wie sie der Beklagte vornimmt, scheidet aus.

a) Nach Art. 58 Abs. 2 lit. f DS-GVO verfügt die Aufsichtsbehörde im Fall eines Datenschutzverstoßes über sämtliche Abhilfebefugnisse, die es ihr – lediglich – gestatten, eine vorübergehende oder endgültige Beschränkung der Verarbeitung, einschließlich eines Verbots, zu verhängen. Von dieser Befugnis hat der Beklagte durch die Anordnung zur Einstellung der Datenverarbeitung durch Kamera 01 Gebrauch gemacht; diese Verfügung ist bestandskräftig. Eine weitergehende Befugnis zur Anordnung auch des Abbaus der Kamera begründet Art. 58 Abs. 2 lit. f DS-GVO nicht. Vielmehr ermächtigt die Norm die Aufsichtsbehörde ihrem eindeutigen Wortlaut nach allein dazu, die Verarbeitung vorübergehend oder ganz zu beschränken bzw. zu verbieten. Ebenso wie die Untersagung in der Vorgängerregelung des § 38 Abs. 5 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz – BDSG – a.F. bezieht sich die Beschränkung bzw. das Verbot auf ein Verhalten – die Datenverarbei-tung –, erstreckt sich jedoch nicht auf die Beseitigung der zugehörigen Hardware (in diesem Sinne bereits zu § 38 Abs. 5 BDSG a.F.: VG Oldenburg, Urteil vom 12. März 2013 – 1 A 3850/12 –, juris, Rn. 22; Nguyen in: Gola, DS-GVO, a.a.O., Art. 58, Rn. 20).

b) Entgegen der Ansicht des Beklagten lässt sich die Anweisung zum Abbau einer deaktivierten Kamera nicht unter den Begriff des Verbots im Sinne der Vorschrift subsumieren. Gemäß Erwägungsgrund 129 Satz 4 DS-GVO darf ein Verbot nach Art. 58 Abs. 2 lit. f DS-GVO in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur verhängt werden, wenn weniger einschneidende Maßnahmen wie die Beschränkung der Verarbeitung keinen Erfolg versprechen. Stellt sich das Verbot damit als ultima ratio der Abhilfemaßnahmen nach Art. 58 Abs. 2 lit. f DS-GVO dar (vgl. Simitis/Horn/Spiecker, a.a.O., Art. 58. Rn. 40; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Januar 2020 – 1 S 3001/19 – juris, Rn. 61), scheidet eine erweiternde Auslegung des Verbotsbegriffes im Sinne eines deutlich eingriffsintensiveren Gebots zum Abbau einer deaktivierten Kamera aus. Dies gilt umso mehr, als es sich bei dem Verbot nach Art. 58 Abs. 2 lit. f DS-GVO im Vergleich zu den anderen Maßnahmen aus dem Katalog des Art. 58 Abs. 2 wie etwa Verwarnungen (vgl. lit. b) und Anweisungen zu künftigem Verhalten (lit. d) ohnehin bereits um eine der belastendsten Maßnahmen für den Datenverarbeiter handelt.

c) Anders als der Beklagte meint, ermächtigt Art. 58 Abs. 2 lit. f DS-GVO auch nicht zur Anordnung des Abbaus als „technisch-organisatorische Maßnahme im Verarbeitungsumfeld“. Zwar ist der für die Verarbeitung Verantwortliche verpflichtet, durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen u.a. sicherzustellen, dass die Verarbeitung gemäß der Datenschutz-Grundverordnung erfolgt (Art. 24 Abs. 1 DS-GVO), dass die Datenschutzgrundsätze wie etwa Datenminimierung wirksam umgesetzt werden (Art. 25 Abs. 1 DS-GVO) und ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau gewährleistet ist (Art. 32 Abs. 1 DS-GVO). Die Verpflichtung zur Durchführung solcher Maßnahmen, deren Erforderlichkeit sich nach den jeweiligen Risiken der betreffenden Verarbeitung personenbezogener Daten richtet (sog. risikobasierter Ansatz, vgl. Erwägungsgrund 75 und 76 DS-GVO), besteht jedoch nicht isoliert. Vielmehr beziehen sich die vorgegebenen technischen und organisatorischen Maßnahmen ebenso wie die Beschränkungen und Verbote stets auf Datenverarbeitungsvorgänge, deren Vereinbarkeit mit der Datenschutz-Grundverordnung sie gewährleisten sollen. Derartige Verarbeitungsvorgänge finden jedoch bei einer deaktivierten Kamera wie dargelegt nicht statt. In Ermangelung von Datenverarbeitungsvorgängen lässt sich auch ein die Anordnung rechtfertigender mittelbarer Verarbeitungszusammenhang, wie er von der Beklagten behauptet wird, nicht feststellen.

d) Ebenso wenig lässt sich eine Abhilfebefugnis im Sinne einer Beseitigungsanordnung auf den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz stützen, wonach es den Mitgliedstaaten ebenso wie den nationalen Gerichten bei der Anwendung von Unionsrecht obliegt, die volle Wirkung seiner Bestimmungen zu gewährleisten („effet utile“, vgl. EuGH, Urteil vom 17. September 2002 – C-253/00 –, juris, Rn. 28 m.w.N.). Dafür, dass die datenschutzrechtlichen Regelungen zur Entfaltung ihrer vollen Wirksamkeit über das Verarbeitungsverbot des Art. 58 Abs. 2 lit. f DS-GVO hinaus einer weiteren Absicherung durch eine zusätzliche – nicht normierte – Befugnis zur Anordnung der Deinstallation von Datenverarbeitungsanlagen bedürfen, lässt sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm nichts herleiten. Art. 58 DS-GVO hat Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Richtlinie – DS-RL –) abgelöst, der im Vergleich relativ grobe Untersuchungs- und Einwirkungsbefugnisse sowie das Klagerecht und die Anzeigebefugnis der Aufsichtsbehörden normiert hat. Im Gegensatz zu den Befugnissen nach Art. 28 Abs. 3 DS-RL, die in ihrer Reichweite und Wirksamkeit wesentlich von den Vorgaben des nationalen Gesetzgebers in den einzelnen nationalen Umsetzungsgesetzen abhingen und deshalb erheblich zwischen den Mitgliedstaaten divergieren konnten (vgl. Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 58, Rn. 1), hat der Verordnungsgeber in Art. 58 DS-GVO die Befugnisse der Aufsichtsbehörde erstmals europaweit einheitlich und mit unmittelbarer Geltung geregelt, um ein einheitliches Datenschutzniveau innerhalb der EU herzustellen (vgl. Gesetzesbegründung der Kommission, KOM (2012) 11, S. 2). Angesichts der gegenüber der Vorgängernorm des § 28 Abs. 3 DS-RL deutlich erweiterten und präzisierten Abhilfebefugnisse – Art. 58 DS-GVO sieht 26 konkrete Untersuchungs-, Abhilfe- und Genehmigungsbefugnisse vor – kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber ein – die vorgesehenen Abhilfebefugnisse in seiner Intensität zudem deutlich übersteigendes – Gebot zur Deinstallation von Hardware versehentlich nicht normiert hat, diese Lücke systemwidrig wäre und nunmehr über den Grundsatz des „effet utile“ geschlossen werden müsste. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Frage, ob die Aufsichtsbehörde auch zur Anordnung des Abbaus einer Kamera ermächtigt ist, bereits unter der Geltung von Art. 28 Abs. 3 DS-RL bzw. § 38 Abs. 5 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) a.F. umstritten war (vgl. Nguyen in Gola, a.a.O., Art. 58, Rn. 20 m.w.N., VG Oldenburg, Urteil vom 12. März 2013 – 1 A 3850/12 –, a.a.O.). Eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für eine Abbauanordnung hat jedoch trotz der bereits bekannten Problematik keinen Eingang in die Datenschutz-Grundverordnung gefunden. Im Gegenteil findet sich in der Gesetzesbegründung zu den Befugnissen der Aufsichtsbehörde (zum Entwurfszeitpunkt noch geregelt in Art. 53 der Verordnung) lediglich, dass Art. 53 – zum Teil gestützt auf die Vorgängerregelung des Art. 28 Abs. 3 DS-RL – die Befugnisse der Aufsichtsbehörde mit „einigen neuen Aspekten, darunter die Befugnis zur Verhängung verwaltungsrechtlicher Sanktionen“, regelt (vgl. Gesetzesbegründung der Kommission, a.a.O., S. 14). Anhaltspunkte dafür, dass zusätzlich zu den bislang ausschließlich als Verbot bzw. Beschränkung vorgesehenen Abhilfebefugnissen eine Abhilfebefugnis in Gestalt eines Handlungsgebotes (zum Abbau einer Datenverarbeitungsanlage) geschaffen werden sollte, fehlen.

e) Schließlich rechtfertigt der Umstand, dass von der abgeschalteten Kamera 01 ebenso wie von einer Attrappe ein sog. Überwachungsdruck ausgeht, nicht die Annahme einer Befugnis des Beklagten zur Anordnung des Abbaus. Soweit eine Videoüberwachung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Einzelnen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung eingreift, sind evtl. Abwehr-, Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche vom Betroffenen im Zivilrechtsweg geltend zu machen (vgl. Datenschutzkonferenz, Orientierungshilfe Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen vom 17. Juli 2020, a.a.O., Ziffer 1.3 m.w.N. zur zivilgerichtlichen Rechtsprechung; VG Oldenburg, Urteil vom 12. März 2013 – 1 A 3850/12 – juris, Rn. 24; Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, a.a.O., Anhang 1 zur Art. 6, Rn. 43).

f) Soweit der Beklagte geltend macht, ein isoliertes Verarbeitungsverbot vermöge Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung nicht wirksam zu begegnen, da der Kläger die Kamera jederzeit wieder in Betrieb nehmen könne, ohne dass die Aufsichtsbehörde dies kontrollieren und der Kläger seiner Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DS-GVO nachkommen könne, ist er angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift auf Art. 58 Abs. 6 Satz 1 DS-GVO zu verweisen, wonach es jedem Mitgliedstaat freisteht, durch Rechtsvorschriften vorzusehen, dass seine Aufsichtsbehörde neben den in den Absätzen 1 bis 3 aufgeführten Befugnissen über zusätzliche Befugnisse verfügt, die allerdings nicht die effektive Durchführung des Kapitels VII der Datenschutz-Grundverordnung beeinträchtigen dürfen (ebenso: Nguyen in: Gola, DS-GVO, a.a.O., Art. 58, Rn. 20 a.E.). Von dieser Öffnungsklausel hat der nationale Gesetzgeber bislang nur in Gestalt von § 40 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 6 Satz 2 BDSG (vgl. Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, a.a.O., Art. 58, Rn. 74), nicht aber im Hinblick auf die Ermächtigung zum Erlass einer Beseitigungsanordnung Gebrauch gemacht.

Scheidet die Anordnung des Abbaus der Kamera auf der Grundlage von Art. 58 Abs. 2 lit. f DS-GVO aus, kommt es auf die Ausführungen der Beteiligten zur Verhältnismäßigkeit der Abbauanordnung nicht mehr an.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OVG Rheinland-Pfalz: FEDI-Flaschenetikett für teilweise gegorenen Traubenmost ist keine Irreführung der Verbraucher

OVG Rheinland-Pfalz
Urteil vom 13.03.2019
8 A 11522/18.OVG


Das OVG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die Verwendung eines FEDI-Flaschenetiketts für teilweise gegorenen Traubenmost keine Irreführung der Verbraucher darstellt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Keine Irreführung der Verbraucher durch "FEDI"-Flaschenetikett für teilweise gegorenen Traubenmost

Es stellt keine Irreführung des Verbrauchers dar, wenn ein teilweise gegorener Traubenmost, der sich nicht mehr in Gärung befindet, in einer fest verschlossenen Flasche mit der Bezeichnung „FEDI“ und der Abbildung einer weißen Feder sowie dem Zusatz „haltbar und dicht verschlossen“ auf dem Etikett in Verkehr gebracht wird. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Die klagende Weinkellerei stellt einen teilweise gegorenen Traubenmost her, bei dem die Gärung unterbrochen wurde. Diesen Traubenmost füllt sie in fest verschlossene Flaschen ab, auf denen ein Etikett angebracht ist, worauf das Getränk als „FEDI“ bezeichnet wird. Darüber befindet sich eine weiße Feder, während unter dem Produktnamen die Angabe „teilweise gegorener Traubenmost“ sowie – in größerer Schrift – die Aussage „haltbar und dicht verschlossen“ zu lesen ist. Anlässlich einer Betriebskontrolle durch das Landesuntersuchungsamt wurde die Klägerin darüber belehrt, dass der Begriff „FEDI“ in Verbindung mit der Darstellung einer weißen Feder zur Irreführung geeignet sei, da der Eindruck erweckt werde, es handele sich bei dem Produkt um einen Federweißen. Hiergegen wandte die Klägerin ein, dass es sich tat­sächlich um einen Federweißen handele. Hierfür reiche es aus, dass das Getränk ein teilweise vergorener Traubenmost sei. Dass dieser sich noch in Gärung befinde, sei hingegen nicht erforderlich. Nachdem das beklagte Land Rheinland-Pfalz dem schrift­lich widersprach und an seiner Einschätzung ausdrücklich festhielt, erhob die Klägerin Klage mit dem Ziel, festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt sei, ihr zu unter­sagen, einen teilweise gegorenen Traubenmost in Verkehr zu bringen, bei dem der Gärvorgang unterbrochen wurde und der in der Etikettierung als „FEDI“ zusammen mit der Abbildung einer weißen Feder – wie oben beschrieben – bezeichnet wird. Das Verwaltungsgericht Trier wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin änderte das Oberverwaltungsgericht das verwaltungsgerichtliche Urteil und gab der Klage statt.

Das beklagte Land sei nicht berechtigt, das Inverkehrbringen des von der Klägerin hergestellten teilweise gegorenen Traubenmostes unter der Bezeichnung „FEDI“ und mit der Abbildung einer weißen Feder auf dem Etikett zu untersagen. Es könne dahin­stehen, ob die Verwendung des Begriffs Federweißer nach europarechtlichen oder nationalen Vorschriften ein noch in Gärung befindliches Produkt voraussetze und es sich bei dem von der Klägerin hergestellten Produkt nicht um einen Federweißen in diesem Sinne handele. Selbst wenn beides – wie vom Verwaltungsgericht angenom­men – zu bejahen sein sollte, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die auf dem Etikett von der Klägerin verwendeten Angaben irreführend seien. Zwar lehne sich die Bezeichnung „FEDI“ offenkundig an den Begriff Federweißer an. Dieser Eindruck werde noch verstärkt durch die Abbildung einer weißen Feder. Nach der Verbrau­chererwartung handele es sich bei Federweißem jedoch um ein frisches, noch in Gärung befindliches Produkt, das sein Geschmacksbild schnell verändere und des­halb nicht über längere Zeit lagerfähig sei. Dementsprechend verbinde der Durch­schnittsverbraucher mit dem Federweißen die Vorstellung, dass er in einem offenen oder jedenfalls nicht fest verschlossenen Gebinde in vielen Fällen um den Zeitpunkt der Weinlese gewissermaßen „über die Straße“ vertrieben werde. Einer solchen Ver­brauchererwartung entspreche der von der Klägerin hergestellte teilweise gegorene Traubenmost offensichtlich nicht, wie bereits die Aufmachung des Produkts zeige. Dieses werde in einer dicht verschlossenen Flasche mit einem Drehverschluss angeboten. Außerdem werde auf dem Etikett gut lesbar hervorgehoben, dass das Produkt „haltbar und dicht verschlossen“ sei. Damit sei für den Verbraucher auch klar, dass der teilweise gegorene Traubensaft der Klägerin ungeöffnet über einen längeren Zeitraum aufbewahrt werden könne und nicht die Gefahr bestehe, dass er sein Geschmacksbild verändere. Daher seien die Unterschiede zu einem Federweißen nach der Verbrauchererwartung so offenkundig, dass nicht von einer Irreführung eines durchschnittlich informierten Verbrauchers ausgegangen werden könne.

Urteil vom 13. März 2019, Aktenzeichen: 8 A 11522/18.OVG