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LG Regensburg: Kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO oder wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung bei unberechtigter Sperrung eines Facebook-Accounts

LG Regensburg
Urteil vom 27.08.2019
72 O 1943/18


Das LG Regensburg hat entschieden, dass kein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO oder wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung bei unberechtigter Sperrung eines Facebook-Accounts besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:
5. Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 BGB, 287 Abs. 1 S. 1 ZPO oder § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.

a) Die Sperrung des Klägers war rechtmäßig. Auf die Ausführungen zu Ziffer 1 wird verwiesen.

b) Selbst für den Fall der unrechtmäßigen Sperrung liegen jedoch die besonderen Voraussetzungen für die Gewährung einer Geldentschädigung nicht vor, sodass unter keinen Umständen ein entsprechender Zahlungsanspruch des Klägers gegeben ist.

aa) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann, nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also Umfang, Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens (BGH, Urteil vom 17.12.2013, Az: VI ZR 211/12). Zweifelhaft ist bereits, ob der Kläger durch die teilweise berechtigte Löschung seines Beitrags und die dreitägige Versetzung in den „read only“-Modus in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt ist. Der behauptete Eingriff betrifft vorliegend jedenfalls die Sozialsphäre und gerade nicht die Privat- oder Intimsphäre. Der Kläger konnte während dieses kurzen Zeitraums weiterhin Nachrichten empfangen und wesentliche Funktionen des …-Dienstes nutzen (vgl. Auch OLG München, Beschluss vom 24.05.2019, Az: 18 U 335/19; LG Traunstein, Urteil vom 04.04.2019, Az: 8 O 3510/18).

bb) Dem Kläger ist auch kein materieller Schaden entstanden, z.B. infolge der Nutzung seiner persönlichen Inhalte durch die Beklagte während des Sperrzeitraums. Nach der sogenannten Differenzhypothese wird die tatsächlich eingetretene Vermögenslage mit der hypothetischen Vermögenslage verglichen, die ohne das haftungsbegründende Ereignis eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 5.2.2015, Az: IX ZR 167/13). Der Schadensbegriff orientiert sich im gesamten Schadensrecht stets am Leistungsinteresse des Gläubigers. Für den vom Kläger angenommenen Schaden bzw. die behauptete ungerechtfertigte Bereicherung auf Seiten der Beklagten ist es daher nicht ausreichend, dass der Beklagten während der Dauer der Einschränkung der Benutzungsrechte des Klägers die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit von deren Daten offenstand (vgl. LG Traunstein, Urteil vom 04.04.2019, Az: 8 O 3510/18).

Einen konkreten finanziellen Schaden hat der Kläger schon nicht substantiiert dargelegt. Zwar mögen seine Kommunikationsmöglichkeiten in Folge der Sperre kurzzeitig eingeschränkt gewesen sein; ein Schaden allein unter dem abstrakten Gesichtspunkt des Verlusts von Kommunikationsmöglichkeiten kommt bei einer nicht im unternehmerischen Verkehr stehenden Person nicht in Betracht. Der Kläger erhielt und erhält auch ohne Sperrung keine Lizenzgebühr für die Nutzung seiner Daten, sodass eine fiktive Lizenzgebühr von 50 Euro täglich nicht als Schaden angesetzt werden kann. Weiterhin ist fraglich, ob der Kläger selbst bereit wäre, für die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit eine tägliche Gebühr in der genannten Höhe zu zahlen. Sinn und Zweck des Schadensersatzes ist es gerade, eingetretene Schäden auszugleichen, nicht, diese überzukompensieren (vgl. BGH, Urteil vom 22.2.2018. Az: VII ZR 46/17). Das Gericht schließt sich zudem der höchstrichterlichen Rechtsprechung an, derzufolge eine fiktive wie auch abstrakt-normative Schadensberechnung Ausnahmefällen vorbehalten ist (vgl. Heinemeyer: Ende der fiktiven Mängelbeseitigungskosten auch im Kaufrecht?, NJW 2018, 2441; BGH, Urteil vom 22.03.1990, Az: I ZR 59/88).

cc) Schließlich steht dem Kläger auch nach Art. 82 Abs. 2 S. 1 DSGVO kein Ersatzanspruch für materielle oder immaterielle Schäden zu. Soweit dieser Anspruch mit einer Einschränkung der Datenverarbeitung durch den Kläger infolge der Sperrung seines Nutzerkontos bei … begründet wird, ist schon der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet, die nach Art. 2 Abs. 2 c) keine Anwendung findet auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten; über persönliche Tätigkeiten hinausgehende Nutzungszwecke wurden vom Kläger nicht vorgetragen. Auch wird lediglich der Eintritt eines materiellen Schadens durch die Sperrung des Nutzerkontos behauptet, weil der Kläger gehindert gewesen sei, seine geäußerte Meinung weiter zu verbreiten, ohne diesen behaupteten Schaden konkret darzulegen oder sonst nachvollziehbar zu begründen (vgl. LG Traunstein, Urteil vom 04.04.2019, Az: 8 O 3510/18).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: