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BAG: 200 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wenn Arbeitgeber datenschutzwidrig personenbezogene Echtdaten an eine Konzerngesellschaft für die Personalverwaltung überträgt

BAG
Urteil vom 08.05.2025
8 AZR 209/21

Das BAG hat entschieden, dass dem Betroffenen im vorliegenden Fall 200 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO zusteht, da der Arbeitgeber datenschutzwidrig personenbezogene Echtdaten an eine Konzerngesellschaft für die Personalverwaltung übertragen hatte. Insbesondere war die Datenweitergabe nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit.. f DSGVO nicht zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Schadenersatz nach Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) - Betriebsvereinbarung - Workday

Ein Arbeitnehmer kann einen Anspruch auf Schadenersatz wegen einer Verletzung der Datenschutz-Grundverordnung haben, wenn der Arbeitgeber personenbezogene Echtdaten innerhalb des Konzerns an eine andere Gesellschaft überträgt, um die cloudbasierte Software für Personalverwaltung „Workday“ zu testen.

Die Beklagte verarbeitete personenbezogene Daten ihrer Beschäftigten ua. zu Abrechnungszwecken mit einer Personalverwaltungs-Software. Im Jahr 2017 gab es Planungen, konzernweit Workday als einheitliches Personal-Informationsmanagementsystem einzuführen. Die Beklagte übertrug personenbezogene Daten des Klägers aus der bisher genutzten Software an die Konzernobergesellschaft, um damit Workday zu Testzwecken zu befüllen. Der vorläufige Testbetrieb von Workday war in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Danach sollte es der Beklagten erlaubt sein, ua. den Namen, das Eintrittsdatum, den Arbeitsort, die Firma sowie die geschäftliche Telefonnummer und E-Mail-Adresse zu übermitteln. Die Beklagte übermittelte darüber hinaus weitere Daten des Klägers wie Gehaltsinformationen, die private Wohnanschrift, das Geburtsdatum, den Familienstand, die Sozialversicherungsnummer und die Steuer-ID.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO ein immaterieller Schadenersatz wegen einer Verletzung der ab dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung iHv. 3.000,00 Euro zu. Die Beklagte habe die Grenzen der Betriebsvereinbarung überschritten.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit Beschluss vom 22. September 2022 (- 8 AZR 209/21 (A) – BAGE 179, 120) hatte der Senat das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um die Beantwortung von Rechtsfragen betreffend die Auslegung des Unionsrechts ersucht. Der EuGH hat diese mit Urteil vom 19. Dezember 2024 (- C-65/23 – [K GmbH]) beantwortet.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO iHv. 200,00 Euro. Soweit die Beklagte andere als die nach der Betriebsvereinbarung erlaubten personenbezogenen Daten an die Konzernobergesellschaft übertragen hat, war dies nicht erforderlich iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO und verstieß damit gegen die Datenschutz-Grundverordnung. Der immaterielle Schaden des Klägers liegt in dem durch die Überlassung der personenbezogenen Daten an die Konzernobergesellschaft verursachten Kontrollverlust. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass er sich nicht weiter darauf beruft, auch die Übertragung der von der Betriebsvereinbarung erfassten Daten sei nicht erforderlich gewesen. Der Senat hatte daher nicht zu prüfen, ob die Betriebsvereinbarung so ausgestaltet war, dass die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung erfüllt wurden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. Mai 2025 – 8 AZR 209/21
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 2021 – 17 Sa 37/20

Hinweise:

Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO lautet:

Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:



f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Art. 82 Abs. 1 DSGVO lautet:

(1) Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.


BGH: Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO wegen Kontrollverlustes wenn eine Behörde die Personalakten nicht selbst verwaltet

BGH
Urteil vom 11.02.2025
VI ZR 365/22
DSGVO Art. 82 Abs. 1

Der BGH hat entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO wegen Kontrollverlustes besteht. wenn eine Behörde die Personalakten nicht selbst verwaltet.

Leitsatz des BGH:
Zum Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei der Verwaltung von Personalakten durch hierzu nicht befugte Dritte.

BGH, Urteil vom 11. Februar 2025 - VI ZR 365/22 - OLG Celle LG Hannover

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der geltend gemachte Feststellunganspruch ist auch begründet, Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) erfordert ein Schadensersatzanspruch im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung, das Vorliegen eines materiellen oder immateriellen Schadens sowie einen Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind (EuGH, Urteile vom 4. Oktober 2024 - C-507/23, K&R 2024, 730 Rn. 24 - Patērētāju tiesību aizsardzības centrs; vom 11. April 2024 - C-741/21, NJW 2024, 1561 Rn. 34 - juris; vom 25. Januar 2024 - C-687/21, NJW 2024, 2009 Rn. 58 - MediaMarktSaturn). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a) Ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung liegt nach den getroffenen Feststellungen vor. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten bis zum Erlass der Organisationsverfügung vom 22. August 2019 geübte Praxis, die Verwaltung der Personalakten von Bundesbeamten wie der Klägerin durch Bedienstete des Landes Niedersachsen vornehmen zu lassen, als von § 111a BBG aF i.V.m. § 26 BDSG i.V.m. Art. 88 DSGVO nicht gedeckte Verarbeitung personenbezogener Daten durch Dritte und damit als Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (der Sache nach: gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 28 DSGVO) gewertet. Die Beklagte sei selbst von der offensichtlichen Rechtswidrigkeit dieser Praxis ausgegangen und habe weder näher zu den Einzelheiten der geübten Personalaktenverwaltung vorgetragen noch eine vorherige Zustimmung der obersten Dienstbehörde behauptet. Hiergegen wendet die Beklagte auch mit der Revisionserwiderung nichts ein; Rechtsfehler sind insoweit auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen und nicht mit Gegenrügen angegriffenen Feststellungen im Übrigen nicht ersichtlich.

b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen durch diesen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung verursachten Schaden der Klägerin verneint. Der Schaden liegt hier bereits in dem durch die Überlassung ihrer Personalakte an Bedienstete des Landes verursachten vorübergehenden Verlust der Kontrolle der Klägerin über ihre in ihrer Personalakte enthaltenen personenbezogenen Daten.

aa) Schon der bloße Kontrollverlust kann, wie der Senat in Umsetzung der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile vom 4. Oktober 2024 - C-200/23, juris Rn. 145, 156 i.V.m. 137- Agentsia po vpisvaniyata; vom 20. Juni 2024 - C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 33 - PS GbR; vom 11. April 2024 - C-741/21, NJW 2024, 1561 Rn. 42 - juris; vgl. zuvor bereits EuGH, Urteile vom 25. Januar 2024 - C-687/21, NJW 2024, 2009 Rn. 66 - MediaMarktSaturn; vom 14. Dezember 2023 - C-456/22, NZA 2024, 56 Rn. 17-23 - Gemeinde Ummendorf sowie - C-340/21, NJW 2024, 1091 Rn. 82 - Natsionalna agentsia za prihodite) entschieden hat, einen ersatzfähigen immateriellen Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen (Senat, Urteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, WM 2024, 2301 Rn. 30 mwN). Anders als das Berufungsgericht meint, muss der Verpflichtung zum Ausgleich keine über diesen Kontrollverlust hinausgehende "benennbare und insoweit tatsächliche Persönlichkeitsrechtsverletzung gegenüberstehen"; auch muss der Beeinträchtigung des Betroffenen kein besonderes "Gewicht" zukommen, das "über eine individuell empfundene Unannehmlichkeit hinausgeht oder das Selbstbild oder Ansehen ernsthaft beeinträchtigt" (vgl. Senat, aaO Rn. 29 mwN).

bb) Nach diesen Grundsätzen liegt der Schaden hier ohne Weiteres darin, dass die Beklagte auch nach dem 25. Mai 2018 die personenbezogenen, in deren Personalakte enthaltenen Daten der Klägerin hierzu nicht berechtigten Dritten, nämlich Bediensteten des Landes Niedersachsen, zur Bearbeitung überlassen und diese Praxis erst mit Organisationsverfügung vom 22. August 2019 beendet hat. Der vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang angeführte Umstand, dass auch die mit Personalangelegenheiten betrauten Bediensteten des Landes Niedersachsen zur Verschwiegenheit verpflichtet waren, steht der Annahme eines Schadens insoweit dem Grunde nach nicht entgegen, sondern wird erst bei Bemessung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes (§ 287 ZPO) zu berücksichtigen sein (s. zu den Bemessungskriterien weiterführend Senat, aaO Rn. 92 ff., insb. 99).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: