LAG Hessen: Heimliche Aufnahme eines Personalgesprächs durch Arbeitnehmer mit Smartphone rechtfertigt fristlose Kündigung
LAG Hessen
Urteil vom 23.08.2017
6 Sa 137/17
Das LAG Hessen hat entschieden, dass die heimliche Aufnahme eines Personalgesprächs durch den Arbeitnehmer mit einem Smartphone eine fristlose Kündigung rechtfertigt.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. November 2016 - 18 Ca 4002/16 - ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c ArbGG). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 517,519,520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.In der Sache ist die Berufung des Klägers jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat dabei zu Recht die Wirksamkeit der außerordentlichen und fristlosen Kündigung der Beklagten vom 07. Juni 2016 gemäß § 626 BGB festgestellt. Auf die Begründung des Arbeitsgerichts wird zunächst gem. § 69 Abs. 2 ArbGG verwiesen. Ausgehend von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat das Arbeitsgericht dann auch die Klage im Übrigen abgewiesen. Ein Anspruch auf Entfernung bzw. auf Rücknahme von Abmahnungen besteht auf Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebensowenig wie ein Weiterbeschäftigungsanspruch und wie ein Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses.Der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs ist grundsätzlich geeignet, sowohl eine ordentliche verhaltensbedingte als auch eine außerordentliche Kündigung "an sich" zurechtfertigen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an. Maßgebend ist die mit diesem Verhalten verbundene Verletzung der dem Arbeitnehmer nach § 241 Abs. 2 BGB obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers. Das heimliche Mitschneiden des Gesprächs durch den Arbeitnehmer ist rechtswidrig, weil aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 GG gewährleistete Recht auf die Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes folgt. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG schützt auch Rechtspositionen, die für die Entfaltung der Persönlichkeit notwendig sind. Dazu gehört in bestimmten Grenzen, ebenso wie das Recht am eigenen Bild, das Recht am gesprochenen Wort. Deshalb darf grundsätzlich jedermann selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll sowie ob und von wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf. Das Grundrecht umfasst die Befugnis des Menschen, selbst zu bestimmen, ob seine Worte einzig seinem Gesprächspartner, einem bestimmten Kreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen (vgl. wie hier LAG Rheinland-Pfalz vom 03. Februar 2016 - 7 Sa 220/15 -).Da der Kläger das 40. Lebensjahr vollendet hat und mehr als 15 Jahre bei der Beklagten beschäftigt war, kann das Arbeitsverhältnis nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden (vgl. § 34 Abs. 2 TVöD). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger darüber hinaus Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG hat bestehen nicht. Zwar war der Kläger Wahlbewerber für die in 2016 regelmäßig stattfindenden Betriebsratswahlen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Anfang Juni 2016 das Wahlergebnis der in der Zeit vom 01. März bis 31. Mai 2016 stattfindenden Betriebsratswahlen bereits bekanntgegeben war. Die Rechtmäßigkeit der Kündigung der Beklagten beurteilt sich daher nach § 626 BGB. Die für eine außerordentliche Kündigung an sich geeignete Pflichtverletzung des Klägers in der Form der heimlichen Aufnahme des Personalgesprächs vom 17. März 2016 ist nicht im Streit. Rechtfertigungsgründe für das Verhalten des Klägers sind nicht ersichtlich. Es kann im Weiteren den Kläger auch nicht exkulpieren, dass nach seiner Einlassung ihm nicht bekannt gewesen ist, dass die heimliche Aufnahme eines Personalgespräches verboten ist. Hier hätte der Kläger sich durch einen Anruf bei seinem Rechtsanwalt vorher kundig machen müssen. Weiter steht der Heimlichkeit des Mitschnitts des Personalgespräches nicht entgegen, dass nach Einlassung des Klägers sein Smartphone deutlich sichtbar in der Mitte des Tisches an dem die Gesprächsteilnehmer saßen lag. Die Heimlichkeit der Aufnahme hätte der Kläger nur dadurch vermeiden können, dass er die Gesprächsteilnehmer darauf hingewiesen hätte, dass er die Audio-Funktion des Smartphones aktiviert hat. Eine Rechtfertigung für das Verhalten des Klägers folgt auch nicht aus der unterstellten Rechtswidrigkeit seiner Suspendierung vor dem Personalgespräch am 17. März 2016. Auch wenn die Beklagte damit das Persönlichkeitsrecht des Klägers auf Beschäftigung und ihre Lohnzahlungspflicht verletzt haben sollte, so bestand doch zwischen diesen Pflichtwidrigkeiten der Beklagten und der heimlichen Aufzeichnung des Personalgespräches vom 17. März 2016 kein Zusammenhang, d.h. der Kläger musste nicht zum Mittel der heimlichen Aufzeichnung des Personalgespräches greifen, um die Beklagte zur Aufhebung der Suspendierung und Nachzahlung des Lohnes zu bewegen. Seine Rechte insoweit hat der Kläger im Übrigen mit anwaltlichen Schreiben vom 11. April 2016 verfolgt, wobei es ihm im Hinblick auf die Suspendierung vor allem um die Nachzahlung des Lohnes ging.Zu Recht ist das Arbeitsgericht im Weiteren auch im Rahmen der Interessenabwägung zu dem Ergebnis gekommen, dass trotz der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers keine positive Prognose für das Arbeitsverhältnis gegeben werden kann. Das Arbeitsverhältnis ist nämlich nicht nur aufgrund der heimlichen Aufnahme des Personalgesprächs am 17. März 2016 bereits durch die E-Mail des Klägers unter anderem an den Vorstandsvorsitzenden vom 23. November 2015 schwer belastet. Diese Belastung wird nicht dadurch beseitigt, dass nach Ansicht des Klägers die Beklagte ihrerseits sich vertragswidrig verhalten hat, indem sie den Kläger unberechtigt suspendiert hat. Wie bereits im Rahmen der Erörterung möglicher Rechtfertigungsgründe für das Verhalten des Klägers ausgeführt besteht zwischen der gegebenenfalls unberechtigten Suspendierung des Klägers und den heimlichen Aufnahmen des Personalgesprächs durch ihn kein Zusammenhang. Der Kläger musste nicht im Wege einer Selbsthilfe heimlich Personalgespräche aufzeichnen um von der Beklagten seine Weiterbeschäftigung und die Nachzahlung des Lohnes zu verlangen."
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Urteil vom 23.08.2017
6 Sa 137/17
Das LAG Hessen hat entschieden, dass die heimliche Aufnahme eines Personalgesprächs durch den Arbeitnehmer mit einem Smartphone eine fristlose Kündigung rechtfertigt.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. November 2016 - 18 Ca 4002/16 - ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c ArbGG). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 517,519,520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.In der Sache ist die Berufung des Klägers jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat dabei zu Recht die Wirksamkeit der außerordentlichen und fristlosen Kündigung der Beklagten vom 07. Juni 2016 gemäß § 626 BGB festgestellt. Auf die Begründung des Arbeitsgerichts wird zunächst gem. § 69 Abs. 2 ArbGG verwiesen. Ausgehend von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat das Arbeitsgericht dann auch die Klage im Übrigen abgewiesen. Ein Anspruch auf Entfernung bzw. auf Rücknahme von Abmahnungen besteht auf Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebensowenig wie ein Weiterbeschäftigungsanspruch und wie ein Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses.Der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs ist grundsätzlich geeignet, sowohl eine ordentliche verhaltensbedingte als auch eine außerordentliche Kündigung "an sich" zurechtfertigen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an. Maßgebend ist die mit diesem Verhalten verbundene Verletzung der dem Arbeitnehmer nach § 241 Abs. 2 BGB obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers. Das heimliche Mitschneiden des Gesprächs durch den Arbeitnehmer ist rechtswidrig, weil aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 GG gewährleistete Recht auf die Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes folgt. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG schützt auch Rechtspositionen, die für die Entfaltung der Persönlichkeit notwendig sind. Dazu gehört in bestimmten Grenzen, ebenso wie das Recht am eigenen Bild, das Recht am gesprochenen Wort. Deshalb darf grundsätzlich jedermann selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll sowie ob und von wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf. Das Grundrecht umfasst die Befugnis des Menschen, selbst zu bestimmen, ob seine Worte einzig seinem Gesprächspartner, einem bestimmten Kreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen (vgl. wie hier LAG Rheinland-Pfalz vom 03. Februar 2016 - 7 Sa 220/15 -).Da der Kläger das 40. Lebensjahr vollendet hat und mehr als 15 Jahre bei der Beklagten beschäftigt war, kann das Arbeitsverhältnis nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden (vgl. § 34 Abs. 2 TVöD). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger darüber hinaus Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG hat bestehen nicht. Zwar war der Kläger Wahlbewerber für die in 2016 regelmäßig stattfindenden Betriebsratswahlen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Anfang Juni 2016 das Wahlergebnis der in der Zeit vom 01. März bis 31. Mai 2016 stattfindenden Betriebsratswahlen bereits bekanntgegeben war. Die Rechtmäßigkeit der Kündigung der Beklagten beurteilt sich daher nach § 626 BGB. Die für eine außerordentliche Kündigung an sich geeignete Pflichtverletzung des Klägers in der Form der heimlichen Aufnahme des Personalgesprächs vom 17. März 2016 ist nicht im Streit. Rechtfertigungsgründe für das Verhalten des Klägers sind nicht ersichtlich. Es kann im Weiteren den Kläger auch nicht exkulpieren, dass nach seiner Einlassung ihm nicht bekannt gewesen ist, dass die heimliche Aufnahme eines Personalgespräches verboten ist. Hier hätte der Kläger sich durch einen Anruf bei seinem Rechtsanwalt vorher kundig machen müssen. Weiter steht der Heimlichkeit des Mitschnitts des Personalgespräches nicht entgegen, dass nach Einlassung des Klägers sein Smartphone deutlich sichtbar in der Mitte des Tisches an dem die Gesprächsteilnehmer saßen lag. Die Heimlichkeit der Aufnahme hätte der Kläger nur dadurch vermeiden können, dass er die Gesprächsteilnehmer darauf hingewiesen hätte, dass er die Audio-Funktion des Smartphones aktiviert hat. Eine Rechtfertigung für das Verhalten des Klägers folgt auch nicht aus der unterstellten Rechtswidrigkeit seiner Suspendierung vor dem Personalgespräch am 17. März 2016. Auch wenn die Beklagte damit das Persönlichkeitsrecht des Klägers auf Beschäftigung und ihre Lohnzahlungspflicht verletzt haben sollte, so bestand doch zwischen diesen Pflichtwidrigkeiten der Beklagten und der heimlichen Aufzeichnung des Personalgespräches vom 17. März 2016 kein Zusammenhang, d.h. der Kläger musste nicht zum Mittel der heimlichen Aufzeichnung des Personalgespräches greifen, um die Beklagte zur Aufhebung der Suspendierung und Nachzahlung des Lohnes zu bewegen. Seine Rechte insoweit hat der Kläger im Übrigen mit anwaltlichen Schreiben vom 11. April 2016 verfolgt, wobei es ihm im Hinblick auf die Suspendierung vor allem um die Nachzahlung des Lohnes ging.Zu Recht ist das Arbeitsgericht im Weiteren auch im Rahmen der Interessenabwägung zu dem Ergebnis gekommen, dass trotz der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers keine positive Prognose für das Arbeitsverhältnis gegeben werden kann. Das Arbeitsverhältnis ist nämlich nicht nur aufgrund der heimlichen Aufnahme des Personalgesprächs am 17. März 2016 bereits durch die E-Mail des Klägers unter anderem an den Vorstandsvorsitzenden vom 23. November 2015 schwer belastet. Diese Belastung wird nicht dadurch beseitigt, dass nach Ansicht des Klägers die Beklagte ihrerseits sich vertragswidrig verhalten hat, indem sie den Kläger unberechtigt suspendiert hat. Wie bereits im Rahmen der Erörterung möglicher Rechtfertigungsgründe für das Verhalten des Klägers ausgeführt besteht zwischen der gegebenenfalls unberechtigten Suspendierung des Klägers und den heimlichen Aufnahmen des Personalgesprächs durch ihn kein Zusammenhang. Der Kläger musste nicht im Wege einer Selbsthilfe heimlich Personalgespräche aufzeichnen um von der Beklagten seine Weiterbeschäftigung und die Nachzahlung des Lohnes zu verlangen."
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: