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OLG Karlsruhe: Bezeichnung eines Politikers als Betrüger, Rechtsbrecher, Lügner, Halunke oder Gauner kann im politischen Meinungskampf zulässig sein

OLG Karlsruhe
Urteil vom 14.01.2015
6 U 156/14


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass die Bezeichnung eines Politikers als "Betrüger, Rechtsbrecher, Lügner, Halunke oder Gauner" im politischen Meinungskampf zulässig sein kann.

Die Entscheidung verdeutlicht abermals, dass die Zulässigkeit von Äußerungen stets in ihrem konkreten Kontext betrachtet werden müssen.

Die Pressemitteilung des OLG Karlsruhe:

"Antrag des baden-württembergischen Landesvorsitzen"den der AfD Bernd Kölmel gegen Ex-Parteimitglied auf Unterlassung von Äußerungen gescheitert

Im Rahmen des politischen Meinungskampfes kann auch die Bezeichnung des Gegners als Betrüger, Rechtsbrecher, Lügner, Halunke oder Gauner zulässig sein, sofern es sich bei diesen Äußerungen ihrem Sinn und systematischen Kontext nach um eine bewertende Stellungnahme zu einer die Öffentlichkeit bzw. eine politische Partei interessierende Frage handelt. Dies hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe entschieden.

Der Verfügungskläger (fortan: Kläger), baden- württembergischer Landesvorsitzender und Gründungsmitglied der Partei Alternative für Deutschland (AfD), hatte sich in dem einstweiligen Verfügungsverfahren dagegen gewendet, dass der Verfügungsbeklagte (fortan: Beklagter) ihn in einem an Parteimitglieder der AfD adressierten E-Mailschreiben als Betrüger, Rechtsbrecher, Halunke, Lügner und Gauner bezeichnet hat. Der Beklagte war früher selbst Mitglied der AfD. Nachdem es im Jahr 2013 zu einem Parteiausschlussverfahren kam, war er freiwillig aus der Partei ausgetreten.

Auf Antrag des Klägers hatte das Landgericht Baden-Baden dem Beklagten die beanstandeten Äußerungen untersagt (Urt. v. 29.09.2014 - Az. 4 O 128/14). Die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten hatte Erfolg. Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe ist nicht der Auffassung des Landgerichts gefolgt, wonach es sich hier um Schmähkritik handele, die ohne weitere Abwägung der betroffenen Interessen unzulässig sei. Denn eine Schmähung liege bei einer die Öffentlichkeit interessierenden Frage nur ausnahmsweise vor und sei eher auf die Privatfehde beschränkt. Wesentliches Merkmal der Schmähung sei eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Davon könne hier keine Rede sein. Die angegriffenen Äußerungen dürften nicht isoliert betrachtet werden, vielmehr müssten - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch die in der E-Mail gesetzten Links berücksichtigt werden. Dort beanstande der Beklagte den Ablauf der Wahl des Klägers auf den 3. Listenplatz der AfD bei der Europawahl sowie die Durchführung des Gründungsparteitags als fehlerhaft. Bei den Äußerungen des Beklagten handele es sich daher ihrem Sinn und systematischen Zusammenhang nach um die kritisierten parteiinternen Vorgänge zusammenfassende, bewertende Stellungnahmen. Bei der gebotenen Abwägung spreche eine Vermutung für die Zulässigkeit der beanstandeten Äußerungen, da sonst die Meinungsfreiheit, die Voraussetzung für einen freien und offenen politischen Prozess sei, in ihrem Kern betroffen wäre.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.01.2015 - Az. 6 U 156/14"

BVerfG: ZDF-Staatsvertrag in Teilen verfassungswidrig - Gebot der Staatsferne - Einfluss der Politik muss verringert werden

BVerfG
Urteil vom 25.03.2014
1 BvF 1/11
1 BvF 4/11


Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der ZDF-Staatsvertrag in Teilen verfassungswidrig ist. Aus dem Gebot der Staatsferne folgt, dass der Einfluss der Politik auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verringert werden muss.

Leitsätze des BVerfGs:

1. Die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG am Gebot der Vielfaltsicherung auszurichten. Danach sind Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens einzubeziehen.

a) Der Gesetzgeber hat dafür zu sorgen, dass bei der Bestellung der Mitglieder dieser Gremien möglichst unterschiedliche Gruppen und dabei neben großen, das öffentliche Leben bestimmenden Verbänden untereinander wechselnd auch kleinere Gruppierungen Berücksichtigung finden und auch nicht kohärent organisierte Perspektiven abgebildet werden.

b) Zur Vielfaltsicherung kann der Gesetzgeber neben Mitgliedern, die von gesellschaftlichen Gruppen entsandt werden, auch Angehörige der verschiedenen staatlichen Ebenen einbeziehen.

2. Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss als Ausdruck des Gebots der Vielfaltsicherung dem Gebot der Staatsferne genügen. Danach ist der Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Aufsichtsgremien konsequent zu begrenzen.

a) Der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder darf insgesamt ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen.

b) Für die weiteren Mitglieder ist die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konsequent staatsfern auszugestalten. Vertreter der Exekutive dürfen auf die Auswahl der staatsfernen Mitglieder keinen bestimmenden Einfluss haben; der Gesetzgeber hat für sie Inkompatibilitätsregelungen zu schaffen, die ihre Staatsferne in persönlicher Hinsicht gewährleisten.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: