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VG Düsseldorf auch im Hauptsacheverfahren: Landesmedienanstalt NRW kann Verbreitung ausländischer pornografischer Internetangebote ohne ausreichende Altersverifikation untersagen

VG Düsseldorf
Urteil vom 27.04.2023 - 27 K 3604/20
Urteil vom 27.04.2023 - 27 K 3605/20
Urteil vom 27.04.2023 - 27 K 3606/20


Das VG Düsseldorf hat auch im Hauptsacheverfahren entschieden, dass die Landesmedienanstalt NRW die Verbreitung ausländischer pornografischer Internetangebote ohne ausreichende Altersverifikation untersagen kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Eilentscheidung bestätigt - Untersagung von pornografischen Internetangeboten aus Zypern rechtmäßig

Die Landesanstalt für Medien NRW hat zu Recht auf Grundlage des Jugendmedienschutzstaatsvertrages gegenüber zwei Anbietern mit Sitz in Zypern insgesamt drei Internetseiten mit frei zugänglichen pornografischen Inhalten beanstandet und deren Verbreitung in dieser Form in Deutschland in Zukunft untersagt. Das hat die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit den Beteiligten heute zugestellten Urteilen entschieden. Das Gericht hat damit seine Eilentscheidungen aus November 2021 (27 L 1414/20, 27 L 1415/20 und 27 L 1416/20) auch in der Hauptsache bestätigt, nachdem das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen gegen die Eilbeschlüsse erhobene Rechtsmittel im September 2022 zurückgewiesen hatte
(13 B 1911/21, 13 B 1912/21 und 13 B 1913/21).

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Auch wenn eine Internetseite vom EU-Ausland aus betrieben wird, sind die Vorschriften des deutschen Jugendmedienschutzrechts anwendbar. Der hierauf gestützte angefochtene Bescheid verstößt weder gegen nationales Verfassungsrecht noch gegen Völkerrecht oder das Recht der Europäischen Union. Insbesondere können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das sog. Herkunftslandprinzip berufen, wonach für Internetanbieter aus einem EU-Mitgliedstaat grundsätzlich nur die dortigen - im vorliegenden Fall die zypriotischen - Regeln gelten. Es kommt vielmehr das strenge deutsche Jugendmedienschutzrecht zur Anwendung, weil Kindern und Jugendlichen ernste und schwerwiegende Gefahren durch freien Zugang zu pornografischen Internetseiten drohen. Studien haben gezeigt, dass etwa die Hälfte der dort befragten Kinder und Jugendlichen schon frei zugängliche Pornografie im Internet konsumiert hatte, während nur knapp ein Viertel der Eltern Geräte oder Programme genutzt hatte, um solche Inhalte zu blockieren. Die Anbieter müssen daher sicherstellen, dass nur Erwachsene Zugang zu solchen Inhalten erhalten, etwa durch Einrichtung eines Systems zur Altersverifikation.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Rechtslage sich zwischenzeitlich in Deutschland und Zypern geändert hat. Denn für die Frage, ob der Bescheid zu Recht ergangen ist, kommt es auf den Zeitpunkt seines Erlasses im Sommer 2020 an.

Soweit die Landesanstalt für Medien ihre Beanstandungs- und Untersagungsverfügung dagegen zusätzlich darauf gestützt hatte, dass die Angebote neben Pornografie auch andere entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte aufwiesen bzw. kein Jugendschutzbeauftragter bestellt war, hat die Kammer den Klagen stattgegeben und den Bescheid insoweit aufgehoben. Hinsichtlich dieser Verstöße konnte die Kammer ernste und schwerwiegende Gefahren nicht feststellen, die es rechtfertigen würden auch insoweit das Recht des Herkunftsstaates der Klägerinnen - Zypern - unangewendet zu lassen.

Gegen sämtliche Urteile kann Berufung eingelegt werden, die die Kammer wegen der grundsätzlichen Bedeutung der in Rede stehenden Rechtsfragen zugelassen hat und über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.

Aktenzeichen: 27 K 3604/20, 27 K 3605/20 und 27 K 3606/20



OVG Münster: Landesmedienanstalt kann Verbreitung ausländischer pornographischer Internetangebote ohne nach deutschem Recht ausreichende Altersverifikation untersagen

OVG Münster
Beschluss vom 07.09.2022 - 13 B 1911/21
Beschluss vom 07.09.2022 - 13 B 1912/21
Beschluss vom 07.09.2022 - 13 B 1913/21


Das OVG Münster hat entschieden, dass die Landesmedienanstalt die Verbreitung ausländischer pornographischer Internetangebote, die über kein nach deutschem Recht ausreichende Altersverifikation verfügen, untersagen kann.

Oberverwaltungsgericht bestätigt Untersagung von pornografischen Internetangeboten aus Zypern

Die Eilanträge von zwei Anbietern pornografischer Internetseiten mit Sitz in Zypern bleiben auch in zweiter Instanz ohne Erfolg. Dies hat das Oberverwaltungsgericht mit drei heute bekannt gegebenen Beschlüssen vom 7. September 2022 entschieden.

Die Landesanstalt für Medien NRW hatte zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gegenüber den zypriotischen Gesellschaften insgesamt drei Internetangebote mit frei zugänglichen pornografischen Inhalten beanstandet und deren weitere Verbreitung in Deutschland untersagt, solange die pornografischen Inhalte nicht entfernt werden oder durch die Einrichtung einer geschlossenen Benutzergruppe sichergestellt wird, dass nur Erwachsene Zugang zu diesen erhalten. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte die Anträge der Anbieter auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht hat nun die hiergegen gerichteten Beschwerden zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt: Die von den Anbietern vorgebrachten Gründe geben keine Veranlassung, die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zu ändern. Es unterliegt bei vorläufiger Einschätzung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass bei der Aufsicht über Telemedien-Angebote die inhaltliche Entscheidung über deren Vereinbarkeit mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag allein der von den Ländern gemeinsam errichteten Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zugewiesen ist. Ihre Einbindung in den Entscheidungsprozess verstößt weder gegen das Bundesstaats- noch das Demokratieprinzip. Trotz ihrer Aufgabe einer länderübergreifenden einheitlichen Spruchpraxis im Jugendmedienschutz dient die KJM - ein sachverständiges Gremium, dessen Mitglieder bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht an Weisungen gebunden sind - formal als ein Organ der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt. Die ihr in der Sache zugewiesenen weitreichenden Entscheidungsbefugnisse sind unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Telemedienaufsicht gerechtfertigt, um staatlichen Einfluss zu begrenzen. Die Reglementierung jugendgefährdender Inhalte erfordert wertende Entscheidungen, die eine gewisse Gefahr einer politischen Instrumentalisierung zur Einflussnahme auf die freie Kommunikation bergen. Es dürfte daher jedenfalls zulässig sein, den für die Rundfunkaufsicht entwickelten Grundsatz der Staatsferne auch auf den Bereich der Telemedien zu erstrecken.

Der Untersagung können die Anbieter auch nicht das sogenannte Herkunftslandprinzip entgegenhalten, wonach für Internetanbieter aus einem EU-Mitgliedstaat grundsätzlich nur die dortigen Regeln gelten. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, Kindern und Jugendlichen drohten ernste und schwerwiegende Gefahren durch freien Zugang zu pornografischen Internetseiten. Dem setzen die Anbieter mit ihren Beschwerden nichts Durchgreifendes entgegen. Nachdem die Landesmedienanstalt den EU-Mitgliedstaat Zypern hinreichend in die Maßnahmen eingebunden hatte, musste sie auch nicht die (ungewisse) Umsetzung einheitlicher Jugendschutzvorschriften in Zypern abwarten. Wenn ein Mitgliedstaat sich für andere Schutzmodalitäten als ein anderer Mitgliedstaat entscheidet, kann das keinen Einfluss auf die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der jeweiligen nationalen Bestimmungen haben. Vielmehr müssen die Beeinträchtigungen der zypriotischen Anbieter in ihrer unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit im Hinblick auf den hohen Stellenwert des Jugendschutzes zurücktreten.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

Aktenzeichen: 13 B 1911/21, 13 B 1912/21 und 13 B 1913/21 (I. Instanz: VG Düsseldorf 27 L 1414/20, 27 L 1415/20, 27 L 1416/20)

VG Düsseldorf: Landesmedienanstalt kann Verbreitung ausländischer pornographischer Internetangebote ohne nach deutschem Recht ausreichender Altersverifikation untersagen

VG Düsseldorf
Beschlüsse vom 30.11.2021
27 L 1414/20
27 L 1415/20
27 L 1416/20

Das VG Düsseldorf hat entschieden, dass die Landesmedienanstalten die Verbreitung ausländischer pornographischer Internetangebote ohne nach deutschem Recht ausreichender Altersverifikation untersagen können.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Jugendmedienschutz im Internet - Untersagung von pornografischen Internetangeboten aus Zypern rechtmäßig

Die Landesanstalt für Medien NRW hat zu Recht gegenüber zwei Anbietern mit Sitz in Zypern insgesamt drei Internetseiten mit frei zugänglichen pornografischen Inhalten beanstandet und deren Verbreitung in dieser Form in Deutschland in Zukunft untersagt. Das hat die 27. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Beschlüssen vom 30. November 2021 entschieden, die den Beteiligten heute zugestellt wurden, und entsprechende Anträge der zypriotischen Gesellschaften auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt.

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Die Vorschriften des deutschen Jugendmedienschutzstaatsvertrages seien anwendbar, auch wenn eine Internetseite vom EU-Ausland aus betrieben werde. Das von der zuständigen Landesanstalt für Medien NRW betriebene Verfahren verstoße weder gegen nationales Verfassungsrecht noch gegen Völkerrecht oder das Recht der Europäischen Union. Insbesondere könnten sich die Anbieter nicht auf das sog. Herkunftslandprinzip berufen, wonach für Internetanbieter aus einem EU-Mitgliedstaat grundsätzlich nur die dortigen Regeln gelten. Es müsse vielmehr das strenge deutsche Jugendmedienschutzrecht Anwendung finden, weil Kindern und Jugendlichen ernste und schwerwiegende Gefahren durch freien Zugang zu pornografischen Internetseiten drohten. Studien hätten gezeigt, dass etwa die Hälfte der dort befragten Kinder und Jugendlichen schon frei zugängliche Pornografie im Internet konsumiert hätten, während nur knapp ein Viertel der Eltern Geräte oder Programme genutzt habe, um solche Inhalte zu blockieren. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass nach deutschem Recht eine reine Kennzeichnung solcher Internetseiten mit sog. Jugendschutzlabeln nicht ausreiche. Die Anbieter müssten vielmehr sicherstellen, dass nur Erwachsene Zugang zu solchen Inhalten erhalten, etwa durch Einrichtung eines Systems zur Altersverifikation. Der EU-Mitgliedstaat Zypern sei von den deutschen Behörden auch hinreichend in die Maßnahmen eingebunden gewesen.

Gegen sämtliche Beschlüsse kann Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.


Leitsätze des Entscheidungen:

1. Der Anwendbarkeit der Vorschriften des Jugendmedienschutzstaatsvertrages a.F. steht nicht der Umstand entgegen, dass die Antragstellerin ihren Sitz nicht im Bundesgebiet, sondern auf Zypern hat. Insbesondere ist das sog. Herkunftslandprinzip der Richtlinie 2000/31/EG (E-Commerce-Richtlinie) nicht als Kollisionsregel einzuordnen.

2. Die Vorschrift des § 20 Abs. 6 Satz 2 JMStV a.F., die gerade eine Sonderregelung für den Fall trifft, dass der Anbieter keine Niederlassung im Inland hat, setzt implizit die Möglichkeit des Vorgehens gegen einen im Ausland ansässigen Anbieter voraus.

3. Weder Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 12 Abs. 1 GG gebieten die Aufstellung eines behördlichen Eingriffskonzepts für die zeitliche Reihenfolge des Einschreitens gegen Anbieter von Telemedienangeboten im Unionsgebiet außerhalb Deutschlands, die pornografische Inhalte frei zugänglich anbieten.

4. Das frei zugängliche Angebot pornografischer Inhalte im Internet durch Anbieter mit Sitz im Unionsgebiet außerhalb Deutschlands dürfte eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip aus Art. 3 Abs. 2 TMG a.F. i.V.m. Art. 3 Abs. 2 E-Commerce-Richtlinie begründen:

a) Der Jugendschutz in Gestalt von § 4 Abs. 2 JMStV a.F. stellt ein Schutzgut dar, das ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

b) Dieses Schutzgut ist bei frei zugänglicher Pornografie im Internet ernsthaft und schwerwiegend gefährdet.

c) Die streitbefangenen Maßnahmen - die Beanstandung und die Untersagung der Verbreitung des Angebots in Deutschland, soweit es frei zugängliche Pornografie enthält - dürften im Sinne von § 3 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz TMG a.F. und der gleichlautenden Vorgabe in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a iii) E-Commerce-Richtlinie auch in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Schutzgut stehen, mithin auch nach Rechtsprechung des EuGH verhältnismäßig sein. Dies gilt insbesondere angesichts dessen, dass es der Antragstellerin freigestellt ist, den Anforderungen durch Implementierung eines Altersverifikationssystems nachzukommen.

d) Der Umfang der von Art. 3 Abs. 4 b) E-Commerce-Richtlinie geforderten Konsultations- und Informationspflichten gegenüber dem EU-Mitgliedstaat, in dem der Anbieter seinen Sitz hat, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, u.a. auch danach, ob das in Rede stehende Verhalten im Sitzland der dortigen Rechtsordnung entspricht.

Die Entscheidungen finden Sie im Volltext hier:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2021/27_L_1414_20_Beschluss_20211130.html

https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2021/27_L_1415_20_Beschluss_20211130.html

https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2021/27_L_1416_20_Beschluss_20211130.html