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LG Hamburg: Posts in einem auf privat gestellten Instagram-Account sind bei hoher Follower-Zahl öffentlich im Sinne des Presserechts

LG Hamburg
Urteil vom 23.06.2023
324 O 433/22


Das LG Hamburg hat entschieden, dass Posts in einem auf privat gestellten Instagram-Account bei hoher Follower-Zahl öffentlich im Sinne des Presserechts sind und somit aufgrund einer Selbstöffnung Gegestand von Presseberichterstattung sein können.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG oder einer anderen Anspruchsgrundlage.

Im Rahmen der anzustellenden Abwägung überwiegen die Rechte der Klägerin jene der Beklagten nicht. Die vorliegende Berichterstattung über die Schwangerschaft der Klägerin berührt zwar deren Privatsphäre (hierzu unter I.); der Schutz der Privatsphäre der Klägerin ist indes durch eine Selbstöffnung ihrerseits entfallen bzw. verringert, so dass das Berichterstattungsinteresse der Beklagten höher zu gewichten ist (hierzu unter II.). Schließlich ist hinsichtlich der Berichterstattung über die Schwangerschaft der Klägerin jedenfalls teilweise die Wiederholungsgefahr entfallen (hierzu unter III.).

I. Die Berichterstattung der Beklagten über die Schwangerschaft der Klägerin berührt grundsätzlich deren Privatsphäre.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zusichert, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen. Dabei ist der Schutz der Privatsphäre sowohl thematisch als auch räumlich bestimmt und umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2011, VI ZR 26/11 - Juris Rn. 10 m.w.N.). Hiernach fällt auch eine Schwangerschaft in den thematischen Bereich des Kernbereichs der Privatsphäre, jedenfalls soweit sie noch nicht von außen für jedermann zweifelsfrei optisch wahrnehmbar ist und dadurch eine soziale Dimension erlangt (KG Berlin, Urt. v. 16.09.2021, Az. 10 U 63/19 - Juris Rn. 27; OLG Köln, Urt. v. 10.11.2015, Az. 15 U 97/15 - Juris Rn. 17). Teilweise wird weitergehend auch vertreten, dass es für den thematischen Schutz der Privatsphäre im Zusammenhang mit Schwangerschaften auf die äußere Erkennbarkeit der Schwangerschaft nicht ankomme (so wohl OLG München, Urt. v. 25.02.2014, Az. 18 U 277, 18 U 2770/13 - Juris Rn. 42f.). Eine Entscheidung zwischen diesen Positionen kann hier offenbleiben. Denn die vorliegenden Fotografien der im fünften Monat schwangeren Klägerin im Februar 2022 (Anlagen K 1 und K 2) lassen nicht erkennen, dass die Schwangerschaft der Klägerin zum Zeitpunkt der Berichterstattung bei entsprechender Kleidung für jedermann zweifelsfrei von außen optisch wahrnehmbar gewesen wäre.

II. Der Schutz der Privatsphäre der Klägerin ist indes durch eine Selbstöffnung ihrerseits entfallen bzw. verringert worden, so dass das Berichterstattungsinteresse der Beklagten das Geheimhaltungsinteresse der Klägerin überwiegt.

Im einstweiligen Verfügungsverfahren 324 O 101/22 hat die Kammer im Beschluss eine Selbstöffnung noch mit folgenden Erwägungen verneint:

„Insbesondere liegt eine solche Selbstöffnung nicht in dem Umstand, dass die Antragstellerin die Schwangerschaft in einem Posting auf ihrem Instagram-Profil mitgeteilt hat. Denn bei diesem Profil handelt es sich nicht um ein öffentliches Profil, dessen Inhalte jeder Instagram-Nutzer einsehen könnte. Vielmehr ist das Instagram-Profil, wie aus der Anlage ASt 5 ersichtlich und von der Antragstellerin an Eides statt versichert, als „privates“ Konto geführt. Die Postings auf einem privaten Instagram-Konto sind nur für bestätigte Follower dieses Kontos sichtbar. Die Reichweite der erfolgten Mitteilung unterlag somit der Kontrolle der Antragstellerin. Dabei ändert auch der Umstand, dass das Profil 411 Follower hat, nichts daran, dass eine an diesen Empfängerkreis versandte Nachricht nicht als veröffentlicht angesehen werden kann.“

Daran hat die Kammer im Urteil festgehalten und darauf abgestellt, dass

„(d)ie Antragstellerin (...) ihren Account erkennbar auf „privat“ gestellt (hatte), so dass ihre Posts nur für ihre ca. 400 Follower lesbar waren und sein sollten und die Erlangung eines Follower-Status und damit die Zugriffsmöglichkeit auf die von der Antragstellerin geposteten Inhalte von ihrem jeweiligen Einverständnis abhängig waren. Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie nur diesem begrenzten Personenkreis die hier in Frage stehenden privaten Informationen zukommen lassen wollte.“

Im vorliegenden Hauptsacheverfahren ist nun erstmals vorgetragen und unstreitig geworden, dass unter den der Klägerin folgenden mehr als 400 Instagram-Accounts auch Accounts von Politikern sind, wie der des stellvertretenden C.-Bundesvorsitzenden C. L. sowie der Bundestagsabgeordneten C. P., T. K., Dr. K. L1 und J. M. (Anlage B 3) sowie der offizielle Instagram-Account des Kreisverbands der J. U. P1 (Anlage B 7).

Dies rechtfertigt nach Auffassung der Kammer eine andere rechtliche Würdigung der Frage der Selbstöffnung als sie im einstweiligen Verfügungsverfahren erfolgt ist: Nicht nur ist die Zahl der Follower mit 411 für einen Freundes- und Verwandtenkreis ungewöhnlich hoch. Zusätzlich liegt hinsichtlich der Politiker- und Kreisverbandsaccounts, die der Klägerin folgen, kein begrenzter Personenkreis mehr vor, den die Klägerin vollständig kennen und kontrollieren konnte. Zwar trägt die Klägerin insoweit vor, die Politiker-Accounts würden lediglich von 1 bis 3 Mitarbeitern bearbeitet, die ihrerseits zur Verschwiegenheit verpflichtet seien. Dass diese Mitarbeiter ihr zu jedem Zeitpunkt bekannt seien, behauptet die Klägerin indes nicht. Soweit die Klägerin hinsichtlich der Followerschaft des Kreisverbandes der J. U. P1 vorgetragen hat, dass ihr die beiden Zugriffsberechtigten bekannt seien und über diese hinaus nur eine Handvoll Personen zugangsberechtigt seien, die ihr ebenfalls bekannt seien, gilt Entsprechendes. Denn eine „Handvoll Personen“ als Zugriffsberechtigte bedeuten für die Klägerin gerade keine jederzeitige vollständige Kenntnis und Kontrollmöglichkeit; auch wenn zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, dass ihr die in Betracht kommenden Personen grundsätzlich bekannt sind, hat die Klägerin nicht geltend gemacht, dass sie zu jedem Zeitpunkt Kenntnis davon hätte, wer im Kreisverband der J. U. P1 zugriffberechtigt war. Damit stellt sich ihr Einverständnis hinsichtlich der Zugriffsmöglichkeit der Politiker- und Kreisverbandsaccounts als personell nicht kontrollierbar und nicht begrenzt dar. Die Klägerin hat die Erwartung, dass die Umwelt ihre Schwangerschaft als Privatangelegenheit nicht oder nur begrenzt zur Kenntnis nimmt, jedenfalls nicht mehr „situationsübergreifend und konsistent“ zum Ausdruck gebracht (vgl. Korte, Praxis des Presserechts, 2. Aufl. 2019, § 2 Rn. 82 m.w.N.). Der bei der Bestimmung der Reichweite des Persönlichkeitsrechtsschutzes zentrale situationsbezogene Umfang der berechtigten Privatheitserwartung (BVerfG, NJW 2006, 3406, 3408) ist danach im Falle der Klägerin entfallen bzw. jedenfalls deutlich gemindert.

Auch wenn vor diesem Hintergrund kein völliges Entfallen des Privatsphärenschutzes der Klägerin, sondern nur eine Abschwächung wegen der Öffnung gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit angenommen würde, führte dies nicht zu einer Unzulässigkeit der Berichterstattung:

Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss grundsätzlich erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - VI ZR 284/17 -, Juris Rn. 18). Dies ist hier nicht der Fall.

Auch unterhaltende Beiträge wie der vorliegende nehmen in vollem Umfang am Schutz der Berichterstattungsfreiheit des Art. 5 Abs. 2 GG teil. Die Klägerin und ihr Ehemann sind bekannte Persönlichkeiten des (H.) sozialen Lebens und treten gemeinsam bei öffentlichen Veranstaltungen auf, wo sie sich auch gemeinsam fotografieren lassen. Ein Berichterstattungsinteresse an der Klägerin und ihrem Ehemann als Prominenten ist daher auch vor dem Hintergrund der Leitbild- und Kontrastfunktion bekannter Personen anzuerkennen, auch wenn der vorliegende Beitrag vornehmlich die Neugier der Leser hinsichtlich der Angelegenheiten der Klägerin und ihres Ehemannes befriedigen soll und weniger einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung darstellt. Aufgrund der Selbstöffnung der Klägerin überwiegt ihr persönlichkeitsrechtliches Interesse gegenüber dem Berichterstattungsinteresse der Beklagten nicht. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Berichterstattungsaspekts der Schwangerschaft als auch hinsichtlich des Aspekts des beabsichtigten Umzugs nach H1.

III. Zusätzlich ist jedenfalls hinsichtlich der auf die Schwangerschaft der Klägerin bezogenen Teile der Berichterstattung, die keine weiteren privaten Details als die Tatsache der Geburt (wie Zwillinge, Jungen etc.) enthalten, die Wiederholungsgefahr durch die Geburt der Kinder der Klägerin im Juli 2022 entfallen (Anträge b., c. erster Satz). Die Geburt eines Kindes stellt grundsätzlich einen sozialen Umstand mit Gemeinschaftsbezug dar, der nicht der Privatsphäre zuzurechnen ist (OLG Hamburg, NJW-RR 1991, 98). Jedenfalls aufgrund der vom Ehemann der Klägerin im Dezember 2022 der Öffentlichkeit mitgeteilten Geburt der Kinder (Anlage B 9) berührte die streitgegenständliche Berichterstattung - soweit sie die Tatsache der Schwangerschaft an sich betrifft - zum jetzigen Zeitpunkt insoweit nur die Sozialsphäre der Klägerin, da mit der Geburt auch notwendig eine vorangegangene Schwangerschaft von im Regelfall 9 Monaten Dauer bekannt wird. Die Abwägung ginge aus den oben genannten Gründen insoweit zugunsten der Beklagten aus.

Ferner stellen die Auskünfte des Ehemannes der Klägerin im Dezember 2022 gegenüber dem S.-H. Zeitungsverlag zur Geburt der Kinder mit darüberhinausgehenden Details (wie Geburtsdatum und Namen, Anlage B 9) eine der Klägerin zuzurechnende weitere Selbstöffnung dar (bezüglich der Anträge a. und teilweise c.), die auch insoweit die Wiederholungsgefahr entfallen lässt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Frankfurt: Vereinsvorstand muss Administratorenrechte an Facebook-Seite an Verein herausgeben auch wenn diese unter Nutzung eines privaten Accounts erstellt wurde

LG Frankfurt
Urteil vom 24.07.2020
2-15 S 187/19


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass das Vorstandsmitglied eines Vereins, welches für den Verein eine Facebook-Seite erstellt hat, nach § 27 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 667 BGB die Administratorenrechte an der Facebook-Seite an den Verein herausgeben muss, auch wenn die Facebook-Seite unter Nutzung des privaten Accounts eingerichtet wurde.

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Kläger stand, wie das Amtsgericht zu Recht und mit überzeugender Begründung angenommen hat, ein Anspruch gegen die Beklagte auf Herausgabe der Facebook-Seite zu, und zwar in der Weise wie beantragt, d.h. durch Übertragung der Administrationsrechte auf den von dem Kläger bezeichneten Mitglied seines Vorstands.

aa) Zu Recht hat das Amtsgericht diesen Anspruch auf § 27 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 667 BGB gestützt. Danach hat das Vorstandsmitglied eines Vereins wie ein Beauftragter dasjenige herauszugeben, was es zur Ausführung seines Amtes erhält oder daraus erlangt (vgl. BeckOGK/Segna, 01.07.2020, § 27 BGB Rn. 102). Die Herausgabepflicht erstreckt sich auf jeden erlangten Vorteil, einschließlich solcher Gegenstände, die der Beauftragte selbst hervorgebracht, d.h. angefertigt oder erworben hat (vgl. MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, § 667 Rn. 17).

Auch Online-Konten, beispielsweise ein Facebook-Account, zählen dazu, wenn sie in Ausübung des Amtes geschaffen worden sind (vgl. MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, § 667 Rn. 21 m.w.N.). Hiervon abzugrenzen sind privat genutzte, aber mit Bezügen zu dem Auftraggeber angelegte Facebook-Konten, die von der Herausgabepflicht dann ausgenommen sind, wenn sie einen substanziellen privaten Anteil aufweisen (vgl. MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, § 667 Rn. 21 unter Verweis auf AG Brandenburg, NZA-RR 2018, 364).

In Anwendung dieser Grundsätze sind Administrationsrechte an einer Facebook-Seite jedenfalls dann von der Herausgabepflicht umfasst, wenn ein Vorstandsmitglied, wenn auch systembedingt unter Nutzung eines privaten Accounts, im Auftrag des Vereins für diesen einen Facebook-Auftritt geschaffen hat.

bb) Um einen solchen Fall handelt es sich hier.

Dies ist in tatsächlicher Hinsicht freilich streitig. Das Amtsgericht hat aber zu Recht das wechselseitige Parteivorbringen, die vorgelegten Unterlagen und die Angaben der Beklagten im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung in der Gesamtschau in diesem Sinne ausgewertet.

(1) Die genannten Angaben der Beklagten sprechen am stärksten für diese Wertung. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Folgendes erklärt: „Ich habe für den Verein die Facebook-Seite errichtet und habe meine Vorstandskollegen in der Sitzung darüber informiert. Da diese keine Ahnung von Facebook haben, haben sie mir vertraut und haben dem sozusagen zugestimmt“ (Sitzungsniederschrift vom 28.10.2019, S. 2; Bl. 455 R d.A.). Aus diesen Worten spricht das Verständnis, eine Tätigkeit in der Eigenschaft als Vorstandsmitglied ausgeübt zu haben. Inwieweit die Beklagte durch einen förmlichen Beschluss hiermit im engeren Sinne beauftragt wurde, ist nicht entscheidend. Denn § 27 Abs. 3 S. 1 verweist zwar auf das Auftragsrecht, setzt für Herausgabeansprüche aus § 667 BGB aber nicht voraus, dass das einzelne Vorstandsmitglied i.S.v. § 662 BGB beauftragt wurde, sondern allein, dass es aus der Ausübung seines Amtes etwas erlangt hat (vgl. BeckOGK/Segna, 01.07.2020, § 27 BGB Rn. 102).

Mit diesen Angaben hat die Beklagte eine zentrale Behauptung der Klägerseite wirksam zugestanden. Dass diese Behauptung in Widerspruch zu dem schriftsätzlichen Vorbringen steht, ist unschädlich, denn die Partei kann auch im Anwaltsprozess Tatsachen zugestehen, die ihr Anwalt vorher bestritten hatte (Zöller/Althammer, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 85 Rn. 9).

(2) Dass die Facebook-Seite, zunächst von der Beklagten allein gepflegt, eine Seite des Vereins sein sollte und es nach ihrem Verständnis auch war, wird zusätzlich daran anschaulich, dass sämtliche Posts in der Wir-Form gehalten sind und vielfach auf diese oder andere Weise ausdrücklich auf Veranstaltungen des Vereins oder auf den Verein selbst hinweisen, z.B. am 23.10.2011: „Es ist wichtig, daß diese Seite bekannter wird. …“ (vgl. dazu und zu weiteren Beispielen Anlage K 11; Bl. 128 ff. d.A.).

(3) Ohne den Beweisantritten des Klägers zu Inhalt und Verlauf von Vorstandssitzungen nachgehen zu müssen, ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen weitere Hinweise darauf, dass es dem Verständnis sämtlicher Vorstandsmitglieder entsprach, dass es sich bei der Seite um den Facebook-Auftritt des Vereins handeln sollte, namentlich die Tagesordnung vom 06.01.2011 („Facebook-Bearbeitung X…“; Anlage K 10; Bl. 127 d.A.) und die Verweise auf die Facebook-Seite in dem Flyer des Vereins (Anlage K 12; Bl. 400 f. d.A.) und in der von der Beklagten erstellten Vereinschronik (Anlage K 13; Bl. 402 f. d.A.).

(4) Auch die Äußerungen der Beklagten nach ihrem Ausscheiden aus dem Vorstand bilden ein wichtiges Indiz in diesem Sinne. So spricht sie im Jahr 2019 davon, auf Facebook eine „Vereinsseite“ eingerichtet zu haben (Anlage K 7; Bl. 66 f. d.A.) und von dem Wunsch, „mit der Facebook-Seite des Vereins“ jetzt nichts mehr zu tun zu haben (Anlage K 17; Bl. 407 d.A.), weil sie sich in die passive Mitgliedschaft zurückziehen wolle und kein Interesse mehr an der Kontrolle der Seite habe (Anlage K 16; Bl. 406 d.A.). Diese Äußerungen sind mit der Annahme, es habe sich bei der Seite um die eigene und private Seite der Beklagten gehandelt, unvereinbar.

Dass die Äußerungen aus dem Zusammenhang gerissen seien, wie die Beklagte pauschal vorträgt, ist bei der Lektüre der Äußerungen im Zusammenhang, wie er durch die vorgelegten Anlagen ermöglicht wird, nicht nachvollziehbar.

Es stimmt zwar, dass solche nachträglichen Äußerungen die rechtliche Qualifikation des damaligen Vorstandshandelns nicht beeinflussen können. Doch ergibt sich aus ihnen, dass die Beklagte nachträglich nicht in Zweifel zog, dass sie die Seite seinerzeit als Vorstandsmitglied für den Verein angelegt und betrieben hatte. Deshalb legen sie den Schluss sehr nahe, dass dem zu dem relevanten Zeitpunkt tatsächlich so war.

(5) Dass im Profil der Facebook-Seite zunächst nicht, wie von 2016 oder 2017 an, der Vereinsname erschien, sondern das Schlagwort „…“, ist unter diesen Umständen unschädlich.

Vielmehr ergibt sich aus der Umgestaltung der Seite ab 2016 ein weiteres Indiz dafür, dass es sich nach dem Verständnis aller Beteiligten um die Seite des Vereins handelte. Die Beklagte erklärt hierzu selbst, sie habe den stellvertretenden Vorsitzenden Y… „als Hilfsperson“ bei der Administration der Seite zugelassen, der nun ebenfalls dort gepostet, den Verein (ohne ihr Wissen) als Verantwortlichen in das Impressum aufgenommen und die Seite (was sie hingenommen habe) in „…“ umbenannt habe. Zunächst entspricht die Stellung, die Herr Y… damit übernahm, nicht derjenigen einer „Hilfsperson“. An anderer Stelle spricht die Beklagte auch zutreffender von der eines „Mitadministrators“. Vor allem aber wäre dann, wenn es sich nach dem Verständnis der Beklagten um ihre eigene private Facebook-Seite gehandelt hätte, nicht zu erwarten gewesen, dass die Beklagte einem Dritten diese Befugnisse einräumt und dessen Eingriffe in die Gestaltung einfach hinnimmt.

(6) Die Facebook-Seite „…“, auch wenn sie ebenfalls – ab dem Jahr 2018 – von dem Verein betrieben wurde, ändert an der Qualifikation der streitgegenständlichen Seite nichts. Jedenfalls ist es nicht so, dass diese neue Facebook-Seite die alte Facebook-Seite abgelöst hätte und der Verein eigene Posts nunmehr nur noch auf der neuen Seite eingestellt hätte. Da dem nicht so war, kann nicht der Schluss gezogen werden, es hätte nach der Vorstellung der Verantwortlichen des Klägers keine vereinseigene Seite existiert und diese sei mit der neuen Seite erst geschaffen worden.

cc) Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen nicht. Es ist schon nicht ersichtlich, welche personenbezogenen Daten Dritter mit der Übertragung der Administrationsrechte den Verantwortlichen des Klägers bekannt werden könnten. Soweit dem aber so wäre, träte deren Schutz im Rahmen der Abwägung nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 BDSG hinter das Informationsrecht des Anspruchsinhabers des Herausgabeanspruchs zurück (vgl. MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, § 666 Rn. 17; BGH, NJW 2012, 58).

Der Verweis auf die EuGH-Entscheidung zur Verantwortlichkeit des Betreibers einer Facebook-Seite für die Verarbeitung personenbezogener Daten (EuZW 2018, 534) rechtfertigt keine andere Bewertung. Denn darin geht es um die von Facebook auf den Endgeräten der Besucher einer Seite gesetzten Cookies und die Möglichkeit der Seitenbetreiber, daraus anonymisierte statistische Daten betreffend die Nutzer dieser Seiten von Facebook erhalten. Hieraus kann sich eine Belehrungspflicht des Seitenbetreibers ergeben. Einem Betreiberwechsel steht diese Pflicht nicht entgegen.

dd) Der Anspruch war nicht verjährt. Die Verjährung des Herausgabeanspruchs beginnt mit seinem Fälligwerden zu laufen. Dieses ist hier auf das Ausscheiden aus dem Vorstand zu datieren (vgl. MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, § 667 Rn. 23 zum Auftragsrecht).

c) In der Löschung der Facebookseite nach Klageerhebung, die dazu führte, dass die Seite unwiederbringlich verloren ist, liegt schließlich das erledigende Ereignis, welches die Klage unbegründet machte. Denn nunmehr ist die Herausgabe unmöglich und von der Beklagten deshalb nicht geschuldet (§ 275 BGB).

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: