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EuGH-Generalanwältin: Kein Verstoß gegen DSGVO wenn nationale Anti-Doping-Behörde personenbezogene Daten eines gedopten Profisportlers im Internet veröffentlicht

EuGH-Generalanwältin
Schlussantrage vom 14.09.2023
C-115/22 | NADA u. a.


Die EuGH-Generalanwältin kommt in ihren Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass kein Verstoß gegen die DSGVO vorliegt, wenn eine nationale Anti-Doping-Behörde personenbezogene Daten eines gedopten Profisportlers im Internet veröffentlicht.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Dopingbekämpfung und Datenschutz: Nach Ansicht von Generalanwältin Ćapeta verstößt eine nationale Anti-Doping-Behörde, die personenbezogene Daten eines gedopten Profisportlers im Internet veröffentlicht, nicht gegen die DSGVO

Der dadurch entstehende Eingriff in das Recht auf Datenschutz kann mit dem Präventionsziel einer solchen Veröffentlichung gerechtfertigt werden.

Eine österreichische Profisportlerin im Mittelstreckenlauf wurde für schuldig befunden, gegen österreichische AntiDoping-Regeln verstoßen zu haben. Die Österreichische Anti-Doping-Rechtskommission (ÖADR) erklärte alle im fraglichen Zeitraum von der Sportlerin erzielten Ergebnisse für ungültig, erkannte alle Start- und/oder Preisgelder ab und verhängte über sie eine vierjährige Sperre für die Teilnahme an jeglicher Art von sportlichen Wettkämpfen. Dieser Beschluss wurde von der ÖADR und der Unabhängigen Schiedskommission (USK) bestätigt.

Die Unabhängige Dopingkontrolleinrichtung (NADA) veröffentlichte in Bezug auf die Sportlerin auch ihren Namen, ihren Verstoß gegen die Anti-Doping-Regeln und den Zeitraum der Sperre in einer Tabelle gesperrter Sportler auf ihrer öffentlich zugänglichen Website.

Die Sportlerin beantragte bei der USK eine Überprüfung des Beschlusses. Diese Einrichtung möchte unter anderem wissen, ob die Veröffentlichung personenbezogener Daten eines gedopten Profisportlers im Internet mit der DSGVO vereinbar ist.

In den heutigen Schlussanträgen geht Generalanwältin Tamara Ćapeta zuerst auf die Zulässigkeit des Ersuchens ein. Nach Ansicht der Generalanwältin ist die USK ein „Gericht“’ im Sinne von Art. 267 Abs. 4 AEUV. Die Generalanwältin vertritt nämlich die Ansicht, dass die USK unter den Umständen des vorliegenden Falles sogar ein „Gericht“ darstelle, gegen dessen Entscheidungen keine Rechtsmittel gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV eingelegt werden könnten. Die USK sei daher sogar zur Vorlage verpflichtet gewesen.

In materiellrechtlicher Hinsicht befindet Generalanwältin Tamara Ćapeta zuerst, dass die DS-GVO auf den Sachverhalt des Falles nicht anwendbar sei. Das Anti-Doping-Recht regele vorrangig den Sport als Sport. Es beziehe sich eher auf die sozialen und erzieherischen Funktionen des Sports als auf seine wirtschaftlichen Aspekte. Es gebe derzeit keine unionsrechtlichen Vorschriften, die die Anti-Doping-Politik der Mitgliedstaaten beträfen. Ohne auch eine nur indirekte Verbindung der Anti-Doping-Politik zum Unionsrecht könne die DS-GVO solche Verarbeitungstätigkeiten nicht regeln. Deshalb vertritt die Generalanwältin die Ansicht, dass der Sachverhalt dieses Falles nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts und somit nicht in den Anwendungsbereich der DS-GVO falle.

Alternativ vertritt die Generalanwältin Tamara Ćapeta die Ansicht, dass die DS-GVO in einem bestimmten Kontext die Verarbeitung personenbezogener Daten erlaube, ohne dass eine einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderlich sei. Die Entscheidung des österreichischen Gesetzgebers, zu verlangen, dass bei Profisportlern, die gegen geltende Anti-Doping-Regeln verstießen, personenbezogene Daten an die Allgemeinheit bekannt gegeben würden, unterliege daher keiner zusätzlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung jedes Einzelfalles. Der durch die Veröffentlichung verursachte Eingriff in die Rechte von Profisportlern könne mit dem Präventionsziel gerechtfertigt werden, dass junge Sportler von Verstößen gegen Anti-DopingRegeln abgehalten und interessierte Kreise unterrichtet würden.

Generalanwältin Tamara Ćapeta erläutert weiter, dass es in der modernen Gesellschaft nur einen einzigen Weg gebe, um sicherzustellen, dass eine Pflicht zur allgemeinen Bekanntgabe wie im vorliegenden Fall die Pflicht des österreichischen Gesetzgebers erfüllt werde, nämlich durch eine Veröffentlichung im Internet. Eine bloße Veröffentlichung in gedruckter Form könne nicht mehr als geeignetes Mittel angesehen werden, um die Allgemeinheit mit Informationen zu versorgen. Wenn lediglich eine Offline-Veröffentlichung der fraglichen Informationen gefordert würde, käme dies einer Umgehung der Pflicht zur Information der Allgemeinheit gleich. Die Bekanntgabe des Namens der Sportlerin, des fraglichen Verstoßes gegen Anti-Doping-Regeln und der gegen sie verhängten Sperre auf der öffentlich zugänglichen Website einer nationalen Anti-Doping-Behörde sei während der Dauer ihrer Sperre geeignet und erforderlich, um die präventive Funktion der Abschreckung einerseits und der Information der interessierten Kreise andererseits zu erfüllen.


Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Rechtmäßigkeitsprüfung einer Dopingsperre auf CAS beschränkbar wenn sich Berufssportler hierzu verpflichtet - Verknüpfung von Lizenzerteilung und Verpflichtungserklärung zulässig

OLG Frankfurt
Urteil vom 21.12.2017
11 U 26/17 (Kart)


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Beschränkung der Rechtmäßigkeitsprüfung einer Dopingsperre auf die CAS durch Verpflichtungserklärung des jeweiligen Berufssportler zulässig ist. Die Verknüpfung von Lizenzerteilung und Verpflichtungserklärung ist - so das Gericht - zulässig und kein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung des jeweiligen Verbandes.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main: Rechtmäßigkeitsprüfung einer Dopingsperre auf CAS beschränkbar

Ein Berufssportler kann sich nicht auf die Rechtswidrigkeit einer Dopingsperre berufen, wenn er sich verpflichtet hat, den internationalen Sportschiedsgerichtshof (CAS) als einzige Berufungsinstanz anzuerkennen und eine Überprüfung durch den CAS unterlassen hat, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Urteil. Die Verknüpfung zwischen Lizenzerteilung und Verpflichtungserklärung beinhalte auch keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, betonte das OLG.

Der Kläger ist Berufsradrennfahrer. Er begehrt vom Beklagten Schadensersatz wegen einer gegen ihn vom Bundessport- und Schiedsgericht (BSSG) verhängten Dopingsperre. Bei dem Beklagten handelt es sich um den Dachverband des deutschen olympisch organisierten Radsports. Der Beklagte ist Mitglied des Weltradsportverbandes „Union Cycliste Internationale“ (UCI) und erteilt Sportlern die erforderliche Lizenz zur Teilnahme am Radsport. Das BSSG ist ein Organ des beklagten Verbandes.

Der Kläger erhielt in der Vergangenheit Lizenzen und verpflichtete sich mit Antragstellung, die Reglements des UCI anzuerkennen. Insbesondere erklärte er, sich den Strafen zu unterziehen, die ihm gegenüber ausgesprochen werden und Berufungen den im Reglement vorgesehenen Instanzen vorzutragen. Ausdrücklich unterzeichnete er folgende Verpflichtung: „Ich akzeptiere das TAS/CAS als einzig kompetente Berufungsinstanz (…). Ich akzeptiere, dass das TAS/CAS als letzte Instanz entscheidet und dass seine Beschlüsse endgültig und ohne Anspruch auf Berufung sind.“

Der Kläger gehörte dem Testpool der am häufigsten kontrollierten Sportler an und unterlag u.a. strengen Meldeauflagen. Die Nationale Anti-Doping-Agentur Deutschland informierte den Beklagten über drei Meldepflicht- und Kontrollversäumnisse des Klägers. Das BSSG verhängte daraufhin gegen den Kläger eine 12-monatige Sperre. Diesen Beschluss ließ der Kläger nicht vom CAS überprüfen.

Er begehrt nunmehr vom Beklagten Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns und meint, die Sperre sei rechtswidrig ausgesprochen worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger könne sich nicht auf die behauptete Unrichtigkeit des Beschlusses des BSSG berufen, meint das OLG. Er habe sich hinsichtlich der Frage etwaiger Dopingverstöße der Verbandsgerichtsbarkeit des Beklagten und der Anerkennung des CAS als einziger Berufungsinstanz unterworfen. Trotz der ihm erteilten Rechtsbehelfsbelehrung habe er keine Berufung zum CAS eingelegt.

Das Verlangen der Unterwerfungserklärung stelle bei Abwägung der beiderseitigen Interessen auch keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch den Beklagten dar. Der Beklagte habe zwar auf dem Markt der Zulassung von Sportlern zur Teilnahme an Radsportveran-staltungen eine Monopolstellung. Bei der Erteilung von Lizenzen handele es sich auch um eine gewerbliche Leistung im geschäftlichen Verkehr.

Die verlangte Unterwerfung unter die Verbandsgerichtsbarkeit und Anerkennung des CAS als einziger Berufungsinstanz beinhalte jedoch keinen Missbrauch dieser marktbeherrschenden Stellung. Es entspreche „dem wohlverstandenen Interesse nicht nur des Beklagten als Fachverband des Deutschen Radsports …, sondern auch der den Radsport ausübenden Athleten“, dass zunächst über das Vorliegen von Dopingverstößen das BSSG entscheide. So könnten „Entscheidungen über Dopingverstöße deutschlandweit einheitlich durch ein fachlich kompetentes Gremium zeitnah getroffen werden“, begründet das OLG. Soweit das BSSG kein unabhängiges Schiedsgericht, sondern ein Organ des Beklagten sei, führe auch dies nicht zur Unwirksamkeit der Unterwerfung. Dem Kläger habe eine Berufung zum CAS offen gestanden. Der CAS stelle nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 07.06.2016, KZR 6/15 - Pechstein) eine „unabhängige und neutrale Instanz“ dar.

Die Beschränkung der Überprüfung einer Sperre auf den CAS unter Ausschluss ordentlicher Gerichte stelle sich auch nicht aus sonstigen Gründen als rechtsmissbräuchlich dar. Den Grund-rechten des Klägers auf Justizgewährung sowie auf freie Berufsausübung stehe die gleichfalls verfassungsrechtlich gewährleistete Verbandsautonomie des Beklagten gegenüber. „Der Bedeu-tung einheitlicher und effektiver Anti-Doping-Richtlinien sowohl im internationalen wie im nationalen Kontext (…) wird am besten ein einheitliches Schiedsgericht gerecht“, betont das OLG. Schließlich können „Sportschiedsgerichte (…) am ehesten die Chancengleichheit der Sportlerinnen und Sportler bei der Teilnahme am organisierten Sport (…) durchsetzen (…) und verfügen durch die ständige Befassung mit sportspezifische Streitigkeiten über das notwendige Spezialwissen“.

Soweit der Kläger geltend mache, dass die Anrufung des CAS aus finanziellen Gründen unzumutbar sei, seien diese Ausführungen nicht hinreichend substantiiert.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.12.2017, Az. 11 U 26/17 (Kart)
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 23.04.2015, Az. 2/13 O 4/14)

Das Urteil kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof angegriffen werden. Es ist in Kürze im Volltext unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abrufbar.

Erläuterung:
„CAS“ steht für „court of arbitration für sport“; gleichbedeutend ist „TAS“, d.h. „Tribunal Arbitral du Sport“