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LG Frankfurt: Google muss Verlinkung auf rechtswidrige Inhalte ab Kenntnis löschen - Providerprivileg in § 8 TMG gilt nicht für Suchmaschinen

LG Frankfurt
Urteil vom 09.02.2017
2-03 S 16/16


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass Google verpflichtet ist, Verlinkungen auf rechtswidrige Inhalte ab Kenntnis von der Rechtsverletzung zu löschen. Das Gericht ist der Ansicht, dass sich Suchmaschinenbetreiber nicht auf das Providerprivileg in § 8 TMG berufen können.

Aus den Entscheidungsgründen:

"2. Der Kläger kann von der Beklagten aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB, 22, 23 KUG verlangen, dass diese es künftig unterlässt, die angegriffenen Verlinkungen anzuzeigen, da die Veröffentlichung in das Recht des Klägers am eigenen Bild eingreift und die Beklagte insoweit als Störerin für die durch die Bildveröffentlichung vorliegende Rechtsverletzung haftet.

a. Als mittelbarer Störer ist anzusehen, wer, ohne unmittelbarer Störer zu sein in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH GRUR 2016, 104 [BGH 28.07.2015 - VI ZR 340/14]). Die Haftung als mittelbarer Störer darf aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt deshalb die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (BGH GRUR 2016, 855 [BGH 01.03.2016 - VI ZR 34/15] - Ärztebewertungsportal III m.w.N.). Dies gilt auch für den Betreiber einer Suchmaschine (vgl. BGH GRUR 2010, 628 [BGH 29.04.2010 - I ZR 69/08] - Vorschaubilder I; OLG Köln NJOZ 2016, 1814 Rn. 51).

b. Insoweit greift eine Haftung allerdings erst, wenn der Betreiber einer Suchmaschine konkret auf die Rechtsverletzung hingewiesen worden ist und für den Betreiber hierdurch die behauptete Rechtsverletzung im Rahmen seiner Prüfung offensichtlich erkennbar ist. Das Inkenntnissetzungsschreiben des Betroffenen muss daher so detailliert über den Sachverhalt informieren, dass sich die behauptete Rechtsverletzung sowohl in tatsächlicher Hinsicht eindeutig darstellt als auch in rechtlicher Hinsicht die nicht hinzunehmende Beeinträchtigung des Betroffenen auf der Hand liegt. Auf Grund dieser Anforderungen darf sich der Betroffene folglich nicht darauf beschränken, die beanstandeten Links zu nennen und zu behaupten, er werde durch die Inhalte auf den durch die Links nachgewiesenen Seiten in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt (OLG Köln NJOZ 2016, 1814 Rn. 70).

c. Dies war vorliegend jedenfalls im Hinblick auf die öffentliche Zurschaustellung des Bildnisses des Klägers der Fall.

Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist daher grundsätzlich nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH GRUR 2016, 855 [BGH 01.03.2016 - VI ZR 34/15] - Ärztebewertungsportal III m.w.N.).

Hierbei sind auf Seiten des Betreibers einer Suchmaschine die durch diese gewährleisteten Rechte der Autoren und Seiteninhaber zu berücksichtigen, deren Recht aus Art. 5 Abs. 1 GG auch den Anspruch beinhaltet, mit ihrer Meinung gehört bzw. gefunden zu werden. Weiter sind die Ansprüche der Nutzer zu berücksichtigen, die sich im Rahmen ihrer Suche über im Netz vorgehaltene Inhalte informieren wollen.

d. Im Hinblick auf die Veröffentlichung von Bildnissen ist allerdings auch die grundsätzliche gesetzgeberische Wertung der §§ 22, 23 KUG zu berücksichtigen. Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Einer Einwilligung bedarf es u.a. nicht für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, soweit nicht wiederum entsprechend § 23 Abs. 2 KUG ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Zu berücksichtigen sind insoweit die Gesamtumstände der Bildnis-Veröffentlichung, insbesondere in welchem Rahmen das Bildnis durch die Veröffentlichung steht (Löffler/Steffen, PresseR, 6. Aufl. 2015, § 6 Rn. 135 m.w.N.). Eine Befugnis zur Veröffentlichung liegt daher nur vor, wenn die Interessen- und Güterabwägung der Gewährleistungen von Art. 5 Abs. 1, 3 GG mit den Grundrechten des Betroffenen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergibt, dass das Interesse der Öffentlichkeit an dem Bildbericht nicht hinter den Interessen des Betroffenen zurückstehen muss (Löffler/Steffen, a.a.O., § 6 Rn. 203). §§ 22, 23 KUG sehen daher in Form eines Regel-/Ausnahmeverhältnisses (vgl. BVerfG NJW 2012, 756; BGH NJW 2011, 744; OLG Köln AfP 2016, 160 Rn. 11; Diederichsen, AfP 2012, 217, 221) im Zweifel den Vorrang des Persönlichkeitsrechts des Abgebildeten vor.

aa. Der Kläger ist vorliegend aus dem Bildnis unschwer erkennbar.

bb. Die Beklagte kann sich vorliegend nicht auf eine Einwilligung des Klägers berufen.

Die Beweislast für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes nach § 23 KUG trifft grundsätzlich denjenigen, der ein Bildnis verwendet (Dreier/Schulze-Specht, UrhG, 5. Aufl. 2015, § 23 KUG Rn. 33 m.w.N.). Zwischen dem Kläger und der hiesigen Beklagten kann die Frage, wer den Umstand der fehlenden Einwilligung zu beweisen hat, allerdings offen bleiben. Denn es ist jedenfalls von einer fehlenden Einwilligung des Klägers auszugehen.

Hier hat der Kläger vorgetragen, dass er keine Einwilligung erteilt habe. Es handele sich um ein privates Foto, das nicht habe veröffentlicht werden dürfen. Die Beklagte beruft sich hingegen darauf, dass der Kläger die Darlegungs- und Beweislast trage.

Insoweit ist aber zunächst einzustellen, dass es sich bei der Tatsache einer fehlenden Einwilligung um eine negative Tatsache handelt, was die Darlegungslast des Klägers grundsätzlich reduziert. Zum Beweis dieser negativen Tatsache steht dem Kläger daher ein Beweis grundsätzlich nur durch den Verfasser des angegriffenen Beitrages zur Verfügung. Dieses Beweismittel ist aber sowohl für den Kläger als auch für die Beklagte nicht ohne Weiteres greifbar. Diesbezüglich befindet sich der Kläger nicht in einer besseren Situation als die Beklagte.

Darüber hinaus ist aufgrund der konkreten Berichterstattung, die den Kläger jedenfalls in ein schlechtes Bild rückt, nicht ohne Weiteres von einer Einwilligung des Klägers in die konkrete Berichterstattung mit seiner Bebilderung auszugehen. Dies konnte auch die Beklagte nach Hinweis auf den angegriffenen Bericht erkennen.

cc. Die Beklagte kann sich vorliegend auch nicht auf eine Ausnahme nach § 23 KUG berufen. Insbesondere ist ein Ausnahmetatbestand nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nicht gegeben, da ein zeitgeschichtliches Ereignis, das die öffentliche Zurschaustellung des Bildnisses des Klägers rechtfertigen würde, nicht vorliegt.

Der Begriff der Zeitgeschichte ist im Interesse der Informationsfreiheit weit auszulegen und auf alle Vorgänge von gesellschaftlicher Relevanz anzuwenden (BGH NJW 2010, 3025 [BGH 13.04.2010 - VI ZR 125/08] - Galadiner im Centre Pompidou; BGH NJW 2011, 844 [BGH 11.01.2011 - II ZR 157/09] - Party-Prinzessin; BGH NJW 2011, 746 [BGH 26.10.2010 - VI ZR 190/08] - Rosenball in Monaco; Soehring/Hoene, PresseR, 5. Aufl. 2013, § 21 Rn. 2h). Es kommt daher darauf an, ob Gegenstand einer Bildberichterstattung eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, eine Person im Blickpunkt des öffentlichen Interesses oder keines der beiden steht.

Dafür, dass der Kläger als Persönlichkeit des öffentliches Lebens anzusehen ist, ist vorliegend nichts ersichtlich.

Personen im Blickpunkt der Öffentlichkeit können solche sein, die nicht durch ihre eigene Stellung in der Gesellschaft und/oder politische bzw. berufliche Leistungen aus der Masse hervorragen, sondern die erst aufgrund ihrer Beziehungen zu einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten und auf diese Weise zum Gegenstand des Informationsinteresses werden (Soehring/Hoene, a.a.O., § 21 Rn. 5). Auch hier ist aber maßgeblich, ob eine thematische Bindung der Person an ein zeitgeschichtliches Ereignis vorliegt und dadurch situationsbedingt ein legitimes Berichterstattungsinteresse besteht. Entscheidend ist, dass das Thema des Artikels von öffentlichem Interesse ist und die Berichterstattung mit Foto einen noch ausreichenden Bezug hierzu aufweist (Diederichsen, AfP 2012, 217, 221 [BGH 22.02.2011 - VI ZR 120/10]).

Dies ist hier nicht der Fall. Ein zeitgeschichtliches Ereignis, aufgrund dessen die Rechte der Verfasser des streitgegenständlichen Beitrages und der Nutzer das Recht des Klägers am Eigenbild überwiegen (vgl. Dreier/Schulze-Specht, a.a.O., § 23 KUG Rn. 10), ist nicht erkennbar. Es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger im Rahmen einer Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis dargestellt wird. Die Berichterstattung enthält hauptsächlich Kritik an Herrn A.... Der Kläger wird insoweit - ohne jeden konkreten Bezug zu einer konkreten Handlung oder zu einem konkreten Anlass - dargestellt als jemand, der dem Herrn A... hilft. Die geschäftliche Beziehung zu Herrn A... allein, die hier vorliegend seit Jahren unstreitig nicht mehr besteht, stellt aber ohne weitere Erläuterung kein zeitgeschichtliches Ereignis dar, das eine Abbildung des Klägers rechtfertigen würde. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Abbildung des Klägers selbst ebenfalls keinen Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis darstellt, sondern allein seine Person zu erkennen ist, wobei das Foto nach dem Vortrag des Klägers in privatem Rahmen aufgenommen worden ist. Außerdem wurde das Foto erkennbar bearbeitet und der Hintergrund entfernt, so dass nur noch der Kläger zu sehen ist. Auch der angegriffene Beitrag stellt einen Bezug zu einem konkreten Ereignis nicht her, sondern stellt vorangehend lediglich die Frage, wie der Kläger aussieht ("What does B... look like?").

Eine andere Bewertung rechtfertigt im Übrigen auch nicht der Vortrag der Beklagten, der Kläger trete selbst aktiv mit Meinungen und Berichterstattung an die Öffentlichkeit.

Zwar kann grundsätzlich bei der Abwägung Berücksichtigung finden, wenn die abgebildete Person selbst in die Öffentlichkeit drängt (Soehring/Hoene, a.a.O., § 21 Rn. 7c). Hier ist zwischen den Parteien jedoch streitig, ob es sich bei der von der Beklagten angeführten Person tatsächlich um den Kläger oder nur um einen Namensvetter handelt. Die Beklagte hat insoweit aber nicht hinreichend darlegen können, dass tatsächlich der Kläger in der Vergangenheit in der dargestellten Form an die Öffentlichkeit getreten ist.

e. Der Hinweis des Klägers an die Beklagte war auch hinreichend, um eine Prüfung sowie die anschließende Entfernung der angegriffenen Links zu ermöglichen. Denn der Kläger hat in seiner anwaltlichen Aufforderung darauf hingewiesen, dass die Bildnisveröffentlichung ihn in seinen Rechten verletze und ein Ausnahmetatbestand nach den §§ 22, 23 KUG nicht vorliege. Dies eröffnete der Beklagten die Möglichkeit, anhand des angegriffenen Artikels zu prüfen, ob Hinweise auf eine Einwilligung des Klägers oder ein die Bildnisveröffentlichung rechtfertigendes Ereignis vorlagen, was wie oben dargelegt nicht der Fall ist.

f. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, die Bildnisveröffentlichung sei neutral und verletze den Kläger aus diesem Grunde nicht in seinen Rechten, folgt die Kammer dem nicht. Nach der Rechtsprechung von BGH und BVerfG kann die Verwendung einer kontextneutralen Portraitaufnahme einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, dessen ohnedies weithin bekanntes Erscheinungsbild nur nochmals ins Gedächtnis gerufen wird, zulässig sein (BVerfG NJW 2006, 2835 Rn. 13 [BVerfG 13.06.2006 - 1 BvR 565/06]; BGH NJW 2012, 763 Rn. 30 [BGH 22.11.2011 - VI ZR 26/11] - INKA-Story). Es ist allerdings nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht hinreichend dargelegt und vorgetragen, dass der Kläger und dessen Bildnis unabhängig von der angegriffenen Berichterstattung weithin bekannt sind. Die Übertragung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall würde im Ergebnis dazu führen, dass praktisch jede Bebilderung eines ansonsten zulässigen Textbeitrages, die den Abgebildeten nicht in ungünstiger Position zeigt, zulässig wäre. Dies widerspräche der klaren Wertung der §§ 22, 23 KUG.

g. Der Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte ist nicht aufgrund einer Privilegierung nach den §§ 8-10 TMG ausgeschlossen.

aa. Insoweit konnte im Ergebnis offenbleiben, ob die Privilegierungen nach den §§ 8-10 TMG auf Unterlassungsansprüche anwendbar sind. Der BGH hat dies in ständiger Rechtsprechung verneint (BGH GRUR 2007, 724 [BGH 27.03.2007 - VI ZR 101/06]; BGH GRUR 2009, 1093 [BGH 30.06.2009 - VI ZR 210/08]; BGH GRUR 2012, 311 [BGH 25.10.2011 - VI ZR 93/10]). Der EuGH hat diese Auffassung im Hinblick auf die auch §§ 8-10 TMG zu Grunde liegenden Art. 12-15 der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG grundsätzlich bestätigt (EuGH EuZW 2016, 821 [EuGH 15.09.2016 - C-484/14] - McFadden). Dass "gerichtliche Anordnungen" durch Art. 12-15 der E-Commerce-Richtlinie nicht gesperrt werden, wird allerdings maßgeblich auf Normen der InfoSoc-Richtlinie 2001/29/EG und der Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG gestützt, die u.a. urheberrechtliche Ansprüche betreffen (vgl. BGH NJW 2016, 794 Rn. 22 [BGH 26.11.2015 - I ZR 174/14] - Access Provider). Für Ansprüche wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen fehlt es an ähnlichen europarechtlichen Normen. Von daher ist die Entscheidung "McFadden" des EuGH auf den vorliegenden Fall für Verletzungen von Persönlichkeitsrechten nicht übertragbar (vgl. Spindler, GRUR 2016, 451, 460). Insoweit könnte grundsätzlich zu berücksichtigen sein, dass der deutsche Gesetzgeber jedenfalls die Privilegierung für Access Provider nach § 8 TMG auch auf Unterlassungsansprüche anwenden will (BT-Drs. 18/8645 v. 01.06.2016, Anlage BE2, Bl. 544 d.A., S. 10).

bb. Diesbezüglich kann weiter offen bleiben, ob sich der Suchmaschinenbetreiber überhaupt auf die Privilegierung der §§ 8-10 TMG berufen kann (für eine Anwendung OLG Köln, Urt. v. 13.10.2016 - 15 U 189/15, BeckRS 2016, 18916 Rn. 91 ff.; KG Berlin MMR 2010, 495; a.A. Spindler/Schuster-Mann/Smid, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl. 2015, Kap. PresseR Rn. 79 m.w.N.; Spindler/Schuster-Hoffmann, a.a.O., § 8 TMG Rn. 24).

cc. Diese Fragen konnten im vorliegenden Fall unentschieden bleiben, da die tatbestandlichen Voraussetzungen der hier einschlägigen Privilegierung nicht gegeben sind.

Auf Suchmaschinenbetreiber ist entgegen der Auffassung der Beklagten jedenfalls nicht die Privilegierung des § 8 TMG anwendbar.

Access Provider nach § 8 TMG ist, wer fremde Informationen in einem Kommunikationsnetz übermittelt oder zu diesen den Zugang vermittelt und die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert hat. Grundlage für die Privilegierung ist, dass der Access Provider sich im Hinblick auf die betroffenen Informationen in einer neutralen Rolle befindet (vgl. OLG Köln, Urt. v. 13.10.2016 - 15 U 189/15, BeckRS 2016, 18916 Rn. 109).

Die Tätigkeit der Beklagten beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Übermittlung fremder Informationen oder auf die Zugangsvermittlung zu solchen Informationen. Vielmehr werden die von der Beklagten in ihren Suchindex aufgenommenen Seiten als Kopie im "Cache" gespeichert und dort für eine schnellere Abrufbarkeit weiter vorgehalten (vgl. OLG Köln NJOZ 2016, 1814 Rn. 56). Die Beklagte steht den Inhalten daher nicht ähnlich neutral gegenüber wie der Internetzugangsanbieter, der Daten lediglich übermittelt bzw. durchleitet und aus diesem Grunde praktisch keine Einflussmöglichkeiten auf die von seinen Nutzern abgerufenen oder übermittelten Informationen hat.

Die Beklagte hat über die bei ihr gespeicherten, wenn auch fremden Informationen jedenfalls dahingehend Kontrolle, dass sie durch Nichtaufnahme in ihren Suchindex oder durch Sperrung deren Anzeige verhindern kann. Dem Internetzugangsanbieter, der zuvorderst von § 8 TMG erfasst werden soll, steht diese Möglichkeit hingegen nicht ohne Weiteres zur Verfügung. Ein weiterer Unterschied der Beklagten zum Internetzugangsanbieter besteht darin, dass die Beklagte zwar nicht unmittelbar Kenntnis von den in ihren Suchindex aufgenommenen Inhalten nehmen mag. Sie wertet die von ihr aufgenommenen Informationen jedoch auch im Hinblick auf deren Relevanz für künftige Suchanfragen aus, wohingegen dem Internetzugangsanbieter solche Auswertungen der übermittelten Informationen in der Regel praktisch nicht möglich und im Übrigen aufgrund des Fernmeldegeheimnisses nach § 88 TKG untersagt sein dürften.

Die Tätigkeit der Beklagten fällt daher lediglich unter die Tatbestände der §§ 9 bzw. 10 TMG (vgl. auch OLG Köln NJOZ 2016, 1814 Rn. 62; OLG Köln, Urt. v. 13.10.2016 - 15 U 189/15, BeckRS 2016, 18916 Rn. 93). Auf §§ 9, 10 TMG kann sich die Beklagte jedoch im vorliegenden Fall nicht berufen, da deren jeweilige Voraussetzungen nicht gegeben sind. Die §§ 9, 10 TMG sehen nämlich eine Handlungspflicht des Betreibers bei Inkenntnissetzung von einer konkreten Rechtsverletzung vor, wobei Einigkeit darüber besteht, dass die Rechtsverletzung für die Beklagte offenkundig und leicht erkennbar sein muss (OLG Köln NJOZ 2016, 1814 Rn. 70). Dieser Handlungspflicht hat die Beklagte nicht genügt.

Die gerügte Rechtsverletzung war für die Beklagte auch offenkundig und leicht erkennbar, da der Kläger die Beklagte auf die Verletzung seines Rechts am eigenen Bild hingewiesen hatte und es für die Beklagte unter Zugrundelegung der Ausführungen des Klägers und des angegriffenen Beitrages offenkundig war, dass eine Rechtfertigung der öffentlichen Zurschaustellung des Bildnisses des Klägers nach den §§ 22, 23 KUG nicht gegeben war (siehe oben).

h. Der Anspruch ist auch nicht aus dem Grunde ausgeschlossen, dass der Kläger zunächst den Host Provider der angegriffenen Webseite hätte in Anspruch nehmen müssen. Die Kammer folgt insoweit nicht der Auffassung der Beklagten, dass sie gegenüber dem Betreiber der Webseite oder dem Host Provider nur subsidiär hafte. Eine Subsidiarität der Störerhaftung besteht grundsätzlich nicht (BGH NJW 2016, 794 Rn. 82 [BGH 26.11.2015 - I ZR 174/14] - Access-Provider). Eine Ausnahme hiervon macht der BGH ausdrücklich nur für Access Provider (BGH a.a.O. Rn. 83). Da die Beklagte nicht als Access Provider nach § 8 TMG anzusehen ist (siehe oben), findet diese Ausnahme auf sie keine Anwendung.

i. Die streitgegenständliche Bildnisveröffentlichung rechtfertigt vorliegend auch die Stattgabe des gesamten klägerischen Antrages. Der Kläger hat vorliegend zwei konkrete Links in Bezug genommen (vgl. zur Problematik, ob Suchmaschinen nur konkrete Links sperren müssen OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.12.2016 - 6 U 2/15 (Pressemitteilung)). Dem steht hier auch nicht entgegen, dass einer der Links die Hauptseite des streitgegenständlichen Blogs betrifft. Denn das Blog enthält nur wenige Einträge, sämtlich aus dem Jahr 2012. Das hier rechtswidrig veröffentlichte Bildnis ist sowohl in dem Blogeintrag zu sehen als auch auf dem insoweit vollständig auf der Hauptseite wiedergegebenen Blogeintrag. Von daher sind beide streitgegenständlichen Links zu entfernen.

j. Auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Im Regelfall indiziert die Erstbegehung die Wiederholungsgefahr (ständige Rechtsprechung BGH GRUR 1997, 379, 380 [BGH 16.11.1995 - I ZR 229/93] - Wegfall der Wiederholungsgefahr II). Im Allgemeinen gelingt eine Widerlegung der Wiederholungsgefahr durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, die jedoch beklagtenseits verweigert wurde. Damit zeigt die Beklagte, dass nach wie vor Wiederholungsgefahr besteht (vgl. BGH GRUR 1998, 1045, 1046 [BGH 19.03.1998 - I ZR 264/95] - Brennwertkessel)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Generalanwalt beim EuGH: Providerprivileg für offenes WLAN gilt auch für Personen die als Nebentätigkeit zu ihrer wirtschaftlichen Haupttätigkeit ein lokales Funknetz mit Internetzugang betreiben

Generalanwalt beim EuGH
Schlussantrag vom 16.03.2016
C‑484/14
Tobias Mc Fadden ./. Sony Music Entertainment Germany GmbH


Der Generalanwalt beim EuGH hat sich heute in diesem Verfahren in seinen Schlussantrag zur Störerhaftung bei Betrieb eines offenen WLANs geäußert. Der Generalanwalt ist der Ansicht, dass die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr dahingehend auszulegen ist, dass das Providerprivileg für offenes WLAN auch für Personen gilt, die lediglich als Nebentätigkeit zu ihrer wirtschaftlichen Haupttätigkeit ein lokales Funknetz mit Internetzugang betreiben.

Der EuGH ist an die Vorschläge des Generalanwalts nicht gebunden, folgt diesem aber meistens.

Der Vorschlag des Generalanwalt:

1. Art. 2 Buchst. a und b sowie Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) sind dahin auszulegen, dass sie für eine Person gelten, die als Nebentätigkeit zu ihrer wirtschaftlichen Haupttätigkeit ein lokales Funknetz mit Internetzugang betreibt, das der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung steht.

2. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 steht der Verurteilung eines Anbieters von Diensten der reinen Durchleitung auf einen Antrag hin entgegen, der die Feststellung der zivilrechtlichen Haftung dieses Diensteanbieters einschließt. Dieser Artikel steht daher nicht nur der Verurteilung des Anbieters solcher Dienste zur Leistung von Schadensersatz, sondern auch seiner Verurteilung zur Tragung der Abmahnkosten und der gerichtlichen Kosten im Zusammenhang mit der von einem Dritten durch die Übermittlung von Informationen begangenen Verletzung des Urheberrechts entgegen.

3. Art. 12 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2000/31 steht dem Erlass einer mit einem Ordnungsgeld bewehrten gerichtlichen Anordnung nicht entgegen.

Ein nationales Gericht muss sich, wenn es eine solche Anordnung erlässt, vergewissern,

– dass die fraglichen Maßnahmen mit Art. 3 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vereinbar und insbesondere wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind;

– dass sie gemäß den Art. 12 Abs. 3 und 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 darauf gerichtet sind, eine bestimmte Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, und keine allgemeine Überwachungspflicht implizieren und

– dass diese Bestimmungen und andere vom nationalen Recht vorgesehene Modalitäten ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den betroffenen Grundrechten wahren, insbesondere denjenigen, die in den Art. 11 und 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf der einen und in Art. 17 Abs. 2 dieser Charta auf der anderen Seite verankert sind.

4. Die Art. 12 Abs. 3 und 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31, ausgelegt nach Maßgabe der Anforderungen, die sich aus dem Schutz der einschlägigen Grundrechte ergeben, stehen grundsätzlich dem Erlass einer gerichtlichen Anordnung nicht entgegen, die es dem Adressaten freistellt, welche konkreten Maßnahmen er ergreift. Es ist jedoch Sache des mit einem Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Anordnung befassten nationalen Gerichts, sich zu vergewissern, dass es geeignete Maßnahmen gibt, die mit den unionsrechtlichen Beschränkungen im Einklang stehen.

Die genannten Bestimmungen stehen der gerichtlichen Anordnung, die an eine Person gerichtet ist, die als Nebentätigkeit zu ihrer wirtschaftlichen Haupttätigkeit ein der Öffentlichkeit zugängliches lokales Funknetz mit Internetzugang betreibt, entgegen, wenn der Adressat der Anordnung nur dadurch nachkommen kann, dass

– er den Internetanschluss stilllegt oder

– mit einem Passwortschutz versieht oder

– sämtliche über diesen Anschluss laufende Kommunikation daraufhin untersucht, ob das bestimmte urheberrechtlich geschützte Werk erneut rechtswidrig übermittelt wird.


Den Volltext des Schlussantrags finden Sie hier: