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OLG Frankfurt: Banken und Sparkassen dürfen von Sparern für Guthaben Verwahrentgelte bei Überschreiten eines Freibetrages verlangen

OLG Frankfurt
Urteil vom 05.10.2023
3 U 286/22


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Banken und Sparkassen von Sparern für Guthaben Verwahrentgelte bei Überschreiten eines Freibetrages verlangen dürfen. Das Gericht hat die Revision zum BGH zugelassen, so dass dieser voraussichtlich die Sache entscheiden wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Vertragsbedingungen - Klausel über Verwahrentgelte wirksam

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von vorformulierten Vertragsbedingungen einer deutschen Geschäftsbank. Sie verpflichten u.a. Sparer bei Überschreiten eines bestimmten Freibetrags zur Zahlung von sog. Verwahr- bzw. Guthabenentgelten. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündetem Urteil entschieden, dass diese Klauseln wirksam sind. Sie unterfallen als Preishauptabreden nicht der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen und sind zudem weder intransparent noch überraschend.

Die beklagte Geschäftsbank wendet sich u.a. gegen ihre Verurteilung, AGB-Klauseln, die zur Zahlung eines Entgelts für die Verwahrung von Spareinlagen verpflichten, nicht mehr zu verwenden. Die beklagte Bank schließt mit Verbrauchern u.a. Verträge über die Verwahrung von Spareinlagen. Neukunden mussten im Zeitraum von Mitte des Jahres 2020 bis Mitte 2022 ab einem Freibetrag von zunächst € 250.000 ein Verwahrentgelt zahlen, Bestandskunden nach entsprechender Vereinbarung. Bei Abschluss einer Geschäftsbeziehung mit Neukunden verwendete die Beklagte ein Formular, in dem in Ziff. 15 eine „Rahmenvereinbarung zur Verwahrung von Einlagen“ enthalten war. Das dort in Bezug genommene Preis- und Leistungsverzeichnis sah für neu eingerichtete Kundennummern oberhalb des Freibetrags ein Verwahrentgelt von 0,5 % p.a. vor. Die Neukunden mussten mit einer gesonderten Unterschrift ihr Einverständnis mit der Verwahrung der Einlagen erklären. Gegenüber Bestandskunden stellte die beklagte Bank ab Anfang 2021 eine vorformulierte Vereinbarung zur Diskussion, die ebenfalls die Verpflichtung zur Zahlung eines Guthabenentgelts in Höhe von 0,5% für Euro-Einlagen einschließlich Spareinlagen enthielt.

Das Landgericht hatte die Beklagte u.a. verurteilt, die Klauseln über die Erhebung von Verwahr- bzw. Guthabennentgelten nicht mehr zu verwenden. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG Erfolg. Die Klauseln seien wirksam vereinbart worden, begründete das OLG seine Entscheidung. Dabei könne offenbleiben, ob es sich bei den streitgegenständlichen Klauseln auch im Bereich der Bestandskunden um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele. Jedenfalls stellten die Klauseln sowohl im Rahmen der Neu- als auch der Bestandskundengeschäfte sog. Preishauptabreden dar. Derartige Klauseln, die unmittelbar den Preis für die Hauptleistung bestimmten, seien der Inhaltskontrolle nach dem Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen entzogen.

Die Klauseln regelten unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung bei Sparverträgen. „Verwahrung und Rückgewähr des gleichen Geldbetrags (ist die) einseitige vertragliche Hauptleistungspflicht der Bank aus dem Sparvertrag“, betont das OLG im Anschluss an die dahingehende Rechtsprechung des BGH (zuletzt Urteil vom 25.07.2023, Az. XI ZR 221/22). Da Sparverträge nur einseitig zur Verwahrung und Rückgewähr verpflichteten, könne die Bank damit auch einen Preis dafür bestimmen, der keiner Inhaltskontrolle nach den Regelungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliege. Es liege - entgegen der Ansicht des Landgerichts - kein Darlehensvertrag vor, da der Sparer nicht zur Einzahlung eines bestimmten Geldbetrags verpflichtet sei.

Ergänzend verweist der Senat darauf, dass die Klauseln gegenüber Neu- wie Bestandskunden selbst im Fall einer Inhaltskontrolle nicht unwirksam wären. Sie benachteiligten den Sparer nicht unangemessen, da aus dem Sparvertrag als unregelmäßigem Verwahrungsvertrag nur einseitig die Bank zur Verwahrung und Rückgewähr verpflichtet sei. Anders als den Darlehensgeber treffe den Sparer keine durch Zahlung von Zinsen zu vergütende Pflicht, der Bank Gelder zu überlassen. Folglich seien die Klauseln auch nicht mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des Darlehensvertrags unvereinbar. Auch seien die streitgegenständlichen Klauseln weder intransparent noch überraschend. Jeder Neukunde müsse sich klar und unmissverständlich durch seine Unterschrift mit der Vereinbarung zur Verwahrung von Einlagen einverstanden erklären. Die Vereinbarung mit Bestandskunden diene ersichtlich gerade der Vereinbarung eines Guthabenentgelts.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die binnen einen Monats einzulegende Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 5.10.2023, Az. 3 U 286/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 18.11.2022, Az. 2-25 O 228/21)


OVG Münster: Rückforderung von im Frühjahr 2020 ausgezahlten Corona-Soforthilfen rechtswidrig - kein wirksamer Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung

OVG Münster
Urteil vom 17.03.2023
4 A 1986/22

Das OVG Münster hat entschieden, dass die Rückforderung von im Frühjahr 2020 ausgezahlten Corona-Soforthilfen rechtswidrig war, da kein wirksamer Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung in den Bewilligungsbescheiden enthalten war.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Rückforderung von Corona-Soforthilfen war rechtswidrig - nicht benötigte Hilfen dürfen aber noch zurückgefordert werden

Die erfolgten (Teil-)Rückforderungen von Corona-Soforthilfen sind rechtswidrig und die Rückforderungsbescheide deshalb aufzuheben. Das Land hat sich bei der Rückforderung nicht an die bindenden Vorgaben aus den Bewilligungsbescheiden gehalten, wonach die Mittel ausschließlich dazu dienten, eine finanzielle Notlage abzumildern, insbesondere Finanzierungsengpässe zu überbrücken. Wenn Zuwendungsempfänger die Corona-Soforthilfen in dem dreimonatigen Bewilligungszeitraum im Frühjahr 2020 nicht oder nur teilweise zu diesen Zwecken benötigt haben, darf das Land allerdings neue Schlussbescheide erlassen und überzahlte Mittel zurückfordern. Das hat das Oberverwaltungsgericht heute entschieden und damit drei Urteile des Verwaltungsgerichts Düsseldorf im Ergebnis bestätigt.

Die Kläger sind Selbstständige (ein freiberuflicher Steuerberater und Dozent für Steuerrecht, eine Inhaberin eines Kosmetikstudios sowie ein Betreiber eines Schnellrestaurants), die von den infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie betroffen waren. Sie stellten im ersten Lockdown am 30. März bzw. 1. April 2020 beim Land NRW einen Antrag auf Gewährung einer Soforthilfe. Mit Bewilligungsbescheiden vom jeweils gleichen Tag wurden ihnen Soforthilfen in Höhe von jeweils 9.000 Euro als einmalige Pauschale bewilligt und wenig später ausgezahlt. Nachdem die Kläger bezogen auf den dreimonatigen Bewilligungszeitraum (März bis Mai 2020 bzw. April bis Juni 2020, je nach Zeitpunkt der Antragstellung) Einnahmen und Ausgaben rückgemeldet hatten, ergingen automatisiert Schlussbescheide. Darin wurde ein aus dem elektronischen Rückmeldeformular errechneter „Liquiditätsengpass“ festgestellt und die Differenz zwischen diesem und dem ausgezahlten Pauschalbetrag zurückgefordert. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat diese Schlussbescheide aufgehoben.

Das Oberverwaltungsgericht ist dem nur im Ergebnis gefolgt und hat die Berufungen des Landes zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Vorsitzende des 4. Senats im Wesentlichen ausgeführt:

Die Schlussbescheide sind rechtswidrig und aufzuheben, weil das Land die Vorgaben der Bewilligungsbescheide nicht beachtet hat, die für die endgültige Festsetzung bindend sind. Danach diente die Soforthilfe ausschließlich zur Milderung pandemiebedingter finanzieller Notlagen, insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen. Das später vom Land geforderte Rückmeldeverfahren findet in den Bewilligungsbescheiden keine Grundlage. Die darin von den Zuwendungsempfängern verlangten Angaben waren ungeeignet, um die letztlich jeweils zu belassende Fördersumme unter Berücksichtigung der bindenden Festsetzungen der Bewilligungsbescheide zu bestimmen. In welchem Umfang Fördermittel während des Bewilligungszeitraums tatsächlich im Rahmen der Zweckbindung der Förderung verwendet worden sind, konnte dort nicht angegeben werden. Denn darauf kam es nach dem Rechtsstandpunkt des Landes, das insoweit den Vorgaben des Bundes folgte, schon nicht an. Zudem sind die Schlussbescheide rechtswidrig, weil sie ohne eine hierfür erforderliche Rechtsgrundlage vollständig durch automatische Einrichtungen erlassen worden sind.

Das Land bleibt allerdings berechtigt, die den Empfängern letztlich zustehende Soforthilfe in Form von neu zu erlassenden „Schlussbescheiden“ endgültig festzusetzen und die überzahlten Beträge zurückzufordern. Die Corona-Soforthilfe wurde als Billigkeitszuschuss in Gestalt einer einmaligen Pauschale bewilligt. Trotz missverständlicher Formulierungen in den Bewilligungsbescheiden stand die Bewilligung angesichts der noch unbekannten Entwicklung und Dauer der pandemiebedingten Beschränkungen der Wirtschaft von Anfang an noch klar erkennbar zumindest unter dem Vorbehalt, ob und in welchem Umfang die bewilligten Finanzmittel für den ausschließlichen Zuwendungszweck benötigt würden. Jeder Empfänger einer Soforthilfezuwendung konnte in Nordrhein-Westfalen zwar darauf vertrauen, dass er keine Mittel zurückzahlen muss, die er während des Bewilligungszeitraums berechtigterweise „zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens bzw. des Selbstständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie“ oder „zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 1. März 2020 in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind“, verwendet hatte. Objektiven Empfängern der Bewilligungsbescheide musste sich aber auch aufdrängen, dass die Soforthilfe vollumfänglich nur zur Kompensation der unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe genutzt werden durfte, entsprechende Mittelverwendungen nachzuweisen und bei Einzelfallprüfungen zu belegen sowie nicht zweckentsprechend benötigte Mittel nachträglich zu ermitteln und zurückzuzahlen waren. Den Bewilligungsbescheiden lässt sich hingegen nicht entnehmen, dass sie auch bezogen auf die Berechnungsgrundlagen für die Rückzahlung unter dem Vorbehalt einer noch zu entwickelnden Verwaltungspraxis stehen sollten.

Auch wenn in Nordrhein-Westfalen stets die Höchstfördersumme bewilligt worden war, finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Rückzahlung - abweichend vom Bundesprogramm - nur erfolgen musste, wenn dieser Betrag höher war als eine wie auch immer zu bestimmende Umsatzeinbuße. Insoweit tritt der offensichtlich nicht gemeinte Wortlaut hinter dem klar erkennbaren Förderzweck zurück. Allerdings ist unklar geblieben, ob das Land die Rückzahlungspflicht ebenso wie der Bund nur davon abhängig machen wollte, dass die gewährten Mittel (vollständig) zum Ausgleich des eingetretenen Liquiditätsengpasses benötigt worden sind. Nahe liegt, dass eine Rückzahlung auch solcher Mittel nicht erfolgen sollte, die „zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens bzw. des Selbstständigen“ benötigt worden sind. Denn die Überbrückung von Liquiditätsengpässen wurde in den Bewilligungsbescheiden und der Erläuterung des Landes im Internet nur beispielhaft erwähnt. Soweit durch eine erkennbar irrtümlich verwendete und offensichtlich nicht wörtlich so gemeinte Formulierung des Landes über den Umfang der Rückzahlungspflicht Zweifel verblieben, müssen diese zu Lasten des Landes gehen.

Von einem Liquiditätsengpass in Gestalt vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten konnten Zuwendungsempfänger ausgehen, sobald sie bis zum Ablauf bestehender Zahlungsfristen neben den verbliebenen laufenden Überschüssen keine ausreichenden eigenen Einnahmen - auch nicht aus weiterhin möglichen und tatsächlich abgeschlossenen Kompensationsgeschäften - erzielen konnten, um Zahlungsverpflichtungen ohne Rückgriff auf Rücklagen im Rahmen des „Cashflow“ auch ohne staatliche Fördermittel noch rechtzeitig ausgleichen zu können. Sofern das Existenzminimum des Selbstständigen nicht durch Sozialleistungen abgedeckt worden war, durften bis zum 1.4.2020, 13:30 Uhr, bewilligte Mittel auch dann eingesetzt werden, wenn die Umsätze des geförderten Betriebs nicht einmal mehr ausreichten, um dieses Existenzminimum finanzieren zu können. Entgegenstehende Klarstellungen des Bundes waren bereits vor ihrer Veröffentlichung am 30.3.2020 für Nordrhein-Westfalen vom 29.3.2020 bis zum 1.4.2020, 13:30 Uhr, außer Kraft gesetzt worden. Für spätere Bewilligungen war sowohl in den Kurzfakten des Bundes als auch in den Informationen des Landes bis zum 12.5.2020 übereinstimmend klargestellt, dass der Lebensunterhalt einschließlich der Bedarfe für Ernährung, Kleidung, Hausrat etc. sowie der Kosten für Unterkunft und Heizung nicht durch die Soforthilfe, sondern durch Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II abgesichert werden sollte.

Der Senat hat die Revision jeweils nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 4 A 1986/22 (I. Instanz: VG Düsseldorf 20 K 217/21)



LG Frankfurt: Strafzinsen und Verwahrentgelte für Guthaben unzulässig - Klausel in AGB der Commerzbank wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden nach § 307 BGB unwirksam

LG Frankfurt
Urteil vom 18.11.2022
2-25 O 228/21


Auch das LG Frankfurt hat entschieden, dass Strafzinsen und Verwahrentgelte für Guthaben unzulässig sind. Die entsprechende Klausel in den AGB der Commerzbank ist wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden nach § 307 BGB unwirksam.

VG Köln: Rückforderung von im Frühjahr 2020 ausgezahlten Corona-Soforthilfen rechtswidrig - kein wirksamer Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung

VG Köln
Urteil vom 16.09.2022
16 K 125/22; 16 K 127/22; 16 K 406/22; 16 K 412/22; 16 K 499/22; 16 K 505/22


Das VG Köln hat entschieden, dass die Rückforderung von im Frühjahr 2020 ausgezahlten Corona-Soforthilfen in NRW rechtswidrig ist. Die Bescheide enthielten keinen wirksamen Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Verwaltungsgericht Köln: Rückforderung von Corona-Soforthilfen ist rechtswidrig

Die Rückforderung von im Frühjahr 2020 ausgezahlten Corona-Soforthilfen durch das Land Nordrhein-Westfalen ist rechtswidrig. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln heute mit sechs Urteilen entschieden und damit den Klagen von Solo-Selbstständigen und Kleinunternehmern stattgegeben.

Nachdem im Frühjahr 2020 aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen zunehmend kleine Unternehmen und Solo-Selbstständige in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten, legte das Land das Förderprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ auf. Es bewilligte in großer Zahl pauschale Zuwendungen in Höhe von 9.000 Euro an in Not geratene Betriebe, darunter auch an die sechs Kläger. Später ermittelte das Land, ob die bei den Zuwendungsempfängern ohne Förderung vorhandenen Mittel seinerzeit tatsächlich nicht ausgereicht hätten, um Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens nachzukommen. Nur solche Liquiditätsengpässe erkannte das Land als förderfähig an. Die Soforthilfen setzte es dementsprechend durch Schlussbescheide niedriger als ursprünglich bewilligt fest und forderte entsprechende Teilbeträge zurück. Dabei stellte es sich auf den Standpunkt, die Auszahlungen aufgrund der Bewilligungen im Frühjahr 2020 seien lediglich vorläufig erfolgt. Für die Höhe der Förderung komme es zudem auf Umsatzausfälle nicht an. Die Kläger waren anderer Auffassung und erhoben im Januar dieses Jahres Klagen gegen die Schlussbescheide.

Die Klagen waren erfolgreich. Das Gericht ist dem beklagten Land in seinen beiden zentralen Argumenten nicht gefolgt. Es hat die angegriffenen Schlussbescheide aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Das Land ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Bewilligungen im Frühjahr 2020 unter dem Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung standen. Ein solcher Vorbehalt ist zwar rechtlich möglich, muss aber aus den Bewilligungsbescheiden klar erkennbar hervorgehen. Jedwede Unklarheit geht zu Lasten der Behörde. Diese hat es in der Hand, Auslegungsprobleme durch eindeutige Formulierungen zu vermeiden. Die an die Kläger gerichteten Bewilligungsbescheide enthielten weder ausdrücklich noch indirekt einen solchen Vorbehalt. Auch aus den sonstigen zum Bewilligungszeitpunkt verfügbaren Informationen, insbesondere den vom Land veröffentlichten Hinweisen zum Förderprogramm, mussten die Kläger nicht den Schluss ziehen, es habe sich um eine bloß vorläufige Bewilligung gehandelt. Ob die Förderrichtlinie des Landes vom 31.05.2020 etwas anderes regelt, ist irrelevant, weil diese bei Erlass der Bewilligungsbescheide noch nicht existierte.

Zudem sind die Schlussbescheide rechtswidrig, weil das Land darin für die Berechnung der Soforthilfen alleine auf einen Liquiditätsengpass abgestellt hat. Die Bewilligungsbescheide erlaubten aber auch eine Verwendung der Soforthilfen zur Kompensation von Umsatzausfällen. An diese Festlegung war das Land in der Folge gebunden.

Beim Verwaltungsgericht Köln sind noch etwa 400 Klagen betreffend die Rückforderung von Corona-Soforthilfen anhängig. Die heute entschiedenen Klagen sind repräsentativ für einen Großteil dieser Fälle. Das Gericht beabsichtigt, über das Vorgehen in den weiteren Verfahren zu entscheiden, sobald in den heute verhandelten Verfahren rechtskräftige Entscheidungen vorliegen.

Gegen die Urteile kann das Land Berufungen einlegen. Über diese würde das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden.

Aktenzeichen: 16 K 125/22; 16 K 127/22; 16 K 406/22; 16 K 412/22; 16 K 499/22; 16 K 505/22



BGH: Zur Rückforderung von Zahlungen nach unberechtigten Preiserhöhungen bei einem Erdgas-Sonderkundenvertrag

BGH
Urteil vom 03.12.2014
VIII ZR 370/13

Die Pressemitteilung des BGH:


"Zur Rückforderung von Zahlungen, die im Rahmen eines Erdgas-Sonderkundenvertrages nach unberechtigten Preiserhöhungen erbracht wurden

Das beklagte Energieversorgungsunternehmen beliefert den Kläger seit 1997 als Sonderkunden mit Erdgas. In dem Erdgaslieferungsvertrag ist ein Arbeitspreis von 4,2 Pfennig/kWh (2,15 Cent/kWh) vereinbart. Ein Preisanpassungsrecht der Beklagten enthält der Vertrag nicht. Die Beklagte erhöhte in der Folgezeit mehrfach die Preise. Für den Zeitraum vom 2. April 2007 bis zum 31. März 2008 verlangte sie auf der Basis eines Arbeitspreises von 4,31 Cent/kWh eine Vergütung von insgesamt 3.145,74 €. Der Kläger beanstandete die jährlichen Abrechnungen der Beklagten erstmals im Jahr 2011; zuvor hatte er die in Rechnung gestellten Preise widerspruchslos gezahlt. Der Kläger ist nunmehr der Auffassung, er schulde lediglich den zu Vertragsbeginn vereinbarten Arbeitspreis und begehrt deshalb von der Beklagten für das Abrechnungsjahr 2007/2008 die Rückzahlung von insgesamt 1.523,44 €.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage ganz überwiegend abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur ergänzenden Vertragsauslegung (BGHZ 192, 372 ff.), die die Geltendmachung der Unwirksamkeit von Preiserhöhungen in gewissen Umfang begrenzt, keine Anwendung finde, weil im vorliegenden Fall – anders als bei den bisher vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen – der Vertrag kein nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksames Preisanpassungsrecht enthalte und deshalb keine planwidrige Regelungslücke vorliege, die unabdingbare Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung sei. Gleichwohl müsse sich der Kläger nach Treu und Glauben an dem Preis festhalten lassen, der drei Jahre vor seinem ersten Widerspruch gegolten habe, nämlich dem ab 1. April 2007 zugrunde gelegten Arbeitspreis von 4,31 Cent/kWh.

Die Revision hatte Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das Berufungsurteil schon deshalb keinen Bestand haben kann, weil die tatbestandlichen Feststellungen eine revisionsrechtliche Nachprüfung nicht ermöglichen. Das Berufungsgericht hat insbesondere keine Feststellungen dazu getroffen, warum ein Preisänderungsrecht vorliegend nicht Vertragsbestandteil geworden ist, die Beklagte aber gleichwohl Preisanpassungen vorgenommen und zu höheren Preisen als dem im Jahr 1997 geltenden Preis abgerechnet und der Kläger die darauf beruhenden Jahresabrechnungen über viele Jahre hinweg widerspruchslos beglichen hat. Damit fehlt es an einer ausreichenden Tatsachengrundlage für die Prüfung, ob der Gaslieferungsvertrag eine Regelungslücke enthält, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach den vom Senat für die Fälle eines unwirksamen Preisanpassungsrechts entwickelten Grundsätzen zu schließen wäre. Der Senat hat die Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit es diese Feststellungen nachholen kann.

Für das weitere Verfahren hat der Senat darauf hingewiesen, dass ein auf unbestimmter Zeit abgeschlossener Energielieferungsvertrag regelmäßig auch dann eine planwidrige Unvollständigkeit aufweist, wenn die Parteien keine Festpreisabrede getroffen haben, die Einbeziehung eines vertragstypischen und im Grundsatz den Interessen beider Parteien Rechnung tragenden formularmäßigen Preisanpassungsrechts an einer wirksamen Einbeziehung gemäß § 305 BGB* scheitert, der Kunde den Preisanpassungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen geltend macht. Auch eine so entstandene Regelungslücke wäre – ebenso wie die Regelungslücke, die durch ein wegen unangemessener Benachteiligung des Gaskunden (§ 307 Abs. 1 BGB*) unwirksames Preisanpassungsrecht entstanden ist - im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise zu schließen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.

Sofern sich die Vereinbarung der Parteien nach den im weiteren Verfahren zu treffenden Feststellungen hingegen als Festpreisabrede mit abschließender Risikoverteilung erweisen sollte und deshalb kein Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung wäre, so könnte diese Risikoverteilung ohne das Hinzutreten weiterer - bislang nicht ersichtlicher - Umstände auch nicht über § 242 BGB korrigiert werden.

§ 305 BGB

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1. die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Orte des Vertragsschlusses auf sie hinweist und

2. der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,

und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist (…)

§ 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) …

(3) …

Urteil vom 3. Dezember 2014 - VIII ZR 370/13

AG Königs Wusterhausen - Urteil vom 27. Dezember 2012 – 4 C 64/12

LG Potsdam - Urteil vom 28. November 2013 - 7 S 40/13"