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LG Hamburg: Einstweilige Verfügung Stefan Aust gegen ZDF Magazin Royale - Beitrag Fahndungsplakat "Linksradikale Gewalttäter"

LG Hamburg
Beschluss vom 03.01.2023
324 O 513/22


Das LG Hamburg hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass der Beitrag mit dem Fahndungsplakat "Linksradikale Gewalttäter" Stefan Aust in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu. Die Verbreitung des Fotos im Zusammenhang mit der Angabe „A., S. R.,... S.“ bzw. „A., S. R.“ verletzt den Antragsteller in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Wird die beanstandete Äußerung im Rahmen eines satirischen Beitrags getätigt, ist sie hierbei zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu befreien. Aussagekern und Einkleidung sind sodann einer gesonderten rechtlichen Beurteilung zu unterziehen, wobei die Maßstäbe für die Beurteilung der Einkleidung anders und weniger streng sind als die für die Bewertung des Aussagekerns. Enthält der satirische Beitrag eine unrichtige Tatsachenbehauptung, so kommt es für die rechtliche Beurteilung auch darauf an, ob für den Empfänger erkennbar ist, dass es sich dabei um eine für die Satire typische Verfremdung oder Übertreibung handelt, er sie also für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann, oder ob er zu der irrigen Einschätzung kommen kann, die Aussage sei tatsächlich wahr (BGH, Urt. v. 10.01.2017 – VI ZR 561/15 –, Rn. 11 f.).

Einer Satire sind die Stilmittel der Übertreibung, Verzerrung und Verfremdung wesenseigen. Voraussetzung dafür, dass eine Äußerung unter dem Gesichtspunkt der Satirefreiheit einen besonderen Schutz genießt, ist aber, dass der Rezipient die satirische Überzeichnung erkennt, so dass er die Veränderung als Teil der für satirische Darstellungen typischen Verfremdungen und Verzerrungen deuten und damit für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann. Eine unrichtige Information, die der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Möglichkeit zutreffender Meinungsbildung nicht dienen kann, ist unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit auch dann kein schützenswertes Gut, wenn die Information in einem satirischen Kontext erfolgt (Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 8.09.2015 – 7 U 121/14 –, Rn. 24).

Nach diesem Maßstab gelangt ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum des vorliegenden Fernsehbeitrags auch unter Berücksichtigung des satirischen Inhalts des Beitrags zu dem unwahren Verständnis, dass das Bildnis den Antragsteller darstelle. Tatsächlich und unstreitig handelt es sich bei der abgebildeten Person aber um den Schauspieler V. B., der in dem Film „D. B. M. K.“ die Rolle des Antragstellers spielte.

Die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass die Fernsehsendung in satirischer Überspitzung vermeintliche Parallelen und Verbindungen zwischen der FDP, der „W.“ und der RAF zieht, um die Absurdität einer Gleichsetzung von Klimaaktivisten mit der RAF satirisch auf den Punkt zu bringen. Das Publikum gelangt vor diesem Hintergrund zwar zu dem Verständnis, dass das Fahndungsplakat, auf dem neben anderen Personen u.a. C. L., F. L. und M. D. abgebildet sind, nicht authentisch ist und die darauf abgebildeten Personen tatsächlich nicht zur Fahndung ausgeschrieben sind. Dies führt allerdings nicht dazu, dass das Publikum auch annimmt, dass es sich bei den auf dem satirischen Fahndungsplakat genannten Personen – darunter der Antragsteller – nicht auch um die abgebildeten Personen handele. Im Gegenteil: Die satirische Übertreibung liegt gerade darin, dass die auf dem Fahndungsplakat abgebildeten Personen aufgrund der bloßen im Beitrag angesprochenen Gemeinsamkeiten – im Hinblick auf den Antragsteller insbesondere als Herausgeber der „W.“ und als Pferdefreund – offenkundig nicht wie auf dem Fahndungsplakat geschehen als „linksradikale Gewalttäter“ bezeichnet werden können. Diese satirische Übertreibung würde in den Augen der Rezipienten ihre Schärfe gerade verlieren, wenn auf dem Fahndungsplakat nicht der „echte“ C. L. und kein wahres Bildnis des Antragstellers abgebildet wären.

Randnummer6
Eine „Verschränkung“ der satirischen Überspitzung ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass Szenen aus der Verfilmung des „B. M. K.“ in dem Fernsehbeitrag eingeblendet werden. Zum einen zeigt keine der eingeblendeten Filmszenen den Schauspieler V. B. in der Rolle des Antragstellers. Zum anderen sind alle Filmeinblendungen – anders als die Einblendungen des Fotos, das vermeintlich den Antragsteller zeigt – deutlich mit der Unterzeile „D. B. M. K.“ gekennzeichnet. Es liegt für ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum daher nicht nahe, dass auf dem Foto nicht der Antragsteller, sondern ein Darsteller aus einem Film abgebildet ist. Dass einzelne Zuschauer dennoch erkannt haben, dass es sich nicht um den Antragsteller, sondern um V. B. handelt, ändert hieran nichts.

Die unwahre Behauptung, bei der abgebildeten Person handele es sich um den Antragsteller, ist auch nicht wertneutral. Für das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers ist es nicht von gänzlich unerheblicher Bedeutung, ob er fälschlicherweise mit einem Foto dargestellt wird, das nicht ihn, sondern eine andere Person zeigt. Hierfür kommt es auch nicht darauf an, ob der Antragsteller entstellt dargestellt wird oder ob der Schauspieler V. B. dem Antragsteller ähnlich sieht. Ebenso unerheblich ist, dass die ansehensrelevante Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch die Verwendung des „unrichtigen“ Fotos in ihrem Ausmaß hinter der Beeinträchtigung zurückbleibt, die der Antragsteller durch den Inhalt des satirischen Beitrags im Übrigen erleidet, der von ihm aber nicht angegriffen wird.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BVerwG: Kein Anspruch gegen Bundeskanzleramt auf Auskunft über Nachrichtendienste nach dem Informationsfreiheitsgesetz

BVerwG
Ur­teil vom 25.02.2016
7 C 18.14


Das BVerwG hat entschieden, dass ein Journalist nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gegen das Bundeskanzleramt keinen Anspruch auf Auskunft über Nachrichtendienste hat.

Die Pressemitteilung des BVerwG:

Zugang zu Informationen der Nachrichtendienste beim Bundeskanzleramt

Das Bun­des­kanz­ler­amt als Fach­auf­sichts­be­hör­de über den Bun­des­nach­rich­ten­dienst darf den An­trag auf Zu­gang zu amt­li­chen In­for­ma­tio­nen mit der Be­grün­dung ver­wei­gern, dass die be­tref­fen­den Schrift­stü­cke vom Bun­des­nach­rich­ten­dienst stam­men. Ent­spre­chen­des gilt für In­for­ma­tio­nen des Bun­des­amts für Ver­fas­sungs­schutz, die das Bun­des­kanz­ler­amt im Rah­men sei­ner Ko­or­di­nie­rungs­tä­tig­keit für die Nach­rich­ten­diens­te er­hal­ten hat. Das hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig heute ent­schie­den.

Der Klä­ger, ein Jour­na­list einer über­re­gio­na­len Ta­ges­zei­tung, ver­langt vom Bun­des­kanz­ler­amt Zu­gang zu Akten über die RAF, die Ter­ror­an­schlä­ge des Jah­res 1977 und die nach­fol­gen­den Straf­ver­fah­ren. Im Streit ste­hen noch Un­ter­la­gen, die vom Bun­des­nach­rich­ten­dienst und dem Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz stam­men. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat das kla­ge­ab­wei­sen­de Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts be­stä­tigt: Dem Zu­gang stehe die Be­reichs­aus­nah­me des § 3 Nr. 8 IFG ent­ge­gen. Da­nach be­steht der An­spruch auf In­for­ma­ti­ons­zu­gang nicht ge­gen­über den Nach­rich­ten­diens­ten des Bun­des. Diese Be­reichs­aus­nah­me schlie­ße den An­spruch auf Zu­gang zu nach­rich­ten­dienst­li­chen Un­ter­la­gen um­fas­send aus, un­ge­ach­tet der Be­hör­de, bei der der An­trag ge­stellt werde.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ist dem ge­folgt, so­weit es sich um An­sprü­che gegen das Bun­des­kanz­ler­amt han­delt. § 3 Nr. 8 IFG pri­vi­le­giert die Nach­rich­ten­diens­te, die zum Schutz vor Aus­for­schung ins­be­son­de­re ihrer ope­ra­ti­ven Tä­tig­keit vom In­for­ma­ti­ons­zu­gang voll­stän­dig aus­ge­nom­men sind. Der vom Ge­setz­ge­ber be­zweck­te lü­cken­lo­se Schutz der Tä­tig­keit der Nach­rich­ten­diens­te ge­bie­tet die Er­stre­ckung die­ses Ver­sa­gungs­grunds auch auf das Bun­des­kanz­ler­amt, bei dem wegen sei­ner Auf­ga­be als Fach­auf­sichts­be­hör­de und Ko­or­di­nie­rungs­stel­le ty­pi­scher­wei­se grö­ße­re Men­gen an In­for­ma­tio­nen der Nach­rich­ten­diens­te an­fal­len.

BVerwG 7 C 18.14 - Ur­teil vom 25. Fe­bru­ar 2016
OVG Berlin-Brandenburg 12 B 14.13 - Urteil vom 06. November 2014
VG Berlin 2 K 57.12 - Urteil vom 30. Mai 2013