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AG Lörrach: Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO umfasst gespeicherte Audiomitschnitte von Telefongesprächen

AG Lörrach
Urteil vom 05.02.2024
3 C 661/23


Das AG Lörrach hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO auch gespeicherte Audiomitschnitte von Telefongesprächen umfasst.

Aus den Entscheidungsgründen:
I) Die Klage ist hinsichtlich des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO unstreitig gegeben. Zwischen den Parteien blieb bis zuletzt lediglich streitig, ob der Audiomitschnitt vom Telefongespräch Ende 2022 übermittelt wurde. Dafür bot die Beklagte keinen Beweis an, obwohl sie die Erfüllung zu beweisen hatte. Damit war die Beklagte dahingehend noch zu verurteilen.

II) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 713,76 €. Dieser Anspruch richtet sich nach § 257 BGB auf Freistellung. Der Anspruch gründet für verschiedene Streitgegenstände auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen (1)-3)). Hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren ist der Streitwert aber einheitlich zu bestimmen, woraus sich die Schadenshöhe ergibt (4)).

1) Wegen der vorgerichtlichen Aufforderung zur Datenauskunft nach Art. 15 DSGVO hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten aus Art. 82 DSGVO.

a) Die Beklagte hat gegen Art. 6 DSGVO verstoßen, indem sie die personenbezogenen Daten des Klägers ohne Rechtfertigung verarbeitet hat. Die Beklagte erhielt die Daten des Klägers ohne sein Wissen und Wollen. Die erlangten Daten benutzte die Beklagte, um den Kläger anzurufen und einen Vertragsschluss anzubieten. Die Telefondaten und die Personalien des Klägers sind personenbezogene Daten nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Indem die Beklagte die Daten erhalten hat und bei sich selbst gespeichert hat, liegt eine Verarbeitung nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO vor. Die Daten wurden anschließend für den Anruf und die Vertragsanbahnung verwendet, womit eine weitere Verarbeitung vorliegt. Solch eine Verarbeitung ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO rechtmäßig. Die Beklagte hat keinen Fall davon vorgetragen. Insbesondere hat sie nicht vorgetragen, dass der Kläger zu solch einer Verarbeitung zustimmt hat. Soweit in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde, woher die Beklagte die Daten hat und der Sohn des Klägers informatorisch angehört wurde, konnte er nicht bestätigen, dass er gegenüber der a. GmbH eine Einwilligung erteilt hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass unter einer Abwägung der Interessen die Verarbeitung gerechtfertigt war (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO). Damit liegt ein Verstoß gegen eine konkrete Datenschutzbestimmung vor. Es kommt also nicht darauf an, ob auch anderweitige Verstöße ausreichen (dazu: BeckOK DatenschutzR/Quaas, 46. Ed. 1.11.2023, DS-GVO Art. 82 Rn. 14; EuGH GRUR-RS 2023, 8972).

b) Soweit auch die a. GmbH für die rechtswidrige Verarbeitung der personenbezogenen Daten verantwortlich war, ändert dies nichts daran, dass die Beklagte nach Art. 82 Abs. 4 DSGVO auch alleine für den gesamten Schaden haftet.

c) Die Beklagte konnte sich auch nicht nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO exkulpieren, weil die Beklagte sowohl für die Speicherung als auch für die Verwendung selbst verantwortlich ist.

d) Als Schaden kann der Kläger die vorgerichtlichen Anwaltskosten für die Geltendmachung des Anspruchs aus Art. 15 DSGVO geltend machen.

aa) Hinsichtlich der Schadenshöhe hat der EuGH festgestellt, dass sich dieser grundsätzlich nach den nationalen Vorschriften ergibt. Dies darf allerdings nicht gegen die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität verstoßen. (EuGH GRUR-RS 2023, 8972, Rn. 59) Dahingehend ist zu berücksichtigen, dass die DSGVO einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden sicherstellen soll. (EuGH GRUR-RS 2023, 8972, Rn. 57) Damit ist kein Strafschadensersatz gefordert. (EuGH GRUR-RS 2023, 8972, Rn. 58) Allerdings erfordert Sinn und Zweck der DSGVO eine weite Auslegung des Schadensbegriffs (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 46. Ed. 1.11.2023, DS-GVO Art. 82 Rn. 29).

bb) Hinsichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten ist es im Rahmen von § 249 BGB anerkannt, dass diese ersetzt werden müssen, wenn man sich vorprozessual anwaltlicher Hilfe bedient hat, um einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen (BeckOGK/Brand, 1.3.2022, BGB § 249 Rn. 178). Der Kläger macht aber Rechtsanwaltskosten geltend, weil er sich zur Durchsetzung seines Anspruchs aus Art. 15 DSGVO eines Anwalts bedient hat, was keinen Schadensersatzanspruch beinhaltet. Ein Schaden müsste sich damit aus den allgemeinen Grundsätzen der §§ 249 ff. BGB ergeben.

Nach der Differenzhypothese sind die Güterlagen mit und ohne schädigendes Ereignis zu bewerten (BeckOGK/Brand, 1.3.2022, BGB § 249 Rn. 12). Danach kann ein Schaden angenommen werden, weil das schädigende Ereignis die Erlangung der Daten durch die Beklagte und deren Verwendung ist. Ohne dieses Ereignis, hätte der Kläger niemals einen Anspruch aus Art. 15 DSGVO geltend machen wollen.

Die Beauftragung eines Anwalts geschah nach dem schädigenden Ereignis und basiert auf einem eigenen Willensentschluss des Klägers. Es handelt sich aber trotzdem um einen unfreiwilligen Schaden und keine Aufwendung als freiwilliges Vermögensopfer. Ein Schaden bei freiwilligen Vermögensopfern liegt vor, wenn sie aus Sicht eines verständigen Menschen in der Lage des Geschädigten erforderlich sind, um die Folgen einer Rechtsgutsverletzung zu beseitigen. (BeckOGK/Brand, 1.3.2022, BGB § 249 Rn. 10) Das ist vorliegend der Fall. Die Rechtsgutsverletzung ist die rechtswidrige Datenverarbeitung. Für den Kläger war es erforderlich, zunächst das Ausmaß dieser Rechtsgutsverletzung in Erfahrung zu bringen, um sich anschließend um die Schadensbehebung zu bemühen. Für die Durchsetzung des Anspruches aus Art. 15 DSGVO war auch die Einschaltung eines Anwalts erforderlich. Dem Kläger war es nicht nach § 254 BGB zuzumuten den Anspruch selbst zu verfolgen (so auch: LG Lübeck, Urteil vom 7. Dezember 2023 – 15 O 73/23 –, juris Rn. 192; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – 10 O 1510/22 –, juris Rn. 162). Es kann nicht erwartet werden, dass ein juristischer Laie die Regelungen und Ansprüche aus der DSGVO kennt, um diese selbst durchzusetzen.

cc) Auch in der Literatur wird angenommen, dass vorgerichtliche Anwaltskosten ein Schaden sein können (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 46. Ed. 1.11.2023, DS-GVO Art. 82 Rn. 29; Boehm in: Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 1. Auflage 2019, DSGVO Art. 82 Rn. 28: gerade in Bezug für die Ermittlung und Hilfe den immateriellen Schaden zu beseitigen). Auch in der Rechtsprechung wird dies angenommen (LG Lübeck, Urteil vom 7. Dezember 2023 – 15 O 73/23 –, juris Rn. 192; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – 10 O 1510/22 –, juris Rn. 162).

dd) Da ein Schaden nach deutschem Recht angenommen werden kann, liegt auch kein Verstoß gegen die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität vor, da einer weiten Auslegung von Art. 82 DSGVO Rechnung getragen wird.

ee) Die Rechtsfrage ist auch nicht dem EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens vorzulegen. In der zitierten Entscheidung (EuGH GRUR-RS 2023, 8972) hat er bereits explizit entschieden, dass für die Schadenshöhe das nationale Recht anwendbar ist, dies aber nicht gegen die eigenständigen Anforderungen von Art. 82 DSGVO verstoßen darf. Diese Grundsätze wurden hier beachtet. Eine weitergehende Auslegung von EU-Recht noch ungeklärter Fragen ist nicht veranlasst.

2) Sowohl wegen des Strom- und Gaslieferungsvertrags und der Abwehr der Ansprüche daraus hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1; 311 Abs. 2 Nr. 2; 241 Abs. 2 BGB; 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG.

a) Zwischen den Parteien bestand ein Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil die Beklagte den Kläger zur Vertragsanbahnung angerufen hat.

b) Dabei hat die Beklagte gegen ihre Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB i. V. m. § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG verstoßen. Sie hat ihn unaufgefordert angerufen und keine Einwilligung eingeholt, was einen Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG darstellt, weil der Kläger Verbraucher nach § 13 BGB war. Dem steht nicht entgegen, dass hier die Vertragsanbahnung und die Pflichtverletzung zusammengehen. Die Pflichtverletzung setzte sich nämlich fort, indem die Beklagte den Anruf aufrechterhielt ohne eine Einwilligung nach § 7a UWG einzuholen (so auch: AG Remscheid, Urteil vom 26. November 2015 – 7 C 73/15 –, juris; LG Arnsberg, Urteil vom 22. Januar 2015 – 8 O 133/14 –, juris Rn. 24; dagegen zweifelnd, aber nicht entschieden: OLG Hamm, Urteil vom 7. Oktober 2016 – 12 U 38/15 –, juris Rn. 38).

Soweit für die Beklagte ein Mitarbeiter handelte, wird ihr dieses Verhalten nach § 278 BGB zugerechnet.

c) Es wird vermutet, dass die Beklagte dies zu vertreten hat (§ 280 Abs. 2 BGB). Die Beklagte handelte sogar vorsätzlich, weil sie es gerade darauf anlegte, den Kläger unaufgefordert anzurufen. Auch hier wird das Verhalten des Mitarbeiters nach § 278 BGB zugerechnet.

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d) Als Schadensersatz kann der Kläger die vorgerichtlichen Anwaltskosten zur Klärung des fehlenden Vertragsverhältnisses und Abwehr der daraus resultierenden Ansprüche verlangen (§ 249 Abs. 1 BGB).

aa) Allein wegen des unerlaubten Anrufs nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG kam es zu dem für den Kläger unklaren Vertragsverhältnis zu der Beklagten. Damit waren die Vermögensinteressen des Klägers gefährdet, weil er befürchten musste, dass die Beklagte ungerechtfertigte Zahlungsansprüche geltend macht. Als juristischen Laien war es dem Kläger nicht zumutbar, das tatsächliche Vertragsverhältnis selbst zu klären. Es war somit für ihn erforderlich, einen Anwalt zu beauftragen. Dieser Vermögensschaden des Klägers war auch kausal aufgrund der Pflichtverletzung, weil das unklare Vertragsverhältnis gerade aus dem ungewollten Telefonanruf hervorging.

bb) Daran ändert nichts, dass die Beklagte mit Schreiben vom 14.02.2023 den Gaslieferungsvertrag kündigte. Entscheidend war, ob überhaupt ein Vertrag zustande kam. Im Kündigungsschreiben wurde auch noch angekündigt, dass eine Abschlussrechnung erfolgen werde. Damit ging die Beklagte weiterhin von einem geschlossenen Vertrag aus.

Hinsichtlich des Vertrags über Stromlieferung musste der Beklagte bis zu Schluss davon ausgehen, dass die Beklagte von einem bestehenden Vertrag ausging, weil er keine gegenteilige Information erhielt.

3) Sowohl wegen des Strom- und Gaslieferungsvertrags und der Abwehr der Ansprüche daraus kann der Kläger gegen die Beklagte Schadensersatz auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten aus §§ 831; 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1; 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG und damit aus einer weiteren Anspruchsgrundlage verlangen.

a) § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist an sich kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, weil die §§ 8 ff. UWG die zivilrechtliche Folgen des Verstoßes abschließend regeln (OLG Köln, Urteil vom 18. November 2022 – 6 U 49/22 –, juris). Allerdings ist § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG darüber hinaus nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UWG bußgeldbewährt. Diese Norm ist als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB einzuordnen (BeckOK UWG/Fritzsche, 22. Ed. 1.10.2023, UWG § 7 Rn. 21). Der Schutzumfang ist derselbe, weshalb nicht entschieden werden muss, ob § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG nicht doch selbst nach richtlinienkonformer Auslegung (Art. 13 ePrivacy-RL) als Schutzgesetz anzusehen ist (so: Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 42. Aufl. 2024, UWG § 7 Rn. 24).

Das Gericht folgt auch dieser in der Literatur vertretene Auffassung. Eine Norm ist ein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie gerade Individualinteressen schützen möchte. Das ist hier der Fall. Das UWG will Verbraucher schützen (§ 1 Abs. 1 UWG). Dieser Schutz ist besonders ausgeprägt. So gewährt § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG Schutz vor sogenannten Cold-Calls. Dieser ist gegenüber Verbrauchern besonders ausgestaltet, da bei ihnen eine ausdrückliche Einwilligung eingeholt werden muss und ein Verstoß dagegen bußgeldbewährt ist, was bei Nicht-Verbrauchern jeweils nicht der Fall ist. Die Norm will somit nicht nur die Allgemeinheit vor Cold-Calls schützen, sondern auch einzelne Verbraucher vor dessen Gefahren bewahren. Wegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 UWG kann nicht davon ausgegangen werden, dass die §§ 8 ff. UWG eine weitergehende zivilrechtliche Haftung ausschließen, weil die §§ 8 ff. UWG nicht die zivilrechtlichen Folgen von § 20 Abs. 1 Nr. 1 UWG regelt und § 20 Abs. 1 Nr. 1 UWG auch nicht denselben Regelungsgehalt von § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG hat, sondern einen eingeschränkteren Anwendungsbereich hat.

b) Die Beklagte verstieß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Sie holte beim Kläger keine Einwilligung ein für den ungefragten Anruf und zwischen den Parteien bestand auch davor keine Vertragsbeziehung. Der Kläger war Verbraucher nach § 13 BGB.

c) Dieses Vorgehen war durch die Beklagte auch so geplant, weshalb sie vorsätzlich nach § 823 Abs. 2 S. 2 BGB handelte.

d) Da für die Beklagte ein Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfe handelte, haftet die Beklagte selbst nach § 831 BGB. Sie kann sich nicht nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB exkulpieren, weil dazu nichts vorgetragen wurde.

e) Als Schaden kann der Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach § 249 Abs. 1 BGB verlangen.

aa) Der Kläger war damit konfrontiert, dass die Beklagte von zwei abgeschlossenen Verträgen ausging, was tatsächlich nicht der Fall war. Grundlage dafür war gerade die unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Um diese Belastung zu beseitigen, hat Kläger zunächst Widerrufserklärungen abgegeben. Dies war aber nicht erfolgreich, weil der Kläger anschließend mit Gas zwangsbeliefert wurde und hinsichtlich des Vertrags über den Strom für ihn weiter nicht erkenntlich war, ob die Beklagte von einem wirksamen Vertrag ausging. Für den Kläger war es damit erforderlich einen Anwalt zu beauftragen, um das Vertragsverhältnis zu klären. Als juristischer Laie war ihm nicht klar, ob ein abgeschlossener Vertrag vorliegt oder er dies noch verhindern konnte. Für ihn war aber klar, dass zumindest die Beklagte noch von einem abgeschlossenen Vertrag ausging.

Damit wollte der Kläger nicht nur außervertragliche Ansprüche abwehren, wofür die Voraussetzungen der Geltendmachung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten hoch sind (dazu: AG Lörrach, Urteil vom 25. September 2023 – 3 C 560/23 –, juris unter Verweis auf: BGH, NJW 2009, 1262). Für den Kläger ging es darum, ob der Vertrag an sich besteht. Gerade diese Unsicherheit will § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG vermeiden und die Beseitigung davon ist vom Schutzzweck und damit vom Schadensumfang umfasst.

bb) Daran ändert nichts, dass die Beklagte mit Schreiben vom 14.02.2023 den Gaslieferungsvertrag kündigte. Entscheidend war, ob überhaupt ein Vertrag zustande kam. Im Kündigungsschreiben wurde auch noch angekündigt, dass eine Abschlussrechnung erfolgen werde. Damit ging die Beklagte weiterhin von einem geschlossenen Vertrag aus.

Hinsichtlich des Vertrags über Stromlieferung musste der Beklagte bis zu Schluss davon ausgehen, dass die Beklagte von einem bestehenden Vertrag ausging, weil er keine gegenteilige Information erhielt.

4) Die Schadenshöhe für die jeweiligen Schadensersatzansprüche des Klägers setzen sich aus einem einheitlichen Streitwert zusammen, der die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren bestimmt. Die Angelegenheit wurde als eine einzige behandelt und dafür ist ein einheitlicher Streitwert nach § 22 Abs. 1 RVG zu bilden.

Für den Auskunftsanspruch nahm der Kläger 1.000 € an, für den Gasliefervertrag 500 € und für den Stromliefervertrag 5.000 €. Die Beklagte ist diesen Werten nicht entgegengetreten. Zumindest hinsichtlich der Gasrechnung verlangte die Beklagte noch 654 €, weshalb die angesetzten 500 € angemessen waren. Soweit die Beklagte den Wert des Stromliefervertrags in Höhe von 5.000 € nicht anzweifelt, hält das Gericht auch diesen Betrag für angemessen. Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs sieht das Gericht auch keinen Grund an der Angemessenheit von 1.000 € als Streitwert zu zweifeln.

Ausgehend von einem Streitwert von 6.500 € kann eine 1,3 Geschäftsgebühr, die Pauschale und die Mehrwertsteuer in Höhe von insgesamt 713,76 € verlangt werden.

C) Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO zu tragen, weil sie den Rechtsstreit verloren hat. Soweit der Rechtsstreit beidseitig für erledigt erklärt wurde, hat die Beklagte die Kosten nach § 91a ZPO zu tragen. Der Klageantrag Nr. 1 war ursprünglich zulässig und begründet. Wegen der Anspruchsberühmung war der Feststellungsantrag zulässig nach § 256 ZPO (BeckOK ZPO/Bacher, 51. Ed. 1.12.2023, ZPO § 256 Rn. 22). Die Beklagte forderte von dem Kläger noch 654 € aus dem Gasliefervertrag. Die Klage war auch begründet. Zwischen den Parteien kam kein Vertrag zustande. Für einen Vertragsschluss war die Beklagte beweisbelastet und hat dafür keinen Beweis angeboten, so dass auch damit zu rechnen war, dass sie den Prozess dahingehend verloren hätte. Dies erledigte sich dadurch, dass die Beklagte während des Prozesses versicherte aus dem Gasliefervertrag keine Ansprüche geltend machen zu wollen, damit war die Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Nürnberg: Keine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung eines Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO wenn dies aus datenschutzfremden Motiven erfolgt

OLG Nürnberg
Urteil vom 29.11.2023
4 U 347/21


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass keine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung eines Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO vorliegt, wenn dies aus datenschutzfremden Motive erfolgt.

Aus den Entscheidunsggründen:
2. Die Berufung ist begründet.
a) Wie das Landgericht zutreffend ausführt, ist der Auskunftsantrag hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). In den Fällen der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs gern. Art. 15 Abs. 1 DSGVO genügt es grundsätzlich, wenn der Klageantrag dem Wortlaut der Vorschrift entsprechend auf Erteilung einer vollständigen Auskunft über die von der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers gerichtet ist; eine Spezifizierung dieser Daten ist grundsätzlich nicht erforderlich (so zuletzt OLG Köln, NZA-RR 2023, 515 Rn. 16, beck-online).

b) Soweit der Kläger seinen Antrag wegen vorgerichtlich übermittelter Personalstamm- und BAV-Daten bereits beschränkt und wegen zweier Schriftsätze, die ihm im Rahmen des beim Landgericht Oldenburg anhängig gewesenen Verfahrens zugänglich gemacht wurden, Teilerledigungserklärungen unter Verweis auf diese Schriftsätze abgegeben hat, ändert dies nichts daran, dass „offen“ tenoriert werden kann. Denn es kann – wie auch sonst bei noch teilweise „unerledigten“ im Sinne von noch nicht vollständig erfüllten – Auskunftsansprüchen einfach offen zur geschuldeten Auskunft (als geschuldetem „Enderfolg“) verurteilt werden (OLG Köln, NZA-RR 2023, 515 Rn. 17, beck-online). Die Beschränkung im ursprünglichen Antrag bzw. der Verweis auf Teilerledigungen berücksichtigt lediglich die Tatsache, dass die Beklagte bereits gewisse Auskünfte erteilt hat; mit der Beschränkung ist nur klargestellt, dass die Beklagte die bereits erteilten Auskünfte nach Auffassung des Klägers nicht mehr wiederholen muss, dieser die Auskunft ansonsten aber (zu Recht) als unvollständig ansieht und deswegen eine „vollständige“ Auskunft im Übrigen auch weiterhin einklagt (so auch OLG Köln, NZA-RR 2023, 515 Rn. 17, beck-online).

Wie das OLG Köln weiter ausgeführt hat, ,,ist eine Beschränkung durch Verweis auf bereits erteilte Teilauskünfte vor bzw. während des Verfahrens und/oder sonstige Klarstellungen prozessual nicht zwingend in Antrag und Tenor aufzunehmen, weil man mit dem oben Gesagten einfach einen weit gefassten Antrag in Anlehnung an den Gesetzeswortlaut stellen kann und alles andere dann nur – wie auch sonst – eine Frage des Erfüllungseinwands (§ 362 Abs. 1 BGB) im gerichtlichen Verfahren bzw. bei entsprechender Titulierung später im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO ist“ (OLG Köln, NZA-RR 2023, 515 Rn. 17, beck-online). Dem schließt sich der Senat an. Es ist einem Kläger auch nach Auffassung dieses Senats bei Auskunftsbegehren jedenfalls nicht zuzumuten, die bereits erteilten Auskünfte im Einzelnen in den Klageantrag aufzunehmen. Erforderlich ist nur im Rahmen der Begründetheit der Klage, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung tatsächlich noch keine vollständige Erfüllung des Auskunftsanspruchs i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB feststellbar ist. Eine vollständige Erfüllung ist nicht eingetreten. Die Beklagte macht gerade geltend, dass der Anspruch aufgrund des Umfangs des damit verbundenen unverhältnismäßig hohen Erfüllungsaufwands exzessiv im Sinne von Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO ist. Diese Aussage impliziert, dass es bei der Beklagten – wie auch aufgrund der langjährigen Tätigkeit des Klägers im dortigen Unternehmen nicht anders zu erwarten – umfangreiche weitere zu beauskunftende Daten gibt.

c) Art. 15 DSGVO gibt einen umfassenden Auskunftsanspruch über personenbezogene Daten.

aa) Art. 4 Nr. 1 DSGVO definiert den Begriff „personenbezogene Daten“ als alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.

Dem Begriff der personenbezogenen Daten ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine weite Bedeutung beizumessen: „Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen „über“ die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist“ (EuGH BeckRS 2017, 136145).

bb) Soweit Einschränkungen des umfassenden Auskunftsrechts auf Ewägungsgrund 63 der Verordnung gestützt werden sollen, haben diese Erwägungen in der Verordnung keinen Niederschlag gefunden. Der Anspruch auf Datenauskunft ist vielmehr voraussetzungslos. Der EuGH (Urteil vom 26.10.2023 – C-307/22, BeckRS 2023, 29132, beck-online) hat hierzu im ersten Leitsatz ausgeführt, dass Art. 12 Abs. 5 sowie Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO dahin auszulegen sind, dass die Verpflichtung des Verantwortlichen, der betroffenen Person unentgeltlich eine erste Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen, auch dann gilt, wenn der betreffende Antrag mit einem anderen als den in Satz 1 des 63. Erwägungsgrundes der Verordnung genannten Zwecken begründet wird.

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der klägerische Anspruch auch nicht nach Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung kann der Verantwortliche bei offenkundig unbegründeten oder – insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung – exzessiven Anträgen einer betroffenen Person entweder ein angemessenes Entgelt verlangen, bei dem die Verwaltungskosten für die Unterrichtung oder die Mitteilung oder die Durchführung der beantragten Maßnahme berücksichtigt werden, oder sich weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden. Nach Art. 12 Abs. 5 S. 3 DS-GVO hat der Verantwortliche den Nachweis für den offenkundig unbegründeten oder exzessiven Charakter des Antrags zu erbringen.

Nach Wortlaut und Zweck von Art. 12 Abs. 5 S. 1, Art. 15 DSGVO liegt kein Missbrauch vor, wenn ein Betroffener das Auskunftsrecht (auch) für datenschutzfremde Motive verwendet, etwa um Informationen für Vergleichsverhandlungen oder um bei ihm nicht mehr vorhandene Vertragsinformationen zu erhalten (z.B. Auskunft über Konten, Versicherungsbedingungen etc.), da sich eine solche Beschränkung auf eine bestimmte Motivlage nicht in Art. 15 DSGVO findet. Dies gilt auch, wenn die Auskunft gem. Art. 15 DSGVO beim Verantwortlichen sehr viel Aufwand verursacht, da der Aufwand des Verantwortlichen für Art. 15 DSGVO keine Rolle spielt, oder wenn der Betroffene mehrfache Auskunftsansprüche geltend macht, da sie nur im Rahmen des Exzesses einen Rechtsmissbrauch begründen (BeckOK DatenschuteR/Schmidt-Wudy, 45. Ed. 1.8.2023, DS-GVO Art. 15 Rn. 48).

Da die Motivation des Klägers für die Begründetheit des Auskunftsverlangens keine Rolle spielt, kommt es auch nicht darauf an, ob er – jedenfalls ursprünglich – hoffte, durch die Datenauskunft Erkenntnisse für seine beim Landgericht Oldenburg anhängig gewesene Klage zu erlangen. Gleichfalls kommt es nicht darauf an, ob die Datenauskunft für den Beklagten mit viel Mühe oder Zeitaufwand verbunden ist, denn der Aufwand ist unerheblich. Exzessiv ist die Datenauskunft schon deswegen nicht, weil es sich um den ersten Antrag handelt.

dd) Die Geltendmachung des Anspruchs ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Der Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ist ein Grundrecht. Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 326 vom 26.10.2012, S. 391) hat jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Der entsprechende Auskunftsanspruch wurde geregelt, um diesem Grundrecht Geltung zu verschaffen. Seine Geltendmachung kann daher über die gesetzlich geregelten (hier nicht einschlägigen) Tatbestände hinaus nicht rechtsmissbräuchlich sein. Dass für den Kläger aufgrund der Dauer und Art seiner Tätigkeit sehr viele Daten angefallen sind, steht der Geltendmachung seiner Rechte nicht entgegen.

ee) Da die Datenauskunft voraussetzungslos zu erteilen ist, steht der Beklagten auch kein Zurückbehaltungsrecht wegen der zu erwartenden Kosten zu, denn diese kann die Beklagte nicht verlangen. Die Auskunft ist kostenlos zu erteilen.

ff) Der streitgegenständliche Antrag erfasst ausdrücklich auch das Recht auf „Kopien“. Nach der Entscheidung des EuGH vom 04.05.2023 (C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 45) ist Art. 15 Abs. 3 DSGVO dahin auszulegen, „dass das Recht, vom für die Verarbeitung Verantwortlichen eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zu erhalten, bedeutet, dass der betroffenen Person eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller dieser Daten ausgefolgt wird. Dieses Recht setzt das Recht voraus, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die u. a. diese Daten enthalten, zu erlangen, wenn die Zurverfügungstellung einer solchen Kopie unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch diese Verordnung verliehenen Rechte zu ermöglichen, wobei insoweit die Rechte und Freiheiten anderer zu berücksichtigen sind.“ Damit ist die strittige Frage geklärt, was unter „Kopie“ zu verstehen ist.

In der genannten Entscheidung hat der EuGH auch ausgeführt, dass Art. 15 Abs. 3 DSGVO „nur die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO folgenden Auskunftspflichtfestlegt. Art. 15 DSGVO kann deshalb gerade nicht so ausgelegt werden, dass er in seinem Abs. 3 S. 1 ein anderes Recht als das in Abs. 1 vorgesehene gewährt“ (vgl. EuGH, Urteil vom 04.05.2023 – C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 31 f.). Nach dieser Entscheidung ist auch die Frage geklärt, ob ein auf Überlassung einer Datenkopie gem. Art. 15 Abs. 3 DSGVO gerichteter Antrag erkennen lassen muss, von welchen personenbezogenen Daten eine Kopie verlangt wird. Ein Anspruchsteller, der zu einer genaueren Bezeichnung außerstande ist, ist deswegen auch nicht gehalten, im Wege der Stufenklage zunächst eine Auskunft darüber zu verlangen, welche personenbezogenen Daten der Anspruchsgegner verarbeitet, um auf dieser Grundlage sodann einen Antrag auf Überlassung einer Kopie der sich aus der Auskunft ergebenden Daten stellen zu können (so noch vor der Entscheidung des EuGH das Bundesarbeitsgericht, vgl. BAG, Urteil vom 16.12.2021 – 2 AZR 235/21, NZA 2022, 362 Rn. 33; Urteil vom 27.04.2021 – 2 AZR 342/20, BAGE 174, 351 Rn. 20 f. = NZA 2021, 1053; kritisch dazu bereits Lembke/Fischels, NZA 2022, 513 (519 f.)). Art. 15 DSGVO enthält vielmehr nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH einen einheitlichen Auskunftsanspruch (OLG Köln, NZA-RR 2023, 515 Rn. 18, beck-online). Der Kläger hatte sich zudem auch bereits erstinstanzlich auf sein Recht auf Überlassung einer Kopie berufen. Dieser einheitliche Anspruch muss grundsätzlich ohne eine Spezifizierung der personenbezogenen Daten – wie hier – einheitlich geltend gemacht werden können (OLG Köln, NZA-RR 2023, 515 Rn. 18, beck-online). Da der Anspruch auf eine unvertretbare Handlung gerichtet ist, ist er nach § 888 ZPO zu vollstrecken (vgl. Lembke/Fischels, NZA 2022, 513 (520)). Erteilt ein zur Auskunftserteilung verurteilter Schuldner (weitere) Auskünfte und stellt dem Gläubiger Datenkopien zur Verfügung, muss gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren geprüft werden, ob der titulierte Auskunftsanspruch dadurch dann endgültig erfüllt worden ist. Daraus möglicherweise resultierende Schwierigkeiten sind keine datenschutzrechtliche Besonderheit, sondern können in ähnlicher Form auch bei anderen Auskunftsansprüchen auftreten (OLG Köln, NZA-RR 2023, 515 Rn. 18, beck-online).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Recht auf Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO umfasst originalgetreue und verständliche Reproduktion der personenbezogenen Daten des Betroffenen

EuGH
Urteil vom 04.05.2023
C-487/21
Österreichische Datenschutzbehörde und CRIF


Der EuGH hat entschieden, dass das Recht auf Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO die originalgetreue und verständliche Reproduktion der personenbezogenen Daten des Betroffenen umfasst.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass das Recht, vom für die Verarbeitung Verantwortlichen eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zu erhalten, bedeutet, dass der betroffenen Person eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller dieser Daten ausgefolgt wird. Dieses Recht setzt das Recht voraus, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die u. a. diese Daten enthalten, zu erlangen, wenn die Zurverfügungstellung einer solchen Kopie unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch diese Verordnung verliehenen Rechte zu ermöglichen, wobei insoweit die Rechte und Freiheiten anderer zu berücksichtigen sind.

2. Art. 15 Abs. 3 Satz 3 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass sich der im Sinne dieser Bestimmung verwendete Begriff „Informationen“ ausschließlich auf personenbezogene Daten bezieht, von denen der für die Verarbeitung Verantwortliche gemäß Satz 1 dieses Absatzes eine Kopie zur Verfügung stellen muss.

Die Pressemitteilung des EuGH:
DSGVO: Das Recht, eine „Kopie“ der personenbezogenen Daten zu erhalten, bedeutet, dass der betroffenen Person eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller dieser Daten ausgefolgt wird

Dieses Recht impliziert das Recht, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die diese Daten enthalten, zu erlangen, wenn dies unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch die DSGVO verliehenen Rechte zu ermöglichen

CRIF ist eine Kreditauskunftei, die auf Verlangen ihrer Kunden Informationen über die Zahlungsfähigkeit Dritter liefert. Zu diesem Zweck verarbeitete sie die persönlichen Daten des Klägers des Ausgangsverfahrens, einer Privatperson. Letzterer beantragte bei CRIF auf der Grundlage der Datenschutz-Grundverordnung1 Auskunft über die ihn betreffenden personenbezogenen Daten. Außerdem bat er um Zurverfügungstellung einer Kopie der Dokumente, nämlich E-Mails und Auszüge aus Datenbanken, die u. a. seine Daten enthalten, „in einem üblichen technischen Format“.

Daraufhin übermittelte CRIF dem Kläger des Ausgangsverfahrens in aggregierter Form eine Liste seiner personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung waren. Da der Kläger des Ausgangsverfahrens der Ansicht war, dass CRIF ihm eine Kopie sämtlicher seine Daten enthaltender Dokumente wie E-Mails und Auszüge aus Datenbanken hätte übermitteln müssen, brachte er bei der Österreichischen Datenschutzbehörde eine Beschwerde ein. Diese Behörde wies die Beschwerde mit der Begründung ab, dass CRIF das Recht des Klägers des Ausgangsverfahrens auf Auskunft über die personenbezogenen Daten nicht verletzt habe.

Das Bundesverwaltungsgericht (Österreich), das mit der Klage des Klägers des Ausgangsverfahrens gegen den ablehnenden Bescheid dieser Behörde befasst ist, stellt sich die Frage der Tragweite der in Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO vorgesehenen Verpflichtung, der betroffenen Person eine „Kopie“ ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen. Es fragt sich insbesondere, ob diese Verpflichtung erfüllt ist, wenn der für die Verarbeitung Verantwortliche die personenbezogenen Daten als Tabelle in aggregierter Form übermittelt, oder ob sie auch die Übermittlung von Auszügen aus Dokumenten oder gar ganzen Dokumenten sowie von Auszügen aus Datenbanken umfasst, in denen diese Daten wiedergegeben werden. Das vorlegende Gericht bittet außerdem um Klarstellung, was der Begriff „Informationen“ in Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DSGVO2 genau umfasst.

Mit seinem Urteil erläutert der Gerichtshof den Inhalt und den Umfang des Auskunftsrechts der betroffenen Person über ihre personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind. Insoweit vertritt er die Auffassung, dass das Recht, vom für die Verarbeitung Verantwortlichen eine „Kopie“ der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zu erhalten, nach Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DSGVO bedeutet, dass der betroffenen Person eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller dieser Daten ausgefolgt wird. Dieses Recht setzt das Recht voraus, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die u. a. diese Daten enthalten, zu erlangen, wenn die Zurverfügungstellung einer solchen Kopie unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch die DSGVO verliehenen Rechte zu ermöglichen, wobei insoweit die Rechte und Freiheiten anderer zu berücksichtigen sind. Im Übrigen stellt der Gerichtshof klar, dass sich der im Sinne des Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DSGVO verwendete Begriff „Informationen“ ausschließlich auf personenbezogene Daten bezieht, von denen der für die Verarbeitung Verantwortliche gemäß Satz 1 dieses Absatzes eine Kopie zur Verfügung stellen muss.

Würdigung durch den Gerichtshof
In einem ersten Schritt nimmt der Gerichtshof eine grammatikalische, systematische und teleologische Auslegung von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO vor, der das Recht der betroffenen Person vorsieht, eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung gestellt zu bekommen. Zum Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO stellt der Gerichtshof fest, dass diese Bestimmung zwar keine Definition des Begriffs „Kopie“ enthält, dass aber der gewöhnliche Sinn dieses Begriffs zu berücksichtigen ist, der die originalgetreue Reproduktion oder Abschrift bezeichnet, so dass eine rein allgemeine Beschreibung der Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, oder ein Verweis auf Kategorien personenbezogener Daten nicht dieser Definition entspräche. Außerdem ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass sich die Mitteilungspflicht auf die personenbezogenen Daten bezieht, die Gegenstand der in Rede stehenden Verarbeitung sind. Nach der grammatikalischen Auslegung dieser Bestimmung geht der Gerichtshof davon aus, dass diese Bestimmung der betroffenen Person das Recht verleiht, eine originalgetreue Reproduktion ihrer personenbezogenen Daten im Sinne einer weiten Bedeutung zu erhalten, die Gegenstand von Vorgängen sind, die als Verarbeitung durch den für diese Verarbeitung Verantwortlichen eingestuft werden müssen.

Zum Kontext, in den Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO eingebettet ist, stellt der Gerichtshof fest, dass Art. 15 Abs. 1 DSGVO Gegenstand und Anwendungsbereich des der betroffenen Person zustehenden Auskunftsrechts festlegt. Art. 15 Abs. 3 DSGVO legt die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der dem Verantwortlichen obliegenden Verpflichtung fest, indem er u. a. in Satz 1 die Form festlegt, in der dieser Verantwortliche die „personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind“, zur Verfügung stellen muss, nämlich in Form einer „Kopie“. Daher kann Art. 15 DSGVO nicht so ausgelegt werden, dass er in seinem Abs. 3 Satz 1 ein anderes Recht als das in seinem Abs. 1 vorgesehene gewährt. Im Übrigen erläutert der Gerichtshof, dass sich der Begriff „Kopie“ nicht auf ein Dokument als solches, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält und die vollständig sein müssen, bezieht. Die Kopie muss daher alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind.

Zu den mit Art. 15 DSGVO verfolgten Zielen weist der Gerichtshof darauf hin, dass es der betroffenen Person durch die Ausübung des in diesem Artikel vorgesehenen Auskunftsrechts nicht nur ermöglicht werden muss, zu überprüfen, ob sie betreffende personenbezogene Daten richtig sind, sondern auch, ob sie in zulässiger Weise verarbeitet werden.

Außerdem ergibt sich laut Gerichtshof aus der DSGVO3, dass der Verantwortliche geeignete Maßnahmen zu treffen hat, um der betroffenen Person alle Informationen in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zu übermitteln, und dass die Übermittlung der Informationen schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch zu erfolgen hat, es sei denn, die betroffene Person verlangt, dass diese mündlich erteilt werden. Daraus folgt, dass die vom Verantwortlichen zur Verfügung stellende Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, alle Merkmale aufweisen muss, die es der betroffenen Person ermöglichen, ihre Rechte aus der DSGVO wirksam auszuüben, und diese Daten daher vollständig und originalgetreu wiedergeben muss.

Somit kann sich, um zu gewährleisten, dass die so bereitgestellten Informationen leicht verständlich sind, die Reproduktion von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die u. a. personenbezogene Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, als unerlässlich erweisen. Insbesondere wenn personenbezogene Daten aus anderen Daten generiert werden oder wenn sie auf freien Feldern beruhen, d. h. einer fehlenden Angabe, aus der eine Information über die betroffene Person hervorgeht, ist der Kontext, in dem diese Daten Gegenstand der Verarbeitung sind, unerlässlich, damit die betroffene Person eine transparente Auskunft und eine verständliche Darstellung dieser Daten erhalten kann.

Im Fall eines Konflikts zwischen der Ausübung des Rechts auf vollständige und umfassende Auskunft über die personenbezogenen Daten zum einen und den Rechten oder Freiheiten anderer Personen zum anderen sind die fraglichen Rechte und Freiheiten nach Auffassung des Gerichtshofs gegeneinander abzuwägen. Nach Möglichkeit sind Modalitäten der Übermittlung der personenbezogenen Daten zu wählen, die die Rechte oder Freiheiten anderer Personen nicht verletzen, wobei diese Erwägungen nicht dazu führen dürfen, dass der betroffenen Person jegliche Auskunft verweigert wird.

In einem zweiten Schritt befasst sich der Gerichtshof mit der Frage, was unter den Begriff „Informationen“ im Sinne des Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DSGVO fällt. Diese Bestimmung erläutert zwar nicht, was unter dem Begriff „Informationen“ zu verstehen ist, aber aus ihrem Kontext ergibt sich, dass die von dieser Bestimmung erfassten „Informationen“ zwangsläufig den personenbezogenen Daten entsprechen, von denen der für die Verarbeitung Verantwortliche gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO eine Kopie zur Verfügung stellen muss.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Dresden: Negativauskunft kann zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO genügen

OLG Dresden
Urteil vom 31.08.2021
4 U 324/21


Das OLG Dresden hat entschieden, dass eine Negativauskunft zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO genügen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger hat weder nach § 15 DS-GVO noch nach § 666 BGB einen Anspruch auf weitergehende Auskunft.

a) Nach Art. 15 DS-GVO hat der Verantwortliche dem Betroffenen zunächst Auskunft darüber zu erteilen, ob dessen personenbezogene Daten verarbeitet werden. Hieraus wird in der Literatur eine Einschränkung auf aktuell noch vorhandene personenbezogenen Daten abgeleitet, weil eine vergangenheitsbezogene Auskunftspflicht, die sich auch auf bereits gelöschte Daten erstreckte, Art. 5 Abs. 1 Buchst. e und den über Art. 15 Abs. 1 Buchst. d anzugebenden Speicherfristen widerspräche (Kamlah in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Artikel 15 DSGVO, Rn. 5; BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy, Art. 15 DSGVO Rz. 52; Kühling/Buchner/Bäcker, Art. 15 DSGVO Rz. 9). Der Senat lässt offen, ob dieser Auffassung, die dem Auskunftsanspruch des Klägers von vornherein die Grundlage entzöge, zu folgen ist. Jedenfalls steht im Anschluss an die erstinstanzliche Beweisaufnahme fest, dass die Beklagte über die eingesandte Festplatte nicht mehr im Besitz und auf die darauf möglicherweise enthaltenen Daten keinen Zugriff (mehr) hat, was sie dem Kläger auch bereits vorprozessual mitgeteilt hatte. Etwaige Auskunftspflichten nach Art. 15 DSGVO hat sie damit jedenfalls gemäß § 362 BGB erfüllt. Wie der Bundesgerichtshof zu Art. 15 DSGVO bereits entschieden hat, ist ein Auskunftsanspruch erfüllt, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Auskunft in weitergehendem Umfang nicht begründen. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist allein die - gegebenenfalls konkludente - Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist (vgl. BGH, Urteil vom 3.9.2020 - III ZR 136/18, GRUR 2021, 110 Rn. 43 mwN). Die Annahme eines derartigen Erklärungsinhalts setzt demnach voraus, dass die erteilte Auskunft erkennbar den Gegenstand des berechtigten Auskunftsbegehrens vollständig abdecken soll (BGH, Urteil vom 15.6.2021 – VI ZR 576/19 –, Rn. 19 - 20, juris). Dies ist hier der Fall. Zwar mag im Ergebnis der Beweisaufnahme offengeblieben sein, ob die Festplatte bei der Beklagten vernichtet oder an den Hersteller zurückgesandt wurde; in jedem Fall ist die Beklagte zu weiteren Auskünften aber nicht mehr in der Lage, eine etwaige Unvollständigkeit der Auskunft steht einer Erfüllung mithin nicht entgegen.

b) Liegt – wie hier – eine negative Verarbeitungsbestätigung vor, kommt ein Anspruch auf weitergehende Auskunft hinsichtlich der in Art. 15 Abs. 1 Buchst. a - h beschriebenen Informationsbestandteile von vornherein nicht in Betracht (Kamlah in: Plath, aaO, Artikel 15 DSGVO, Rn. 3). Auch der unter b) geltend gemachte Anspruch auf Rechenschaftslegung nach § 666 BGB scheidet aus. Ob § 666 BGB im Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung durch Art. 15 DSGVO verdrängt wird, kann offenbleiben, weil auch dieser Anspruch erfüllt wäre. Eine weitergehende Rechenschaft als die hier allein mögliche Angabe, dass die Festplatte sich nicht mehr in ihrem Besitz befindet und sie keinen Zugriff auf die aufgespielten Daten genommen hat, schuldet die Beklagte auch nach dieser Vorschrift nicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie vernünftigerweise nach den Umständen des konkreten Falles und des Hinweises auf die Verantwortlichkeit des Kunden für die Datensicherheit in der E-Mail vom 30.3.2020 (K5) davon ausgehen durfte, dass der Kläger im Tausch gegen eine neue Festplatte auf den eingesandten Datenträger und die aufgespielten Daten verzichtet hatte. Wie das Landgericht auf der Grundlage der Zeugenaussagen ohne Fehler in der Beweiswürdigung festgestellt hat, hat die Beklagte jedenfalls auf die Festplatte und die aufgespielten Daten keinerlei Zugriff mehr, Aufzeichnungen hierüber hat sie ebenfalls nicht geführt. Weitere Rechenschaftspflichten sind ihr damit unmöglich geworden.

2. Aus denselben Gründen kommt auch, ungeachtet des Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen des § 985 BGB die Herausgabe der Festplatte wegen objektiver Unmöglichkeit nicht in Betracht. Ob die Unterlassung einer weiteren Verarbeitung der Daten, sofern sie auf einen Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO gestützt wird, überhaupt mit einem zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch durchgesetzt werden könnte, ist bereits im Ausgangspunkt fraglich. Nach dem Wortlaut des Art. 79 Abs. 1 DSGVO bleiben nur andere verwaltungsrechtliche oder außergerichtliche Rechtsbehelfe „unbeschadet“, nicht aber gerichtliche Rechtsbehelfe. Hieraus wird teilweise gefolgert, dass über die in den Art. 12 bis 22 DSGVO eingeräumten Auskunfts-, Berichtigungs- und Löschungsrechte (Art. 17 DSGBO) sowie das Recht auf Einschränkung der Verarbeitung personenbezogener Daten hinaus dem Betroffenen keine Rechte zustünden, zu deren Durchsetzung ein wirksamer Rechtsbehelf nach Art. 79 DSGVO zur Verfügung gestellt werden müsste; dies schließe auch Ansprüche nach §§ 823, 1004 BGB aus (VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 6.8.2020 – RN 9 K 19.1061 –, Rn. 19 - 20, juris; anders allerdings Senat, Beschluss vom 19.4.2021 – 4 W 243/21 –, juris). Dies kann hier aber ebenfalls dahinstehen, weil es jedenfalls an der für einen solchen Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr fehlt. Ebenso wenig wie der Beklagten eine Herausgabe der Festplatte möglich ist, ist ihr wegen Zerstörung oder Verlust des Datenträgers auch eine Weitergabe der darauf ggf. enthaltenen Daten möglich. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte diese vor der Vernichtung gesichert oder an Dritte weitergegeben hätte, sind vom Kläger weder vorgetragen noch nach der Beweisaufnahme des Landgerichts ersichtlich.

3. Vertragliche Ansprüche auf den hier allein geltend gemachten immateriellen Schaden scheiden von vornherein aus. Der Kläger hat aber auch weder einen Anspruch auf eine Geldentschädigung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG noch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO wegen des behaupteten Verlusts seiner personenbezogenen Daten, die sich auf der Festplatte befunden haben sollen.

Zwar läge in einem solchen Vorgang, seine Richtigkeit unterstellt, eine Verletzung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, die grundsätzlich auch Ansprüche auf eine Geldentschädigung begründen kann. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt nach allgemeiner Auffassung unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Das Grundrecht gewährleistet damit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffenden Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gilt im Wege der mittelbaren Drittwirkung auch im Verhältnis zwischen Privaten (BVerfG, Beschluss vom 6.11.2019 – 1 BvR 16/13 –, BVerfGE 152, 152 - 215, Rn. 84 – 85 Recht auf Vergessen I).
Der aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG hergeleitete Anspruch auf eine immaterielle Geldentschädigung liegt aber nicht schon bei jeder Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, erst recht nicht bei jeder Vertragsverletzung vor. Er setzt vielmehr einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht voraus, dessen Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Dabei hängt die Entscheidung, ob eine hinreichend schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner auch von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (Senat, Beschluss vom 11. Juni 2019 – 4 U 760/19 –, Rn. 8, juris; Urteil vom 30.1.2018 – 4 U 1110/17 –, Rn. 4, juris mit weiteren Nachweisen). Vorliegend lässt sich die Bedeutung der behaupteten Datenlöschung für den Kläger mangels eines hierauf bezogenen Vorbringens schon nicht absehen. Der Kläger hat überdies nicht einmal behauptet, die nicht näher spezifizierten personenbezogenen Daten, die sich auf der Festplatte befunden haben sollen, seien nur dort gespeichert gewesen und nunmehr unwiederbringlich verloren.
Der Anordnung des persönlichen Erscheinens zur mündlichen Anhörung durch den Senat gemäß § 141 ZPO hat er ohne Angabe von Gründen nicht Folge geleistet. Unabhängig hiervon liegt jedoch auch das für einen Anspruch auf eine Geldentschädigung erforderliche schwerwiegende Verschulden nicht vor, weil die Beklagte lediglich im Rahmen der von ihr eingeräumten Garantie und ohne Schädigungsvorsatz gehandelt hat.

Daneben scheidet auch ein Anspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen der zugunsten des Klägers unterstellten Datenvernichtung aus. Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat hiernach Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen. Jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche haftet dabei für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde. Ein solcher Verstoß liegt hier aber nicht vor.

Allerdings hat die Beklagte die auf der Festplatte gespeicherten Daten des Klägers i.S.d. DSGVO verarbeitet, unabhängig davon, ob die Festplatte vor Ort vernichtet oder zur Zerstörung an den Hersteller zurückgesandt wurde. Die damit in jedem Fall einhergehende Löschung der Daten stellt eine Datenverarbeitung nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar, auch soweit sie allein durch Zerstörung des Datenträgers erfolgt ist. (vgl. insoweit Kühling/Buchner/Herbst, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 17 Rn. 39). Die Zerstörung der Festplatte war auch nicht zur Erfüllung des Vertrags (Erwägungsgrund 44 DSGVO), aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung, zur Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse (Erwägungsgrund 45 DSGVO) oder um ein lebenswichtiges Interesse der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen (Erwägungsgrund 46 DSGVO) erforderlich.

Vorliegend hat der Kläger aber konkludent seine Einwilligung in die mit dem Austausch der Festplatte einhergehende Datenlöschung erteilt. Unstreitig hat er die Rücksendung nach Erhalt und in Kenntnis der E-Mail der Beklagte vom 30.3.2020 (K5) vorgenommen, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es vorkommen kann, dass "im Zuge der Reparatur die Festplatte gelöscht oder getauscht werden muss.". In der Rücksendung der Festplatte lag angesichts dessen nach dem objektiven Empfängerhorizont die Zustimmung dazu, die eingeräumte Garantie entweder durch Reparatur oder Austausch unter gleichzeitigem Datenverlust vorzunehmen, zumal in diesem Kontext ebenfalls darauf hingewiesen wurde, dass die Beklagte Datensicherung und Datenrettung nicht anbietet und jeder Kunde "für die Sicherheit der Daten selbst verantwortlich" sei (K 5). Ob hierdurch der zwischen den Parteien bestehende Kaufvertrag und die damit einhergehenden vertraglichen Verpflichtungen wirksam nach §§ 305 ff. BGB abgeändert wurden, kann im Rahmen des Anspruchs nach Art. 82 DSGVO dahinstehen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist es auch ohne Belang, dass er nicht ausdrücklich in die Löschung seiner Daten eingewilligt hat. Wie sich aus Erwägungsgrund 32 der DSGVO ergibt, ist eine solche ausdrückliche Einwilligung gerade nicht erforderlich (so auch Härting in: Härting, Internetrecht, 6. Aufl. 2017, Datenschutzrecht, Rn. 48). Ausreichend ist vielmehr "eine eindeutige bestätigende Handlung ..., mit der freiwillig, für den konkreten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich bekundet wird, dass die betroffene Person mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist, etwa in Form einer schriftlichen Erklärung, die auch elektronisch erfolgen kann, oder einer mündlichen Erklärung. Dies könnte etwa durch Anklicken eines Kästchens beim Besuch einer Internetseite, durch die Auswahl technischer Einstellungen für Dienste der Informationsgesellschaft oder durch eine andere Erklärung oder Verhaltensweise geschehen, mit der die betroffene Person in dem jeweiligen Kontext eindeutig ihr Einverständnis mit der beabsichtigten Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten signalisiert.". Die DSGVO stellt damit entscheidend darauf ab, dass die Einwilligung nicht aus der passiven Hinnahme der Datenverarbeitung abgeleitet wird, etwa durch ein voreingestelltes Ankreuzkästchen auf einer Internetseite, das der Nutzer zur Verweigerung seiner Einwilligung abwählen muss (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 1.10.2019 - C-673/17, GRUR 2019, 1198 - Verbraucherzentrale Bundesverband/Planet49 sowie nachfolgend BGH, Urteil vom 28.5.2020 – I ZR 7/16 –, Rn. 10, juris), sondern dass eine aktive, unmissverständliche Handlung des Betroffenen erforderlich ist, die vor Beginn der Datenverarbeitung liegt, freiwillig erfolgt und aus der sich ein Einverständnis mit der gebotenen Eindeutigkeit ableiten lässt. (EuGH NJW 2019, 3433 Rn. 62; BeckRS 2020, 30027 Rn. 36, BeckOK DatenschutzR/Schild, 36. Ed. 1.5.2021, DS-GVO Art. 4 Rn. 124). Es genügt nicht, sich auf die Abwesenheit einer Erklärung oder Handlung zu berufen, die als Ausdruck der Verweigerung gedacht ist (Ehmann/Selmayr/Klabunde, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 4 Rn. 53). An diese Unmissverständlichkeit dürfen aber gerade bei Massengeschäften wie der Abwicklung von Gewährleistungsansprüchen im Internet bereits nach den aufgeführten Erwägungen des Verordnungsgebers keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, die im Ergebnis doch wieder auf eine ausdrückliche Einwilligung hinausliefen. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als es der Kläger es in der Hand gehabt hätte, den Erklärungswert der in Kenntnis der E-Mail vom 30.3.2020 erfolgten Rücksendung zu präzisieren, indem er zugleich darauf hingewiesen hätte, dass sich auf der Festplatte personenbezogenen Daten befanden, die er aufgrund des Schadensfalls nicht mehr gesichert hatte oder nicht mehr hatte sichern können und dass in jedem Fall eine Rücksendung der Festplatte zur Datensicherung erbeten werde.

Ob der bloße Datenverlust überhaupt einen immateriellen Schaden i.S.d. Art. 82 DSGVO darstellen kann oder ob hierfür eine erhebliche Beeinträchtigung erforderlich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 11.6.2019 - 4 U 760/19 Rn. 13; zur Problematik der Geltendmachung von Bagatellschäden Wybitul, NJW 2020,1190, 1193 unter Hinweis auf BVerfG NJW 2021, 1005; vgl. jetzt auch Vorlagebeschluss des ÖstOGH, Beschluss vom 15.4.2021, BeckRS 2021, 13879), kann angesichts dessen dahinstehen. Unabhängig hiervon steht dem Anspruch aber auch entgegen, dass es an jeglichem Vortrag des Klägers zu den Auswirkungen des behaupteten Datenverlusts fehlt. Der geltend gemachte immaterielle Schaden in Höhe von 10.000,00 € findet in seinem Vortrag keinerlei Stütze, sondern dient ersichtlich nur dazu, ein Drohpotential aufzubauen, um die Beklagte zu einer letztlich nicht gerechtfertigten Zahlung zu veranlassen.

III. 1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, für die nichtvermögensrechtlichen Ansprüche auf Auskunft und Unterlassung aus § 709 ZPO.

2. Gründe für die Zulassung der Revision sieht der Senat nicht. Auch eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Auslegung des Begriffs der Einwilligung im Sinne der Art. 4 Nr. 11, 6 Abs. 1 lit a) DSGVO ist nicht geboten. Nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH NJW 1983, 1257 Rn. 21 – C. I. L. F. I. T.; EuGH BeckRS 2005, 70935 Rn. 16; stRspr) kann von einer Vorlage abgesehen werden, wenn feststeht, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war (acte éclairé) oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (acte clair). Davon darf das innerstaatliche Gericht ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den EuGH die gleiche Gewissheit bestünde (st. Rspr., vgl. zuletzt BVerfG NJW 2021, 1005 Rn. 10, beck-online). So liegt der Fall hier. Der Senat geht angesichts der Formulierung in den Erwägungsgründen zur DSGVO, die das Verständnis des normsetzenden europäischen Gesetzgebers wiedergeben und für die Auslegung durch die Gerichte der Mitgliedsstaaten maßgeblich sind, von einer eindeutigen Rechtslage ("acte clair") aus; abweichende Auffassungen zur Zulässigkeit einer konkludenten Einwilligung werden in Literatur und Rechtsprechung – soweit ersichtlich – nicht vertreten.

3. Bei der Streitwertsetzung gemäß § 48 Abs. 2 GKG hat der Senat den Schadensersatzanspruch entsprechend dem Antrag des Klägers mit 10.000,00 €, die daneben haupt- und hilfsweise geltend gemachten Auskunftsansprüche mit 3.000,00 € bewertet, den Unterlassungsanspruch mit 2.000,00 € und den Herausgabeanspruch der Festplatte mit 35,00 €, da dies der unwidersprochen vorgetragene Wert der Festplatte ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG München: Reichweite des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO und des Anspruchs auf Kopien aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO ist eher weit auszulegen

OLG München
Urteil vom 04.10.2021
3 U 2906/20


Das OLG München hat entschieden, dass die Reichweite des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO und des Anspruchs auf Kopien aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO eher weit auszulegen ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das Landgericht München I hat die Beklagten zu Recht zur Herausgabe von Kopien der bei ihnen gespeicherten persönlichen Daten verurteilt, Art. 15 Abs. 3 DS-GVO.

4) Bei den aus dem Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ersichtlichen Informationen handelt es sich um personenbezogene Daten. Personenbezogene Daten sind nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Nach dieser Definition und der Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (BGH NJW 2021, 2726 m.w.Nachw.). Betreffend den bei den Beklagten befindlichen Daten lässt sich jeweils aus dem Betreff bzw. dem Gesprächspartner eine Verbindung zu der Klägerin ziehen. Schreiben und E-Mails der Klägerin an die Beklagten sind grundsätzlich ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten gem. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO anzusehen. Die personenbezogene Information besteht bereits darin, dass sich die Klägerin jeweils entsprechend geäußert hat. Telefonnotizen, Aktenvermerke und Protokolle als interne Vermerke bei den Beklagten, die Informationen über die Klägerin enthalten, sind ebenfalls als personenbezogene Daten einzuordnen. Hier wird durch die Beklagten festgehalten, was die Klägerin telefonisch oder in persönlichen Gesprächen geäußert hat (vgl. nur BGH NJW 2021, 2726 Rn. 25).

4) Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch des Klägers beurteilt sich nach dem seit dem 25.5.2018 unmittelbar anwendbaren Art. 15 DS-GVO beurteilt (Art. 99 Abs. 2 DS-GVO). Nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und bestimmte weitere Informationen. Gemäß Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Die Klägerin macht vorliegend nicht den Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO geltend, die entsprechende Auskunft haben die Beklagten bereits vorgerichtlich erteilt. Die Frage, ob aus Art. 15 Abs. 3 DS-GVO ein eigenständiger Anspruch auf Herausgabe von Kopien folgt, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten (vgl. zum Streitstand BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy, 37. Ed. 1.8.2021, DS-GVO Art. 15 Rn. 85 ff.; sowie zur Rechtsprechungsübersicht Leibold, ZD-Aktuell 2021, 05313)

4) Die von der Klageseite vorgelegte Entscheidung des BGH vom 15.06.2021 (BGH NJW 2021, 2726) beantwortet die Frage eines eigenständigen Anspruches nach Abs. 3 des Art. 15 DS-GVO nicht. Zwar äußert sich der BGH aaO. Rn. 17 dergestalt, dass eine Kopie zur Verfügung gestellt wird, da die Frage eines solchen Anspruchs in der Entscheidung nicht von Bedeutung war, nimmt der BGH dazu jedoch nicht abschließend Stellung.

4) Zum Teil wird ein entsprechender Anspruch auf Herausgabe von Kopien verneint. Nach dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO hat die betroffene Person einen Anspruch nur auf die Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind. Der Anspruch umfasst dem Wortlaut nach nicht über die personenbezogenen Daten hinausgehende Informationen. Nachdem der Auskunftsanspruch gem. Art. 15 Abs. 1 DS-GVO jedoch den Zweck verfolgt, es der betroffenen Person zu ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zu überprüfen, ist es nicht erforderlich, im Rahmen des Anspruchs auf Übermittlung einer Kopie der personenbezogenen Daten mehr zu übermitteln, als zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung erforderlich ist. Zu diesem Zwecke ist es jedoch ausreichend, dass die betroffene Person die in Art. 15 Abs. 1 lit. a bis h DS-GVO genannten Angaben in Kopie erhält. Weitergehende Informationen sind nicht erforderlich (OLG Stuttgart GRUR-RS 2021, 20480; LAG Baden-Württemberg NZA-RR 2021, 410 Rn. 47; Paal/Pauly/Paal, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 15 Rn. 33-39), um die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zu überprüfen.

4) Nach anderer Auffassung enthält Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO einen eigenständigen Herausgabeanspruch (OVG Münster, Urt. v. 8.6.2021 - 16 A 1582/20, BeckRS 2021, 13156; BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy, 35. Ed. 01.02.2021, DS-GVO Art. 15 Rn. 85; Ehmann/Selmayr/Ehmann, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 15 Rn. 34; Zikesch/Sörup in ZD 2019, 239, beckonline). Innerhalb dieser Ansicht besteht über die Form der Überlassung wiederum Uneinigkeit, so wird zum Teil vertreten, dass sämtliche Rohdaten herausgegeben werden müssen (Ehmann/Selmayr/Ehmann aaO.), während anderer vertreten, dass eine Art „Registerauszug“ überlassen werden muss (Zikesch/SörupaaO.).

4) Der Senat folgt der Ansicht, wonach der Auskunftsberechtigte neben dem Anspruch auf Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO auch ein eigenständiger Anspruch auf Überlassung von Kopien gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO zusteht. Es handelt sich bei Abs. 1 und Abs. 3 des Art. 15 DS-GVO um zwei unterschiedliche Ansprüche, welche zwar denselben Gegenstand - personenbezogene Daten - betreffen, sich jedoch auf der Rechtsfolgenseite unterscheiden. Dies legt Wortlaut und Systematik der Vorschrift nahe. Indem der Verordnungs- und sich ihm anschließend der nationale Gesetzgeber einen eigenständigen Abs. 3 und nicht eine Ausgestaltung des Auskunftsanspruchs nach Abs. 1 formulierten, legt die Systematik nahe, dass es sich dabei um einen eigenen Anspruch handelt. Auch beinhaltet dem Wortlaut nach Abs. 3 eine Verpflichtung des Auskunftsverpflichteten, entsprechende Kopien zur Verfügung zu stellen. Dieser Verpflichtung muss jedoch korrespondierend die Möglichkeit des Auskunftsberechtigten gegenüberstehen, diese Verpflichtung auch durchzusetzen (vgl. Koreng, NJW 2021, 2692).

4) Der Gegenstand dieses Anspruchs richtet sich nicht lediglich auf eine abstrakte Aufzählung der vorhandenen Informationen, da dieser bereits in dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO enthalten ist. Vielmehr hat der Gläubiger einen Anspruch auf Überlassung der Informationen in der Form, wie sie dem Verantwortlichen vorliegen (so auch Koreng aaO.). Ein notwendiger Schutz des Schuldners wird durch die Möglichkeit der Schwärzung nach Art. 15 Abs. 4 DS-GVO gewährleistet."


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