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EuGH: EU-Geldwäscherichtlinie wegen Verstoßes gegen Art. 7 und Art. 8 der EU-Grundrechte-Charta teilweise unwirksam - Zugang zu Geldwäscheregister

EuGH
Urteil vom 22.11.2022
in den verbunden Rechtssachen
C-37/20 und C-601/20
WM (C‑37/20), Sovim SA (C‑601/20) gegen Luxemburg Business Registers


Der EuGH hat entschieden, dass die EU-Geldwäscherichtlinie wegen eines Verstoßes gegen Art. 7 und Art. 8 der EU-Grundrechte-Charta teilweise unwirksam ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Geldwäscherichtlinie: Die Bestimmung, dass die Angaben über die wirtschaftlichen Eigentümer von im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingetragenen Gesellschaften in allen Fällen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich sein müssen, ist ungültig

Der mit dieser Maßnahme verbundene Eingriff in die durch die Charta gewährleisteten Rechte ist weder auf das absolut Erforderliche beschränkt noch steht er in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel Gemäß der Geldwäscherichtlinie wurde durch ein im Jahr 2019 erlassenes luxemburgischen Gesetz ein Registre des bénéficiaires effectifs (Register der wirtschaftlichen Eigentümer) geschaffen. Dieses Gesetz sieht vor, dass eine Reihe von Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer der eingetragenen Einrichtungen in dieses Register aufgenommen und gespeichert werden. Zu einem Teil dieser Informationen hat die breite Öffentlichkeit Zugang, u. a. über das Internet. Ferner hat ein wirtschaftlicher Eigentümer nach diesem Gesetz die Möglichkeit, bei Luxembourg Business Registers (LBR), dem Verwalter des Registers, zu beantragen, den Zugang zu solchen Informationen in bestimmten Fällen zu beschränken.

In diesem Zusammenhang wurden beim Bezirksgericht Luxemburg Klagen von einer luxemburgischen Gesellschaft und dem wirtschaftlichen Eigentümer einer solchen Gesellschaft eingereicht, die erfolglos bei LBR beantragt hatten, den Zugang der breiten Öffentlichkeit zu den sie betreffenden Informationen zu beschränken. Dieses Gericht vertrat die Ansicht, dass die Verbreitung solcher Informationen ein unverhältnismäßiges Risiko einer Beeinträchtigung der Grundrechte der betroffenen wirtschaftlichen Eigentümer mit sich bringen könne, und stellte daher dem Gerichtshof eine Reihe von Vorlagefragen nach der Auslegung gewisser Bestimmungen der Geldwäscherichtlinie und zu deren Gültigkeit im Licht der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof (Große Kammer) die im Licht der Charta bestehende Ungültigkeit derjenigen Bestimmung der Geldwäscherichtlinie fest, nach der die Mitgliedstaaten in allen Fällen den Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer der in ihrem Gebiet eingetragenen Gesellschaften oder anderen juristischen Personen sicherzustellen haben. Nach Ansicht des Gerichtshofs stellt der Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten dar, die in den Art. 7 bzw. 8 der Charta verankert sind. Die verbreiteten Angaben ermöglichen es nämlich einer potenziell unbegrenzten Zahl von Personen, sich über die materielle und finanzielle Situation eines wirtschaftlichen Eigentümers Kenntnis zu verschaffen. Außerdem werden die möglichen Folgen einer etwaigen missbräuchlichen Verwendung ihrer personenbezogenen Daten für die betroffenen Personen dadurch verschärft, dass diese Daten, sobald sie der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt worden sind, nicht nur frei abgerufen, sondern auch auf Vorrat gespeichert und verbreitet werden können.

Allerdings möchte der Unionsgesetzgeber mit der fraglichen Maßnahme Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhindern, indem er mittels erhöhter Transparenz ein Umfeld schafft, das weniger leicht für diese Zwecke genutzt werden kann. Nach Auffassung des Gerichtshofs verfolgt der Gesetzgeber somit eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung, die selbst schwerwiegende Eingriffe in die in den Art. 7 und 8 der Charta verankerten Grundrechte zu rechtfertigen vermag; auch ist der Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer zur Verwirklichung dieser Zielsetzung geeignet.

Der Gerichtshof stellt jedoch fest, dass der Eingriff, den diese Maßnahme mit sich bringt, weder auf das absolut Erforderliche beschränkt ist noch in einem angemessenen Verhältnis zur verfolgten Zielsetzung steht. Neben der Tatsache, dass die fraglichen Bestimmungen die öffentliche Zugänglichmachung von Daten gestatten, die weder hinreichend bestimmt noch identifizierbar sind, stellt die mit der Geldwäscherichtlinie eingeführte Regelung einen erheblich schwereren Eingriff in die in den Art. 7 und 8 der Charta verbürgten Grundrechte dar als die Vorgängerregelung (die neben dem Zugang der zuständigen Behörden und bestimmter Einrichtungen den Zugang aller Personen oder Organisationen vorsah, die ein berechtigtes Interesse nachweisen konnten), ohne dass diese zusätzliche Schwere durch etwaige Vorteile kompensiert würde, die sich aus der neuen Regelung im Vergleich zur früheren hinsichtlich der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ergeben könnten.

Insbesondere das von der Kommission geltend gemachte etwaige Vorliegen von Schwierigkeiten bei der genauen Bestimmung der Fälle und Bedingungen, in bzw. unter denen ein solch berechtigtes Interesse besteht, kann nicht rechtfertigen, dass der Unionsgesetzgeber den Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den fraglichen Informationen vorsieht. Zudem hält der Gerichtshof die fakultativen Bestimmungen, die es den Mitgliedstaaten erlauben, die Bereitstellung der Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von einer Online-Registrierung abhängig zu machen und für außergewöhnliche Umstände Ausnahmen vom Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu diesen Informationen vorzusehen, als solche für weder geeignet, zu belegen, dass eine ausgewogene Gewichtung der dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung und der in den Art. 7 und 8 der Charta verankerten Grundrechte vorgenommen wurde, noch, dass hinreichende Garantien bestehen, die es den betroffenen Personen ermöglichen, ihre personenbezogenen Daten wirksam gegen Missbrauchsrisiken zu schützen.


Tenor der Entscheidung:
Art. 1 Nr. 15 Buchst. c der Richtlinie (EU) 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EU ist ungültig, soweit durch diese Bestimmung Art. 30 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission dahin geändert wurde, dass dieser Art. 30 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2015/849 in seiner so geänderten Fassung vorsieht, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer der in ihrem Gebiet eingetragenen Gesellschaften oder anderen juristischen Personen in allen Fällen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Hamm: Geschäftsanschrift einer GmbH mit c/o - Zusatz nicht immer unzulässig - Geschäftsanschrift des nach § 378 Abs. 2 FamFG für die GmbH handelnden Notars bzw. Rechtsanwalts

OLG Hamm
Beschluss vom 07.05.2015
27 W 51/15


Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Geschäftsanschrift einer GmbH mit c/o - Zusatz nicht immer unzulässig ist und damit eintragungsfähig sein kann. Vorliegend war die Geschäftsanschrift des nach § 378 Abs. 2 FamFG für die GmbH handelnden Notars bzw. Rechtsanwalts angegeben.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die nach § 382 Abs. 4 Satz 2 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist begründet. Der begehrten Eintragung stehen die vom Registergericht angenommenen Einwände nicht entgegen. Abs. 1
Entgegen der Auffassung des Registergerichts ist ein c/o-Zusatz in der gemäß § 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG, § 31 HGB anzugebenden Geschäftsanschrift einer GmbH nicht schlechthin unzulässig, wenn unter der angegebenen Anschrift kein Geschäftsraum der Gesellschaft und keine Wohnung ihres gesetzlichen Vertreters bestehen. Dieser Zusatz ist vielmehr eintragungsfähig, solange davon auszugehen ist, dass er der besseren Auffindbarkeit der zur Annahme einer Zustellung befugten Person dient und nicht der Verschleierung der Zustellmöglichkeiten oder dem Vortäuschen einer solchen Möglichkeit. Insbesondere ist eine realistische Zustellmöglichkeit anzunehmen, wenn der c/o-Zusatz tatsächlich auf einen Zustellungsbevollmächtigten verweist (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2011, 685; OLG Rostock NZG 2011, 279; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 8 Rn. 20; Veil, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 8 Rn. 33; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 8 Rn. 17; Krafka/Kühn, Registerrecht, 9. Aufl. 2013, Rn. 340)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Fehlen von Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bzw der Handelsregisternummer und des Registergerichts ist ein abmahnfähiger Wettbwerbsverstoß

OLG Hamm,
Urteil vom 02.04.2009
4 U 213/08


Das OLG Hamm kommt in dieser Entscheidung zu dem Ergebnis, dass das Fehlen der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in der Anbieterkennzeichnung ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß ist. Ebenfalls ist es wettbewerbswidrig, wenn eine Handelsregistereintrag besteht, aber in der Anbieterkennzeichnung die Registernummer bzw. das Registergericht fehlt. Das Gericht ist der Ansicht, dass jeder Verstoß gegen die Pflicht zur Anbieterkennzeichnung nach § 5 TMG und der Pflichten nach §§ 312 c BGB, 1 Info-VO wettbewerbswidrig ist. Zudem hält das OLG Hamm bei derartigen Verstößen einen Streitwert von 15.000 EURO für angemessen.

Die pauschale Betrachtungsweise des OLG Hamm ist abzulehnen. Insbesondere das Fehlen der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist nicht geeignet den Wettbewerb zu beeinflussen. Hingegen dürfte das Fehlen der Informationen zum Handelsregistereintrag regelmäßig wettbewerbswidrig sein, da hierdurch die Rechtsverfolgung erschwert werden kann. Auch der Streitwert ist überhöht. Andere Gericht setzen völlig zu Recht bei derartigen rechtlichen Auseinandersetzungen einen weitaus niedrigeren Streitwert an. Dennoch gilt es die Vorgaben des OLG Hamm einzuhalten. Nach den Grundsätzen des fliegenden Gerichtsstands kann ein Abmahner im Regelfall gerichtliche Schritte im OLG-Bezirk Hamm einleiten.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


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