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BGH legt EuGH vor: Kartellrechtliche Zulässigkeit des DFB-Reglements für Spielervermittler

BGH
Beschluss vom 13.06.2023
KZR 71/21
Reglement für Spielervermittler

Der BGH hat dem EuGH Fragen zur kartellrechtlichen Zulässigkeit des DFB-Reglements für Spielervermittler vorgelegt.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof legt EuGH Fragen zur kartellrechtlichen Zulässigkeit des DFB-Reglements für
Spielervermittler vor

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob einzelne Regelungen des vom DFB erlassenen Reglements für Spielervermittler (RfSV) gegen das Kartellverbot aus Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen.

Sachverhalt:

Die Klägerin zu 1 ist eines der führenden Beratungsunternehmen für junge Talente und Profifußballer in Deutschland. Ihre Tätigkeit umfasst die Beratung im Zusammenhang mit Transfers und Vertragsverlängerungen von Profifußballspielern. Ihr Gründer und Geschäftsführer ist der Kläger zu 3. Die Klägerin zu 2 ist ein österreichisches Unternehmen, das ebenfalls auf dem Gebiet der Spielervermittlung tätig ist.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist der Dachverband von 27 deutschen Fußballverbänden mit etwa 25.000 Vereinen und mehr als 7 Millionen Mitgliedern. Als Mitglied des Fußballweltverbandes (FIFA) ist er den Regelungen der FIFA unterworfen und zur Umsetzung der Entscheidungen der FIFA verpflichtet. Im Zuge des von der FIFA verabschiedeten Reglements zur Arbeit mit Vermittlern erließ der DFB das am 1. April 2015 in Kraft getretene Reglement für Spielervermittlung (RfSV). Dieses richtet sich nicht direkt an Spielervermittler, sondern an Vereine und Spieler, welche gegenüber dem Beklagten verpflichtet sind, die Regelungen einzuhalten. Verstöße gegen das Reglement können als unsportliches Verhalten sanktioniert werden. Vorgeschrieben ist unter anderem

- eine Registrierungspflicht für Vermittler;

- die Abgabe einer Vermittlererklärung, die die Unterwerfung des Vermittlers unter diverse Statuten der FIFA, des Beklagten und der DFL, einschließlich der Unterwerfung unter die Verbandsgerichtsbarkeit, vorsieht;

- die zusätzliche Verpflichtung einer natürlichen Person bei der Registrierung juristischer Personen;

- ein Provisionsverbot für bestimmte Folgetransfers;

- ein Provisionsverbot bei der Vermittlung Minderjähriger;

- eine Pflicht zur Offenlegung von Vergütungen und Zahlungen an Vermittler.

Die Kläger sind der Auffassung, dass diese Regelungen gegen das Kartellverbot verstoßen. Sie begehren Unterlassung.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat den DFB verurteilt, es zu unterlassen, nur solche Vermittler zu registrieren, die sich den einschlägigen FIFA- und DFB-Statuten unterwerfen, sofern dabei zugleich die Unterwerfung unter die Verbandsgerichtsbarkeit gefordert wird. Es hat dem DFB darüber hinaus verboten, juristische Personen als Spielervermittler nur zu registrieren, wenn neben der juristischen Person auch eine natürliche Person eine Vermittlererklärung abgibt. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.

Auf die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht das Verbot, Vermittler nur zu registrieren, wenn sie sich den FIFA- und DFB-Statuten unterwerfen, ohne die Einschränkung gemäß des Urteils des Landgerichts ausgesprochen. Darüber hinaus hat es den DFB verurteilt, es zu unterlassen, der Deutschen Fußball Liga e.V. oder einem anderen mit der Durchführung des Spielbetriebs in einer Fußballliga Beauftragten zu ermöglichen, Vereine darin einzuschränken, für Provisionen von Spielervermittlern zu vereinbaren, die prozentual Bezug auf Weitertransfererlöse nehmen. Im Übrigen hat es das Urteil des Landgerichts aufrechterhalten und die dagegen gerichteten weitergehenden Rechtsmittel der Parteien zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Regelungen im RfSV seien nach den vom Europäischen Gerichtshof in der Entscheidung Meca Medina (C-519/04 P) aufgestellten Grundsätzen aufgrund ihrer Zielsetzung, einen fairen Wettstreit zwischen den Sportlern zu gewährleisten, nicht dem Kartellverbot zu unterwerfen.

Mit ihren Revisionen wenden sich beide Parteien gegen das Berufungsurteil, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung folgende Fragen vorgelegt:

1. Finden auf das Regelwerk eines Sportverbands, das sich an Verbandsmitglieder wendet und die Inanspruchnahme von Leistungen verbandsfremder Unternehmen auf einem der Verbandstätigkeit vorgelagerten Markt regelt, die vom Unionsgerichtshof in den Urteilen "Wouters" (vom 19. Februar 2002 - C-309/99) und "Meca Medina" (vom 18. Juli 2006 - C-519/04 P) entwickelten Grundsätze Anwendung, wonach bei der Anwendung des Kartellverbots

der Gesamtzusammenhang, in dem der fragliche Beschluss zu Stande gekommen ist oder seine Wirkungen entfaltet, und insbesondere seine Zielsetzung zu würdigen ist,

und weiter zu prüfen ist, ob die mit dem Beschluss verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen notwendig mit der Verfolgung der genannten Ziele zusammenhängen

und ob sie im Hinblick auf diese Ziele verhältnismäßig sind (nachfolgend: Meca Medina-Test)?

2. Falls Frage 1 bejaht wird: Ist in diesem Fall der Meca Medina-Test auf alle Regelungen dieses Regelwerks anzuwenden, oder kommt es dafür auf inhaltliche Kriterien an, wie etwa die Nähe oder Ferne der einzelnen Regelung zu der sportlichen Tätigkeit des Verbands?

Dafür waren folgende Erwägungen maßgeblich:

Der Beklagte ist als Unternehmensvereinigung Adressat des Kartellverbots nach Art. 101 Abs. 1 AEUV. Für die in dem Beklagten zusammengeschlossenen Fußballvereine der deutschen Profiligen stellt sich der Fußball in erster Linie als eine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Die hier angegriffenen Regelungen des RfSV führen auch zu einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung auf dem Markt der Spielervermittlung. Sie richten sich zwar nicht direkt an Spielervermittler, sondern an Vereine und Spieler, die als Nachfrager der Vermittlungsleistung zur Marktgegenseite gehören. Sie bewirken jedoch, dass die Spielervermittler ihr Verhalten an dem Regelwerk ausrichten müssen, um auf dem Vermittlungsmarkt tätig werden zu können.

Die Entscheidung des Falls hängt damit maßgeblich davon ab, ob eine Einschränkung des Verbots des Art. 101 Abs. 1 AEUV in Betracht kommt. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind in bestimmten Fallkonstellationen bei der Anwendung des Kartellverbots der Gesamtzusammenhang, in dem der fragliche Beschluss zu Stande gekommen ist oder seine Wirkungen entfaltet, und insbesondere seine Zielsetzung zu würdigen. Es ist weiter zu prüfen, ob die mit dem Beschluss verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen notwendig mit der Verfolgung der genannten Ziele zusammenhängen und ob sie im Hinblick auf diese Ziele verhältnismäßig sind. Der Unionsgerichtshof hat bereits entschieden, dass diese Grundsätze auch im Bereich der Regelsetzung von Sportverbänden angewandt werden können, wenn diese - wie Regeln zur Dopingkontrolle - untrennbar mit der Organisation und dem ordnungsgemäßen Ablauf eines sportlichen Wettkampfs verbunden ist und gerade dazu dient, einen fairen Wettstreit zwischen den Sportlern zu gewährleisten (EuGH, WuW/E EU-R 1493Rn. 43, 45 - Meca-Medina). Ob das auch für ein Reglement wie das RfSV gilt, das die wirtschaftliche Handlungsfreiheit nicht vereinsgebundener Marktteilnehmer wie die Spielervermittler spürbar beschränkt, ist indes noch ungeklärt.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main - Urteil vom 24. Oktober 2019 - 2-03 O 517/18
OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 30. November 2021 - 11 U 172/19 (Kart)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 33 GWB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. (…)

Artikel 101 AEUV

(1) Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, insbesondere (…)


OLG Frankfurt: Reglement für Spielervermittler (RfSV) des DFB teilweise kartellrechtswidrig und unwirksam

OLG Frankfurt
Urteil vom 30.11.2021
11 U 172/19 (Kart)


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass das Reglement für Spielervermittler (RfSV) des DFB teilweise kartellrechtswidrig und unwirksam ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Reglement für Spielervermittlung des Deutschen Fußball Bundes (DFB) teilweise für unwirksam erklärt

Der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) hat heute einige Regelungen des DFB - Reglements für Spielervermittler (RfSV) für unwirksam erklärt. Das Reglement ist als sportliches Regelwerk am Prüfungsmaßstab der sog. Meca-Medina-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu messen. Auf dieser Grundlage sind zwar die Registrierungspflicht, die Verpflichtung der Bekanntgabe von Vergütungen und Zahlungen und das Verbot der Honorarzahlung an Spielervermittler für die Vermittlung von Minderjährigen gerechtfertigt. Dagegen können die Verpflichtung der Spielervermittler, sich allen Regelungen der FIFA und des DFB zu unterwerfen und das Verbot der prozentualen Beteiligung des Spielervermittlers an einem Weitertransfer bei bestimmten Vertragskonstellationen aus kartellrechtlicher Sicht nicht gebilligt werden.

Die Kläger sind im Bereich der Vermittlung von Profi-Fußballern tätig. Sie wenden sich gegen verschiedene Regelungen des vom beklagten DFB herausgegebenen Reglements für Spielervermittlung (RfSV). Das RfSV richtet sich an die Vereine und Spieler, die sich gegenüber dem Beklagten verpflichten müssen, diese Regeln einzuhalten. Streitgegenständlich sind u.a. Regelungen zur Registrierungs- und Offenlegungspflicht für Vermittler, zur Beschränkung von Honoraransprüchen der Vermittler im Fall des Weitertransfers und zum Verbot von Honoraransprüchen bei der Vermittlung Minderjähriger.

Das Landgericht hatte der Klage teilweise stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hatte teilweise Erfolg; die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Das Oberlandesgericht hat zunächst ausgeführt, dass die streitigen Regelungen grundsätzlich am Maßstab des europäischen Wettbewerbsrechts zu prüfen seien. Da es sich um ein sportliches Regelwerk handele, seien die Grundsätze der sog. Meca-Medina-Entscheidung des EuGH anzuwenden (Urteil vom 18.7.2006 - C 519/04). Regelungen des RfSV, die einem legitimen Zweck im Zusammenhang mit der Organisation und dem Ablauf sportlicher Wettkämpfe dienten, führten nicht zu einem Kartellverstoß, wenn sie zur Erreichung dieses Zweckes geeignet, erforderlich und verhältnismäßig seien.

Anhand dieses Maßstabes sei es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte eine gewisse Kontrolle über die Aktivitäten von Spielervermittlern ausüben wolle und verlange, dass diese bereits im Zuge der erstmaligen Vermittlung namentlich registriert werden müssten, und dass die Vereine verpflichtet würden, die vereinbarten Vergütungen und Zahlungen gegenüber dem Beklagten offenzulegen. Auch das Verbot der Honorarzahlung an Spielervermittler im Fall der Vermittlung Minderjähriger sei nach diesen Maßstäben gerechtfertigt. Der Beklagte wolle die Minderjährigen als besonders vulnerable Gruppe vor einer nicht an sportlichen, sondern finanziellen Anreizen motivierten Einflussnahme auf ihre Spielerkarrieren schützen.

Dagegen sei es aus kartellrechtlicher Sicht nicht hinnehmbar, wenn der Verband den außenstehenden Spielervermittlern auferlege, alle Bestimmungen der FIFA und des Beklagten anerkennen und sich der Verbandsgerichtsbarkeit unterwerfen zu müssen. Der Umfang und Inhalt dieser zahlreichen Bestimmungen sei für die Spielervermittler nicht hinreichend bestimmbar. Eine Unterwerfung unter die Verbandsgerichtsbarkeit sei nicht erforderlich.

Kartellrechtswidrig seien teilweise auch die Regelungen der Beklagten und der Deutschen Fußball Liga (DFL) im Zusammenhang mit Honoraransprüchen beim Weitertransfer von Spielern. Der Beklagte verfolge grundsätzlich legitime Ziele, soweit er die Transferautomomie der Vereine sicherstellen und sie vor einer an rein finanziellen Interessen ausgerichteten Einflussnahme der Spielervermittler beim Transfer sportlich attraktiver Spieler schützen wolle. Die zudem bezweckte Vertragsstabilität bewirke Konstanz der Kader und fördere die Qualität der Mannschaften. Es liege daher im gerechtfertigten Verbandsinteresse, zu verhindern, dass sich Spielervermittler bereits bei der Hinvermittlung eines Spielers zu einem Verein für den Fall eines - auch ohne seine Beteiligung erfolgenden - Weitertransfers eine Beteiligung am Transfererlös versprechen

lassen dürften. Der Beklagte habe andererseits nicht überzeugend darlegen können, warum Spielervermittler bei einem Weitertransfer, der im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zu einer Hinvermittlung stehe, keine prozentuale Beteiligung an der Transfersumme erhalten dürften, obwohl eine pauschale Vergütung ausdrücklich zugelassen werde.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 30.11.2021, Az. 11 U 172/19 (Kart)