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OLG Stuttgart: Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung aus § 812 Abs. 1 BGB wenn Online-Coaching-Vertrag wegen fehlender Zulassung nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig ist

OLG Stuttgart
Urteil vom 29.08.2024
13 U 176/23


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass ein Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung aus § 812 Abs. 1 BGB besteht, wenn ein Online-Coaching-Vertrag wegen fehlender Zulassung nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig ist. Im vorliegenden Fall hat das Gericht eine Zulassungspflicht und damit die Nichtigkeit des Vertrages bejaht.

Aus den Entscheidungdgründen:
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der zwischen den Parteien abgeschlossene Dienstvertrag nichtig, sodass die Beklagte die geleistete Zahlung in Höhe von 23.800,00 € rechtsgrundlos erlangt hat und der Kläger diese aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zurückverlangen kann. Die Nichtigkeit folgt aus § 7 Abs. 1 FernUSG i.V.m. § 12 Abs. 1 FernUSG.

a) Der Kläger macht zu Recht geltend, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 FernUSG vorliegen.

aa) Die Parteien haben eine entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten vereinbart. Dies folgt bereits aus der Seite 7 der beklagtenseits als Anlage B7 vorgelegten Programmbeschreibung, in der es u.a. heißt, dass die Teilnehmer bis zum Ende des Programms Wissen aus den dort dann nachfolgend aufgeführten Bereichen abrufen und aneignen können werden. Auch auf den Seiten 1 und 5 der Programmbeschreibung wird der Aufbau bzw. die Vermittlung von Wissen bzw. „Know-How“ als ein wesentlicher Teil und Ziel des Programms hervorgehoben.

bb) Es ist auch das Merkmal der überwiegenden räumlichen Trennung gegeben.

(1) Diese Voraussetzung ist schon deshalb erfüllt, weil nach der Programmbeschreibung zweiwöchig online-meetings stattfinden und Präsenzveranstaltungen eine allenfalls untergeordnete Rolle spielen. Außerdem werden den Teilnehmern Lehrvideos mit Lektionen zum Durcharbeiten zur Verfügung gestellt (vgl. Anl. B2 sowie die Einlassung des Gesellschafters und früheren Geschäftsführers der Beklagten F. A. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 11.07.2024, Sitzungsprotokoll S. 2). Entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung (Faix, MMR 2023, 821, 824, Vennemann, FernUSG, 2. Aufl., § 1 Rn. 10) ist auch bei einem Online-Unterricht eine räumliche Trennung gegeben. Hierfür spricht schon der Wortlaut der Bestimmung. Eine einschränkende Auslegung des Wortsinns nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist nicht angezeigt. Zwar gab es zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes im Jahr 1976 noch keine Videokonferenzen. Der Gesetzgeber hat aber ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drs. 7/4245, S. 14) die Möglichkeit gesehen, dass der Unterricht in einen anderen Raum übertragen werden kann und hat auch diesen Sachverhalt unter den Begriff der räumlichen Trennung gefasst. Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass alle Unterrichtsformen, die nicht in Präsenz stattfinden, unter das Fernunterrichtsschutzgesetz fallen sollen. Auch der Umstand, dass bei Videokonferenzen eine synchrone Kommunikation wie bei Präsenzveranstaltungen möglich ist, kann eine einschränkende Auslegung des insoweit klaren Wortlauts nicht begründen. Ziel des Gesetzes ist eine umfassende Ordnung des Fernunterrichtsmarktes zum Schutz der Teilnehmerinteressen, nachdem Angebote von geringer methodischer und fachlicher Qualität auf dem Markt waren (BT-Drs. 7/4245, S. 12). Dieser Schutzzweck führt dazu, dass die Tatbestandsmerkmale weit und nicht restriktiv auszulegen sind (BGH v. 15.10.2009 - III ZR 310/08 - juris Rn. 16 ff.). Ausgehend hiervon gibt es für eine einschränkende Auslegung bei Videokonferenzen keinen Anlass. Dies gilt umso mehr, als das Bedürfnis, die Teilnehmer vor unseriösen Anbietern zu schützen, bei Videokonferenzen deutlich größer als bei Präsenzveranstaltungen ist, nachdem für Präsenzveranstaltungen Investitionen in die Räume erforderlich sind, was unseriöse Anbieter abschrecken kann. Hinzukommt, dass bei Präsenzveranstaltungen eine stärkere soziale Kontrolle stattfindet, da im Falle einer geringen Qualität des Unterrichts die Lehrenden unmittelbar mit dem Unmut der Teilnehmer konfrontiert werden und die Teilnehmer sich - unter anderem hierüber - auch unmittelbar austauschen können.

(2) Auf die Frage, ob das Merkmal der überwiegenden räumlichen Trennung jedenfalls dann erfüllt ist, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Online-Seminare aufgezeichnet und von den Teilnehmern nachträglich abgerufen werden können (vgl. hierzu OLG Celle v. 29.05.2024 - 13 U 8/24 - juris Rn. 9; OLG Köln v. 06.12.2013 - 2 U 24/23 - juris Rn. 50), kommt es daher nicht mehr an.

cc) Entgegen der Auffassung des Landgerichts findet im vorliegenden Fall auch eine Überwachung des Lernerfolgs statt.

(1) Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei der Beurteilung ein weites Verständnis des Merkmals zu Grunde zu legen (BGH v. 15.10.2009 – III ZR 310/08 - juris Rn. 20 ff.). Danach ist eine Überwachung des Lernerfolgs nach §1 Abs.1 Nr.2 FernUSG bereits dann gegeben, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, z.B. in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten. Ausreichend ist insoweit, wenn der Lernende in den Informationsveranstaltungen eine individuelle Anleitung erhält und Fragen zum eigenen Verständnis des bisher Erlernten an den jeweiligen Dozenten stellen kann, um insoweit eine persönliche Lernkontrolle herbeizuführen, ob das bisher Erlernte richtig verstanden wurde und "sitzt".

(2) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Möglichkeit, Fragen zu stellen, sieht bereits die Programmbeschreibung (Anlage B7) auf Seite 6 ausdrücklich vor, als es darin heißt, dass Fragen in den Meetings und per Mail, oder in der Facebook-Gruppe geklärt werden. Dies dient auch der persönlichen Lernkontrolle. Der frühere Geschäftsführer der Beklagten hat dies im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat bestätigt, indem er angegeben hat, dass in den Meetings die Fragen der Teilnehmer geklärt würden; natürlich hätten nicht alle Teilnehmer jede Woche eine Frage, die Sitzungen gingen aber immer so lange, bis alle ihre Fragen beantwortet bekommen hätten. Weiter hat der Vertreter der Beklagten im Rahmen der Parteianhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, dass der Kunde nach Erfassung der Grundlagen erst einmal mit Spielgeld agiere und anhand konkreter Investitionsentscheidungen Fragen stellen könne, die dann in Live-Calls geklärt würden. Erst wenn er stabil 3 bis 5 % Rendite pro Woche erreiche, könne er ins Echtgeldkonto wechseln und Echtgelt investieren. Soweit er dabei Verluste erwirtschafte, würden die Fehler analysiert und aufgezeigt, was man hätte besser machen können. Ausgehend hiervon findet auch insoweit eine Kontrolle der Lernenden durch die Lehrenden statt. Dies alles wird schließlich dadurch bestätigt, dass in der Programmbeschreibung (Anl. B7) an mehreren Stellen hervorgehoben wird, dass es nicht nur um die Vermittlung von Wissen, sondern - mithilfe einer intensiven Betreuung - auch um die Gewährleistung einer „erfolgreichen Umsetzung“ des Erlernten und die Erzielung bestimmter „Ergebnisse“ geht (vgl. etwa S. 5 und S. 8).

(3) Die Frage, ob die bloße Möglichkeit Fragen zu stellen, ausreicht, oder ob die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG voraussetzt, dass auch eine weitergehende Lernkontrolle durch den Lehrenden stattfindet (so OLG Hamburg v. 20.02.2024 – 10 U 44/23 - juris Rn. 29; OLG Köln v. 06.12.2023 – 2 U 24/23 - juris Rn. 56; vgl. zu dieser Diskussion auch OLG Celle v. 29.05.2024 - 13 U 8/24), kann daher offenbleiben.

b) Die Beklagte verfügt unstreitig nicht über eine Zulassung i.S.v. § 12 Abs. 1 FernUSG, sodass der Vertrag nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig ist.

c) Demnach hat die Beklagte nach § 818 Abs. 2 BGB Anspruch auf Rückerstattung der geleisteten Zahlung in Höhe von 23.800,00 €. Der Wert der beklagtenseits erbrachten Leistungen ist im Rahmen der Saldotheorie (vgl. für den Fall des Verstoßes gegen § 3 RDG BGH v. 03.07.2008 – III ZR 260/07 – juris Rn. 25) nicht zu berücksichtigen. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat zum Wert der erbrachten Leistung keinen Vortrag gehalten, obwohl sie auf die Möglichkeit, dass der Senat von der Nichtigkeit des Vertrages nach § 7 Abs. 1 FernUSG ausgeht, bereits durch die Terminsverfügung vom 19.03.2024 hingewiesen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war.

d) Auf die Frage, ob der Vertrag auch wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist oder wirksam gekündigt wurde, kommt es nicht mehr an.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Schleswig-Holstein: § 12 Abs. 1 FernUSG gilt nicht für Online-Mentoring-Angebote sofern keine Kontrolle des Lernerfolgs stattfindet

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom. 05.07.2024
19 U 65/24


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass § 12 Abs. 1 FernUSG nicht für Online-Mentoring-Angebote gilt, sofern keine Kontrolle des Lernerfolgs stattfindet.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Parteien haben einen wirksamen Vertrag geschlossen, der ein zwölfmonatiges Mentoringprogramm der Klägerin gegen Zahlung von zwölfmal 5.000 € (zzgl. MwSt.) zum Gegenstand hatte.

Bei dem geschlossenen Vertrag handelt es sich, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, um einen Dienstvertrag nach §§ 611 ff. BGB. Ein bestimmter Erfolg war nämlich im Schwerpunkt gerade nicht geschuldet. Wenngleich zum Teil auch konkrete Handlungen, z.B. die Übersendung von VIP-Tickets, vereinbart waren, so war das Programm der Klägerin nach seiner Leistungsbeschreibung doch überwiegend auf die Vermittlung von Inhalten in Präsenzveranstaltungen bzw. die Freischaltung von Zugängen zu Online-Medien ausgelegt, über die der Mentor sein Wissen an den noch unerfahrenen Kunden weitergeben und ihn bei seiner persönlichen und/oder beruflichen Entwicklung unterstützen sollte (vgl. auch die Sachverhalte und rechtliche Einordnung bei OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023 – 3 U 85/22; LG Ravensburg, Urteil vom 11.07.2023 – 5 O 25/23; LG Stuttgart Urteil vom 30.03.2023 – 30 O 266/22).

Unbestritten hat die Klägerin erstinstanzlich dargelegt, dass über die wesentlichen Vertragsbestandteile des Mentoring-Vertrages – auch die Zahlungsverpflichtung im Voraus (entgegen der Regelung des § 614 Satz 1 BGB) – im Telefonat vom 18.02.2023 gesprochen worden sei. § 614 Satz 1 BGB ist dispositiv (BeckOGK/Maties BGB § 614 Rn. 44). Im Zweifel war die Zahlung danach sofort fällig, § 271 Abs. 1 BGB. Auch über die Höhe der geschuldeten Leistung (50.000 € bei Einmalzahlung oder zwölfmal 5.000 €) ist unzweifelhaft gesprochen worden. Die Art der geschuldeten Leistung lässt sich aus der Beschreibung Anlage K1 jedenfalls im Groben entnehmen. Geschuldet sind Teilnahmerechte in Zoommeetings und Messenger-Gruppen, das Freischalten von Online-Seminaren und ähnliches, wobei Kursbeginn der 30.05.2023 hätte sein sollen.

Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 13.06.2024 bestritten hat, dass die o.g. Leistungen vereinbart worden seien mit der Folge, dass es einer konkreten Leistungsbeschreibung gemangelt habe und der Vertrag unwirksam sei, greift er damit nicht durch. Der nicht angegriffene Tatbestand des landgerichtlichen Urteils weist den genannten Inhalt des Vertrages als unstreitig aus. Daran ist der Senat nach § 314 ZPO zwingend gebunden (BeckOK ZPO, 314 Rn. 29).

2. Der Vertrag ist auch nicht nichtig. Weder ist er sittenwidrig (dazu unter a.) noch unterfällt er dem Anwendungsbereich des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG), der in seinem § 7 Abs. 1 bei Fehlen der entsprechenden Zulassung des Veranstalters die Nichtigkeit des Vertrages vorsieht (dazu unter b.).

a. Der Vertrag ist, anders als das Landgericht es gesehen hat, nicht als wucherähnliches Rechtsgeschäft nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB.

Keine Rechtsverletzung im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO stellt es dar, dass die Kammer im Rahmen der vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung, § 331 ZPO, die Frage der Sittenwidrigkeit überhaupt geprüft hat. Die Klage ist schlüssig, wenn das Gericht die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen ohne weitere tatsächliche Überprüfung im Sinne des Klageantrages unter eine Anspruchsgrundlage subsumieren kann und nach dem Tatsachenvortrag des Klägers auch keine Gegenrechte eingreifen. Es darf somit weder am Vortrag anspruchsbegründender Tatsachen fehlen, noch darf der Kläger vollumfänglich Tatsachen vorgebracht haben, die zu einer rechtshindernden oder rechtsvernichtenden Einwendung führen, ohne diese gleichzeitig durch eine Replik zu entkräften (Musielak/Voit/Stadler ZPO § 331 Rn. 7). Bei der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB handelt es sich um eine solche rechtsvernichtende Einwendung. Zu Recht rügt die Klägerin allerdings, dass die Kammer gerade nicht sämtliche tatsächlichen Grundlagen, die sie für die Sittenwidrigkeit herangezogen hat, insbesondere Preise von Vergleichsangeboten, aus dem Vortrag der Klägerin selbst entnommen, sondern diese selbst recherchiert hat.

Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist auch in der Sache nicht sittenwidrig. Entsprechenden Vortrag hat der Beklagte in der Berufung nachgeholt. Der Vertrag erweist sich jedoch auch auf der Grundlage des erweiterten aktenkundigen Sachverhalts nicht als sittenwidrig.

Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn das betreffende Rechtsgeschäft gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Die Vorschrift sichert ein im Rechtsverkehr zu wahrendes ethisches Minimum. Ihr Zweck ist es, Missbräuchen der Privatautonomie entgegenzuwirken und die Geltung von Rechtsgeschäften zu verhindern, die für die Rechtsgemeinschaft unerträglich sind, weil sie gegen deren ethische Wertvorstellungen – die guten Sitten – verstoßen (BeckOK BGB/Wendtland BGB § 138 Rn. 1, 2 m.w.N.).

Wucher im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB (als lex specialis zu Abs. 1) liegt – unabhängig von der Frage nach einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung – schon deshalb nicht vor, weil es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Klägerin eine Zwangslage, die Unerfahrenheit oder den Mangel an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche des Beklagten ausgenutzt hätte.

Ein wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB wird angenommen, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dafür ist derjenige, der sich auf Sittenwidrigkeit beruft, darlegungs- und beweisbelastet (Grüneberg/Ellenberger, 83. Aufl. § 138 Rn. 34 m.w.N.). Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, lässt dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu (Grüneberg/Ellenberger, a.a.O. Rn. 34a m.w.N.; BeckOK BGB/Wendtland BGB § 138 Rn. 61, 61.1). Dabei liegt ein auffälliges Missverhältnis vor, wenn der Wert der Leistung rund doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, wobei es jeweils auf die objektiven Werte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt (BGH, Urteil vom 19.01.2001 – V ZR 437/99;BGH, Urteil vom 05.10.2001 – V ZR 237/00; BGH, Urteil vom 18.12.2007 – XI ZR 324/06).Eine tatsächliche Vermutung für die verwerfliche Gesinnung besteht allerdings dann nicht, wenn es sich bei dem benachteiligten Vertragspartner um einen Kaufmann (§§ 1 Abs. 1, 5 HGB) handelt (BGH, Urteil vom 06.05.2003 – XI ZR 226/02 – „Benachteiligter“ war dort eine größere GmbH).

Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist nicht festzustellen. Es mangelt bereits an Vortrag der Beklagtenseite zum Wert der angebotenen Leistung der Klägerin.

Maßgeblich ist der objektive Wert der Leistung, wobei grundsätzlich der Marktwert für dessen Bestimmung ein geeignetes Mittel darstellt. Dabei wird der vereinbarte Betrag demjenigen gegenübergestellt, den die Mehrzahl der weiteren Anbieter für vergleichbare Leistungen verlangt (Marktwert; marktüblicher Preis). Ein generell überhöhtes Preisniveau vermag ein auffälliges Leistungsmissverhältnis nicht zu beseitigen. Lässt sich ein ortsüblicher Preis für eine Leistung nicht ermitteln, so kann sich die Sittenwidrigkeit aus einer Überschreitung der andernorts üblichen oder der angemessenen Vergütung ergeben (dazu: MüKoBGB/Armbrüster BGB § 138 Rn. 206).

Soweit das Landgericht als Vergleichsmaßstab die Preise von Fernuniversitäten nebst Sicherheitszuschlag bemüht hat, begegnet dies neben den genannten prozessualen auch inhaltlichen Bedenken. Wie die Kammer selbst geschrieben hat, findet in Fernunterrichtskursen und Universitäten Unterricht in größeren Gruppen statt. Sie sind auf die Erlangung eines Abschlusses gerichtet. Das Angebot von Fernuniversitäten mag durch hierfür ausgebildete Lehrende und durch eine gewisse staatliche Kontrolle bzw. Qualitätsstandards nachhaltiger und grundlegender sein, es verfolgt aber einen anderen Ansatz und ein anderes Ziel als das Angebot der Klägerin. Während die Fernunis auf eher klassischem Wege Wissen vermitteln wollen, versprechen Mentorenprogramme wie das der Klägerin den modernen (insbes. durch Nutzung von Social Media) und schnellen individuellen Erfolg. Abschlüsse und die Vermittlung von Grundlagenwissen sind weniger wichtig; wichtig ist vielmehr die Persönlichkeit des Mentors, dessen (jedenfalls vermeintlicher) wirtschaftlicher Erfolg und dessen Erfahrung, die dieser an die Teilnehmer weitergeben soll, um das Wachstum des konkreten Unternehmens schnell voranzutreiben (so auch die Klägerin in ihrer Berufungsschrift (S. 6 eAOLG): „Es geht also um praktisch anwendbares Know-how, das bei konsequenter Umsetzung zu einer merklichen Umsatzsteigerung führt.“).

Soweit sich der Beklagte in der Berufungserwiderung ebenfalls auf private Unternehmen und Akademien bis hin zu Universitäten und anderen Einrichtungen wie IHKs bezieht, die „genau das Gleiche“ anböten wie die Klägerin, geht dies zum Teil aus den oben genannten Gründen fehl; soweit sei sich auf private Anbieter wie die Haufe-Akademie bezieht (1.350 EUR für Neukundengewinnung und Akquisegespräche), ist auch dieses Angebot nicht vergleichbar. Die Klägerin bietet ein Zwölf-Monats-Mentoring an. Die genannte H.-Akademie nimmt beispielsweise 1.300 € plus MwSt. für fünf Stunden Coaching (Nachweis: Link zur Webseite der H.-Akademie).

Während damit einerseits der Beklagte nicht ausreichend zu Angeboten anderer Anbieter vorträgt, die eine wucherische Überhöhung des von der Klägerin verlangten Preises erkennen ließen, kann andererseits die Klägerin auf einen von dem OLG Köln entschiedenen Fall verweisen, der – wie sie behauptet – einen ihrem Angebot vergleichbaren Fall betraf (OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023 – 2 U 24/23). Dort ging es um ein Angebot namens „Coaching & Consulting Excellence“. Die Laufzeit betrug ebenfalls zwölf Monate. Die Vergütung für dieses Angebot lag im Jahr 2021 bei 4.165,00 € (brutto) pro Monat.

Dies spricht jedenfalls dafür, dass die Klägerin mit ihrer Preisgestaltung nicht unangemessen außerhalb des üblichen Rahmens liegt.

b. Der Vertrag ist nicht nichtig wegen Verstoßes gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG). Nach § 7 FernUSG ist ein Fernunterrichtsvertrag, der von einem Veranstalter ohne die nach § 12 Abs. 1 erforderliche Zulassung des Fernlehrgangs geschlossen wird, nichtig.

Ob das FernUSG auch auf Verträge zwischen Unternehmern Anwendung findet (wofür jedenfalls der uneingeschränkte Gesetzeswortlaut spricht; vgl. auch: OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023 – 3 U 85/22; diese Frage offenlassend OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023 – 2 U 24/23), braucht der Senat nicht zu entscheiden, denn bei den angebotenen Kursen der Klägerin handelt es sich nicht um Fernunterricht im Sinne des § 1 Abs. 1 FernUSG.

§ 1 Abs. 1 FernUSG lautet:

(1) Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der

1. der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und
2. der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.

Der Vertrag hat zwar zumindest auch die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zum Gegenstand. So gibt es nach dem Programm der Klägerin (Anlage K1) Mentoring-Termine etwa im „Verkauf“, „Vertrieb“, mit den Themen „Führung im Betrieb“, „Social Media Marketing“ und ähnlichem. Auch stellt sie z.B. ein Workbook zum Onlinekurs zur Verfügung. Dass es auch Präsenzveranstaltungen und unmittelbaren Austausch miteinander gibt, schließt eine Anwendung des FernUSG nicht aus („überwiegend“, Nr. 1). Eine Überwachung des Lernerfolgs im Sinne der Nr. 2 schuldet die Klägerin allerdings nach dem konkreten Vertrag nicht.

Zwar ist das Tatbestandsmerkmal weit auszulegen. In dem Urteil des BGH vom 15.10.2019 – III ZR 310/08 – heißt es insoweit:

„[19] (3) Der Gesetzgeber ging selbst bei der Formulierung des Gesetzes von einem umfassenden und weiten Verständnis des Begriffs der Überwachung des Lernerfolgs aus. Der Lehrende oder sein Beauftragter sollte sich dabei schriftlicher Korrekturen ebenso wie begleitender Unterrichtsveranstaltungen oder anderer Mittel bedienen können (BT-Dr 7/4245, S. 14). Deshalb kommt auch eine mündliche Kontrolle während eines begleitenden Direktunterrichts als hinreichende Überwachung des Lernerfolgs, z.B. durch Frage und Antwort, in Betracht (vgl. LG Frankfurt a. M., Urt. v. 10. 10. 1979 – 2/1 S 153/79, S. 5). Es ist ausreichend, wenn eine individuelle Anleitung des Lernenden vorgesehen ist (Bühler, Fernunterrichtsvertrag und Fern-USG, 1984, S. 94; Faber/Schade, Fern-USG, 1980, § 1 Rdnr. 15; Bartl, NJW 1976, 1993 [1994]), die eine Lernerfolgskontrolle ermöglicht (Faber/Schade, § 1 Rdnr. 16).

[20] (4) Da nach § 2 I i.V. mit § 1 I FernUSG eine Überwachung des Lernerfolgs nach dem Vertrag vorgesehen sein muss, kommt es für die Anwendung des Fernunterrichtsschutzgesetzes nicht darauf an, ob diese letztlich auch tatsächlich durchgeführt wird (Bühler, S. 94; Faber/Schade, § 1 Rdnrn. 14f.). Es reicht deshalb aus, dass nach dem Vertrag der Lernende das Recht hat, eine solche einzufordern, um den Lernerfolg kontrollieren zu lassen.

[21] Insgesamt ist deshalb eine Überwachung des Lernerfolgs nach § 1 I Nr. 2 FernUSG bereits dann gegeben, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, zum Beispiel in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten.“

Dies ist hier aber nicht der Fall. Der Beklagte hat nach dem Angebot der Klägerin nicht die Möglichkeit einer individuellen Kontrolle seines Lernerfolgs durch einen Lehrenden zu erhalten. Entsprechendes ergibt sich nicht aus dem Programm der Klägerin.

Zwar heißt es in der Broschüre Anlage K1 beispielsweise: „Schildere für alle Coaches so konkret, aber kompakt wie möglich, Deine aktuelle Situation und stelle gezielte Fragen zum weiteren Vorgehen.“ Es gebe „Feedback“ von Experten (Anlage K 1, Bl. 2), eine Teilnehmerin lobt „die Schnelligkeit der Antworten“ (Anlage K1, 7), als Inhalt der „Lektoring“-Einheit wird ein Telefonskript genannt (Anlage K1, Bl. 5). All dies impliziert eine gewisse Interaktion zwischen dem Dozenten und dem Teilnehmer, reicht aber – trotz geringer Anforderungen daran - nicht für die Annahme einer irgendwie gearteten Lernerfolgskontrolle aus. Begriffe wie „Studium“, Absolvent“, „Zertifikat“ (BGH, a.a.O.) oder ähnliches, die implizieren könnten, dass eine solche stattfinden würde, werden gerade nicht genannt. Das Programm ist schon seinem objektiven Inhalt nach nicht darauf gerichtet, dass ein bestimmter, objektiv messbarer Lernerfolg erzielt würde, sondern darauf, dass der Mentor sein persönliches Erfahrungswissen weitergibt. Die Geschäftsführerin der Klägerin hat im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Senat nachvollziehbar erläutert, wie die Interaktion der Mentoren und der Teilnehmer untereinander ausgestaltet ist. So sei es bei den Meetings so, dass die Mentoren ihre Erfahrungen teilten und ganz individuelle Fragen, die auch zuvor eingesandt werden könnten, beantworteten. Konkret angesprochen auf das Telefon-Skript (Anlage K1, Bl. 5) erklärte sie, dass im Rahmen der „Lektoring“-Stunden im Gegensatz zum „Mentoring“ keine Fragen gestellt werden könnten. Die Teilnehmer könnten hier – bei diesem Beispiel bleibend – ihr bisher genutztes Telefonskript einreichen und dieses werde dann “durchgegangen“. Die Coaches erläuterten, was sie ändern würden und gäben Tipps. Die Umsetzung des Gehörten liege jeweils an den Kunden selbst.

Danach fehlt es aber an einer Kontrolle eines abprüfbaren Lerninhaltes.

(Erlaubte) Verständnisfragen dergestalt, ob das Gehörte richtig verstanden worden sei, reichen für eine Lernerfolgskontrolle nicht aus. Zum einen ließe sich so jede Art Vortrag, der nur ein Mindestmaß an Fragestellung durch die Teilnehmer zulässt, in eine Lernkontrolle wandeln, zum anderen erfolgte diese im Rahmen einer Art Selbstkontrolle und nicht durch den Lehrenden oder Beauftragten, wie es aber der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG verlangt (so auch OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023 – 2 U 24/23). Deswegen wäre auch eine irgendwie geartete Kontrolle durch die Teilnehmer untereinander (etwa in Telegram-Gruppen) nicht geeignet, eine Kontrolle des Lernerfolgs im Sinne des FernUSG darzustellen.

Aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 01.03.2020 – 3 U 85/22 –, wonach das FernUSG auf einen Coaching-Vertrag anwendbar sei, ergibt sich schon deshalb nichts anderes, weil der dortige Sachverhalt sich von dem hiesigen unterscheidet. So gab es dort einen WhatsApp-Support, in dem Fragen gestellt werden konnten, und Zugang zu einer Akademie bestand, „die Videos, Checklisten und Prüfungen“ beinhalte. Ähnliches bietet hiesige Klägerin aber gerade nicht an.

3. Der Beklagte hat sich von dem Vertrag auch nicht lösen können. Weder hat er wirksam widerrufen (dazu unter a.) noch stand ihm ein Kündigungsrecht zur Verfügung (dazu unter b.).

a. Das Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge nach §§ 312c, g, 355 BGB gilt für Verbraucher. Der Beklagte hat nicht als Verbraucher den Vertrag abgeschlossen. Ein solcher ist nach § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Darlegungs- und beweisbelastet für seine Verbrauchereigenschaft ist der Beklagte.

Zwar hat der Beklagte erstinstanzlich vorgetragen (Bl. 20 eALG), er sei davon ausgegangen, dass der Vertrag „mit ihm selber“ abgeschlossen worden sei, zumal er die Leistungen ja auch nur persönlich hätte entgegennehmen können; damit greift er aber nicht durch. Die „persönliche Entgegennahme“ von Coaching-Inhalten liegt in der Natur der Sache. Der Coaching-Erfolg hätte aber dem Unternehmen des Beklagten zu Gute kommen sollen, dessen Wachstum er vorantreiben wollte. Die Zweckrichtung des Mentorings war der unternehmerischen Sphäre des Beklagten zuzurechnen. Nicht zuletzt hat der Beklagte telefonisch bestätigt, dass er als Unternehmer handele und hat ein Mitarbeiter der Klägerin darauf hingewiesen, dass diese nur im B2B-Bereich tätig sei.

Ein Widerrufsrecht ergibt sich auch nicht daraus, dass die Widerrufsbelehrung der Klägerin unklar gewesen wäre. Die Angaben auf ihrer Internetseite sind nicht irreführend. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass es dieser Art der Widerrufsbelehrung, in der von Verbrauchern die Rede ist, nicht bedurft hätte, weil die Klägerin nach eigenem Vortrag mit Verbrauchern keine Verträge schließt. Nicht ersichtlich ist allerdings, wie sich daraus ein Widerrufsrecht des Beklagten herleiten lassen sollte. Es wird zwar vertreten, dass die irrtümliche Belehrung über ein nicht bestehendes Widerrufsrecht als Angebot auf Einräumung eines vertraglichen ausgelegt werden kann (umstr., s. BeckOGK/Mörsdorf, BGB § 355 Rn. 37). Gegenüber einem Unternehmer kommt dies aber in der Regel nicht in Betracht (ebd.). Das gilt erst recht in einem Fall wie hier, in dem die Belehrung mit der Klarstellung verbunden war, dass ein Widerrufsrecht nur für Verbraucher und nicht auch für Unternehmer bestehe. Ein Widerrufsrecht nach § 4 FernUSG, § 355 BGB besteht nicht, weil es sich nicht um einen Fernunterrichtevertrag i.S.d. FernUSG handelt (s.o.).

b. Der Beklagte hat den Vertrag auch nicht wirksam gekündigt.

Zwar mag die Widerrufserklärung in eine Kündigungserklärung umgedeutet werden und hat der Beklagte mit der Klageerwiderung vom 28.09.2023 (Bl. 20f. eALG) erneut die Kündigung des Vertrages ausgesprochen, ihm stand aber kein Kündigungsrecht zur Seite.

Eine ordentliche Kündigung ist bei – wie hier – auf bestimmte Zeit geschlossenen Dienstverträgen grundsätzlich nicht möglich, § 620 Abs. 1 BGB.

Möglich bleibt allerdings eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund, § 626 BGB. Ein solcher ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vertragsreue und fehlende Liquidität stellen einen solchen wichtigen Grund jedenfalls nicht dar.

In Betracht kommt des Weiteren eine Kündigung wegen der Erbringung von Dienstleistungen höherer Art, § 627 BGB. Dienste höherer Art sind solche, die ein überdurchschnittliches Maß an Fachkenntnissen, Kunstfertigkeit oder wissenschaftlicher Bildung, eine hohe geistige Phantasie oder Flexibilität voraussetzen und infolgedessen dem Dienstpflichtigen eine herausgehobene Stellung verleihen. Für die Beurteilung, ob Dienste höherer Art geschuldet werden, ist die typische Situation, nicht der konkrete Einzelfall, entscheidend. Der klassische Anwendungsbereich des § 627 BGB liegt z.B. in qualifizierten Tätigkeiten, die den persönlichen Lebensbereich betreffen, insbesondere Ehe-, Partner- und Bekanntschaftsvermittler (MüKoBGB/Henssler BGB § 627 Rn. 22 f.). Die Tätigkeit vieler Unternehmensberater ist nicht nur Dienstleistung, sondern auch ein Vertrauensverhältnis i.S.d. § 627 BGB, dies jedenfalls dann, wenn und soweit einem solchen Berater auch Einblicke in interne Vorgänge gewährt werden, was nur bei vorhandenem Vertrauen möglich ist (s. OLG München, Urteil vom 10.01.2001 – 7 U 21005/00; OLG Hamm, Beschluss vom 22.01.2015 – 17 U 143/14). Wenn hingegen die Vermittlung von spezifischen Fertigkeiten im Vordergrund steht, so etwa bei bestimmten Formen des Coachings, kann nicht unbedingt von einem Kündigungsrecht nach § 627 BGB ausgegangen werden (OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023 – 2 U 24/23; LG Trier, Urteil vom 07.12.2016 – 5 O 128/16; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.09.2023 – 2-21 O 323/21).

Hier fehlt es jedenfalls an einer „besonderen Vertrauensstellung“, denn der Mentor erhält nicht, ähnlich einem Unternehmensberater, tiefe Einblicke in das Unternehmen, in Geschäftsgeheimnisse und Geschäftszahlen. Die Mentoring-Termine sind schlagwortartig beschrieben mit etwa „Mentoring – Verkauf, Vertrieb, Mindset, Skalierbarkeit, Unternehmertum, Onboarding, Recruiting und Führung im Vertrieb“, „Lektoring – Verkaufstext, Telefon-Skript, 33 gute Gründe etc.“ (Anlage K1, dort S. 5). Sie sind darauf ausgelegt, dass Erfahrungswissen weitergegeben wird oder Fragen zu konkreten Themen beantwortet werden, deren Umsetzung dann den jeweiligen Teilnehmern obliegt (s.o.). Eines besonderen Vertrauens des Dienstberechtigten in den Dienstverpflichteten bedarf es dabei nicht.

Für einen Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin auf Rückabwicklung des zustande gekommenen Vertrags aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 BGB wegen der Verletzung vorvertraglicher Beratungspflichten mangelt es an Vortrag des Beklagten und an sonstigen Anhaltspunkten. Jedenfalls gab es unstreitig ein telefonisches Beratungsgespräch.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

ArbG Berlin: Anstellungsvertrag des Verwaltungsdirektors des RBB wegen übermäßig hoher Ruhegeldansprüche nach § 138 BGB sittenwidrig und somit nichtig

ArbG Berlin
Urteil vom 01.09.2023
21 Ca 1751/23


Das ArbG Berlin hat entschieden, dass der Anstellungsvertrag des Verwaltungsdirektors des RBB wegen übermäßig hoher Ruhegeldansprüche nach § 138 BGB sittenwidrig und somit nichtig

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Kündigung des Verwaltungsdirektors des RBB

Das Arbeitsgericht Berlin hat heute die Klage des Verwaltungsdirektors des RBB in wesentlichen Teilen abgewiesen. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, der zuletzt zwischen den Parteien im Jahr 2018 geschlossene Dienstvertrag sei aufgrund der Regelungen zum nachvertraglichen Ruhegeld sittenwidrig im Sinne des § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und daher nichtig. Daher habe die Beklagte sich mit Schreiben vom 3. Februar 2023 einseitig von dem Vertrag mit dem Kläger lossagen können. Auf die Wirksamkeit der erklärten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Dienstverhältnisses kam es daher streitentscheidend nicht mehr an.

Auf Basis der vertraglichen Regelung sollte dem Kläger nach Ablauf des Vertrages – bereits vor Erreichen des Rentenalters – ein Ruhegeld gezahlt werden, ohne dass der Kläger hierfür eine Leistung hätte erbringen müssen. Das Ruhegeld errechnet sich auf der Grundlage des Vergütungsanspruchs des Klägers in Höhe von zuletzt ca. 20.900 EUR brutto monatlich. Daneben sollte der Kläger weitgehend auch aus anderen Quellen Einkünfte oder Versorgungen beziehen können, ohne dass diese auf das Ruhegeld anzurechnen gewesen wären.

Das Arbeitsgericht sah hierin in der Gesamtbetrachtung ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des Ruhegelds gehe weit über eine Kompensation für das Arbeitsplatzrisiko aufgrund der Befristung des Dienstvertrages für die Amtsdauer des Klägers als Verwaltungsdirektor hinaus. Die Vereinbarung des Ruhegelds widerspreche außerdem den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, an die die Beklagte gebunden sei. Schließlich gefährde der Vorwurf der Verschwendung von Rundfunkgebühren den Ruf und die Existenz des öffentlichen Rundfunks. Aufgrund der Nichtigkeit des Dienstvertrages habe der Kläger keinen Anspruch auf Ruhegeldzahlungen und Hinterbliebenenversorgung.

Die Widerklage der Beklagten hat das Gericht überwiegend abgewiesen. Ein Anspruch auf Rückzahlung der ARD-Prämie für den ARD-Vorsitz bestehe nur im Umfang von einem Drittel. Im Übrigen treffe die Beklagte ein Mitverschulden für das Zustandekommen der

Vereinbarung. Auch könne die Beklagte die Entgeltfortzahlung, die sie während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers in der Zeit des nichtigen Arbeitsvertrages geleistet hat, nicht zurückfordern.

Gegen diese Entscheidung ist für beide Parteien das Rechtsmittel der Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gegeben.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 01.09.2023, Az. 21 Ca 1751/23



OLG Hamm: Direktnachrichten über Soziale Medien, Portale und Messengerdienste sind elektronische Post im Sinne von § 7 UWG und ohne Einwilligung des Empfängers unzulässig

OLG Hamm
Hinweisbeschluss vom 17.05.2023
18 U 154/22


Das OLG Hamm hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass auch Direktnachrichten über Soziale Medien, Portale und Messengerdienste elektronische Post im Sinne von § 7 UWG darstellen und ohne Einwilligung des Empfängers unzulässig sind.

Aus den Gründen:
Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, nach der die Klägerin aus der Akquise-Vereinbarung keine Rechte herleiten kann, weil der Vertrag nichtig ist.

Gemäß § 134 BGB können Verträge nichtig sein, die zur Begehung unlauteren Wettbewerbs verpflichten. Voraussetzung hierfür ist, dass der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.1998 - I ZR 10/96, GRUR 1998, 945, beckonline; Senatsbeschluss vom 25.10.2021- 18 U 110/21, Rn. 46, juris; OLG; Frankfurt/M., Urteil vom 24.01.2018 - 13 U 165/16, NJW-RR 2018, 887, Rn. 43). Dies ist hier der Fall, weil die Akquise-Vereinbarung darauf gerichtet ist, unzulässige geschäftliche Handlungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. durchzuführen und damit zu einem wettbewerbswidrigen Handeln verpflichtet.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Berufungsbegründung der Klägerin gibt Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

a)

Auch hinsichtlich der Dienstleistung Chiffre-Kontakt liegt eine unzulässige geschäftliche Handlung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. vor.

Die erstmalige Kontaktierung der Inserenten über die einzelnen Portale seitens der Mitarbeiter der Klägerin, wie es in § 5 der Akquise-Vereinbarung vorgesehen ist und mit einem Anschreiben über die Kontaktformulare der jeweiligen Immobilienportale geschieht, verstößt gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F., weil die Inserenten die für eine solche Kontaktaufnahme per elektronischer Post erforderliche vorherige ausdrückliche Einwilligung nicht erteilt haben (vgl. Senatsbeschluss vom 23.12.2021- 18 U 110/21, Rn. 9, juris).

Die Auffassung der Klägerin, das Anschreiben über ein Internetportal stelle keine elektronische Post im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. dar, weil die Nachrichten nicht direkt an die potenziellen Verkäufer der Immobilien, sondern an die Internetportale verschickt würden, und aus dem gleichen Grund die Verbraucher auch nicht Adressaten im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. seien, geht fehl; sie ist insbesondere nicht mit dem Schutzzweck der Vorschrift vereinbar.

aa)

Der Begriff der "elektronischen Post" in § 7 Abs. Nr. 3 UWG a.F. ist unionsrechtskonform in Einklang mit Art. 2 S. 2 lit. h der RL 2002/58/EG (EK-DSRL - Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) auszulegen und umfasst daher "jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird". Durch die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 der RL 2002/58/EG, die den Begriff der elektronischen Post aufgreift und deren Verwendung reglementiert, sollen die Nutzer vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung geschützt werden (vgl. ErwG 40 der RL 2002/58/EG). Angesichts dieses Schutzzwecks befürworten sowohl der Bundesgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof bei Beantwortung der Frage, welche elektronischen Kommunikationsmittel unter elektronische Post zu fassen sind, eine weite und an die Entwicklung der Technologie angepasste Auslegung.

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 30.01.2020 (Az. I ZR 25/19, GRUR 2020, 420 - Inbox-Werbung I) dem Europäischen Gerichtshof zur Auslegung von Art. 2 S. 2 lit. h und Art. 13 Abs. 1 der RL 2002/58/EG sowie Nr. 26 des Anh. I der RL 2005/29/EG mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. In diesem Zusammenhang hat er auch Ausführungen zum Begriff der elektronischen Post gemacht: Es sei nicht ersichtlich, dass der Richtliniengeber angesichts der absehbar rasch fortschreitenden technischen Entwicklung den Begriff der elektronischen Post statisch auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie bekannten "klassischen" Formen der E-Mail, der SMS oder der MMS festschreiben wollte. Näherliegend sei, dass er im Interesse des Schutzes der Privatsphäre der Nutzer einen dynamischen und technikneutralen Begriff gewählt habe (vgl. Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 7 Rn. 186), der es beispielsweise ermögliche, auch die erst in jüngerer Zeit relevant gewordenen elektronischen Mitteilungen im Rahmen von sozialen Netzwerken zu erfassen (vgl. Büscher/Büscher, § 7 Rn. 200; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 7 Rn. 65; Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, § 7 Rn. 186). Denn die Privatsphäre der Nutzer elektronischer Kommunikationsmittel könne nicht nur durch im Wege der klassischen Formen der elektronischen Individualkommunikation wie E-Mail, SMS oder MMS übersandten unerbetene Nachrichten beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 30.01.2020 - I ZR 25/19, GRUR 2020, 420 Rn. 29, beckonline).

Der Europäische Gerichtshof hat anlässlich der Vorlagefragen durch Urteil vom 25.11.2021 diese Auffassung bestätigt und klargestellt, dass der Begriff der elektronischen Kommunikationsmittel aus technologischer Sicht entwicklungsfähig und mit Blick auf das Regelungsziel, dass den Nutzern der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste der gleiche Grad des Schutzes personenbezogener Daten und der Privatsphäre geboten werden soll, weit auszulegen sei (vgl. EuGH, Urteil vom 25.11.2021 - C-102/20, GRUR 2022, 87 Rn. 38, 39, beckonline).

Daher fallen unter den Begriff der elektronische Post im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. neben E-Mails, SMS und MMS auch sämtliche Nachrichten über Social Media-Dienste wie Xing, Facebook, LinkedIn oder WhatsApp (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 15.01.2019 - 3 U 724/18, GRUR-RR 2019, 170 Rn. 59, beckonline; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 264; Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 86).

Zwar handelt es sich bei dem Nachrichtendienst eines Immobilienportals nicht um einen Social-Media-Dienst. Die Funktionsweise des Postfachs ist jedoch dieselbe. Auch hier werden Nachrichten asynchron übermittelt und auf dem Server des jeweiligen Portalbetreibers für den jeweiligen Inserenten gespeichert, bis dieser sie abruft. Die Nachrichten erreichen den Nutzer in seinem eingerichteten und lediglich privat zugänglichen Postfach, das er über einen Nachrichten-Manager abrufen kann. Dementsprechend handelt es sich gleichermaßen um eine Art elektronischen Briefkasten. Angesichts des oben dargelegten Schutzzwecks des Art. 13 Abs. 1 RL 2002/58/EG kann daher für Nachrichten über Immobilienportale nichts anderes gelten als für Nachrichten über Social-Media-Dienste (oder per E-Mail).

bb)

Die Verbraucher sind weiter Adressaten im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. Die Argumentation der Klägerin, das Internetportal, an das die Nachrichten geschickt würden, sei der Adressat ihrer Nachrichten, ist nicht nachvollziehbar.

Adressat im Sinne der Vorschrift ist der Nutzer des Immobilienportals, den die Nachricht erreichen soll. Der Nutzer eines Immobilienportals erhält erst Zugang zu seinem Nachrichtenbereich, nachdem er seine Zugangsdaten und ein Passwort eingeben hat. Ihn erreichen die Nachricht also - wie oben dargelegt - in einem privaten Bereich, der ihm vorbehalten und für die Konsolidierung der privaten Inhalte in der Form der an ihn versandten Nachrichten bestimmt ist. Es ist ohne Belang, dass die Nachricht der Klägerin die Inserenten nicht "direkt", sondern über den Server des jeweiligen Internetportals erreicht.

cc)

Kontaktaufnahmen seitens der Klägerin, die darauf gerichtet sind, den Inserenten Maklerdienste anzubieten, sind auch bei Vorliegen eines grundsätzlichen Interesses des potentiellen Immobilienverkäufers an einer Kontaktaufnahme nicht von einer entsprechenden Einwilligung gedeckt. Grundsätzlich gilt: Hat ein Verbraucher eine Anzeige geschaltet, in der er eine Eigentumswohnung zum Verkauf anbietet und dabei zur Kontaktaufnahme seine Telefonnummer angibt, erklärt er seine ausdrückliche Einwilligung in Telefonanrufe von Kaufinteressenten, auch in solche von Maklern, die sich für ihre Suchkunden für die angebotene Wohnung interessieren. Telefonanrufe von Maklern, die darauf gerichtet sind, dem Inserenten Maklerdienste anzubieten oder mit diesem gar einen Maklervertrag zu schließen, sind von einer solchen Einwilligung nicht gedeckt (vgl. Senatsbeschluss vom 23.12.2021 - 18 U 110/21, Rn. 9, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.6.2018 - 8 U 153/17, NJW-RR 2018, 1263, beckonline). Auch die Bestimmungen der jeweiligen Portale sind nicht geeignet, die erforderliche Einwilligung des jeweiligen Nutzers zu ersetzen (vgl. Senatsbeschluss, a.a.O.).

b) Die Verschaffung der sog. Opt-Ins erfolgt ebenso unter Verstoß gegen die Vorschriften des UWG. Auch soweit sich auf die - wettbewerbswidrigen - Anschreiben die Inserenten melden und mit einer telefonischen Kontaktaufnahme einverstanden sind, kann sich die Klägerin nicht auf eine vorherige ausdrückliche Einwilligung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. in einen Telefonanruf zur Herbeiführung eines Opt-In berufen. Auf die nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.

c) Die in § 14 der Akquise-Vereinbarung enthaltene salvatorische Klausel steht der Gesamtnichtigkeit des Vertrags nach § 139 BGB nicht entgegen. Der nichtige Vertragsteil ist von derart grundlegender Bedeutung, dass die Aufrechterhaltung nur des Restgeschäfts nicht mehr als vom durch Vertragsauslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien umfasst angesehen werden kann. Denn hier sind gerade die entscheidenden wesentlichen Vertragsbestimmungen unwirksam. Ohne diese verliert der Vertrag seinen Inhalt.


OLG Hamm: Vertrag über Verkauf von Adressdaten nach § 134 BGB nichtig wenn er auf Kontaktaufnahmen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG abzielt

OLG Hamm
18 U 110/21
Beschluss vom 25.10.2021


Das OLG Hamm hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass ein Vertrag über den Verkauf von Adressdaten nach § 134 BGB nichtig ist, wenn er auf Kontaktaufnahmen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG abzielt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Landgerichts, wonach die Vereinbarung unwirksam ist, weil sie gegen § 134 BGB verstößt, nämlich darauf gerichtet ist, Kontaktaufnahmen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG durchzuführen. Es handelt sich damit um einen sog. Basisvertrag, der zu einem wettbewerbswidrigen Handeln verpflichtet. Derartige Verträge sind nach § 134 BGB nichtig, sofern der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt (BGH GRUR 1998, 945; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG vor § 1 Rn. 7.9). Das ist hier aus den vom Landgericht genannten Gründen der Fall.

1. Was die Verpflichtung der Klägerin zur Verschaffung sog. Opt-Ins angeht, so wird damit, wie vom Landgericht dargelegt, gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verstoßen, wobei sich die Beklagte mit der Eingehung der Vereinbarung selbst gem. § 8 Abs. 2 UWG Unterlassungsansprüchen aussetzte.

a) Die Klägerin kann sich nicht auf das Urteil des OLG Karlsruhe vom 12.6.2018 (Az. 8 U 153/17) berufen. Aus dieser Entscheidung ergibt sich, dass Einwilligungen von (Privat-)Inserenten mit einer telefonischen Kontaktaufnahme die Anrufe von Maklern nur dann decken, wenn diese lediglich als Käufermakler (für ihre „Suchkunden“) an sie herantreten (s.a. Münchener Komm. zum Lauterkeitsrecht/Leible, 3. Aufl., § 7 UWG Rn. 123).

Dass die Vereinbarung ausschließlich oder auch nur überwiegend diesem Zweck diente, trägt die Klägerin nicht vor und ergibt sich auch nicht aus der Vereinbarung selbst. Vielmehr ist in § 1 davon die Rede, dass es dem Makler „obliegt …, den Verkäufer von seinen Leistungen zu überzeugen …“. Daraus folgt, dass die Einholung der Einwilligungen zumindest auch dem Zweck dienen sollte, dass sich die Beklagte den Inserenten als Makler (auf Verkäuferseite) empfehlen konnte.

Den von der Klägerin vorgelegten Klauselwerken der einschlägigen Portale, namentlich den als Anlage K10 und K11 zum Schriftsatz vom 21.6.2021 zu den Akten gereichten „Datenschutzbestimmungen“, lässt sich nicht entnehmen, dass die Inserenten wirksam weitergehende Einwilligungen abgegeben hätten, die auch eine Nutzung der Daten zur Kontaktaufnahme durch die Klägerin (im Auftrag der Beklagten als eines dem Inserenten fremden Maklers) umfasst haben. Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung nunmehr auf die „Hinweise“ an die Nutzer in den Portalen L und „M“ verweist, ersetzen sie die erforderliche Einwilligung des jeweiligen Nutzers nicht. Abgesehen davon erfüllt die Kontaktaufnahme durch die Klägerin - für die Beklagte - auch nicht den Tatbestand einer Datenweitergabe „zur möglichen Vereinbarung eines Beratungstermins“ mit einem „mit L kooperierenden Makler“.

b) Soweit sich die Klägerin zum Beweis des Umstands, dass sich ein (jeder) verkaufswilliger Immobilieneigentümer, der seine Telefonnummer im Rahmen des Inserats angibt, in jegliche Kontaktaufnahme einwilligt, auf einen Zeugen A berufen hat, brauchte dem nicht nachgegangen zu werden. Das Beweisangebot ist ungeeignet, weil der Zeuge über die Bedeutung der individuellen Entscheidung ihm persönlich unbekannter Inserenten, ihre Telefonnummer anzugeben, keine Erkenntnisse haben kann.

c)Der Passus in der Vereinbarung, wonach die Beklagte „ggf. … auch selbst“ kaufe, rechtfertigt gleichfalls keine andere rechtliche Würdigung des Sachverhalts. Abgesehen davon, dass die Beklagte die Geltung dieses Passus mit der Begründung nachvollziehbar in Abrede stellt, sie sei (insgesamt) von dem angekreuzten „Nein“ umfasst, handelt sich dabei lediglich um die allgemeine Feststellung, dass für die Beklagte unter nicht näher benannten Umständen auch ein Eigenerwerb der inserierten Immobilien in Betracht komme. Der Abschluss der Vereinbarung mit der Klägerin diente aber offensichtlich nicht dazu, der Beklagten die Anschaffung eines eigenen Immobilien-Portfolios oder dessen Erweiterung zu ermöglichen, sondern der Ausweitung ihres Maklergeschäfts.

2. Was die Mitteilung der Chiffre-Kontakte angeht, so bestand die Dienstleistung der Klägerin in diesen Fällen nicht in der Mitteilung einer Telefonnummer, sondern des jeweiligen von ihr recherchierten bzw. anderweitig erworbenen Datensatzes der betreffenden Inserenten.

Die Übermittlung dieser Datensätze an die Beklagte diente erkennbar dem Zweck, ihr die Kontaktaufnahme zu den Inserenten zu Werbezwecken für ihre Maklertätigkeit unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG auch dann zu ermöglichen, wenn es an einer ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten in diese Werbung fehlte. Überdies erfolgte die Weitergabe der Daten unter Verstoß gegen die DSGVO.

Auch dieser Teil der Vereinbarung hat also gem. § 134 BGB keinen Bestand. Die Frage, ob bereits die Nichtigkeit der Verpflichtung zur Verschaffung der Opt-Ins gem. § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung führt oder ob dem § 15 („Salvatorische Klausel“) entgegensteht, bedarf deshalb keiner Beantwortung.

3. Zu Recht hat das Landgericht im vorliegenden Fall auch Ansprüche der Klägerin aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677ff. BGB) bzw. aus dem Bereicherungsrecht (§§ 812ff. BGB) verneint. Auf die Begründung wird verwiesen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Für Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist eine Gesamtschau aller Umstände bis zum Eintritt des Schadens beim konkret Geschädigten durchzuführen

BGH
Urteil vom 08.02.2022
VI ZR 543/20
BGB § 826

Der BGH hat entschieden, dass für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB eine Gesamtschau aller Umstände bis zum Eintritt des Schadens beim konkret Geschädigten durchzuführen ist.

Leitsatz des BGH:
Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen.

BGH, Urteil vom 8. Februar 2022 - VI ZR 543/20 - OLG Köln - LG Aachen

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Mönchengladbach: Ausländisches Online-Casino ohne deutsche Erlaubnis muss deutschem Spieler verlorene Einsätze von knapp 100.000 EURO erstatten

LG Mönchengladbach
Urteil vom 03.12.2021
2 O 54/21


Das LG Mönchengladbach hat entschieden, dass ein ausländisches Online-Casino ohne deutsche Erlaubnis einem deutschem Spieler verlorene Einsätze von knapp 100.000 EURO erstatten muss.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das Landgericht Mönchengladbach ist zuständig.

Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Mönchengladbach folgt aus Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 Brüssel la-VO/EuGVV0.

Der Kläger ist hier Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Denn Verbraucher ist eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient. Unzweifelhaft ist vorliegend keiner dieser Zwecke einschlägig, so dass der Kläger als Verbraucher zu behandeln ist. Dies hat die Beklagte auch letztlich nicht substantiiert in Abrede gestellt. Denn es ist unstreitig geblieben, dass der Kläger als städtischer Beamter zwar intensiv und – wie die Beklagte meint – professionell gespielt hat, dass dies aber eben kein Ausfluss seiner beruflichen Tätigkeit, sondern ein exzessiv betriebenes „Freizeitvergnügen“ war.

Vorliegend ist auch deutsches Recht anwendbar. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts folgt aus Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO, wonach bei Verträgen mit Verbrauchern das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorliegend – unstreitig – Deutschland. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. I lit. b) Rom I-VO liegen auch für die Beklagte vor. Denn die Beklagte hat hier im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit einen Vertrag mit einem Verbraucher geschlossen und dabei ihr Angebot u.a. auf das Land ausgerichtet, indem der Verbraucher, hier also der Kläger, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Denn sie hat ihr Internetangebot u.a. auf deutsch angeboten und im Übrigen auch keine technischen Vorkehrungen getroffen hat, um eine Spielteilnahme von Deutschland aus zu verhindern oder über die fehlende Legalität zumindest hinreichend präzise zu belehren, obwohl sie selbstverständlich faktisch wusste, dass eine große Anzahl der Spieler ihr Angebot von Deutschland aus genutzt hat.

Soweit es hier um die Rückabwicklung eines nichtigen Vertrages geht, unterfällt auch dies dem Vertragsstatut des Art. 6. An der Anwendbarkeit des deutschen materiellen Rechts ändert es auch nichts, dass die Beklagte ausweislich Ziffer 24 der Allgemeinen Vertragsbedingungen den Vertrag dem Recht von Gibraltar unterwerfen möchte. Denn diese Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, selbst wenn sie – vorgelegt wird nur die für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht relevante AGBFassung vom 10.11.2020 – auch schon 2005/2006 in dieser Form Teil der AGB gewesen wäre. Die §§ 305 ff. BGB bleiben hier anwendbar; denn gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-l-VO darf eine Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Nach ständiger

Rechtsprechung des BGH steIlt eine Rechtswahlklausel, die von einem ausländischen

Unternehmer gegenüber deutschen Kunden gestellt wird und die für alle Rechtsstreitigkeiten ausschließlich das ausländische Recht gelten lässt, eine unangemessene Benachteiligung zu Lasten des Verbraucher dar (vgl. BGH, Urt. V. 19. 7. 2012, I ZR 40/11, MMR 2013, 501 (504)). Die Überschrift „Anwendbares Recht" vermittelt dem Verbraucher dabei einen falschen Eindruck und hält ihn potentiell davon ab, geeignete RechtsschutzmögIichkeiten zu ergreifen, weil aus der pauscha!en Verweisung auf ausländisches Recht auch nicht hinreichend konkret erkennbar wird, in welchem Umfang verwiesen wird und welche Regelungen letztendlich Anwendung finden.

II.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 99.045,-- € aus § 812 Abs. 1 1 Satz 1 1. Var. BGB, da er seine Spieleinsätze bei der Beklagte ohne rechtlichen Grund getätigt hat. Denn der Vertrag über die Teilnahme an dem von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin betriebenen Online-Glücksspiel war gernäß § 134 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) nichtig. Danach ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Die Beklagte hat vorliegend gegen diese Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Onlineangebot auch Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen, vorliegend dem Kläger, zugänglich gemacht hat.

Im Einzelnen:

2. a) Die Beklagte hat die Differenz aus Einzahlungen und Auszahlungen hier ohne rechtlichen Grund erlangt, weil der zugrundeliegende Glücksspielvertrag nichtig im Sinne des § 134 BGB war. Der Kläger hat hier schlüssig vorgetragen, in dem streitgegenständlichen Zeitraum Verluste von 99.045,-- € bei Online Spielen, vor allem bei Online-Casino- Spielen der Beklagten bzw. genauer der ……erlitten zu haben. Die Beklagten hat die Summe als solche auch unstreitig gestellt – bzw. den ursprünglich versehentlich überhöhten Klagebetrag auf 99.045,-- € korrigiert – sie hat nur pauschal eingewandt, der Kläger habe bei ihr im streitgegenständlichen Zeitraum auch an angeblich legalen Sportwetten teilgenommen. Richtig ist, dass die Länder gemäß § 4 Abs. 5 GlüStV (2012) für die Durchführung oder Vermittlung von Sportwetten eine Erlaubnis erteilen können, es ist jedoch hier jedoch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Beklagte im Jahr 2018 über eine derartige Erlaubnis verfügt hätte.

Letztlich mag dies dahinstehen, denn hier ist im Ergebnis als unstreitig zu behandeln, dass die in Rede stehenden Verluste des Klägers ausschließlich bei Online-Spielen bzw. Online-Casino-Spielen bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten erfolgten. Das Gericht hat diese Frage im Termin mit den Erschienenen erörtert und den Kläger im

Einzelnen zu den verschiedenen, in Anlage K 1 der Klage aufgelisteten Spielen um Erläuterung gebeten. Der Kläger hat daraufhin nachvollziehbar und überzeugend klargestellt, dass es sich sämtlich um Online Spiele gehandelt habe und nicht um Sportwetten, mit denen er zwar ursprünglich im Jahre 2005/2006 begonnen habe, die im Zuge der Ausprägung seiner Spielsucht für ihn aber im streitgegenständlichen Zeitraum keine Rolle mehr gespielt hätten, weil Sportwetten keinen sofortigen Erfolg mit sich brächten, sondern im Regelfall auf ein frühestens am Folgetag stattfindendes Ereignis abgeschlossen würden. Auf weitere Nachfrage des Gerichts zu den scheinbar nach Sportwetten klingenden Spielen in der Liste, - wie z.B. „Football“ hat der Kläger nachvollziehbar erläutert, dass es sich auch insoweit um Online-Casinospiele handele, und es insoweit bei der Bezeichnung nur um die Dekoration oder Werbung des Spieltisches gegangen sei, teils hätten auch die Dealer an den Tischen dann entsprechende Trikots getragen. Diesem dezidierten Vortrag des Klägerseite ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten, insbesondere hat sie ihre diesbezügliche offenbar ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung, dass der Kläger im Jahr 2018 auch Sportwetten getätigt habe im Termin im Rahmen der ausführlichen Erörterung nicht substantiiert. Weder hat sie – obwohl die angebotenen Spiele von ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin angeboten wurden und sie daher über umfassende Kenntnis verfügt – erläutert, wann der Kläger nun welche Sportwette abgeschlossen haben soll, noch hat sie bestritten, dass es sich bei den nach Sportwetten klingenden Bezeichnungen tatsächlich nur um die Webenamen von Online-Casinotischen handelt. Mangels substantiierten Bestreitens ist damit vorliegend als unstreitig zu behandeln, dass der Kläger mit der vorliegenden Klage nur die Rückzahlung von Verlusten erstrebt, die aus dem Online-Casino der Electra Works Limited resultieren.

Diese Online Casino-Spiele sind gesetzwidrig, § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) normiert ein klares Verbot für Online-Casinos. Die nach gibraltarischem Recht erteilte Erlaubnis hilft der Beklagten insoweit nicht weiter, in Deutschland war das Angebot illegal. Der Kläger hat auch erläutert, nahezu ausschließlich von zu Hause aus am Handy (gelegentlich am PC) gespielt zu haben und ansonsten auch auf Spaziergängen mit seinem Hund die schnelle Verfügbarkeit des Online-Casinos genutzt zu haben. Die Beklagte hat zwar mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger stets aus NordrheinWestfalen gespielt hat, das reicht hier aber für einen Erfolg dieses Vorbringens nicht aus. Denn es ist nicht ersichtlich und wird von Beklagtenseite auch nicht geltend gemacht, dass der Kläger sich im streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt in einem Land aufgehalten hätte, indem das Online-Spielangebot der Beklagten legal ist, unabhängig davon, dass der Kläger auch schlüssig dargetan hat, wegen der sozialen Kontrolle weder auf der Arbeitsstelle noch im Urlaub gespielt zu haben.

Auch die von Beklagtenseite bemühte Erlaubnismöglichkeit im Rahmen des neuen GlüStV beseitigt die Nichtigkeit des Vertrages für das Jahr 2018 nicht, denn diese besteht – wenn überhaupt – ab dem 30.06.2021. Dabei ist für die Frage der Nichtigkeit eines Vertrages gemäß § 134 BGB auf den hier maßgeblichen Zeitraum 01.01.2018 bis 21.12.2018 abzustellen, da sich die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes grundsätzlich nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht richtet (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 12.11.2021, 1-12 W 13/21, Bl. 1182 ff. d. GA m.w.Nw.). Selbst im Fall der nachträglichen Aufhebung eines Verbotsgesetzes ist anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das zuvor unter Verstoß gegen das aufgehobene Gesetz abgeschlossen wurde, hiervon grundsätzlich unberührt bleibt (BGH NJW 2008, 3069, Rn. 14; NJW-RR 1997, 641, 642). Etwas anderes kommt – so auch das OLG Hamm in der vorzitierten Entscheidung – ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft gerade in der Erwartung und für den Fall geschlossen wird, dass das Verbotsgesetz aufgehoben werden wird (BGH WuM 2007, 440). Diese Voraussetzungen liegen indes im vorliegenden Fall ersichtlich nicht vor.

Soweit die Beklagte sich im Hinblick auf die sich in 2020 abzeichnende Gesetzesänderung auf eine aktive Duldung der Genehmigungsbehörden beruft, die die entsprechenden Anbieter zum 15.10.2020 aufgefordert hätten, das Internet-Glücksspielangebot einzustellen, um sodann perspektivisch ggf. eine Erlaubnis erhalten zu können, ändert dies ebenfalls nichts an der Gesetzwidrigkeit im Jahre 2018. Der von der Beklagten angestrengte Umkehrschluss einer aktiven Duldung auch für die Zeit vor dem 15.10.2020 erschließt sich dem Gericht insoweit bereits nicht, als das behördliche Übergangsregime erst im März 2020 vereinbart wurde und vorausschauend offenbar lediglich die Voraussetzungen für eine künftige

Erlaubniserteilung für die jeweiligen Anbieter regeln wollte. Zwar besteht nach der Neuregelung des GlüStV 2021 die Möglichkeit der Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet - § 4 Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2021 -, dass der Beklagten eine derartige Erlaubnis für den Betrieb von Online-Casinos erteilt worden wäre, trägt sie jedoch – unabhängig davon, dass dies die Illegalität der in 2018 angebotenen CasinoSpiele auch nicht rückwirkend beseitigen würde - selbst nicht vor.

Ebensowenig vermag das Gericht nachzuvollziehen, was die Beklagte aus den von ihr angeführten Formblättern des hessischen Innenministeriums ableiten möchte, schon der diesbezügliche Text als solcher gibt keine Hinweise auf die Erteilung der Konzession oder eine aktive Duldung.

Entgegen der von Beklagtenseite vertretenen Ansicht steht das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) auch im Einklang mit Unionsrecht (BGH, Urteil vom 28.09.2011, MMR 2012, 191; BVerwG, Urteil vom 26.10.2017, NVwZ 2018, 895, BVerwGE 160, 193). Ohne entsprechende Erlaubnis sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet weiterhin verboten, § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021. Hierzu führ das Bundesverwaltungsgericht in der vorstehend zitierten Entscheidung vom 26.10.2017 (dort Rn. 30 ff.) folgendes aus: „Wie der Senat…, das Bundesverfassungsgericht ... und der Europäische Gerichtshof ... zum damaligen § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 bereits entschieden haben, ist ein generelles Internetverbot für öffentliches Glücksspiel mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie mit Unionsrecht vereinbar. Mit dem Internetverbot werden in nicht diskriminierender Weise verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität, verfolgt. In der … Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass Glücksspiele im Internet die genannten Ziele in besonderem Maße gefährden, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt. Schon wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter bergen Online-Glücksspiele anders geartete und größere Gefahren des Auftretens krimineller Verhaltensweisen wie der betrügerischen Manipulation und der Geldwäsche. Zudem begründen die Eigenheiten des Internets, verglichen mit herkömmlichen Vertriebsformen, anders geartete und größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können ... Dass sich an diesem Befund zwischenzeitlich etwas geändert hätte, ist weder berufungsgerichtlich festgestellt noch vorgetragen oder im Hinblick auf die weiterhin bestehenden Besonderheiten des Internets sonst ersichtlich. Gerade in Anbetracht der spezifischen Gefahren, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind, haben die Länder das Internetverbot grundsätzlich beibehalten . .. Den spezifischen Sucht-, Betrugs-,Manipulations- und Kriminalitätspotenzialen der einzelnen Glücksspielformen soll nunmehr lediglich mit differenzierten Maßnahmen begegnet werden (§ 1 Satz 2 GlüStV 2012). .. Das Online-Verbot von Casinospielen und Poker hat der Gesetzgeber hingegen beibehalten, da bei diesen Spielen ein herausragendes Suchtpotenzial, eine hohe Manipulationsanfälligkeit und eine Anfälligkeit zur Nutzung für Geldwäsche bestünden (amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59). Ausgehend von den dargestellten legitimen Gemeinwohlzielen ist das Internetverbot auch nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag verfassungs- und unionsrechtskonform. Es schränkt zwar die durch Art. 56 f. AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit von Glücksspielanbietern ein, die … ihren Sitzgliedstaaten der Europäischen Union haben und ihre Dienstleistungen im Bundesgebiet erbringen wollen. Diese Beschränkung ist aber gerechtfertigt, weil sie auch im unionsrechtlichen Sinne verhältnismäßig und insbesondere geeignet ist, zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beizutragen. Es ist grundsätzlich Sache des Mitgliedstaates, das nationale Schutzniveau in Bezug auf Glücksspiele selbst zu bestimmen und die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen zu beurteilen ... Die staatlichen Stellen verfügen im besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben .... Das nationale Gericht muss eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen, unter denen die streitigen restriktiven Rechtsvorschriften erlassen und durchgeführt worden sind ... Ausgehend von diesen Maßstäben steht die Eignung des Internetverbots zur Verfolgung der legitimen Gemeinwohlziele des Glücksspielstaatsvertrages nicht in Zweifel. Der Europäische Gerichtshof hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass eine die Dienstleistungsfreiheit einschränkende Regelung nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden darf, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt ... Hingegen verpflichten die unionsrechtlichen Grundfreiheiten den Mitgliedstaat nicht zu einer sämtliche Glücksspielsektoren und föderale Zuständigkeiten übergreifenden Gesamtkohärenz glücksspielrechtlicher Maßnahmen .. . Das demgegenüber höhere Suchtpotenzial von Online-Casinospielen und Online-Poker haben die Länder in ihren amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag unter Bezugnahme auf eingeholte Studien und Berichte hinreichend dargestellt. Diese Glücksspiele weisen nach der entsprechenden Einschätzung der Länder außerdem eine gegenüber anderen Glücksspielangeboten höhere Anfälligkeit für Manipulationen und die Nutzung für Geldwäsche auf (vgl. amtl. Erl. S. 12 = LT-Drs. BW 1511570, S. 59). ...Insbesondere ist gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 3 GlüStV 2012 eine Erlaubnis für solche Online-Glücksspiele ausgeschlossen, bei denen besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung bestehen."


Die Einzelrichterin schließt sich dieser überzeugend und umfassend begründeten Ansicht zur unionsrechtlichen Konformität der Regelung des § 4 Abs. 4 GlüStV an.

b) § 4 Abs. 4 GlüStV erfordert also solches auch keinen subjektiven Tatbestand, so dass hier dessen objektive Verwirklichung, d.h. das Betreiben von OnlineGlücksspiel ohne behördliche Erlaubnis, für die Annahme eines Verbotsgesetzes im Sinne des § 134 BGB genügt, unabhängig davon, dass die Beklagte auch nicht ernsthaft geltend machen könnte, angesichts der von ihr selbst angeführten umfänglichen und professionellen anwaltlichen Beratung nicht zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt zu haben.

c) § 762 BGB steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, weil diese Norm auf gesetzwidrige, d.h. nichtige Spielverträge ohne behördliche Erlaubnis keine Anwendung findet (vgl. Palandt, BGB, 79 Auflage 2020, § 762 BGB Rn. 9 m.w.Nw.)

d) Die Beklagte kann sich hier auch nicht mit Erfolg auf den allgemeinen Ausschluss des § 814 BGB berufen. Denn ihr ist es – sie trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen des Ausschlusstatbestandes (vgl. BeckOK BGB, Stand 01.11.2021 § 814 BGB Rn. 15) – bereits nicht gelungen, konkrete Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Klägers von der Nichtschuld, d.h. hier von der Gesetzeswidrigkeit hinreichend substantiiert vorzutragen. Unabhängig davon ist sie diesbezüglich auch beweisfällig geblieben.

Im Einzelnen: Der Kläger hat insoweit angegeben, nichts von der Illegalität der OnlineCasino-Spiele gewusst zu haben. Diesbezüglich hat er nachvollziehbar geschildert, dass er ausgehend von gelegentlichen, legalen Sportwetten schrittweise zum Online Casino gekommen sei, das er neben den sogenannten Slider Games intensiv ab 2015 gespielt habe. Dabei sei es ihm vor allem um den schnellen Erfolg gegangen. Er habe seine zunehmende Sucht stets vor allen – sogar vor seiner Familie versteckt – und nie mit jemandem zusammen gespielt oder sich über das OnlineSpielen ausgetauscht. Schließlich habe er mit dem Rücken zu Wand gestanden und sei auch nicht mehr kreditwürdig gewesen. Er sei sodann am 21.12.2021 in einer ausweglosen Situation und akut suizidgefährdet gewesen, habe aber – glücklicher Weise an den Feiertagen sozial kontrolliert durch sein familiäres Umfeld – letztlich den anderen Weg gewählt und sich Hilfe gesucht. Erst dabei habe er von der Möglichkeit des charge back erfahren.

Der Kläger hat die Abläufe und seine damaligen Verhaltensweise im Termin nachvollziehbar, in sich stimmig und sehr überzeugend geschildert. Gerade ein in ein bürgerliches Umfeld eingebundener Familienvater wird nachvollziehbarer Weise kein Interesse daran haben, dass in seinem privaten oder beruflichen Umfeld bekannt wird, dass er – wie er deutlich formulierte – heimlich Haus und Hof verspielt. Die Beklagte hat demgegenüber nur pauschal eine Kenntnis des Klägers von der Nichtschuld behauptet und insoweit konkret lediglich auf ihre AGB Bezug genommen. Aus 2.1 der AGB der Beklagten lässt sich jedoch – selbst wenn der Kläger ihn gründlich gelesen hätte – nicht klar erkennen, dass das Nutzen eines Online-Casinos von NordrheinWestfalen aus illegal war und der Kläger insoweit für ihn erkennbar auf eine Nichtschuld leistete. Ausdrücklich erwähnt werden nur die USA, Polen und andere Länder, verbunden mit der Aufforderung an den Kunden, nur in den Ländern zu spielen, in denen dieses erlaubt ist. Diese AGB klärt den Kunden angesichts der komplexen und komplizierten Rechtslage in den verschiedenen Ländern bereits nicht hinreichend klar und deutlich über das Problem der Illegalität auf und lässt nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass er ein illegales Angebot nutzt. Stattdessen versucht die Beklagte hier nur mit vagen, insoweit bereits AGB-widrigen- Formulierungen das rechtliche Prüfungsrisiko auf den Kunden zu überbürden. Darüber hinaus hat der Kläger – ebenfalls unwidersprochen vorgetragen – seit 2005 unter derselben Kontonummer bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten angemeldet gewesen zu sein. Die Beklagte trägt hier nicht vor, wann sie 2.1 ihrer AGB erstmals in der vorliegenden Fassung ihren Verträgen zugrunde gelegt haben will, aber sollten diese bereits 2005/2006 bestanden haben, hätte der Kläger, der ehrlich angab, im Zweifel AGB akzeptiert zu haben, sicher aber nicht mehr erinnern zu können, diese AGB mehr als 1 Jahrzehnt vor seiner Online-Spielleidenschaft „abgehakt“. Insoweit lässt sich angesichts der komplexen Rechtslage hieraus nicht ernsthaft eine Kenntnis des Klägers erkennen. Dies gilt auch für den von der Beklagten vorgelegten Medienspiegel (vgl. Anlage B 23, Bl. 808 ff. d. GA) der sich teilweise auf Berichte nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum bezieht, nur vereinzelt Berichte vor Ende des streitgegenständlichen Zeitraumes aufführt, bei denen jedoch nicht erkennbar ist, warum diese dem Kläger bekannt geworden sein sollen und der sich im Übrigen auf auf Gerichtsentscheidungen beschränkt, die einem Laien erst Recht nicht bekannt sein müssen.

Auch im Übrigen vermag die Argumentation der Beklagten nicht zu überzeugen. So macht sie selbst im vorliegenden Verfahren unter Berufung auf ihr großes Team aus Juristen und juristischen Professoren unter Rückgriff auf angebliche aktive Duldungen, deren Rückwirkung und den Verstoß deutschen Rechts gegen die

Dienstleistungsfreiheit nachdrücklich geltend, ihr Angebot sei mitnichten illegal. Wenn das das Prüfungsergebnis eines großen in dieser Materie erfahrenen Teams an Juristen ist, wie soll dann der Verbraucher – selbst wenn er nicht spielsüchtig wäre – die rechtlichen Konsequenzen dieser komplexen Materie überblicken. Nach alledem hat die Beklagte weder schlüssig dargetan noch bewiesen, dass der Kläger in Kenntnis von der Nichtschuld auf diese geleistet hat.

d) Ebenso wenig kann die Beklagte sich hier mit Erfolg auf den Kondiktionsausschluss des § 817 Satz 2, 2. Hs. BGB berufen. Nach dieser Norm ist eine Rückforderung zwar ausgeschlossen, wenn dem Leistenden – hier also der Kläger - gleichfalls ein Gesetz- oder Sittenverstoß zur Last fällt, weder vermag das Gericht jedoch zu erkennen, dass die Beklagte einen Gesetzesverstoß des Klägers substantiiert vorgetragen oder unter Beweis gestellt hätte, noch geht die Unterzeichnerin davon aus, dass § 817 BGB auf Fälle wie den vorliegenden überhaupt Anwendung fände, weil § 817 BGB insoweit teleologisch zu reduzieren ist.

Im Einzelnen:

Die bereicherte Beklagte trägt als Diejenige, die auf die rechtshindernde Einwendung der der Kondiktionssperre beruft, die Darlegungs- und Beweislast. Zu diesen Voraussetzungen gehört auch soweit man hier auf § 284 StGB abstellt, das vorsätzliche Handeln auf Seiten des Leistenden. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar vorgetragen, dass ihm die Illegalität seines Handelns nicht bewusst gewesen sei. Ihm ist insoweit auch zuzugestehen, dass die Rechtslage ausgesprochen komplex war und die deutschsprachige AGB eines großen, aus der Werbung bekannten Unternehmens sowie öffentliche und aggressive, direkt an den

Spieler gerichtete Werbemaßnahmen bis hin zu Anrufen, die die Beklagte nicht in Abrede gestellt hat, dem Kunden den Eindruck der Professionalität und Legalität vermitteln. Wie bereits ausgeführt hat die Beklagte – der Verweis auf Ziffer 24 der AGB führt wie ausgeführt nicht weiter - nichts dargetan, was auch nur einen bedingten Vorsatz des Klägers erkennen ließe.

Im Übrigen wäre der Kläger strafrechtlich für seine Handlungen auch nicht verantwortlich, es fehlt bereits an der Zurechenbarkeit und der subjektiven Tatseite (vgl. dazu OLG Hamm aaO). Denn der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum ohne jeden Zweifel spielsüchtig. Zwar hat die Beklagte dies zulässig mit Nichtwissen bestritte, unstreitig ist jedoch geblieben, welch enorme Summe der Kläger in den Jahren 2015 bis Ende 2018 zum Spielen aufgewandt hat , wie sich seine finanzielle Situation dadurch entwickelte und wie sehr das Spielen seinen Alltag dominierte. Der

Kläger hat plastisch und im Termin unwidersprochen das Ausmaß seiner

Spielleidenschaft dargelegt, bei der es sich – selbst für den Laien erkennbar – um eine krankhafte Spielsucht handelte. Allein die verspielte Summe von ca. einer halben Million und die Bereitschaft einer ruhigen, vernunftbegabten Person, Haus und Hof einzusetzen dokumentieren diesen seelisch krankhaften Zustand ebenso eindrucksvoll wie die – unstreitig gebliebene – Schilderung morgens bereits im Bad und auf dem Hundespaziergang gespielt, sich private Darlehen mit falschen Angaben erschlichen zu haben und sich letztendlich in einer scheinbar aussichtslosen Situation manövriert zu haben.

Unabhängig davon findet nach der hier vertretenen Ansicht § 817 BGB vorliegend ohnehin keine Anwendung, weil sein Anwendungsbereich teleologisch zu reduzieren ist. Der BGH hat eine teleologische Reduktion der Kondiktionssperre bereits für die die nach einem Schneeballsystem organisierten „Schenkkreise" angenommen und hält insoweit eine „schutzzweckorientierte Einschränkung für geboten, und zwar auch für den Fall, dass sich der Leistende der Einsicht der Sittenwidrigkeit möglicherweise leichtfertig verschlossen hat. Diesbezüglich hat der BGH ausgeführt, dass die Kondiktionssperre nicht dazu führen dürfe, dass die Initiatoren der „Spiele", die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder im Ergebnis behalten dürften (BGH NJW 2006, 45, Rn. 12). Auch innerhalb der Leistungskondiktion sei der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenden Norm maßgebend, der nicht konterkariert werden dürfe (BGH NJW 2008, 1942, Rn. 10). Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass das den Schenkkreisen zugrundeliegende Schneeballsystem nicht ohne weiteres mit den zufälligen Gewinnen oder Verlusten eines Online-Casinos vergleichbar ist, dennoch sind die vom BGH aufgeführten Rechtsgedanken aus der vorzitierten Entscheidungen auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn auch hier geht es um eine schutzzweckorientierte Einschränkung der Norm, damit die Initiatoren der Spiele nicht die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder im Ergebnis behalten dürfen. Soweit dem entgegengehalten wird, dies ermögliche für den Spieler ein risikoloses Spielen (vgl. LG München BeckRS 2021,11488) verkennt diese Argumentation, dass dies in die Risikosphäre desjenigen fällt, der derartige Spiele illegal veranstaltet ohne eine ausschließlich legale Nutzung technisch sicher zu stellen oder zumindest durch hinreichend klare Hinweise klarzustellen, dass eine Nutzung in dem jeweiligen Land illegal sind.

Auch die Entscheidung des BGH vom 30.07.1968 (BeckRS 1968, 31177398) spricht nicht gegen eine grundsätzliche Einschränkung der Kondiktionssperre für den Bereich der Online-Glücksspiele, da es bei der dortigen Entscheidung auf den Schutzzweck des hier maßgeblichen § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) nicht ankam.

Der Rückzahlungsanspruch ist vorliegend auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit ausgeschlossen.

Es trifft zwar zu, dass ein widersprüchliches Verhalten rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 242 BGB sein kann. Dies gilt insbesondere für die Fälle des „venire contra factum proprium", wenn also für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist (BGH NJW 1985, 2589, 2590; 1986, 2104, 2107) oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Es muss objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens vorliegen, weil das frühere Verhalten mit dem späteren unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig sind (BGH NJW 2016, 3518, 3520). Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagte kann indes schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Interessen der Beklagte nicht als vorrangig schutzwürdig i.S.v. § 242 BGB (vgl. OLG Hamm, aaO). Dies gilt erst Recht als bei dem Kläger – die Beklagte hat seinen dezidierten Vortrag zu seinem Spielverhalten und dessen Auswirkungen nicht in Abrede gestellt – erkennbar spielsüchtig war als er an den hier in Rede stehenden Spiele teilnahm.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Hamm: Werbevertrag mit nordrhein-westfälischer Großstadt ist kein Scheingeschäft

OLG Hamm
Urteil vom 25.09.2020
12 U 91/18


Die Pressemitteilung des Gerichts:

Werbevertrag mit nordrhein-westfälischer Großstadt ist kein Scheingeschäft

Der Werbevertrag einer nordrhein-westfälischen Großstadt mit einem Bochumer Unternehmen stellt kein Scheingeschäft dar. Dies hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm heute entschieden.

Die klagende Großstadt aus Nordrhein-Westfalen schloss mit der Beklagten, die ihren Sitz in Bochum hat und sich mit der Überlassung von gesponserten Kraftfahrzeugen an Leistungssportler und Funktionäre befasst, im Jahr 2004 einen mit “Werbevertrag“ überschriebenen Vertrag.

Mit diesem Vertrag verpflichtete sich die Beklagte, alle über die Kfz-Zulassungsstelle der klagenden Großstadt zugelassenen Kraftfahrzeuge mit einem 30 cm x 5 cm großen Werbeaufkleber der klagenden Großstadt, den diese zur Verfügung stellen sollte, zu versehen. Die Beklagte sollte für jedes während der Vertragslaufzeit über die Kfz-Zulassungsstelle der Beklagten zugelassene Kfz, das mit einem entsprechenden Werbeaufkleber versehen worden ist, 8,70 Euro netto erhalten. Die Beklagte ließ bis Anfang des Jahres 2016 Fahrzeuge über die Kfz-Zulassungsstelle der Klägerin zu.

Die klagende Großstadt verlangt in dem vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten die Rückzahlung von in den Jahren 2013, 2014 und 2015 nach diesem Werbevertrag geflossenen Zahlungen von insgesamt gut 225.000 €. Ihre Forderung begründet sie damit, dass die Beklagte die von ihr zugesagten und in diesen Jahren abgerechneten Werbeleistungen nicht erbracht habe, weil die Werbeaufkleber auf den zugelassenen Fahrzeugen nicht angebracht worden seien.

Dagegen hat sich die Beklagte auf den Standpunkt gestellt, der Werbevertrag sei nur der Form halber aufgesetzt worden, um die Zahlungen an sie als Kostenposition haushaltsmäßig besser darstellen zu können.

Die klagende Großstadt habe vom hohen Wiedererkennungswert der typischen Nummernschilder für die Stadt profitieren wollen und auch ein Interesse gehabt, die Einnahmen aus den Zulassungskosten von etwa 26,00 € pro Fahrzeug, insgesamt also bis zu einer Viertelmillionen Euro pro Jahr, zu erhalten. Die Aufkleber seien nur eine zusätzliche Idee gewesen, um die Leistungspflicht der Beklagten nach außen und für den schriftlichen Vertrag etwas handfester und griffiger definieren zu können. Allein aus der Tatsache, dass die Klägerin über viele Jahre hinweg Quartal für Quartal Rechnungen in jeweils vier- bis fünfstelliger Höhe erhalten und anstandslos bezahlt habe, obwohl sie gewusst habe, keine weiteren Aufkleber mehr geliefert zu haben, ergebe sich, dass die Aufkleber von untergeordneter Bedeutung gewesen seien und die klagende Großstadt stets davon ausgegangen sei, die Beklagte habe lediglich die Pflicht gehabt, die Fahrzeuge in der Großstadt zuzulassen.

Das Landgericht Bochum hat die zunächst nur auf die Zahlungen für die Jahre 2013 und 2014 gerichtete Klage mit Urteil vom 06.06.2018 abgewiesen (Az. I-13 O 13/17). Zur Begründung hat es ausgeführt, der “Werbevertrag“ aus dem Jahr 2004 habe nicht den tatsächlich getroffenen Vertragsabsprachen entsprochen. Insbesondere sei die Regelung zur Anbringung der Werbeaufkleber – wie sich aus den Aussagen von vernommenen Zeugen ergebe – nur zum Schein getroffen worden, um eine nach dem Gebührenrecht unzulässige Reduzierung der gesetzlich bundesweit vorgeschriebenen Zulassungsgebühren zu verschleiern.

Die Berufung der klagenden Großstadt gegen dieses Urteil hatte ganz überwiegend Erfolg. Die Großstadt könne – so der Senat – die Rückzahlung von insgesamt gut 225.000 € für die Jahre 2013 bis 2015 verlangen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts handele es sich bei dem “Werbevertrag“ aus dem Jahr 2004 nicht um ein zum Schein abgeschlossenes Geschäft.

Dass die Vereinbarung „Vergütung gegen Aufkleber“ nicht dem wirklichen Willen der Parteien entsprochen habe, sei insbesondere den Aussagen der bereits vom Landgericht vernommenen Zeugen nicht zu entnehmen. Vielmehr spreche unter anderem die Bestellung von 13.200 Aufklebern zu Beginn des Vertragsverhältnisses eher dafür, dass der abgeschlossene “Werbevertrag“ – jedenfalls zunächst – tatsächlich gelebt worden sei. Dass das Anbringen der Aufkleber später eingestellt worden oder eingeschlafen sei, lasse keinen Rückschluss auf den Willen der Parteien bei Abschluss des Vertrags zu.

Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Abschluss des “Werbevertrags“ gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe oder sittenwidrig sei. Insbesondere ein zur Unwirksamkeit des Werbevertrags führendes gesetzliches Verbot, Zulassungsgebühren nicht unterhalb der in der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr festgesetzten Gebühren zu erheben, sei nicht zu erkennen. Soweit sich bei einer wirtschaftlichen Betrachtung eine geringere Zahlungspflicht der Beklagten ergeben habe, sei es den Parteien zwar offensichtlich darum gegangen, der Beklagten einen finanziellen Anreiz zu schaffen, ihre Fahrzeuge bei der Klägerin zuzulassen. Dieser Anreiz sei aber über den Werbevertrag geschaffen worden, dessen Inhalt an sich nicht gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung verstoße und dessen (indirekte) Koppelung an die Zulassung nicht im krassen Widerspruch zum Gemeinwohl stehe. Der klagenden Großstadt seien die Zulassungsgebühren im gesetzlich festgesetzten Umfang zugekommen und der gezahlten Vergütung habe nach dem Vertrag eine (Werbe-)Leistung gegenübergestanden.

Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25.09.2020 (Az. 12 U 91/18, OLG Hamm)


OLG Frankfurt: Markenlizenzvertrag nicht allein aufgrund 57-jähriger Laufzeit sittenwidrig - es ist auf verbleibende wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Markeninhabers abzustellen

OLG Frankfurt
Urteil vom 30.01.2020
6 U 94/18


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Markenlizenzvertrag nicht allein aufgrund einer 57-jährigen Laufzeit sittenwidrig ist. Es kommt - so das Gericht - darauf an, ob dem Markeninhaber genügend wirtschaftliche Bewegungsfreiheit verbleibt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"b) Die Verträge sind auch nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig.

aa) Mit diesem Einwand ist die Klägerin - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht präkludiert. Sie hat bereits in der Klageschrift (S. 16) dargelegt, dass eine Gesamtvertragsdauer von 57 Jahren sittenwidrig und damit nichtig wäre. Jedenfalls der vor Schluss der erstinstanzlichen Verhandlung gehaltene Vortrag ist daher zu würdigen.

bb) Die Voraussetzungen des § 138 I BGB liegen nicht vor. Dies gilt auch dann, wenn man - entsprechend der Auslegung des Landgerichts - davon ausgeht, dass die beiden Verträge (Lizenzvertrag und Ergänzungsvertrag) als Einheit mit einer 57-jährigen Laufzeit auszulegen sind. Ein Vertrag kann wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn ein Vertragsteil übermäßig in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit beeinträchtigt wird (sog. Knebelung) und ihm hierfür kein auch nur annähernd angemessener Ausgleich gewährt wird (BGH WM 2019, 419 Rn. 17 m.w.N.). Hierfür ist eine Gesamtwürdigung der vertraglichen Vereinbarung und der zum Vertragsschluss führenden Umstände erforderlich. Die lange Vertragslaufzeit für sich alleine kann eine solche Knebelung im Streitfall nicht begründen. Eine lange Laufzeit mag von vornherein problematisch sein bei formularmäßigen Vereinbarungen (vgl. BGH NJW-RR 2012, 626). Vorliegend handelt es sich unstreitig um individuell ausgehandelte Verträge.

cc) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf die Rechtsprechung zu Bierbezugsverträgen. Eine Sittenwidrigkeit i.S. des § 138 Abs. 1 BGB wird bei diesen Verträgen angenommen, wenn durch die Ausschließlichkeitsbindung die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit des Gastwirts in unvertretbarer Weise eingeengt und er dadurch in eine mit den Anschauungen des redlichen geschäftlichen Verkehrs nicht mehr zu vereinbarende Abhängigkeit zur Brauerei gerät. Eine 20-jährige Bindung geht hierbei bis an die äußerste Grenze des in Ausnahmefällen noch Zulässigen (BGH, Urt. v. 14.6.1972 - VIII ZR 14/71 -, juris). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Markenlizenzvertrag nicht übertragbar. Ein entsprechendes Abhängigkeitsverhältnis bestand schon deshalb nicht, weil die Klägerin während der Vertragslaufzeit nicht vollständig an der Nutzung ihrer Markenrechte und damit in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit beschränkt war. Die Exklusivlizenz bezog sich nur auf bestimmte Geschäftsfelder, nämlich auf Parfümerien, Körperpflegemittel und Kosmetika (Klassen 3, 21). Viele der NIKOS und SCULPTURE-Marken sind hingegen für weitere Waren- und Dienstleistungsklassen, insbesondere für die Klasse 25 (Bekleidung) registriert (vgl. Anlage SR1 a.E.). Unstreitig war und ist die Klägerin in diesem Warensegment geschäftlich tätig und kann hierfür ihre Marken alleine benutzen. Eine übermäßige Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Kosmetiksektor zu den bestimmenden Geschäftsfeldern der Klägerin gehört hätte. Dies ist nach dem nicht präkludierten Vortrag der Parteien nicht ersichtlich.

dd) Es kann mangels konkreter Anhaltspunkte auch nicht davon ausgegangen werden, dass die vereinbarte Umsatzlizenz der Höhe nach in sittenwidriger Weise marktübliche Lizenzsätze unterschritt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin am Tag des Abschlusses des Lizenzvertrages von der Beklagten ein zinsloses Darlehen in Höhe von DM 1 Mio. gewährt wurde. Die Sittenwidrigkeit lässt sich auch nicht damit begründen, dass die unter der Marke vertriebenen Parfumwaren zunächst im Hochpreissegment angeboten wurden und inzwischen über Drogeriemärkte verkauft werden. Der wirtschaftliche Erfolg einer Markennutzung lässt sich naturgemäß über lange Zeiträume schlecht einschätzen. Dies macht eine jahrzehntelange Bindung des Lizenzgebers jedoch nicht sittenwidrig.

c) Die Klägerin hat das Vertragsverhältnis jedoch wirksam außerordentlich gekündigt. Die Klägerin hat den Ergänzungsvertrag mit Anwaltsschreiben vom 10.7.2017 „wegen der Nichterreichung der Umsatzschwelle von DM 25 Mio.“ mit sofortiger Wirkung gekündigt (Anlage SR13).

aa) Dauerschuldverhältnisse kann nach § 314 BGB jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

bb) Dieses Recht gilt - entgegen der Ansicht des Landgerichts - unabhängig von den im Ergänzungsvertrag vorgesehenen Regelungen zur Vertragsbeendigung. Es kommt deshalb nicht maßgeblich darauf an, ob das Nichterreichen der Umsatzschwelle auf „nachgewiesenem Verschulden“ der Beklagten beruht (Ziff. 11 Abs. 2). Zwar kann das Kündigungsrecht nach § 314 BGB individualvertraglich beschränkt, aber nicht völlig ausgeschlossen werden (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 314 Rn. 3). Es kann auch nicht so weit beschränkt werden, dass es faktisch kaum mehr zur Anwendung kommen kann. Unzumutbar und unwirksam ist daher die Voraussetzung des „nachgewiesenen Verschuldens“. Bei einer Vertragslaufzeit von insgesamt 57 Jahren muss es dem Rechteinhaber möglich bleiben, den Lizenzvertrag wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung zu kündigen, wenn der Lizenznehmer - sei es aus Desinteresse, fehlendem kaufmännischen Geschick oder geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen - die Umsatzerwartungen ständig erheblich unterschreitet.

cc) Der Ergänzungsvertrag sah in Ziff. 5 vor, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Rückübertragung der Marken verpflichtet ist, wenn sie mit den Produkten nach 5 Vertragsjahren (also ab 1998) einen geringeren jährlichen Nettoumsatz als DM 25 Mio. (= € 12,78 Mio.)erzielt. Der Netto-Jahresumsatz der Beklagten mit den Markenprodukten blieb in den vergangenen 15 Jahren stets unterhalb von € 10 Mio. (LGU 4). Dies stellt einen hinreichend wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Zwar ist nach § 314 II BGB die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig, wenn der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag besteht. Ein vertragswidriges Verhalten des Gegners berechtigt im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses gleichwohl zur fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung, wenn die Vertrauensgrundlage der Rechtsbeziehung derart erschüttert ist, dass sie auch durch die Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann (BGH WM 2004, 828). Davon muss - schon im Hinblick auf den laufenden Rechtsstreit - ausgegangen werden. Es ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten auch nicht behauptet, dass in Zukunft mit Nettoumsätzen in vertragsmäßiger Höhe zu rechnen ist. Eine Abmahnung war daher entbehrlich.

d) Es kommt damit nicht auf die die zwischen den Parteien streitige Auslegungsfrage an, ob der Lizenzvertrag aus 1992, der nach Ziff. 10 bis zum 30.6.2017 laufen sollte, durch Ziff. 11 des Vertrages vom 6.4.1993 bis zum Jahr 2050 verlängert wurde oder ob der Ergänzungsvertrag lediglich der Absicherung eines Darlehens diente bzw. eine nur für bestimmte neue Marken geltende Zusatzabrede darstellte. Es bedarf auch keiner Entscheidung über den im Eventualverhältnis stehenden Antrag zu 2.

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte außerdem Anspruch auf eine Aufstellung der mit den gekennzeichneten Produkten erwirtschafteten Mengen und Verkaufswerte im angegebenen Zeitraum (Antrag zu 3.). Auch insoweit war das Urteil des Landgerichts abzuändern. Der Anspruch ergibt sich aus nach Ziff. 8a des Lizenzvertrages. Es fehlt nicht an der Fälligkeit des Anspruchs. Mit Email vom 27.3.2017 hat die Klägerin eine Frist bis zum 15.4.2017 gesetzt, nicht - wie vom LG angenommen - bis zum 15.4.2018. Die Frist war daher bereits bei Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung abgelaufen.

4. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auskunft über die nach Beendigung des Vertrages noch verkauften Markenwaren sowie über die Vorräte nach §§ 242, 259 BGB (Anträge zu 4. und 5.). Insoweit war die Berufung zurückzuweisen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Vertragsverhältnis auch nach seiner Beendigung bestimmte Nachwirkungen haben und eine Grundlage für Auskunftsansprüche hinsichtlich der ordnungsgemäßen Abwicklung bilden kann (vgl. BGH NJW 1982, 1807; BGHZ 61, 176, 179). Die begehrten Auskünfte sollen der Durchsetzung möglicher Folgeansprüche wegen Verletzung der Markenrechte nach Beendigung des Lizenzvertrages und Ablauf der nach § 12 a) des Lizenzvertrages vorgesehenen Aufbrauchfrist dienen. Der Auskunftsanspruch könnte als akzessorischer Hilfsanspruch nur zugesprochen werden, wenn entsprechende Folgeansprüche feststünden. Hierfür fehlt es an ausreichenden Darlegungen. Darauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Die Klägerin hat nicht im einzelnen dargelegt, aus welchen Schutzrechten ihr im Zuständigkeitsbereich des erkennenden Gerichts Schadensersatzansprüche zustehen. Zur Durchsetzung etwaiger Unterlassungsansprüche benötigt die Klägerin die Auskünfte nicht. Die Beklagte bestreitet nicht, Benutzungshandlungen über den 15.7.2017 hinaus vorgenommen zu haben."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




OLG Frankfurt: Vertrag über Verkauf von Adressdaten die ohne Zustimmung nach § 28 BDSG erfasst wurden ist sittenwidrig - Keinerlei Ansprüche aus Vertragsverhältnis

OLG Frankfurt
Urteil vom 24.01.2018
13 U 165/16


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Vertrag über Verkauf von Adressdaten, die ohne Zustimmung nach § 28 BDSG erfasst wurden, sittenwidrig und die Vertragsparteien keinerlei Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis geltend machen können. Dies gilt sowohl für Zahlungsansprüche, Gewährleistungsansprüche und Schadensersatzansprüche.

Die Pressemitteilung des Gerichts:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG): Keine Ansprüche trotz anstößiger Datennutzung

OLG erklärt Verkauf von Adressdaten wegen fehlender Einwilligung nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) für unwirksam und weist Ansprüche trotz vertragswidriger Nutzung durch Dritte für anstößige Werbe-E-Mails zurück.

Die Klägerin handelt mit Adressdaten. Sie nimmt den beklagten Insolvenzverwalter der vormals ebenfalls mit Adressdaten handelnden Schuldnerin auf Schadensersatz und Unterlassen in Anspruch. Der Geschäftsführer der Klägerin war zuvor Geschäftsführer der Schuldnerin. Er hatte am Tag der Insolvenzeröffnung vom Beklagten verschiedene Internet-Domains einschließlich der über diese generierten Adressen für 15.000 € gekauft. Die Daten befanden sich ursprünglich auf zwei Servern der Schuldnerin und wurden auf einem USB-Stick übergeben. Die Server selbst, auf denen die Daten weiterhin rekonstruierbar lagen, wurden vom Beklagten an eine ebenfalls mit Adressen handelnde dritte Firma verkauft. Diese nutzte nach dem Vortrag der Klägerin rund eine Million Adressen, um Werbe-E-Mails für die Internetseite sexpage.de zu versenden.

Die Klägerin klagt nunmehr aus abgetretenem Recht ihres Geschäftsführers. Sie ist der Ansicht, die von ihr erworbenen Adressen hätten durch die erfolgte Nutzung für die Internetseite sexpage.de 2/3 ihres Wertes verloren. Der Beklagte müsse deshalb den Kaufpreis anteilig an sie zurückzahlen. Zudem sei er verpflichtet, die weitere Nutzung dieser Adressdaten zu unterlassen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte vor dem OLG Erfolg. Der Klägerin, so das OLG, stünden keinerlei vertragliche Ansprüche zu. Der Kaufvertrag sei vielmehr insgesamt nichtig, da die Adressinhaber in den Verkauf ihrer Daten nicht wirksam eingewilligt hätten. Der Vertrag verstoße gegen die Vorgaben des BDSG. Die Nutzung sogenannter personenbezogener Daten sei nur zulässig, wenn der Betroffene einwillige oder das so genannte Listenprivileg eingreife. „Name, Postanschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse einer Person“ stellten „klassische“ personenbezogene Daten dar. Auch der einmalige Verkauf derartiger Daten - wie hier - unterfalle dem Adresshandel im Sinne von § 28 Abs. 3 S. 1 BDSG dar. Das so genannte Listenprivileg nach § 28 Abs. 3 S. 2 BDSG greife nicht, da es sich nicht um „zusammengefasste Daten von Angehörigen einer bestimmten Personengruppe“ handele.

Eine Einwilligung nach dem BDSG sei, betont das OLG, „nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht, der auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie (...) auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung“ hingewiesen wird. Sie müsse grundsätzlich schriftlich abgegeben werden. Außerdem sei sie „besonders hervorzuheben“, wenn sie - wie hier - zusammen mit anderen Erklärungen erteilt werde. Nach dem von der Klägerin selbst vorgetragenen Wortlaut der Einwilligungserklärung seien jedoch weder die betroffenen Daten noch Kategorien etwaiger Datenempfänger oder der Nutzungszweck - Adresshandel - konkret genug bezeichnet worden. Es fehle zudem die erforderliche Hervorhebung.

Der Vertrag verpflichte die Parteien darüber hinaus „systematisch“ zu einem unlauteren wettbewerbswidrigen Verhalten, so dass auch deshalb von einer Gesamtnichtigkeit auszugehen sei. Die Zusendung von Werbe-E-Mails ohne Einwilligung stelle eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar.

Soweit der Beklagte zwar im Ergebnis in Höhe des erlangten Kaufpreises ungerechtfertigt bereichert sei, begründe dies allein ebenfalls keinen Rückzahlungsanspruch der Klägerin. Ein derartiger Anspruch sei hier vielmehr ausgeschlossen, da beide Vertragsparteien vorsätzlich gegen die zwingenden Vorgaben des BDSG verstoßen hätten. Bei gesetzeswidrigen Verträgen versage § 817 Abs. 1 BGB jede Rückabwicklung. Wer sich dennoch auf ein derartiges Geschäft einlasse, „leistet auf eigenes Risiko“, betont das OLG.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig; die Klägerin kann Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 24.01.2018, Az. 13 U 165/16
(vorausgehend Landgericht Darmstadt, Urteil vom 21.07.2016, Az. 16 O 272/11)

Erläuterungen:
§ 28 BDSG Datenerhebung und -speicherung für eigene Geschäftszwecke
...
Die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke des Adresshandels oder der Werbung ist zulässig, soweit der Betroffene eingewilligt hat und im Falle einer nicht schriftlich erteilten Einwilligung die ver-
antwortliche Stelle nach Absatz 3a verfährt. Darüber hinaus ist die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten zulässig, soweit es sich um listenmäßig oder sonst zusammengefasste Daten über Angehörige einer Personengruppe handelt, die sich auf die Zugehörigkeit des Betroffenen zu dieser Personengruppe, seine Berufs-, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung, seinen Namen, Titel, akademischen Grad, seine Anschrift und sein Geburtsjahr beschränken, (…)
§ 7 UWG Unzumutbare Belästigungen
(1) Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.

(2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen

1.(...)

3.bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt (…)

§ 817 BGB Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten
War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet. Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.

OLG Köln: Verletzung der Marke Vorwerk durch Nutzung der Domain keine-vorwerk-vertretung.de für Verkauf von Gebrauchtstaubsaugern und Zubehör

OLG Köln
Urteil vom 30.09.2016
6 U 131/15


Das OLG Köln hat entschieden, dass eine Verletzung der Marke Vorwerk vorliegt, wenn die Domain keine-vorwerk-vertretung.de für den Verkauf von Gebrauchtstaubsaugern und Zubehör genutzt wird.


Aus den Entscheidungsgründen:

"a) Soweit das Landgericht den Beklagten den Betrieb eines Onlineshop für Staubsauger und Staubsaugerzubehör unter der Domain „keine-vorwerk-vertretung.de“ untersagt hat, hat die Berufung des Beklagten keinen Erfolg. Grundsätzlich steht der Klägerin wegen dieser Domain in der Form, wie sie der Beklagte derzeit benutzt, ein Anspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 MarkenG zu.

aa) Die Marke DE 1019711 „VORWERK“ ist eine bekannte Marke im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Nachdem dies erstinstanzlich seitens des Beklagten zunächst bestritten worden war, hat er sein Bestreiten in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20. Juli 2015 (Bl. 247 d. A.) ausdrücklich aufgegeben und diesen Umstand unstreitig gestellt. Das Landgericht konnte dies noch nicht berücksichtigen, ist aber aufgrund des Parteivorbringens von einer bekannten Marke ausgegangen. Im Berufungsverfahren kann schon aufgrund des – nunmehr zu berücksichtigenden – Schriftsatzes vom 20. Juli 2015 ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass es sich um eine bekannte Marke handelt. Unproblematisch ist ferner, dass der Beklagte das Zeichen für die Bewerbung von identischen Waren einsetzt, da § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG über seinen Wortlaut hinaus auch in dieser Konstellation anwendbar ist (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl. 2010, § 14 Rn. 1282 m. w. N.).

bb) In der Domain „keine-vorwerk-vertretung.de“ liegt eine Benutzung der Wortbildmarke „Vorwerk“ der Klägerin. Grundsätzlich ist für die Benutzung eines Domainnamens anerkannt, dass in ihr eine kennzeichenmäßige Verwendung liegen kann, wenn der Verkehr darin keine bloße Adressbezeichnung, sondern den Hinweis auf das Unternehmen oder auf die betriebliche Herkunft von Waren oder Dienstleistungen sieht. Domainnamen, die zu einer aktiven, im geschäftlichen Verkehr verwendeten Homepage führen, kommt in der Regel neben der Adressfunktion eine kennzeichnende Funktion zu (BGH, GRUR 2009, 1055 Tz. 49 – airdsl; GRUR 2013, 638 Tz. 27 – Völkl; Senat, GRUR 2015, 596, 599 – kinderstube; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, nach § 15 Rn. 117 m. w. N.).

Der Beklagte verteidigt sich in erster Linie damit, bei der Domain handele es sich um eine Abgrenzungsformulierung, nicht um eine Bestimmungsangabe im Sinn des § 23 MarkenG. Zutreffend ist, dass es nach zwei Entscheidungen des OLG Hamburg an einer markenmäßigen Benutzung fehlen soll, wenn ein Zeichen genutzt wird, um sich in einer Domain allein vom Zeicheninhaber abzugrenzen (OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 178 – Schufafreie Kredite; MMR 2004, 415 – awd-aussteiger.de). Die erste Entscheidung betraf unter anderem Domains mit Bezeichnungen wie „krediteschufafrei.de“, unter der Kredite angeboten wurden, deren Vergabe angeblich nicht von einer SCHUFA-Auskunft abhänge. Die zweite Entscheidung betraf eine Internetseite, unter der ein ehemaliger Mitarbeiter des Markeninhabers ein Forum betrieb, auf dem er sich kritisch mit dem Geschäftsmodell des Markeninhabers auseinandersetzte. Nur die erste der beiden Entscheidungen betraf eine bekannte Marke im Sinn des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.

Allgemein ist von einem markenmäßigen Gebrauch auszugehen, wenn das Zeichen in einer Weise verwendet wird, dass es im Rahmen des Produktabsatzes die gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen von Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen unterscheidet. Für den Anwendungsbereich des Art. 5 Absatz 2 der Markenrechtsrichtlinie, auf dem § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG beruht, reicht es nach der Rechtsprechung des EuGH aber auch aus, dass die beteiligten Verkehrskreise das Kollisionszeichen wegen der hochgradigen Ähnlichkeit gedanklich mit der bekannten Marke verknüpfen (EuGH, GRUR 2004, 58 Tz. 39 – Adidas/Fitnessworld). Selbst wenn der angesprochene Verkehr daher davon ausgeht, das mit dem beanstandeten Zeichen versehene Produkt stamme nicht aus dem Unternehmen des Zeicheninhabers, genügt es, wenn er aufgrund der Ausgestaltung dieses Produkts eine gedankliche Verbindung mit dem Zeicheninhaber herstellt (BGH, GRUR 2005, 583, 584 – Lila Postkarte). Ob eine solche gedankliche Verknüpfung gegeben ist, ist eine tatrichterlich zu beurteilende Frage, bei deren Entscheidung alle relevanten Umstände des konkreten Falls zu berücksichtigen sind. Hierzu gehören der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, die Art der fraglichen Waren und Dienstleistungen einschließlich des Grades ihrer Nähe, das Ausmaß der Bekanntheit der Klagemarke, ihre originäre oder durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft und das Bestehen von Verwechslungsgefahr (BGH, WRP 2015, 1477 = GRUR 2015, 1214 Tz. 32 – Goldbären, m. w. N.).

Die Berufung zeigt keine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Landgerichts gebieten, dass die angesprochenen Verkehrskreise zwischen der beanstandeten Domain „keine-vorwerk-vertretung.de“ und der Marke DE 1019711 „VORWERK“ eine gedankliche Verknüpfung herstellen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Der Beklagte benutzt das Zeichen im Zusammenhang mit dem Vertrieb der von ihm angebotenen Zubehörprodukte zu den Produkten der Klägerin. Es liegt daher Warenidentität vor, und in der Domain wird das Wortelement „Vorwerk“ identisch wiederholt. Die Zusätze „keine … Vertretung“ sind rein beschreibend, da der Verkehr ihnen allenfalls entnehmen kann, dass der Beklagte kein offizieller Vertreter der Klägerin ist. Sie besagen aber nicht – und sind vom Beklagten auch nicht so gemeint –, dass unter dieser Domain keine Waren angeboten werden, die mit denen, zugunsten derer die Marke Schutz genießt, identisch sind. Sie schließen nicht einmal aus, dass der Verkehr annimmt, die dort angebotenen Produkte seien Originalprodukte der Klägerin, die eben nur von einem freien Händler angeboten werden, so dass in diesem Sinn auch Verwechslungsgefahr besteht. Dies genügt, um eine gedankliche Verknüpfung herzustellen.

In anderem Zusammenhang beruft sich der Beklagte selber darauf, dass die Benutzung der beanstandeten Domain für ihn ein wertvoller Besitzstand sei. Damit räumt er im Ergebnis ein, dass er diese Domain gerade im Rahmen seiner kommerziellen Kommunikation zur Bewerbung seines mit dem Angebot der Klägerin konkurrierenden Produktangebots einsetzt (vgl. EuGH, GRUR 2010, 445 Tz. 50 ff. – Google France). Unerheblich ist dabei die zwischen den Parteien streitige Frage, in welchem Umfang der Beklagte Originalprodukte der Klägerin vertreibt. Selbst wenn sein Sortiment, wie er erstmalig in der Berufungsinstanz behauptet hat, etwa zu einem Drittel Originalprodukte umfassen sollte, würde es immer noch zum weit überwiegenden Teil Produkte von konkurrierenden Herstellern umfassen, die lediglich mit denen der Klägerin kompatibel sind.

Die beiden Entscheidungen des OLG Hamburg, auf die sich der Beklagte stützt, betrafen dagegen anders gelagerte Sachverhalte. In beiden Fällen diente die Benutzung des Zeichens ausschließlich zur negativen Abgrenzung von dem Angebot des Zeicheninhabers; auf keiner der beanstandeten Seiten wurden Produkte oder Dienstleistungen angeboten, die in einem Konkurrenzverhältnis zu den Produkten oder Dienstleistungen des Zeicheninhabers standen, während hier der Beklagte unter der beanstandeten Domain gerade Konkurrenzprodukte zu denen der Klägerin vertreibt.

Auf der Grundlage der zitierten Rechtsprechung des OLG Hamburg, wonach es an einer zeichenmäßigen Verwendung des beanstandeten Zeichens fehle, wenn es allein zur Abgrenzung vom Zeicheninhaber genutzt würde, könnte allenfalls in Erwägung gezogen werden, dass die Benutzung der Domain für einen Internetauftritt zulässig wäre, auf dem ausschließlich Staubsauger von anderen Herstellern und ausschließlich Zubehör und Ersatzteile für diese Staubsauger, nicht jedoch für die der Klägerin, angeboten würden. Ein solcher Sachverhalt wird jedoch von dem Klageantrag zu I.1 in der Fassung, die ihm die Klägerin auf Anregung des Senats gegeben hat, nicht mehr erfasst. Hierbei handelte es sich um eine reine Klarstellung, da nach Aktenlage der Beklagte in seinem Shop ausschließlich Produkte anbietet, die auf die der Klägerin bezogen sind. Produkte für konkurrierende Staubsaugerhersteller werden dort nicht angeboten, wie der Beklagte ausdrücklich erklärt hat (S. 5 des Schr. v. 6. 2. 2014 = Bl. 116 d. A.). Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin dem Beklagten die Verwendung der Domain auch für einen Shop verbieten wollte, der nichts mit ihren Produkten zu tun hat. Eine inhaltliche Veränderung der Reichweite des Unterlassungstenors ist daher mit der Neufassung des Antrags nicht verbunden.

Die Frage, ob insbesondere die Entscheidung OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 178 – Schufafreie Kredite zur Benutzung eines mit einer bekannten Marke ähnlichen Zeichens mit den nachfolgend ergangenen Entscheidungen des EuGH und des BGH vereinbar ist, bedarf somit an dieser Stelle keiner Entscheidung.

cc) Die Frage, ob die Benutzung der Marke der Klägerin in der beanstandeten Form berechtigt ist, ist daher nach § 23 Nr. 3 MarkenG zu beurteilen. Nach dieser Bestimmung darf die Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil benutzt werden, soweit die Benutzung dafür notwendig ist und die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. Grundsätzlich ist die Benutzung einer Marke notwendig, wenn eine Dienstleistung oder Zubehör allein für ein Produkt einer bestimmten Marke angeboten wird (BGH, GRUR 2011, 1135 Tz. 20 f. – GROSSE INSPEKTION FÜR ALLE).

Allerdings verstößt die konkrete Benutzung durch den Beklagten gegen die guten Sitten im Sinne des § 23 MarkenG. Dieses Merkmal entspricht inhaltlich dem in Art. 6 Abs. 1 MarkenRL verwendeten Begriff der anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel. Der Sache nach darf der Dritte den berechtigten Interessen des Markeninhabers nicht in unlauterer Weise zuwiderhandeln (EuGH, GRUR Int. 1999, 438 Tz. 61 – BMW/Deenik). Derjenige, der sich auf die privilegierte Benutzung beruft, muss alles getan haben, um eine Beeinträchtigung der Interessen des Markeninhabers nach Möglichkeit zu vermeiden. Hierfür ist eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls erforderlich. Der Dritte handelt unter anderem dann den berechtigten Interessen des Markeninhabers in unlauterer Weise zuwider, wenn er die Wertschätzung einer bekannten Marke in unlauterer Weise ausnutzt. Im Rahmen der Schutzschranke des § 23 Nr. 3 MarkenG kommt es dabei maßgeblich auf die Aufmachung an, in der die fremde Marke zur Angabe der Bestimmung der eigenen Produkte verwendet wird. Die fremde Marke darf nicht für Werbezwecke eingesetzt werden, die über die mit der notwendigen Leistungsbestimmung einhergehende Werbewirkung hinausgehen (BGH, GRUR 2011, 1135 Tz. 23 f. – GROSSE INSPEKTION FÜR ALLE). Der Händler ist, wie Hacker es formuliert, auf das „unbedingt notwendige Minimum an Markenverwendung“ beschränkt (Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl. 2015, § 24 Rn. 52).

Eine Verwendung als Teil der Domain geht über die notwendige Leistungsbestimmung deutlich hinaus. Es ist völlig ausreichend, wenn der Beklagte auf dem Text seiner Internetseite den entsprechenden Hinweis erteilt. Auch hier gilt wiederum, dass der Beklagte selber darauf verweist, die Domain stelle einen schutzwürdigen Besitzstand für ihn da, mit anderen Worten, sie entfaltet eine besondere Werbewirkung, die über die reine Verwendung der Marke der Klägerin auf der Seite hinausgeht. Dies ist auch nachvollziehbar, da beispielsweise in Suchergebnislisten regelmäßig der Name der Domain genannt wird und allein deshalb eine erhebliche Werbewirkung ausübt.

Daher ändert auch das Argument des Beklagten, mit jeder „Abgrenzungsformulierung“, wie sie die Klägerin regelmäßig von ihm verlange, begebe er sich in den Schutzbereich der bekannten Marke der Klägerin, nichts an diesem Ergebnis. Auch insoweit gilt, dass der Beklagte das Zeichen nur insoweit verwenden darf, wie es für die notwendige Abgrenzung erforderlich ist. Die Grenze ist ebenso zu ziehen wie bei der Verwendung des Zeichens als notwendige Inhaltsbestimmung."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Kein sittenwidriger Vertrag wenn Diamandohringe mit Herstellungspreis von 102.000 EURO für 268.000 EURO verkauft werden

OLG Hamm
Urteil vom 08.11.2016
7 U 80/15


Das OLG Hamm hat entschieden, dass kein sittenwidriger Vertrag vorliegt, wenn Diamandohringe mit Herstellungspreis von 102.000 EURO für 268.000 EURO verkauft werden. Der Vertrag ist somit gültig und nicht nach § 138 BGB nichtig.

Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

Nur zwei Diamant-Ohrringe oder schon ein Pärchen?

Ein Kunde, der - u.a. als Wertanlage - beim Juwelier zwei Diamantohrringe als Pärchen erwirbt, muss sich an dem Kaufvertrag festhalten lassen, wenn die sachverständige Klassifizierung der Schmuckstücke die Pärchen-Eigenschaft bestätigt und kein grobes Missverhältnis zwischen
dem Wert der Schmuckstücke und dem Verkaufspreis besteht. Das hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08.11.2016 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Münster - im Ergebnis - bestätigt.

Im Jahr 2011 erwarb der Kläger aus Dötlingen beim beklagten Juweliergeschäft aus Münster - auch als Wertanlage - zwei Diamantohrringe zum Kaufpreis von 268.000 Euro. Die Ohrringe verkaufte die Beklagte unter Aushändigung zweier internationaler Expertisen als Pärchen (Anm.: Die Pärchen-Eigenschaft beschreibt einen werterhöhenden Faktor, wenn die Steine in den
Klassifizierungskategorien und in optischer Hinsicht gut zusammenpassen).

Nach der Einholung weiterer Expertisen hat der Kläger behauptet, die ihm verkauften Ohrringe seien kein wertsteigerndes Pärchen. Sie seien von schlechterer Qualität und üblicherweise für 130.000 bis 160.000 Euro zu erwerben. Der Kläger hat gemeint, von der Beklagten über den Markt- und Verkaufswert der Schmuckstücke getäuscht worden zu sein. Er hat deswegen die Anfechtung des Kaufvertrages erklärt und diesen aufgrund eines Missverhältnisses zwischen dem vereinbarten
Kaufpreis und dem Wert der Ohrringe zudem als sittenwidrig und damit nichtig angesehen.

Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Klage ist erfolglos geblieben. Dabei konnte der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm offen lassen, welche Angaben der Beklagten den Kläger zum Abschluss des Kaufvertrages veranlasst hatten. Der Kläger habe bereits nicht nachweisen können, so der 7. Zivilsenat, dass es sich bei den in den Ohrringen verarbeiteten Diamanten um kein Pärchen handle. Der vom Senat beauftragte Sachverständige habe
vielmehr festgestellt, dass die Steine nach den maßgeblichen Expertisen internationaler Institute ein Pärchen seien, weil sie in den Klassifizierungskategorien und auch optisch gut zusammenpassten.
Schließlich gehe ein vom Kläger vorgelegtes Privatgutachten ebenfalls von der Pärchen-Eigenschaft der Steine aus, auch wenn es deswegen nur einen geringeren Preisaufschlag als gerechtfertigt ansehe.

Der Kaufvertrag sei auch nicht sittenwidrig. Zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem Wert der Ohrringe bestehe kein grobes, besonders auffälliges Missverhältnis. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens könne nicht festgestellt werden, dass der von den Parteien vereinbarte Kaufpreis deutlich über denjenigen Preisen liege, die andere Händler im Jahre 2011 für dieselben Ohrringe verlangt hätten. So habe der Sachverständige den Herstellungspreis auf 102.000
Euro geschätzt, hinzu kämen Verkaufsaufschläge des Herstellers und Endhändlers. Dabei könne ein Händler auch einen Aufschlag in Höhe des gezahlten Einkaufspreises veranschlagen.

Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 08.11.2016 (7 U 80/15), nicht rechtskräftig (BGH VIII ZR 280/16)

BGH-Entscheidung zur Versteigerung von Luxusprodukten mit einem Startpreis von 1 Euro bei eBay liegt im Volltext vor

BGH
Urteil vom 28.03.2012
VIII ZR 244/10
BGB §§ 138, 280, 281, 434, 442
Vertu-Handy bei eBay


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: 23.218 EURO Schadensersatz für Versteigerung eines gefälschten Vertu-Handys bei eBay - auch bei 1 EURO-Startpreis muss Originalware geliefert werden" über diese Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:
a) Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot eines Bieters ein dem (angenommenen) Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters.

b) Aus einem geringen Startpreis (hier: 1 €) bei einer Internetauktion ergeben sich keine Rückschlüsse auf den Wert des Versteigerungsobjekts.

c) Ob und mit welchem Inhalt bei einer Internetauktion durch die Angebotsbeschreibung des Anbieters eine Beschaffenheitsvereinbarung mit dem Meistbietenden zustande kommt, ist unter umfassender Würdigung der abgegebenen Willenserklärungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

d) Grob fahrlässige Unkenntnis des Käufers von der Unechtheit eines im Internet unter Angabe des Markennamens versteigerten Luxusobjekts kann nicht mit der Begründung bejaht werden, es sei erfahrungswidrig, dass ein solcher Gegenstand mit einem Startpreis von nur einem Euro angeboten werde.
BGH, Urteil vom 28. März 2012 - VIII ZR 244/10 - OLG Saarbrücken - LG Saarbrücken

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: 23.218 EURO Schadensersatz für Versteigerung eines gefälschten Vertu-Handys bei eBay - auch bei 1 EURO-Startpreis muss Originalware geliefert werden

BGH
Urteil vom 28.03.2012
VIII ZR 244/10
Vertu-Handy

Der Bundesgerichtshof hat zu Recht entschieden, dass der Kunde bei eBay-Auktionenvon Luxusartikeln (hier ein Vertu-Handy) mit einem Startpreis von 1 EURO einen Anspruch auf Lieferung von Originalware hat und sich nicht mit einem billigen Plagiat zufrieden geben muss, sofern sich nicht aus den Gesamtumständen des Angebots etwas anderes ergibt. Der Kläger hatte ein Vertu-Handy zu einem Preis von 782 EURO ersteigert. Der Wert beträgt 24.000 EURO, so dass der Kläger vom Veräußerer Schadensersatz in Höhe von 23.218 EURO begehrt. Der BGH führt zutreffend aus, dass ein Startangebot von 1 EURO auch bei Luxusartikeln mit weitaus höherem Wert kein Indiz dafür ist, dass keine Originalware veräußert werden soll. Es ist - so der BGH - auch nicht sittenwidrig, wenn bei einer Internetauktion am Ende nur ein Bruchteil des tatsächlichen Wertes als Kaufpreis erzielt wird.

Aus der Pressemitteilung des BGH:
"Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass Rechtsgeschäfte, bei denen ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, dann nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind, wenn weitere Umstände, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung hinzutreten. Auf eine derartige Gesinnung kann beim Verkauf von Grundstücken und anderen hochwertigen Sachen regelmäßig geschlossen werden, wenn der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch ist wie der der Gegenleistung. Von einem solchen Beweisanzeichen kann bei einer Onlineauktion jedoch nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Denn die Situation einer Internetversteigerung unterscheidet sich grundlegend von den bisher entschiedenen Fällen, in denen sich in den Vertragsverhandlungen jeweils nur die Vertragsparteien gegenüberstanden.

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann auch eine Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts, dass es sich bei dem angebotenen Mobiltelefon um ein Originalexemplar der Marke Vertu handelt, nicht verneint werden. Das Berufungsgericht meint, gegen die Annahme einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 1 Satz 1) spreche "vor allem" der von der Beklagten gewählte Startpreis der Auktion von 1 €. Diese Begründung trägt nicht. Das Berufungsgericht verkennt, dass dem Startpreis angesichts der Besonderheiten einer Internetauktion im Hinblick auf den Wert des angebotenen Gegenstandes grundsätzlich kein Aussagegehalt zu entnehmen ist. Denn der bei Internetauktionen erzielbare Preis ist von dem Startpreis völlig unabhängig, da er aus den Maximalgeboten der Interessenten gebildet wird, so dass auch Artikel mit einem sehr geringen Startpreis einen hohen Endpreis erzielen können, wenn mehrere Bieter bereit sind, entsprechende Beträge für den Artikel zu zahlen."


Der BGH hat die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Die vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie hier:



"BGH: 23.218 EURO Schadensersatz für Versteigerung eines gefälschten Vertu-Handys bei eBay - auch bei 1 EURO-Startpreis muss Originalware geliefert werden" vollständig lesen

BGH: Auch bei sittenwidrigen Fernabsatzgechäften besteht ein Widerrufsrecht - Radarwarngerät

BGH
Urteil vom 25.11.209
VIII ZR 318/08
Radarwarngerät


Der BGH hat entschieden, dass bei Fernabsatzgeschäften auch dann ein Widerrufsrecht besteht, wenn es sich um einen sittenwidrigen Kaufvertrag handelt. Vorliegend ging es um den Kaufvertrag über ein Radarwarngerät.

In der Pressemitteilung heißt es:

"Der Senat ist der Auffassung entgegengetreten, nach der sich der Verbraucher bei einer Nichtigkeit des Vertrages dann nicht auf sein Widerrufsrecht berufen könne, wenn er den die Vertragsnichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB begründenden Umstand jedenfalls teilweise selbst zu vertreten habe. Ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen unzulässiger Rechtsausübung kann nur bei besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers in Betracht kommen. Daran fehlt es jedoch, wenn – wie im heute entschiedenen Fall – beiden Parteien ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last fällt."

Die vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie hier:

"BGH: Auch bei sittenwidrigen Fernabsatzgechäften besteht ein Widerrufsrecht - Radarwarngerät" vollständig lesen