Skip to content

EDSA untersagt Meta / Facebook / Instagram die Nutzung personenbezogener Daten für personalisierte Werbung

Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat Meta / Facebook / Instagram die Nutzung personenbezogener Daten für personalisierte Werbung untersagt.

Die Pressemitteilung der EDSA:
EDPB Urgent Binding Decision on processing of personal data for behavioural advertising by Meta

Launch of coordinated enforcement

On 27 October, the EDPB adopted an urgent binding decision instructing the Irish (IE) DPA as lead supervisory authority (LSA) to take, within two weeks, final measures regarding Meta Ireland Limited (Meta IE) and to impose a ban on the processing of personal data for behavioural advertising on the legal bases of contract and legitimate interest across the entire European Economic Area (EEA).

The urgent binding decision followed a request from the Norwegian Data Protection Authority (NO DPA) to take final measures in this matter that would have effect in the entire European Economic Area (EEA).

The ban on processing will become effective one week after the notification of the final measures by the IE SA to the controller.
The Irish DPC has notified Meta on 31/10 about the EDPB Urgent Binding Decision.
The EDPB takes note of Meta's proposal to rely on a consent based approach as legal basis, as it was reported on 30/10. The Irish DPC is currently evaluating this together with the Concerned Supervisory Authorities (CSAs).

EDPB Chair Anu Talus said: “After careful consideration, the EDPB considered it necessary to instruct the IE SA to impose an EEA-wide processing ban, addressed to Meta IE. Already in December 2022, the EDPB Binding Decisions clarified that contract is not a suitable legal basis for the processing of personal data carried out by Meta for behavioural advertising. In addition, Meta has been found by the IE SA to not have demonstrated compliance with the orders imposed at the end of last year. It is high time for Meta to bring its processing into compliance and to stop unlawful processing.”


LG Berlin: LinkedIn darf Do-Not-Track-Einstellung des Browsers nicht ignorieren - Zustimmung zur Sichtbarkeit von Profildaten außerhalb von Linkedin darf nicht vorkonfiguriert sein

LG Berlin
Urteil vom 24.08.2023
16 O 420/19


Das LG Berlin hat entschieden, dass LinkedIn die Do-Not-Track-Einstellung des Browsers nicht ignorieren darf. Ferner darf die Zustimmung zur Sichtbarkeit von Profildaten außerhalb von Linkedin nicht vorkonfiguriert sein.

Aus den Entscheidungsgründen:
d) Die beanstandete Mitteilung verstößt gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 7 UWG.

aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben (Fall 1) oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über — nachfolgend aufgezählte - Umstände enthält (Fall 2). Nach 8 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers enthält.

[...]
Die von der Beklagten im eigenen Geschäftsinteresse getätigte Mitteilung, nicht auf DNT-Signale zu reagieren, ist bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet, Verbraucher davon abzuhalten, bei der Nutzung des Internet-Angebots der Beklagten DNT-Signale einzusetzen oder, falls sie es dennoch tun, den von ihnen damit verfolgten Zweck gegenüber der Beklagten tatsächlich geltend zu machen.
[...]

Die Mitteilung transportiert aber implizit die Rechtsansicht, die der Kläger ihr mit seiner Antragsformulierung beimisst. Die Beklagte bringt nämlich zum Ausdruck, dass sie ein DNT-Signal nicht als wirksamen Widerspruch eines Verbrauchers gegen eine Nachverfolgung seines Nutzerverhaltens ansieht. Dabei wird unterstellt, dass die Beklagte sich nicht bewusst’ rechtswidrig verhalten und trotz eines wirksamen Widerspruchs eines Verbrauchers dessen Daten verarbeiten will. Worauf sich die Beklagte bezieht, wenn sie von einem DNT-Signal spricht, erläutert sie in dem unter Ziff, 5.4 ihrer Datenschutzrichtlinie unter „Erfahren Sie mehr“ verlinkten Dokument (Anlage K 10). Sie erklärt ein DNT-Signal wie folgt: „Derzeit bieten einige Browser — darunter Internet Explorer, Firefox und Safari — eine DNT-Option an, die auf einer DNT-Kopfzeile basiert. Diese Technologie sendet ein Signal an die von dem Browser besuchten Webseiten über die DNT-Einstellungen des Nutzers.“ Bei der in Anlage K 13 wiedergegebenen angegriffenen Mitteilung handelt es sich allerdings nicht um eine im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geäußerte Rechtsansicht, die gemäß der oben dargestellten Rechtsprechung privilegiert wäre. Sie ist nicht eingebettet in den Kontext einer rechtlichen Auseinandersetzung, in der die Beklagte gegenüber einem Dritten ihre Rechte geltend macht oder verteidigt. Vielmehr befindet sie sich in der Datenschutzrichtlinie der Beklagten, mit der die Beklagte allen ihren Nutzern Informationen zum Datenschutz in dem von ihr betriebenen Netzwerk vermittelt. Die Beklagte behauptet mit der angegriffenen Mitteilung eine eindeutige Rechtslage, die der angesprochene Kunde als Feststellung versteht. Sie suggeriert dem angesprochenen Verbraucher, dass sie nicht verpflichtet ist, DNT-Signale zu beachten, und vermittelt den Eindruck, dass dies rechtskonform ist. Dass sie auf ein rechtskonformes Verhalten Wert legt, unterstreicht die Beklagte durch die einleitende Versicherung, Privatsphäre und Datenschutz sehr ernst zu nehmen. Der angesprochene Kunde kann die Mitteilung in ihrer Gesamtheit nicht anders verstehen, als dass die Benutzung eines DNT-Signals rechtlich irrelevant ist und die Beklagte ein solches Signal nicht zu beachten braucht.

ddd) Diese von der Beklagten vermittelte Rechtsansicht ist jedoch nicht zutreffend. Vielmehr stellt ein DNT-Signal durchaus einen wirksamen Widerspruch gegen eine Datenverarbeitung dar. Das ergibt sich aus Art. 21 Abs. 5 DSGVO. (i) Gemäß Art. 21 Abs. 5 DSGVO kann eine betroffene Person im Zusammenhang mit der Nutzung von Diensten der Informationsgesellschaft ihr — etwa aufgrund Art. 21 Abs. 1 oder Abs. 2 DSGVO begründetes — Widerspruchsrecht mittels automatisierter Verfahren ausüben, bei denen technische Spezifikationen verwendet werden. (ii) Bei dem von der Beklagten betriebenen sozialen Netzwerk handelt es sich um einen Dienst der Informationsgesellschaft in diesem Sinne. Ein Dienst der Informationsgesellschaft ist gemäß Art. 4 Ziff. 25 DSGVO eine Dienstleistung im Sinne des Art. 1 Nr. 1 lit. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates, also jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Darunter fallen auch Internetangebote wie die sozialen Medien (Kühling/Buchner/Herbst, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 21 Rn. 42; Paal/Pauly/Martini, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 21 Rn. 74). (ii) Das DNT-Signal stellt ein automatisiertes Verfahren dar, das technische Spezifikationen verwendet, und damit unter Art. 21 Abs. 5 DSGVO fällt (Kühling/Buchner/Herbst, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 21 Rn. 43; Gola/Heckmann/Schulz, 3. Aufl. 2022, DS-GVO Art. 21 Rn. 35; Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Atzert, 2. Aufl. 2020, DS-GVO/BDSG, Artikel 21 Widerspruchsrecht, Rn. 103;. Spindler/Schuster/Spindler/Dalby, 4. Aufl. 2019, DS-GVO Art. 21 Rn. 16; Albrecht/Jotzo, Das neue Datenschutzrecht der EU (2017), Teil 4: Individuelle Datenschutzrechte Rn. 27, beck-online; Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht (2017), Rn. 1235, beck-online). Soweit vereinzelt Zweifel geäußert werden, ob DNT-Signale den Anforderungen von Art. 21 DSGVO genügen, weil ein Widerspruch eine aktive und bewusste Handlung erfordere, die nicht vorliege, wenn stillschweigend und unter Umständen unbewusst eine Voreinstellung nur übernommen werde (BeckOK DatenschutzR/Forgö, 44. Ed. 1.11.2021, DS-GVO Art. 21 Rn. 29), greift dieser Einwand nicht durch. Es ist anzunehmen, dass der Verordnungsgeber diese Ausnahme bewusst implementieren wollte (s. Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Atzert, 2. Aufl. 2020, DS-GVO/BDSG, Artikel 21 Widerspruchsrecht, Rn. 105). Dies entspricht auch dem Zweck 16 0 420/19 - Seite 18 - der DSGVO, die Wahrnehmung von Betroffenenrechten zu erleichtern. q Dem steht auch nicht entgegen, dass das DNT-Signal bei der Einführung des TTDSG zum 1. Dezember 2021 keine ausdrückliche Berücksichtigung gefunden hat.

[...]

2. Der Klageantrag zu 2 ist ebenfalls begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der standardmäßigen Aktivierung von Funktionen zur Sichtbarkeit von Profilinformationen von Mitgliedern außerhalb LinkedIn, wie im Antrag spezifiziert, aus 88 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7, 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG.

[...]

b) Gegenstand des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsantrags ist auch hier die konkrete Verletzungsform, wie im Klageantrag zu 2 durch Abbildung der von der Beklagten verwendeten Voreinstellungen spezifiziert. Der Kläger wendet sich mit dem Klageantrag zu 2 dagegen, dass die Beklagte bei der erstmaligen Anmeldung von Nutzern Voreinstellungen verwendet in der Weise, dass sowohl ein Schalter „Sichtbarkeit außerhalb LinkedIn“ als auch ein Schalter „Öffentliche Sichtbarkeit Ihres Profils" von vornherein aktiviert ist. Die Aktivierung hat zur Folge, dass personenbezogene Daten der Nutzer in Partnerdiensten der Beklagten angezeigt und im Internet für jedermann sichtbar veröffentlicht werden. Der Kläger wendet sich nach Maßgabe des Antrags nicht gegen diese Veröffentlichung, also die Datenverarbeitung, sondern gegen die Voreinstellungen an sich.

c) Die beanstandeten Voreinstellungen verstoßen gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 7 UWG.

aa) Die Voreinstellungen sind eine geschäftliche Handlung im Sinne von & 5 Abs. 1 UWG. Dem Begriff der geschäftlichen Handlung unterfällt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG das Verhalten einer Person zugunsten des eigenen Unternehmens bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt. Die beanstandeten Voreinstellungen, die Nutzer der Beklagten bei erstmaliger Anmeldung vorfinden, stehen in Zusammenhang mit einem Geschäftsabschluss und sind bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet, die Entscheidung des Verbrauchers über den Umfang, in dem er seine Daten zur Verarbeitung zur Verfügung stellt, zu beeinflussen. Stellt der Verbraucher seine Daten in möglichst großem Umfang zur Verfügung, fördert das die Sichtbarkeit und Reichweite des von der Beklagten betriebenen Netzwerks in deren Geschäftsinteresse.

bb) Die Voreinstellungen sind zur Täuschung geeignete Angaben über Verbraucherrechte im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG.

aaa) Der Streitfall betrifft auch hinsichtlich des Klageantrags zu 2 eine geschäftliche Handlung, die sich einem der in § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG aufgeführten Bezugspunkte einer Irreführung zuordnen lässt, nämlich den in § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG genannten Rechten des Verbrauchers. Wie oben unter IV. 1. d) cc) aaa) ausgeführt, hat der Begriff der Rechte des Verbrauchers eine weite Bedeutung und erfasst nicht nur Angaben über die Existenz bestimmter Rechte, sondern auch über deren Inhalt, Umfang und Dauer sowie etwaige Voraussetzungen für die Geltendmachung. Die streitgegenständlichen Voreinstellungen betreffen das Recht des Verbrauchers, in eine Veröffentlichung seiner Daten auf bestimmten Wegen einzuwilligen oder nicht. bbb) Die angegriffenen Voreinstellungen der Beklagten sind eine Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG. Sie stellen eine Geschäftshandlung mit Informationsgehalt dar, da sie die Information vermitteln, dass die Beklagte von dem Nutzer eingegebene Daten mit dessen Einwilligung über Partnerdienste bzw. öffentlich zugänglich macht.

bbb) Die angegriffenen Voreinstellungen der Beklagten sind eine Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG. Sie stellen eine Geschäftshandlung mit Informationsgehalt dar, da sie die Information vermitteln, dass die Beklagte von dem Nutzer eingegebene Daten mit dessen Einwilligung über Partnerdienste bzw. öffentlich zugänglich macht.

ccc) Die Voreinstellungen sind im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG zur Täuschung über Verbraucherrechte geeignet.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamburg: Keine wettbewerbsrechtliche Haftung eines Unternehmens nach § 8 Abs. 2 UWG für rein private Äußerungen eines Mitarbeiters in einem sozialen Netzwerk

OLG Hamburg
Urteil vom 31.08.2023
5 U 27/22


Das OLG Hamburg hat entschieden, dass ein Unternehmen nicht gemäß § 8 Abs. 2 UWG nach den Grundsätzen der Beauftragtenhaftung für rein private Äußerungen eines Mitarbeiters in einem sozialen Netzwerk haftet.

Aus den Entscheidungsgründen:
a. Die Klägerin zu 1) ist als Mitbewerberin der Beklagten grundsätzlich aktivlegitimiert, ihr steht aber kein Anspruch nach §§ 4 Nr. 1 und/oder Nr. 2, 8 Abs. 2 UWG zu. Die streitgegenständliche Äußerung des Mitarbeiters der Beklagten führt nicht dazu, dass der Klägerin zu 1) gegen die Beklagte ein solcher Anspruch zusteht.

Randnummer42
aa. Es fehlt bereits an einer wettbewerbswidrigen Handlung des Herrn J., die der Beklagten gem. § 8 Abs. 2 UWG zugerechnet werden könnte. Werden Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind gem. § 8 Abs. 2 UWG der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet. Voraussetzung einer Haftung des Unternehmens ist hiernach, dass der Mitarbeiter oder Beauftragte selbst eine Zuwiderhandlung gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften begangen hat (arg. „auch“). § 8 Abs. 2 UWG greift also nicht ein, wenn der Anspruch aus § 8 Abs. 1 UWG gegen den Mitarbeiter oder Beauftragten (z.B. wegen Fehlens einer geschäftlichen Handlung oder wegen zulässiger Abwehr) nicht entstanden ist (vgl. OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2014, 270, 271; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. § 8 Rn. 2.38). Darauf, ob der Mitarbeiter oder Beauftragte selbst Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG n.F./§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG a.F. ist, kommt es aber für § 8 Abs. 2 UWG nicht an(vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 2 Rn. 8.9).

Die angegriffene Äußerung „Die B. Brüder haben wegen diesen und einigen anderen Methoden bereits einige Strafverfahren bekommen“ stellt eine unwahre Tatsachenbehauptung über Mitglieder der Unternehmensleitung der Klägerin zu 1) dar. Tatsachen sind konkrete Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die sinnlich wahrnehmbar in die Wirklichkeit getreten und damit dem Beweis zugänglich sind (Eisele/Schittenhelm in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 186 Rn. 3 m.w.N.). Entgegen der seitens der Beklagten geäußerten Ansicht hat Herr J. nicht lediglich den Tenor der kritischen Berichterstattung über die Tätigkeit der „B.-Brüder“ wertend wiedergegeben. Ob Strafverfahren eingeleitet wurden, stellt vielmehr einen dem Beweis zugänglichen Vorgang dar. Auch in der Laiensphäre und Alltagssprache ist mit dem Begriff des Strafverfahrens ein Verfahren der Strafverfolgungsbehörden und/oder Strafgerichte gemeint. Die Äußerung, die „B.-Brüder“ hätten Strafverfahren „bekommen“, bringt die Einleitung solcher Verfahren zum Ausdruck. Ob die weiteren Voraussetzungen der § 4 Nr. 1 und/oder Nr. 2 UWG erfüllt sind, kann offenbleiben.

Vorliegend ist eine geschäftliche Handlung des Herrn J. nicht festzustellen. Sowohl § 4 Nr. 1 UWG als auch § 4 Nr. 2 UWG setzen eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F./§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG n.F. voraus (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 4 Rn. 1.10 und 2.11). Hiernach ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.

Das Merkmal des objektiven Zusammenhangs ist funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern (vgl. BGH GRUR 2013, 945 Rn. 17 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; BGH GRUR 2015, 694 Rn. 21 – Bezugsquellen für Bachblüten; BGH GRUR 2019, 1202 Rn. 13 – Identitätsdiebstahl; BGH GRUR 2020, 886 Rn. 32 – Preisänderungsregelung; BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 30 – Influencer I). Dies gilt nicht nur im Verhältnis zu Verbrauchern, sondern auch zu Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern (vgl. BGH GRUR 2013, 945 Rn. 19 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.55). Es besteht keine Vermutung, dass die Handlung eines Unternehmers, die in den Bereich seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit fällt, mit der Förderung des Absatzes des eigenen Unternehmens oder gar der Förderung des Absatzes eines fremden Unternehmens objektiv zusammenhängt. Die Frage, ob eine Handlung vorrangig der Förderung des eigenen oder fremden Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder aber anderen Zielen dient, ist vielmehr aufgrund einer Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 32, 68 – Influencer I). Die objektive Eignung zur Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers ist für die Annahme einer geschäftlichen Handlung relevant (vgl. BGH GRUR 2013, 945 Rn. 20 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; Koch in FS Köhler, 1. Aufl., S. 359 (364)), aber nicht in jedem Fall ausreichend (vgl. OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2023, 139 Rn. 37; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.48). Von einer geschäftlichen Handlung kann nur ausgegangen werden, wenn die Handlung bei der gebotenen objektiven Betrachtung vorrangig dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient (vgl. BGH GRUR 2015, 694 Rn. 22 – Bezugsquellen für Bachblüten; Koch in FS Köhler, 1. Aufl., S. 359 (364)). Dient die Handlung vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen und wirkt sie sich lediglich reflexartig auf die Absatz- oder Bezugsförderung aus, so stellt sie keine geschäftliche Handlung dar. Weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stehen, unterfallen demnach nicht dem UWG (vgl. BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 31 – Influencer I; BGH GRUR 2016, 710 Rn. 12 – Im Immobiliensumpf; BGH GRUR-RR 2013, 466, 469 – Bach-Blüten; OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 27.7.2021 – 6 W 64/21, GRUR-RS 2021, 21101 Rn. 7 ff.). Das Verfolgen solcher, etwa weltanschaulicher, Ziele schließt allerdings nicht aus, dass die Handlung gleichzeitig dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs dient. Ist auf Grund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls bei objektiver Betrachtung vorrangig ein solches Ziel anzunehmen, so liegt eine geschäftliche Handlung vor (BGH GRUR-RR 2013, 466, 469 – Bach-Blüten). Das Handeln Privater stellt jedenfalls dann keine geschäftliche Handlung dar, wenn es bei objektiver Betrachtung nicht vorrangig dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.65; Keller in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 2 Rn. 38). Insoweit ist zwar die aus den äußeren Umständen zu erschließende Zielrichtung des Handelnden von Bedeutung (vgl. Keller in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 2 Rn. 47). Auf die (tatsächlichen) Vorstellungen der Beteiligten kommt es aber nicht an (vgl. Alexander in BeckOK UWG, 20. Ed., § 2 Rn. 141). Es ist danach zu fragen, ob sich die handelnde Person aus der Sicht eines objektiven Betrachters als Privatperson zu einem Geschehen äußert oder zugleich geschäftliche Zwecke verfolgt (vgl. Alexander in BeckOK UWG, 20. Ed., § 2 Rn. 143).Bei Mitarbeitern eines Unternehmens ist ein Handeln zugunsten eines fremden Unternehmens jedenfalls – aber nicht nur – anzunehmen, wenn sie im Namen oder Auftrag des anderen Unternehmers tätig werden (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58; Koch in FS Köhler, 1. Aufl., S. 359 (365)). Hierfür ist es nicht erforderlich, dass ihnen eine für das Unternehmen bedeutsame Funktion zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen wurde und sie das Unternehmen gewissermaßen „repräsentieren“. Es reicht vielmehr aus, dass sie nach außen als Vertreter oder Beauftragte in Erscheinung treten (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58).

Bei objektiver Betrachtung der Gesamtumstände war die Äußerung des Herrn J. nicht darauf gerichtet, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern. Aus Sicht eines objektiven Betrachters handelte es sich um eine rein private Äußerung des Herrn J., die allein privaten Zwecken diente. Die streitgegenständliche Äußerung erfolgte als Kommentar zu einer Nachricht von Herrn B. R., die wiederum einen Kommentar zu einer Äußerung des Herrn A. K. darstellte. Unabhängig davon, ob diese Facebook-Kommunikation öffentlich zugänglich war, war die Kommunikation privater Natur. Im nach § 314 ZPO zugrunde zu legenden Tatbestand des angegriffenen Urteils des Landgerichts heißt es, dass es sich bei Herrn K. um einen privaten Facebook-Kontakt von Herrn J. handelte. Der von der Klägerseite als Anlage K 7 (erste Seite) eingereichte Screenshot weist den dort dargestellten Facebook-Account des Herrn J. als einen jedenfalls vorrangig privat genutzten Account aus. Anders als primär beruflich genutzte Netzwerke (wie etwa „Xing“, vgl. Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., § 4 UWG Rn. 5) kann Facebook sowohl für private als auch für geschäftliche Zwecke genutzt werden. Dass der aus dem Screenshot ersichtliche Facebook-Account jedenfalls vorrangig für private Zwecke genutzt wurde, wird durch das Hochzeitsbild auf der Seite deutlich, das zugleich das Profilbild des Herrn J. darstellte. Auch die weiteren Fotos (Personenfoto und zwei Fotos von Schuhen) weisen keinen erkennbaren Zusammenhang zum Beruf des Herrn J. auf, sondern sprechen für eine jedenfalls vorrangige private Nutzung. Allein daraus, dass im „Steckbrief“ die Stationen des beruflichen Werdegangs dargestellt werden (und dort u.a. aufgeführt ist, dass Herr J. derzeit Sales manager bei Intomarkets ist) und die Seite die Information enthält, dass Herr J. aufgehört hat, bei „Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven“ zu arbeiten, folgt nicht, dass es sich um einen geschäftlich genutzten Account handelt. Gleiches gilt für den klägerseitig vorgetragenen Umstand, dass das Profil von Herrn J. nicht auf „privat“ geschaltet, sondern für jedermann zugänglich gewesen sei. Herr J. trat bei seiner Äußerung auch nicht als Vertreter oder Beauftragter der Beklagten in Erscheinung. Die Beklagte wird in dem streitgegenständlichen Kommentar nicht erwähnt. Auch wenn – was die Beklagte bestreitet – der klägerseitig als Anlage K 7 (erste Seite) eingereichte Screenshot das zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Äußerung abrufbare Facebook-Profil des Herrn J. zeigen sollte und der Betrachter, der den Kommentar im Profil des Herrn K. sah, mit einem Klick auf dieses Profil des Herrn J. hätte gelangen können, folgt daraus, dass im jedenfalls überwiegend privat genutzten Facebook-Profil des Herrn J. seine berufliche Tätigkeit für Intomarkets genannt wird, bei objektiver Betrachtung der Gesamtumstände nicht der Eindruck, dass Herr J. bei seiner Äußerung im Facebook-Profil des Herrn K. in Vertretung oder im Auftrag der Beklagten oder auch nur ohne Auftrag zugunsten der Beklagten handelte. Die Äußerung über Konkurrenzunternehmen in Kommentaren im Facebook-Profil eines Dritten gehört auch nicht zum typischen Aufgabenkreis eines Sales Managers, so dass offenbleiben kann, ob ein Handeln zur Förderung eines fremden Unternehmens zu vermuten ist, wenn die fragliche Handlung in den Aufgabenkreis der handelnden Person fällt (vgl. hierzu Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58).Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Äußerung des Herrn J. darauf gerichtet war zu verhindern, dass die Klägerin zu 1) der Konkurrenz Kunden streitig macht (im Unterschied zu OLG Hamm MMR 2008, 757 zum Blog-Eintrag eines Mitarbeiters (auf der Basis der alten Rechtslage)).Ebenfalls kann nicht festgestellt werden, dass die Äußerung des Herrn J. im Auftrag oder zumindest mit Einverständnis der Beklagten erfolgte. Daraus, dass Herr J. selbst keine unmittelbaren Vorteile aus der Kundgabe der streitgegenständlichen Äußerung ziehen kann, die Beklagte hingegen schon, kann dies entgegen dem klägerischen Vortrag nicht hergeleitet werden. Die Feststellung des Landgerichts, dass die Kläger keine ausdrückliche Anweisung vorgetragen haben, greift die Klägerseite mit ihrer Berufung nicht an.

Eine geschäftliche Handlung des Herrn J. folgt auch nicht aus dessen wirtschaftlichen Interessen. Zwar stellt es ein maßgebliches Indiz für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung dar, dass ein wirtschaftliches Interesse des Handelnden an einer Beeinflussung der Verbraucherentscheidung besteht. Lässt sich dies nicht nachweisen, kommt es auf den Inhalt der Äußerung und der Begleitumstände an (BGH GRUR-RR 2013, 466, 469 – Bach-Blüten; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.54). Ein Indiz für eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens kann auch darin liegen, dass zu diesem eine geschäftliche Beziehung besteht (vgl. BGH GRUR 2021, 497 Rn. 25 – Zweitmarkt für Lebensversicherungen). Vorliegend hat Herr J. als Mitarbeiter der Beklagten zwar ein mittelbares wirtschaftliches Interesse an einer Beeinflussung von Abnehmerentscheidungen im Bereich der Unternehmensberatung. Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung (vgl. BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 32 – Influencer I) reicht dies aber nicht aus, um von einer geschäftlichen Handlung des Herrn J. auszugehen. Zu berücksichtigen ist auch insoweit, dass die Äußerung des Herrn J. in Reaktion auf die Äußerung eines privaten Facebook-Kontakts erfolgte. Anlass war die Verärgerung des Herrn K. über das „Vollspammen“ mit Standard-Nachrichten, das er, Herr K., „echt wieder anstrengend“ finde, und die Verärgerung von Herrn K. über denjenigen, der so etwas „Leuten beibringt“. Hierbei handelt es sich um eine private Äußerung über bestimmte Geschäftspraktiken, die offenkundig durch den zunehmenden Erhalt von als „Spam“ beurteilten Nachrichten veranlasst war. Ein anderer Diskussionsteilnehmer hat dann den Namen der „B…“ ins Gespräch eingebracht, woraufhin die streitgegenständliche Äußerung von Herrn J. erfolgte. Herr J. hat sich damit, wie ausgeführt, als Privatperson an einer Diskussion über bestimmte Geschäfts- und Werbepraktiken beteiligt und die anderen Beteiligten dabei in ihrer Eigenschaft als Teilnehmer dieser Diskussion und nicht als Abnehmer von Unternehmensberatungs-/Coaching-Leistungen angesprochen, zumal die Klägerin zu 1), wie von der Klägerseite vorgetragen, ausschließlich Verträge mit Unternehmern und Unternehmen schließt. Auch kann nicht festgestellt werden, dass die Äußerung des Herrn J. darauf gerichtet war, die geschäftliche Entscheidung Dritter, die diese Diskussion auf Facebook lesen konnten, zu beeinflussen. Auch wenn das Profil von Herrn K. öffentlich zugänglich gewesen sein sollte, würde in der Gesamtbetrachtung aus dem Umstand, dass der privat veranlasste Kommentar des Herrn J. in einem öffentlich zugänglichen Profil eines Dritten erfolgt ist, eine solche Zweckrichtung nicht folgen.

Angesichts der genannten Umstände der Äußerung ist aus der Sicht eines objektiven Betrachters auch daraus, dass Herr J. in seiner Äußerung gegenüber den „B.-Brüdern“ und ihren Geschäftspraktiken schwerwiegende und objektiv unzutreffende Vorwürfe erhebt, nicht auf das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung zu schließen. Auch dass Herr J. mit der Klägerin zu 1) und ihren Geschäftsführern nicht in Kontakt gestanden hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch wenn Herr J. die Klägerin zu 1) nur als Konkurrentin seines Arbeitgebers kannte, erfolgte die Äußerung vorliegend aus Sicht eines objektiven Betrachters aus privatem Anlass und mit rein privater Zielrichtung, nämlich als private Teilnahme an einer Diskussion über bestimmte Geschäftspraktiken.

Auf die subjektive Sicht des Herrn J. kommt es nicht an, eine Förderungsabsicht (vgl. OLG Hamm MMR 2008, 757 zu einem Blog-Eintrag eines Mitarbeiters) ist nach der maßgeblichen Fassung des § 2 UWG nicht (mehr) entscheidend (vgl. BGH GRUR 2021, 1400 Rn. 32 – Influencer I). Dem erstmals in der Berufungsinstanz von der Klägerseite angebotenen Zeugenbeweis – Vernehmung des Herrn J. – ist daher nicht nachzugehen. Zudem hat die Klägerseite in der Berufungsbegründung nicht dargelegt, warum sie den Zeugen erst in der Berufungsinstanz benannt hat, sodass der Berücksichtigung § 531 Abs. 2 ZPO entgegensteht.Wird ein neues Beweismittel in der Berufungsinstanz eingeführt, muss in der Berufungsbegründung dargelegt werden, weshalb das neue Beweismittel nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist (BGH Beschl. v. 13.12.2006 – IV ZR 180/04, BeckRS 2007, 402 Rn. 6).

bb. Eine Zurechnung der streitgegenständlichen Äußerung zur Beklagten erfolgt auch deshalb nicht, weil die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 UWG nicht erfüllt sind. Die Haftung des Unternehmers nach dieser Vorschrift rechtfertigt sich daraus, dass er durch den Einsatz von Mitarbeitern und Beauftragten seinen Geschäftskreis erweitert und damit zugleich das Risiko von Zuwiderhandlungen innerhalb seines Unternehmens schafft. Da er die Vorteile der arbeitsteiligen Organisation in Anspruch nimmt, soll er auch die damit verbundenen und in gewisser Weise auch beherrschbaren Risiken tragen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.33 m.w.N.). Die Bestimmung in § 8 Abs. 2 UWG regelt den Unterlassungsanspruch gegen den Unternehmensinhaber bei Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter und Beauftragten im Sinne einer Erfolgshaftung ohne jegliche Entlastungsmöglichkeit (vgl. BGH NJOZ 2013, 863 Rn. 9).

Vorliegend wurde eine – aus den genannten Gründen bereits nicht vorliegende – Zuwiderhandlung nicht „in einem Unternehmen“ begangen. Es ist eine weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „in einem Unternehmen“ vorzunehmen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.34). Dass die Zuwiderhandlung „in einem Unternehmen“ begangen sein muss, ist nicht räumlich, sondern funktional zu verstehen. Es muss ein innerer Zusammenhang mit dem Unternehmen bestehen (BGH GRUR 2008, 186 Rn. 23 – Telefonaktion; vgl. auch OLG Stuttgart Urt. v. 17.3.2022 – 2 U 272/21, GRUR-RS 2022, 5315 Rn. 6 ff.; OLG Hamm MMR 2008, 757, 758; Fritzsche in MüKoUWG, 3. Aufl., § 8 Rn. 376). Daher ist es weder erforderlich noch ausreichend, dass die Handlung in den Räumlichkeiten des Unternehmens vorgenommen wurde (BGH GRUR 1963, 438 (439) – Fotorabatt). Unerheblich ist auch, dass der Mitarbeiter ohne Wissen oder sogar gegen eine Weisung des Unternehmers handelte oder seinen Auftrag überschritt (vgl. BGH GRUR 2008, 186 Rn. 23 – Telefonaktion; zu § 14 Abs. 7 MarkenG: BGH GRUR 2009, 1167 Rn. 21 – Partnerprogramm; BGH GRUR 2018, 924 Rn. 62 – ORTLIEB) oder sich über vertragliche Einschränkungen seiner Befugnisse hinwegsetzte (vgl. BGH NJOZ 2013, 863 Rn. 8; Senat Beschl. v. 19.07.2021 – 5 U 56/20, GRUR-RS 2021, 31135 Rn. 15). Maßgebend ist allein, dass der Zuwiderhandelnde nicht für einen Dritten oder zu privaten Zwecken, sondern in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter oder Beauftragter des Unternehmers tätig wurde, die Handlung also in den Geschäftskreis oder die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Tätigkeit des Unternehmers fiel und diesem zugutekommen sollte. Keine Zurechnung findet folglich statt, wenn Mitarbeiter oder Beauftragte die geschäftlichen Einrichtungen ausschließlich für private Zwecke missbrauchen (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.47 m.w.N.). Wird der Beauftragte auch für Dritte oder für sein eigenes Unternehmen tätig, haftet der Auftraggeber nur für solche Handlungen, die dem Geschäftsbereich des Auftragsverhältnisses zuzurechnen sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Auftrag auf einen bestimmten Geschäftsbereich des Beauftragten beschränkt ist und der Auftraggeber nicht damit rechnen muss, dass der Beauftragte auch anderweitig für ihn tätig wird. Denn nur in diesem Umfang ist das Risiko für ihn beherrschbar (vgl. zu § 14 Abs. 7 MarkenG BGH GRUR 2009, 1167 Rn. 27 – Partnerprogramm; vgl. auch Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 2.47 m.w.N.).

Für rein private Handlungen seiner Mitarbeiter haftet der Unternehmensinhaber wettbewerbsrechtlich nicht (vgl. BGH GRUR 2007, 994 Rn. 19 – Gefälligkeit; Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, Lauterkeitsrecht: UWG, Zweiter Teil Wettbewerbsrecht des Internets (S 12) Rn. 306b; vgl. auch zu § 14 Abs. 7 MarkenG BGH GRUR 2009, 1167 Rn. 27 – Partnerprogramm; BGH GRUR 2009, 597 Rn. 15 – Halzband). Rein private Äußerungen eines Mitarbeiters fallen nicht unter § 8 Abs. 2 UWG (vgl. Goldmann in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 8 Rn. 727).

Wie ausgeführt, ist bei einer objektiven Betrachtung von einer rein privaten Äußerung des Herrn J. auszugehen. Dem erstmals in der Berufungsinstanz von der Klägerseite angebotenen Zeugenbeweis ist, wie ausgeführt, nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht nachzugehen. Ein Arbeitgeber muss nicht damit rechnen, dass sich ein Mitarbeiter in einer privaten Kommunikation in sozialen Medien wie geschehen äußert. Ein solches Geschehen ist für den Arbeitgeber auch nicht beherrschbar.

cc) Darauf, ob der angegriffenen Äußerung neben der Behauptung, es seien Strafverfahren gegen die Kläger zu 2) und 3) geführt worden, auch die Behauptung des Herrn J. zu entnehmen ist, die Kläger zu 2) und 3) würden unerwünschte Werbung verschicken (klägerischer Antrag zu 1. b)), kommt es aus den genannten Gründen nicht mehr an.

b. Hinsichtlich der Kläger zu 2) und 3) fehlt es bereits an der erforderlichen Aktivlegitimation. Anspruchsberechtigt für den Unterlassungsanspruch ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ein Mitbewerber. Die Mitbewerbereigenschaft ist Voraussetzung der Begründetheit der Klage (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 3.8a m.w.N.). Mitbewerber ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG n.F./ § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG a.F. jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Gem. § 2 Nr. 8 UWG n.F./ § 2 Nr. 6 UWG a.F. ist „Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt. Darunter sind in richtlinienkonformer Auslegung nur Personen zu verstehen, die selbst Unternehmer sind (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 2 Rn. 2.58). Wird das Unternehmen von einer Gesellschaft betrieben, ist als Unternehmer grundsätzlich nur die Gesellschaft als Inhaber des Unternehmens anzusehen und nicht der oder die einzelnen Gesellschafter (OLG Hamm Urt. v. 14.11.2013 – 4 U 88/13, GRUR-RS 2014, 02435; OLG Köln NZG 2011, 1320; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 8 Rn. 3.27b). Vorliegend wird auch nicht der Aufbau eines Unternehmens durch die dahinterstehenden Personen berührt (vgl. hierzu OLG Köln NZG 2011, 1320). Die Klägerin zu 1) wurde vielmehr ausweislich der Klagschrift bereits im Jahr 2015 gegründet. Dass die Kläger zu 2) und 3) persönlich, wie in der Klagschrift ausgeführt, Unternehmensberater sind und an Branchenevents teilnehmen sowie als Vortragsredner gebucht werden, macht sie nicht zu Unternehmern i.S.d. § 2 Nr. 8 UWG n.F./ § 2 Nr. 6 UWG a.F., da sich aus dem klägerischen Vortrag nicht ergibt, dass sie diese Tätigkeiten unternehmerisch eigenständig und nicht als Geschäftsführer der Klägerin zu 1) ausüben. Vielmehr heißt es im erstinstanzlichen Vortrag der Klägerseite, die Kläger zu 2) und 3) seien „in die Klägerin zu 1) eingebettete Personenmarken“ und das „Aushängeschild“ der Klägerin zu 1). Jedenfalls besteht ein auf Wettbewerbsrecht gestützter Anspruch der Kläger zu 2) und 3) gegen die Beklagte aus den hinsichtlich der Klägerin zu 1) ausgeführten Gründen nicht.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Lübeck: Einstweilige Verfügung gegen Facebook auf Unterlassung der unwiderruflichen Löschung eines bereits deaktivierten Nutzerkontos bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens

LG Lübeck
Beschluss vom 02.06.2023
15 O 2/23


Das LG Lübeck hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass gegen Facebook
ein Anspruch auf Unterlassung der unwiderruflichen Löschung eines bereits deaktivierten Nutzerkontos bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens bestehen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Antrag war auch begründet.

a. Der Antragstellerin stand der geltend gemachte Verfügungsanspruch zu. Bis zur Erledigung des Antrages konnte sie von der Antragsgegnerin verlangen, es bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu unterlassen, das bereits deaktivierte Nutzerkonto der Antragstellerin und die dazu gespeicherten Daten endgültig und unwiderruflich zu löschen.

Der Anspruch folgt dabei aus § 280 Abs. 1 BGB. Hiernach können die Nutzer vorbeugende vertragliche Unterlassungsansprüche gegen Plattformbetreibern wie der Antragsgegnerin geltend machen, wenn die konkrete Gefahr einer erstmaligen Rechtsverletzung in der Zukunft besteht (Erstbegehungsgefahr) und dem Rechtsinhaber nicht zugemutet werden kann, die erste rechtswidrige Beeinträchtigung abzuwarten. Der Nachweis der Erstbegehungsgefahr obliegt dabei vollumfänglich dem Anspruchsteller.

Vorliegend bestand die konkrete Gefahr der vertragswidrigen Löschung des Nutzerkontos der Antragsgegnerin samt aller dazugehöriger Daten. Dass die Gefahr einer Datenlöschung bestand, folgt bereits aus den oben geschilderten Standardabläufen bei der Antragsgegnerin. Auch nach der eigenen Darstellung der Antragsgegnerin werden die Daten eines – wie hier – deaktivierten Kontos „nach einer bestimmten Zeit“ (sog. „Schonfrist“) unwiderruflich gelöscht.

Diese Gefahr war vorliegend auch hinreichend unmittelbar und nicht erst in entfernter Zukunft zu besorgen. Denn aus den obigen Ausführungen ergibt sich ebenfalls, dass jedenfalls aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Betrachters mit jedem weiteren ablaufenden Tag das Risiko anstieg, dass es unmittelbar zu einem Datenverlust kommen würde. Dies folgt aus dem Umstand, dass sich zwar an die Deaktivierung eine „Schonfrist“ anschloss, jedoch keinerlei nachvollziehbar kommunizierten Regelungen bestanden, wie lange diese Sicherheit vor Datenverlust bieten würde. Jedenfalls aus der Sicht eines objektiven Dritten musste jederzeit damit gerechnet werden, dass die – so auch in keiner Weise kommunizierte – „Schonfrist“ enden und der Prozess der endgültigen Löschung aktiviert würde. Dieser jederzeit mögliche Löschungsprozess bot sodann keinerlei zumutbare Sicherheit mehr vor Datenverlust, da dieser zwar während einer 90-tägigen Frist noch gestoppt werden kann, es allerdings unstreitig auch während dieser 90 Tage möglich ist, dass ein Versuch der Wiederherstellung fehlschlägt und zudem bereits 14 Tage nach Einleitung des Löschvorgangs es in jedem Fall schon nicht mehr möglich ist, sämtliche Kontoinformationen wiederherzustellen.

Dem kann die Antragsgegnerin auch nicht mit durchgreifendem Erfolg entgegensetzen, sie habe gar „nicht beabsichtigt“, das Nutzerkonto der Antragstellerin und die dazugehörigen Daten vor dem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zu löschen. Denn jedenfalls bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung, mithin der Reaktivierung des Kontos am 16. Januar 2023 lag keine derartige Erklärung gegenüber der Antragstellerin vor, die geeignet gewesen wäre, die aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten bis zur Erledigung bestehende Erstbegehungsgefahr (vgl. oben) zu widerlegen. Vielmehr hatte die Antragsgegnerin bis zu diesem Zeitpunkt insbesondere auch auf das anwaltliche Schreiben nur durch eine faktisch aussagefreie Standardemail reagiert. Die Erklärung, keine Löschung zu beabsichtigen erfolgte erst im innerprozessualen Schriftsatz vom 26. Januar 2023 nach Eintritt der erledigenden Ereignisses – und damit zu spät.

Soweit andere Gerichte der entsprechenden Aussage der Antragsgegnerin, sie habe nicht vorgehabt, die Daten zu löschen, streitentscheidende Relevanz zubilligten (vgl. etwa OLG Nürnberg, Beschluss vom 7.10.2022 – 3 U 2178/22 -, MMR 2023, 375) überzeugt dies das Gericht nicht. Maßgeblich für die Prüfung der Frage, ob eine konkrete Gefahr des Datenverlustes vorlag, ist die sich aus Sicht eines objektiven Dritten darbietende Gesamtsituation. Diese sprach hier aus den dargelegten Gründen für eine erhebliche Gefahrensituation. Was hingegen die Antragsgegnerin aufgrund nicht vorgetragener, bis zur Erledigung des Verfahrens auch nicht nach außen getretener und rein interner Willensbildungsprozesse „wirklich“ wollte, kann an dieser Sachlage nichts ändern – und ist daher von der Antragstellerin auch nicht zu widerlegen.

Die damit unmittelbar drohende Löschung der Daten wäre auch rechtswidrig gewesen. In der Rechtsprechung ist insoweit mittlerweile anerkannt, dass Facebook ein Nutzerkonto grundsätzlich nur in Ausnahmefällen ohne vorherige Abmahnung kündigen und sodann die Daten löschen darf (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Urteil vom 4. Februar 2022 - 10 U 17/20 -, GRUR-RS 2022, 1154). Eine vorherige Abmahnung ist hier nicht erfolgt und ein Ausnahmefall liegt nicht vor. Weder kann von einer ersichtlichen Zwecklosigkeit einer Abmahnung ausgegangen werden noch liegt in dem oben dargestellten Eintrag eine derart gravierende Vertragsverletzung vor, dass eine sofortige Kündigung zulässig gewesen wäre. Insbesondere liegt auch eine Strafbarkeit des Eintrages nach § 86a StGB nicht derart auf der Hand, dass eine Kündigung ohne Abmahnung angezeigt gewesen sein könnte. § 86a StGB ist nicht einschlägig, wenn ein Hakenkreuz in einem Kontext dargestellt wird, aus dem sich die Gegnerschaft zu der zugrundeliegenden Ideologie ergibt (BeckOK StGB/Ellbogen, 57. Ed. 1.5.2023, StGB § 86a Rn. 32-35). Dies ist vorliegend jedenfalls nicht fernliegend, da sich aus dem Text unter dem verwendeten Foto ergibt, dass die Antragsgegnerin die abgebildete Fahne als für die Abgebildeten gerade diskreditierend wahrnimmt – sich selbst mithin in Gegnerschaft zu diesen stellt.

b. Es lag auch bis zum Zeitpunkt der Erledigung der für den Erlass der Anordnung erforderliche Verfügungsgrund vor.

Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn die objektiv begründete Gefahr besteht, dass durch Veränderung des status quo die Rechtsverwirklichung der Antragstellerin mittels des im Hauptsacheprozess erlangten Urteils einschließlich dessen Vollstreckung vereitelt oder erschwert werden könnte. Dies ist hier der Fall gewesen, da – wie sich bereits aus den obigen Ausführungen ergibt – jederzeit und mit im Zeitverlauf steigendem Risiko mit der unwiderruflichen Löschung der Daten gerechnet werden musste. Ein zeitaufwändiges Hauptsacheverfahren hätte keinesfalls mit der hinreichenden Aussicht auf Bewahrung der Daten vor Löschung betrieben werden können.

Einen Fall der Selbstwiderlegungen vermag das Gericht im Übrigen nicht zu erkennen. Ein solcher liegt nach der einschlägigen Rechtsprechung vor, wenn die Antragstellerin nach Eintritt der Gefährdung mit dem Antrag zuwartet. Wie lange die Antragstellerin dabei ohne Rechtsverlust mit dem Antrag zuwarten darf, lässt sich nicht allgemein bestimmen und hängt von der Art des Anspruchs und den Umständen des Einzelfalls ab. Für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wird in der Regel ein Zuwarten von einem Monat noch akzeptiert, während zwei Monate dringlichkeitsschädlich sind. Ähnliche Zeiträume werden bei Ansprüchen nach dem UrhG in der Rechtsprechung angenommen und bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen (vgl. MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 935 Rn. 19-21).

Bei der Bemessung des hier angemessenen Zeitraumes, der vor der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ohne Rechtsverlust verstreichen kann, kommt der Antragstellerseite vorliegend ein Einschätzungsspielraum zu. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerseite zwar einerseits vorgerichtliche Abhilfemöglichkeiten anbietet (vgl. oben), die Nutzerinnen und Nutzer dann jedoch sehr weitgehend im Unklaren lässt, wie, wann und ob überhaupt hierauf reagiert wird. Hinzukommt zudem, dass keine nachvollziehbaren Informationen vorgehalten werden, wie lange die persönlichen Daten nach einer Deaktivierung des Kontos noch vor einer Löschung „sicher“ sind und wann der Löschungsprozess eingeleitet wird. In der Zusammenschau befinden sich die Nutzerinnen und Nutzer daher in der paradoxen und individuell auch nicht auflösbaren Situation, einerseits nicht zu früh – nämlich vor Ausschöpfung der plattformeigenen Abhilfemöglichkeiten - gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen zu sollen, andererseits hierauf keine Reaktion zu erhalten und im Hinblick auf die unklare Dauer der Schonfrist und des Beginn des Löschungsprozesses auch nicht zu wissen, wann die gerichtliche Inanspruchnahme „zu spät“ sein könnte.

Vor diesem Hintergrund hat das Gericht keinerlei Bedenken hinsichtlich der hier von der Antragstellerin gewählten zeitlichen Ablaufs, der eine angemessene und vernünftige Reaktion auf die aufgezeigte Gemengelage darstellt und daher nicht zu einem Rechtsverlust führen kann. Zwar verstrichen hier zwischen der gefahrbegründenden Deaktivierung des Kontos bis zur Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ca. 7 Wochen. Dies geschah jedoch nicht durch reine Passivität der Antragstellerin, sondern ist die Folge der sinnvollen und angemessenen Nutzung der plattformeigenen Meldewege, die die Antragstellerin zu nutzen versuchte, wobei Verzögerungen vor allem dadurch eintraten, dass die Antragsgegnerin auf die Anschreiben nicht bzw. nicht angemessen einzelfallbezogen reagierte.

Die Deaktivierung erfolgte hier am 11. November 2021. Hierauf nutzte die Antragstellerin zunächst die plattformeigenen Wege der Beanstandung und wartete vernünftigerweise die Reaktion bis Ende November 2021 ab. Als keine Reaktion erfolgte, wandte sie sich Anfang Dezember an den Prozessbevollmächtigten, der sich – was ebenfalls nicht zu beanstanden ist – zunächst mit Schreiben vom 9. Dezember außergerichtlich an die Antragstellerin wandte und nun seinerseits ca. 3 angemessene Wochen auf substantielle Antwort abwartete – die nicht erfolgte. Im Anschluss stellte die Antragstellerin unverzüglich Antrag auf Erlass der begehrten Maßnahme bei Gericht.

Die Kosten waren im Rahmen des richterlichen Ermessens nach § 91 a ZPO auch nicht aus anderen Gründen den Klägern aufzuerlegen.

Das Gericht legt den Streitwert auf 10.000 EUR fest. Hierbei geht es davon aus, dass der Streitwert in einem Hauptsacheverfahren wegen der Löschung eines Facebook-Kontos und damit einhergehend aller dort enthaltenen Freundschaftsverbindungen, Follower, Posts etc. ein Streitwert von vorliegend 10.000 EUR angemessen erscheint. Hiervon hat das Gericht vorliegend keinen weiteren Abschlag vorgenommen, da Gegenstand des hiesigen Verfahrens zwar nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung war, dessen Anlass jedoch die Befürchtung endgültigen Datenverlustes war, so dass insoweit kein erheblicher Unterschied zwischen Hauptsachestreitwert und Streitwert des einstweiligen Anordnungsverfahrens besteht (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. August 2022 - 4 W 40/22 -, Juris).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Nürnberg: Richtiges Klagebegehren bei unberechtigter Löschung eins Beitrags in einem sozialen Netzwerk ist die Wiederfreischaltung des gelöschten Beitrags

LG Nürnberg
Urteil vom 22.08.2023
11 O 6693/21


Das LG Nürnberg hat entschieden, dass das richtiges Klagebegehren bei unberechtigter Löschung eins Beitrags in einem sozialen Netzwerk die Wiederfreischaltung des gelöschten Beitrags ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
A. Die Klage ist in ihrer zuletzt geänderten Fassung nur teilweise zulässig.

I. Es liegt eine zulässige Klageänderung vor.
1. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 10.06.2022 (Bl. 94 ff. d. A.) den Klageantrag Ziffer 5 um einen Hilfsantrag erweiterte, liegt eine Änderung des Sachantrags, mithin eine Klageänderung vor.

2. Die vom Kläger vorgenommene Klageänderung ist als privilegierte Klageänderung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.

II. Die sonstigen Sachurteilsvoraussetzungen für die geänderte Klage liegen nur teilweise vor, da die Klageanträge Ziffer 2 und Ziffer 5 bereits unzulässig sind.

1. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist international, sachlich und örtlich zuständig.

Die deutschen Gerichte sind international zuständig, Art. 17 Abs. 1c, Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist nach vorstehenden Ausführungen auch örtlich zuständig, da der Kläger seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts hat. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts beruht auf § 1 ZPO, § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG.

2. Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit von der in dem Klageantrag Ziffer 2 genannten Sperre, Nutzungseinschränkung, Entfernung und Unterbindungshandlung begehrt. Der Klageantrag zielt insoweit nicht auf die Feststellung gegenwärtiger Rechtsverhältnisse im Sinne des § 256 Abs. 1, Abs. 2 ZPO ab (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.05.2022 – 14 U 270/20, juris Rn. 58 ff. mwN).

Der Aspekt, ob eine Kontensperrung rechtswidrig war, stellt kein Rechtsverhältnis dar, da die Qualifizierung eines Verhaltens als rechtmäßig oder rechtswidrig nicht unmittelbar Rechte und Pflichten begründet und daher kein Rechtsverhältnis zwischen Personen begründet. Von daher spielt es auch keine Rolle, ob die Rechtswidrigkeit von erfolgten Sperren eine Vorfrage bei der Entscheidung über andere Klageanträge darstellt. Schließlich erweist sich der Feststellungsantrag auch unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Leistungsklage als unzulässig.

3. Ebenfalls unzulässig ist die Klage mit ihrem Klageantrag Ziffer 5 nebst Hilfsantrag.

a. Der Unterlassungsantrag ist – auch in der Fassung des Hilfsantrags – nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Unterlassungsanträge, die lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergeben, sind in der Regel als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen. Vorliegend gibt der Unterlassungsantrag zwar nicht einen Gesetzeswortlaut wieder, sondern knüpft an eine Handlung der Beklagten – die Vornahme einer Sperre des Klägers auf www.facebook.com – an. Dennoch entspricht das Klagebegehren in seiner Wirkung faktisch der bloßen Wiederholung einer Rechtslage, nämlich der Rechtslage in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen für die Vornahme einer Sperre (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 59).

b. Zudem darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Den Fall der Kontosperre als Verletzungshandlung bzw. als Handlung, die nur nach Anhörung und Möglichkeit der Gegenäußerung zulässig wäre, gibt es nicht. Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung deutlich gemacht, dass von einer Anhörung vor Durchführung der Maßnahme in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen abgesehen werden kann. Außerdem kann z. B. ein Wiederholungsfall vorliegen, der eine nochmalige Anhörung vor einer Sperre entbehrlich macht. Von daher ist die Verletzungshandlung, an die der geltend gemachte Unterlassungsanspruch anknüpft, nicht hinreichend bestimmt. Ließe man den Antrag zu, hätte die Beklagte keine Möglichkeit, sich umfassend und adäquat zu verteidigen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 60).

c. Schließlich handelt es sich bei dem Begehren des Klägers inhaltlich nicht um einen Unterlassungsanspruch, sondern um einen Anspruch auf zukünftiges positives Tun (Leistungsanspruch auf Information und Neubescheidung vor einer möglichen Sperre). Eine solche Klage ist nach § 259 ZPO nur zulässig, wenn ein Anspruch bereits entstanden ist. Ein Anspruch auf Information kann aber nicht vor Vornahme der entsprechenden Handlung (hier: Einstellung eines Posts, der zu einer Sperre Anlass geben könnte) entstehen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.06.2022 – 16 U 229/20, juris Rn. 61).

B. Die Voraussetzungen für eine zulässige Anspruchshäufung liegen vor, § 260 ZPO.

C. Die Klage ist, soweit über sie noch zu entscheiden ist, überwiegend unbegründet.

I. Der auf die Freischaltung des am 14.08.2021 gelöschten Beitrags (Klageantrag Ziffer 3) ist begründet, da der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch hat, den von ihr am 14.08.2021 gelöschten Beitrag wieder freizuschalten.

1. Zwischen den Parteien besteht ein Nutzungsvertrag, der aufgrund der Rechtswahlklausel in Nr. 4.4 der Nutzungsbedingungen der Beklagten dem deutschen Recht unterliegt (so auch BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 38). Gemäß Nr. 1 ihrer Nutzungsbedingungen hat sich die Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet, diesem ihre Produkte und Dienste zur Verfügung zu stellen, um ihm die Möglichkeit zu geben, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten und sich mit ihnen auszutauschen, insbesondere Nachrichten zu senden und Daten wie Texte, Fotos und Videos zu teilen. Daraus folgt, dass die Beklagte Beiträge, die der Kläger in ihr Netzwerk eingestellt hat, nicht grundlos löschen darf (BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 40).

2. Gegen diese vertragliche Verpflichtung hat die Beklagte durch die Löschung des streitgegenständlichen Beitrags verstoßen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sie sich insoweit nicht auf den Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt in Nr. 3.2 der (…)-Nutzungsbedingungen i.V.m. den Gemeinschaftsstandards zur „Hassrede“ berufen. Denn ausgehend von der in den Gemeinschaftsstandards zur „Hassrede“ geregelten Definition enthält der Beitrag des Klägers keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards.

a. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 12.04.2016 – VI ZR 505/14, juris Rn. 11 mwN). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 31). Sind mehrere sich nicht gegenseitig ausschließende Deutungen des Inhalts einer Äußerung möglich, so ist der rechtlichen Beurteilung hinsichtlich von Sanktionen diejenige zugrunde zu legen, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2003, juris Rn. 26; BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris 33 ff.). Anders bei Unterlassungsansprüchen: Hier ist im Rahmen der rechtlichen Zuordnung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz zu berücksichtigen, dass der Äußernde die Möglichkeit hat, sich in der Zukunft eindeutig auszudrücken und damit zugleich klarzustellen, welcher Äußerungsinhalt der rechtlichen Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu Grunde zu legen ist (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris Rn. 34). Ist der Äußernde nicht bereit, der Aussage einen eindeutigen Inhalt zu geben, besteht kein Grund, von einer Verurteilung zum Unterlassen nur deshalb abzusehen, weil die Äußerung mehrere Deutungsvarianten zulässt, darunter auch solche, die zu keiner oder nur einer geringeren Persönlichkeitsverletzung führen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1969/98, juris Rn. 35).

b. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liegt keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards der Beklagten vor. Denn die von der Beklagten in dem streitgegenständlichen Beitrag beanstandeten Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt im vorliegenden Kontext keinen direkten Angriff auf Personen dar, auch wenn durch die Äußerung eine bestimmte Personengruppe aufgrund ihrer nationalen Herkunft identifizierbar ist.

aa. Die Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt bereits ausgehend von dem objektiven Wortlaut und auch unter Berücksichtigung des Kontexts keine gewalttätige oder menschenverachtende Sprache und auch keinen Aufruf, Personen auszugrenzen oder zu isolieren, dar.

bb. Die Äußerung „verblödete Deutsche“ stellt überdies in der Zusammenschau der gegebenen tatsächlichen Umstände nicht eine als Hassrede definierte Aussage über Minderwertigkeit, schädliche Stereotypisierung oder einen Ausdruck der Verachtung, der Abscheu oder Ablehnung oder Beschimpfung dar. Denn die Äußerung des Klägers ist mehrdeutig und von der Beklagten ist – ausgehend von dem oben dargestellten Maßstab – bei der Prüfung der Löschung die für den Kläger günstigere Auslegung zugrunde zu legen.

(1) Zwar kann die Äußerung des Klägers, wie von der Beklagten behauptet, von einem Durchschnittsleser im Gesamtkontext als eine Aussage über die Minderwertigkeit der deutschen Bevölkerung bzw. Ausdruck der Verachtung gegenüber der deutschen Bevölkerung ausgelegt und verstanden werden.

Zum einen ist die Aussage „verblödet“ bereits nach dem Wortsinn ein Ausdruck der Verachtung und Minderwertigkeit. In den Gemeinschaftsstandards ist zudem definiert, dass es sich bei dem Wort „blöd“ um eine verbotene Verallgemeinerung handelt, die Minderwertigkeit aufgrund geistiger Einschränkungen der intellektuellen Fähigkeit zum Ausdruck bringe.

Die Äußerung des Klägers könnte vor diesem Hintergrund somit dahingehend verstanden werden, dass die deutsche Bevölkerung insgesamt oder jedenfalls ein repräsentativer, „typischer“ Deutscher“ „verblödet“ sei. Damit würde allen Menschen deutscher Nationalität verallgemeinernd verminderte intellektuelle Fähigkeiten zugeschrieben werden. Auch der Gesamtkontext würde einem solchen Verständnis nicht entgegenstehen. Denn unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes kann die Äußerung dahingehend verstanden werden, dass die deutsche Bevölkerung im Vergleich zu Menschen anderer Herkunft über geringere geistige Fähigkeiten verfüge und sich daher leicht täuschen und ausnutzen lasse.

(2) Zugleich kann die Äußerung von einem Durchschnittsleser allerdings auch als Selbstkritik bzw. Selbstironie im Rahmen einer aktuellen politischen Diskussion über den Klimawandel verstanden werden. In diesem Fall würde die Äußerung des Klägers nicht unter die Definition der Hassrede in den Gemeinschaftsstandards fallen.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Durchschnittsleser die streitgegenständliche Äußerung, wie von dem Kläger vorgetragen, im Gesamtkontext dahingehend versteht, dass die beanstandete Wertung lediglich an das Verhalten und die Einstellung der Deutschen in Bezug auf den Klimawandel und die Klima- bzw. CO₂-Politik („grüner Ökowahn“) im internationalen Vergleich anknüpfe. Die Äußerung kann in diesem Gesamtkontext aufgrund der weiteren Aussagen „Autofahrer schröpfen“, „Industrie knebeln“ sowie der Aussage zur Verlagerung von Produktionsstandorten ins Ausland dahingehend verstanden werden, dass der Kläger die Deutschen kritisiere, dass diese einem „grünen Ökowahn“ unterlägen, der mit Nachteilen für die Deutschen und die deutsche Wirtschaft verbunden sei, während den Rest der Welt bzw. andere Länder der Klimawandel und Belastung der Umwelt nicht interessiere bzw. andere Länder auch noch von dem „Ökowahn“ der Deutschen profitieren würden, weil Produktionsstandorte von Deutschland ins Ausland verlagert werden.

Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Durchschnittsleser die Äußerung als (überspitzt formulierte) Selbstkritik bzw. Selbstironie und nicht als Ausdruck der Minderwertigkeit versteht.
42
(3) Da es sich bei der Löschung des Beitrags um eine Sanktion der Beklagten dem Kläger gegenüber handelt, ist bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Löschung aufgrund des oben dargestellten Maßstabes die für den Kläger günstigste Auslegung zugrunde zu legen. Da die Äußerung, wie bereits dargestellt, auch dahingehend verstanden und ausgelegt werden kann, dass keine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards vorliegt, war die Löschung rechtswidrig und der Beitrag ist wiederherzustellen.

Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 04.04.2022 (Bl. 71 d. A. Rückseite) geltend macht, andere Gerichte hätten bereits entschieden, dass eine Darstellung der Deutschen als dumm bzw. intellektuell minderbemittelt eine Hassrede im Sinne der Gemeinschaftsstandards darstelle, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Entsprechende Urteile sind weder veröffentlicht noch vorgelegt. Es kann daher nicht überprüft werden, ob die den Entscheidungen zugrunde liegenden Äußerungen mit der streitgegenständlichen Äußerung im konkreten Zusammenhang identisch sind.

c. Da der streitgegenständliche Beitrag mangels Erfüllung eines dort genannten Straftatbestands auch keinen rechtswidrigen Inhalt im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG darstellt, kommt eine hierauf gestützte Löschung des Beitrages nicht in Betracht.

3. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte die in der Entfernung des Beitrags bestehende Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Gemäß § 249 Abs. 1 BGB ist die Beklagte zur Wiederherstellung des Beitrags verpflichtet. Denn der durch die Pflichtverletzung verursachte Schaden des Klägers besteht darin, dass sein Beitrag auf der Plattform der Beklagten nicht mehr gespeichert ist und von den anderen Nutzern nicht mehr gelesen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 192/20, juris Rn. 111).

4. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Fragen der Wirksamkeit der Nutzungsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf die Drittwirkung von Grundrechten, sowie deren wirksame Einbeziehung und des Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht entscheidungserheblich an.

II. Der auf die Unterlassung einer künftigen Löschung des in Klageantrags Ziffer 3 enthaltenen Beitrags gerichtete Klageantrag (Klageantrag Ziffer 4) ist unbegründet. Denn die künftige Löschung des streitgegenständlichen Beitrags kann der Beklagten – unabhängig von der Anspruchsgrundlage – nicht untersagt werden (vgl. zum Folgenden: OLG München, Beschluss vom 17.07.2018 – 18 W 858/18, juris Rn. 54 ff.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geht das Verbot einer Äußerung ohne Bezugnahme auf den jeweiligen Kontext grundsätzlich zu weit, weil eine Untersagung stets eine Abwägung zwischen dem Recht des von der Äußerung Betroffenen, insbesondere auf Schutz seiner Persönlichkeit, und dem Recht des sich Äußernden auf Meinungs- und Medienfreiheit unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem die Äußerung gefallen ist, voraussetzt. Ein Verbot ohne Bezugnahme auf den Kontext geht daher grundsätzlich zu weit (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10, juris Rn. 32). Bei der Prüfung der Frage, ob ein „kerngleicher“ Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung vorliegt, kann der Aussagegehalt der beiden Äußerungen unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Kontextes miteinander verglichen werden. Der Kontext eines künftigen Textes, dessen Löschung der Kläger der Beklagten verbieten lassen will, ist aber erst bekannt, wenn der Text tatsächlich auf der Plattform der Beklagten eingestellt wird. Da die Rechtswidrigkeit einer Äußerung aber maßgeblich vom Kontext abhängt, in dem sie gefallen ist, kann im Vorfeld nicht entschieden werden, ob eine Löschung des künftigen Textbeitrags durch die Beklagte unzulässig wäre.

III. Ein Anspruch auf Datenberichtigung (Klageantrag Ziffer 1) besteht – unabhängig von der Zulässigkeit erfolgter Maßnahmen – nicht.

1. Zwar kann eine betroffene Person nach Art. 16 Satz 1 DS-GVO von dem Verantwortlichen die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten verlangen.

Soweit die Beklagte vorgenommene Löschungen und Sperrungen in ihrem Datenbestand vermerkt hat, handelt es sich jedoch nicht um unrichtige Daten. Soweit die gespeicherten Daten Werturteile der Beklagten über das Vorliegen von Vertragsverstößen beinhalten sollten, könnte auch insoweit keine Datenberichtigung verlangt werden, weil es sich nicht um dem Wahrheitsbeweis zugängliche Tatsachen, sondern um rechtliche Bewertungen handelt, die schon wegen des Schutzes der Meinungsfreiheit aus dem Anwendungsbereich der Berichtigungspflicht ausgenommen sind, soweit sie keine Tatsachenbestandteile enthalten. Der Beklagten ist es mithin nicht verwehrt, ihre Auffassung zu vermerken, etwaige Löschungen und Sperrungen seien rechtmäßig gewesen, ohne dass damit ein Präjudiz für die Frage der Rechtmäßigkeit verbunden wäre. Für eine solche Bindungswirkung, die über die materielle Rechtskraft des Urteils hinausgeht, besteht keine rechtliche Grundlage. Es existiert keine Regelung, wonach von der Beklagten gespeicherte Daten verbindlich für die Beurteilung der Rechtslage seien (vgl. OLG Celle, Urteil vom 20.01.2022 – 13 U 84/19, juris Rn. 95 ff.).

b. Soweit der Kläger die Löschung aller Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz begehrt, sieht Art. 16 Satz 1 DS-GVO eine solche Rechtsfolge nicht vor. Dem „Recht auf Berichtigung“ kann im Einzelfall auch dadurch – ggf. besser – Rechnung getragen werden, dass unrichtige Daten durch Hinzufügung von Vermerken in korrigierter Weise beibehalten werden.

c. Ein Anspruch auf Löschung gespeicherter Daten steht dem Kläger auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 lit a) DS-GVO zu. Denn danach sind personenbezogene Daten auf Verlangen erst dann zu löschen, wenn sie für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Im Rahmen einer fortgesetzten Nutzung der Dienste der Beklagten ist diese jedoch zur Durchführung des Vertragsverhältnisses darauf angewiesen, Informationen zu etwaigen Löschungen und Sperrungen in den Konten ihrer Nutzer vorzuhalten.

d. Soweit eine Verpflichtung der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 BGB im Raume steht, Datensätze insoweit zu korrigieren, als ihnen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021, Az. III ZR 179/20 und III ZR 192/20, ungerechtfertigte Sanktionen des Klägers zugrunde liegen, stehen solche zur Überzeugung der Kammer nicht fest. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. OLG München, Beschluss vom 07.01.2020 – 18 U 1491/19, juris Rn. 178) legt weder schlüssig noch substantiiert dar, welchen konkreten Inhalt die auf Seite 16 der Klageschrift (Bl. 16 d. A.) aufgelisteten und in der Vergangenheit gelöschten Beiträge hatten. Durch die Kammer kann somit nicht überprüft werden, ob vorliegend ein Löschung des jeweiligen Beitrags zulässig war.

IV. Der auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klageantrag Ziffer 6 ist unbegründet.

1. Nach § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 257 BGB kann der Kläger eine Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht beanspruchen.

Dem von einer Vertragspflichtverletzung Betroffenen ist es grundsätzlich zuzumuten, seinen Vertragspartner zunächst selbst auf Erfüllung der diesem obliegenden Pflichten in Anspruch zu nehmen. Ob dieser Grundsatz uneingeschränkt auch für den Anspruch auf Wiederherstellung eines zu Unrecht gelöschten Beitrags gilt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn mit dem Schreiben an die Beklagte vom 20.09.2021 (Anlage K 13) hat der Klägervertreter die Beklagte unter Ziffer IV.1. lediglich zur unverzüglichen Freischaltung „etwaige(r) gelöschte(r) Beiträge“ aufgefordert. Darin kann keine hinreichend bestimmte vorgerichtliche Aufforderung zur Wiederherstellung des gelöschten streitgegenständlichen Beitrags gesehen werden (so auch OLG München, Beschluss vom 07.01.2020 -18 U 1491/19, juris Rn. 209 ff.).

2. Auch aus § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1 BGB kann der Kläger die Freistellung von außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nicht verlangen, da sich die Beklagte bei Beauftragung der Klägervertreter nicht in Verzug befunden hat. Denn der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat weder schlüssig dargelegt, dass er die Beklagte vor Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten im Sinne von § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB abgemahnt hat, noch war die Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich. Insbesondere liegt entgegen der Auffassung des Klägers keine Entbehrlichkeit nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, da für die Leistung der Beklagten (Zur Verfügung Stellung der Plattform) keine Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt ist. Auch liegt keine Entbehrlichkeit nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 vor, da eine Abwägung der beiderseitigen Interessen einen sofortigen Eintritt des Verzugs nicht rechtfertigt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Baden-Baden: Verstoß gegen DSGVO durch Verarbeitung personenbezogener Daten auf privaten Kommunikationsgeräten von Mitarbeitern - Auskunftsanspruch und Unterlassungsanspruch

LG Baden-Baden
Urteil vom 24.08.2023
3 S 13/23


Das LG Baden-Baden hat entschieden, dass ein gegen die Vorgaben der DSGVO durch Verarbeitung personenbezogener Daten auf privaten Kommunikationsgeräten von Mitarbeitern vorliegt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Berufung über Klage auf Geltendmachung von Ansprüchen nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wegen eigenmächtiger Verarbeitung von Kundendaten auf privatem Account hat Erfolg.

Unternehmen wird zur Auskunft über ihre Mitarbeiter, die Kundendaten privat verarbeitet haben und dazu verurteilt, ihren Mitarbeitern die Verwendung der Daten auf privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen.

Durch Urteil vom 24.08.2023 (Az. 3 S 13/23) hat das Landgericht Baden-Baden ein Unternehmen dazu verurteilt, einer Kundin die Namen ihrer Mitarbeiter zu benennen, die in dem Unternehmen erhobene Kundendaten privat verarbeitet haben. Darüber hinaus ist das Unternehmen dazu verurteilt worden, ihren Mitarbeitern die fortgesetzte Verwendung der personenbezogenen Kundendaten auf ihren privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sehe einen Auskunftsanspruch der Kundin nach Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO vor, der sich vorliegend auch darauf erstreckte, der klagenden Kundin die Mitarbeiter der Beklagten als Empfänger im Sinne von Art. 4 Ziff. 9 DSGVO zu benennen, denen gegenüber die personenbezogenen Daten der Klägerin offengelegt worden sind und die diese privat verarbeitet haben, etwa weil sie diese auf einem privaten Account eines sozialen Netzwerks genutzt haben. Zwar seien Arbeitnehmer eines für die Datenverarbeitung Verantwortlichen grundsätzlich nicht als Empfänger anzusehen. Dies gelte aber nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 22.06.2023, C-579/21, Rn. 75) nur dann, wenn sie unter der Aufsicht des Verantwortlichen und im Einklang mit seinen Weisungen die Daten verarbeiteten. Demgegenüber habe in dem zu entscheidenden Fall zumindest eine Mitarbeiterin der Beklagten zur Klärung von Fragen im Zusammenhang mit dem Kauf eines Fernsehers den Kontakt zu einer Kundin eigenmächtig über ihren privaten Account hergestellt. Da für die Kundin die Nennung der Mitarbeiter erforderlich sei, um die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu überprüfen und ggf. weitere nach der DSGVO zustehende Ansprüche gegen die Mitarbeiter geltend machen zu können, bestehe vorliegend ein Auskunftsanspruch auf Nennung der Mitarbeiter. Denn eine vorzunehmende Abwägung der in Rede stehenden Rechte und Freiheiten der Kundin einerseits und der Mitarbeiter andererseits führe im Hinblick darauf, dass die Nutzung der Kundendaten auf privaten Accounts entgegen den Weisungen und den üblichen Gepflogenheiten des Unternehmens eigenmächtig durch die Mitarbeiterin der Beklagten erfolgt sei, dazu, dass das Interesse der Mitarbeiter, anonym zu bleiben, nicht schutzwürdig sei und gegenüber den Interessen der Kundin auf Geltendmachung ihrer Ansprüche nach der DSGVO zurückzustehen habe.

Darüber hinaus stehe der Kundin nach §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 DSGVO ein Anspruch darauf zu, dass das beklagte Unternehmen ihren Mitarbeitern, die bei der Beklagten erhobene personenbezogene Daten der Klägerin auf privaten Kommunikationsgeräten verwendet haben, die fortgesetzte Verwendung untersage. Die Beklagte sei als mittelbare Handlungsstörerin verantwortlich und verpflichtet, die ihren Weisungen unterliegenden Mitarbeiter der Beklagten dazu anzuhalten, die weisungswidrige fortgesetzte Verwendung der in dem Unternehmen erhobenen personenbezogenen Daten der Kundin zu unterlassen.

Das Landgericht hat die Revision gegen das Urteil vom 24.08.2023 nicht zugelassen. Ein Rechtsmittel gegen das Urteil ist damit nicht statthaft.

Zum Hintergrund:

Die Kundin hatte im Juni 2022 bei dem beklagten Unternehmen einen Fernseher und eine Wandhalterung erworben. In dem Zusammenhang wurden von ihr der Name und ihre Anschrift erfasst. Wenige Tage darauf gab sie die Wandhalterung wieder zurück, wobei ihr versehentlich der wesentlich höhere Kaufpreis für den Fernseher erstattet wurde.

Als das Versehen in dem Unternehmen bemerkt wurde verfasste eine Mitarbeiterin des Unternehmens über ihren privaten Account eines sozialen Netzwerks noch am gleichen Tag eine Nachricht an die Kundin, mit der sie auf das Versehen aufmerksam machte und um Rückmeldung bat. Darüber hinaus erhielt die Kundin ebenfalls noch an diesem Tag über Instagram eine weitere Nachricht, in der sie aufgefordert wurde, sich deshalb mit dem „Chef“ der Instagram-Nutzerin in Verbindung zu setzen.

Die Kundin hat mit ihrer gegen das Unternehmen gerichteten Klage die Auskunft begehrt, mitzuteilen, an welche Mitarbeiter der Beklagten ihre personenbezogenen Daten herausgegeben oder übermittelt wurden und darüber hinaus beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Mitarbeitern die Nutzung der personenbezogenen Daten der Kundin auf privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen.

Das beklagte Unternehmen ist der Klage entgegen getreten.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, der Auskunftsanspruch bestehe nicht, da Mitarbeiter eines Unternehmens keine „Empfänger“ im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO, Art. 4 Nr. 9 DSGVO seien. Die begehrte Verurteilung, den Mitarbeiter der Beklagten die Nutzung der personenbezogenen Daten der Kundin auf ihren privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen, sei nicht begründet.

Hiergegen hat sich die Berufung der Klägerin gerichtet, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt hat.

1. Instanz: Amtsgericht Bühl, Urteil vom 21.02.2023 – 3 C 210/22

2. Instanz: Landgericht Baden-Baden, Urteil vom 24.08.2023 - 3 S 13/23

Einschlägige Vorschriften:

Art. 15 DSGVO:

Abs. 1: Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:



c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen

….

Art. 4 DSGVO:

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

1. „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann;

2. „Verarbeitung“ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung;



9.. „Empfänger“ eine natürliche oder juristische Person, …, der personenbezogene Daten offengelegt werden, unabhängig davon, ob es sich bei ihr um einen Dritten handelt oder nicht. …

§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1)

Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.



§ 823 BGB Schadensersatzpflicht

(1)

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2)

Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BAG: Stark beleidigende Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen in privater WhatsApp-Chatgruppe können außerordentliche Kündigung rechtfertigen

BAG
Urteil vom 24.08.2023
2 AZR 17/23


Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass stark beleidigende Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen in einer privaten WhatsApp-Chatgruppe eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können.

Die Pressemitteilung des BAG:
Kündigung wegen Äußerungen in einer Chatgruppe

Sitzungsergebnis
Ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, kann sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen.

Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger gehörte seit 2014 einer Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen der Vorinstanz „langjährig befreundet“, zwei miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise ua. über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Nachdem die Beklagte hiervon zufällig Kenntnis erhielt, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos.

Beide Vorinstanzen haben der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Klägers betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen und das Vorliegen eines Kündigungsgrundes verneint. Eine Vertraulichkeitserwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.

Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses wird dem Kläger Gelegenheit für die ihm obliegende Darlegung geben, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2023 – 2 AZR 17/23
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 19. Dezember 2022 – 15 Sa 284/22



OLG Hamm: Direktnachrichten über Soziale Medien, Portale und Messengerdienste sind elektronische Post im Sinne von § 7 UWG und ohne Einwilligung des Empfängers unzulässig

OLG Hamm
Hinweisbeschluss vom 17.05.2023
18 U 154/22


Das OLG Hamm hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass auch Direktnachrichten über Soziale Medien, Portale und Messengerdienste elektronische Post im Sinne von § 7 UWG darstellen und ohne Einwilligung des Empfängers unzulässig sind.

Aus den Gründen:
Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, nach der die Klägerin aus der Akquise-Vereinbarung keine Rechte herleiten kann, weil der Vertrag nichtig ist.

Gemäß § 134 BGB können Verträge nichtig sein, die zur Begehung unlauteren Wettbewerbs verpflichten. Voraussetzung hierfür ist, dass der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.1998 - I ZR 10/96, GRUR 1998, 945, beckonline; Senatsbeschluss vom 25.10.2021- 18 U 110/21, Rn. 46, juris; OLG; Frankfurt/M., Urteil vom 24.01.2018 - 13 U 165/16, NJW-RR 2018, 887, Rn. 43). Dies ist hier der Fall, weil die Akquise-Vereinbarung darauf gerichtet ist, unzulässige geschäftliche Handlungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. durchzuführen und damit zu einem wettbewerbswidrigen Handeln verpflichtet.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Berufungsbegründung der Klägerin gibt Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

a)

Auch hinsichtlich der Dienstleistung Chiffre-Kontakt liegt eine unzulässige geschäftliche Handlung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. vor.

Die erstmalige Kontaktierung der Inserenten über die einzelnen Portale seitens der Mitarbeiter der Klägerin, wie es in § 5 der Akquise-Vereinbarung vorgesehen ist und mit einem Anschreiben über die Kontaktformulare der jeweiligen Immobilienportale geschieht, verstößt gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F., weil die Inserenten die für eine solche Kontaktaufnahme per elektronischer Post erforderliche vorherige ausdrückliche Einwilligung nicht erteilt haben (vgl. Senatsbeschluss vom 23.12.2021- 18 U 110/21, Rn. 9, juris).

Die Auffassung der Klägerin, das Anschreiben über ein Internetportal stelle keine elektronische Post im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. dar, weil die Nachrichten nicht direkt an die potenziellen Verkäufer der Immobilien, sondern an die Internetportale verschickt würden, und aus dem gleichen Grund die Verbraucher auch nicht Adressaten im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. seien, geht fehl; sie ist insbesondere nicht mit dem Schutzzweck der Vorschrift vereinbar.

aa)

Der Begriff der "elektronischen Post" in § 7 Abs. Nr. 3 UWG a.F. ist unionsrechtskonform in Einklang mit Art. 2 S. 2 lit. h der RL 2002/58/EG (EK-DSRL - Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) auszulegen und umfasst daher "jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird". Durch die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 der RL 2002/58/EG, die den Begriff der elektronischen Post aufgreift und deren Verwendung reglementiert, sollen die Nutzer vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung geschützt werden (vgl. ErwG 40 der RL 2002/58/EG). Angesichts dieses Schutzzwecks befürworten sowohl der Bundesgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof bei Beantwortung der Frage, welche elektronischen Kommunikationsmittel unter elektronische Post zu fassen sind, eine weite und an die Entwicklung der Technologie angepasste Auslegung.

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 30.01.2020 (Az. I ZR 25/19, GRUR 2020, 420 - Inbox-Werbung I) dem Europäischen Gerichtshof zur Auslegung von Art. 2 S. 2 lit. h und Art. 13 Abs. 1 der RL 2002/58/EG sowie Nr. 26 des Anh. I der RL 2005/29/EG mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. In diesem Zusammenhang hat er auch Ausführungen zum Begriff der elektronischen Post gemacht: Es sei nicht ersichtlich, dass der Richtliniengeber angesichts der absehbar rasch fortschreitenden technischen Entwicklung den Begriff der elektronischen Post statisch auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie bekannten "klassischen" Formen der E-Mail, der SMS oder der MMS festschreiben wollte. Näherliegend sei, dass er im Interesse des Schutzes der Privatsphäre der Nutzer einen dynamischen und technikneutralen Begriff gewählt habe (vgl. Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 7 Rn. 186), der es beispielsweise ermögliche, auch die erst in jüngerer Zeit relevant gewordenen elektronischen Mitteilungen im Rahmen von sozialen Netzwerken zu erfassen (vgl. Büscher/Büscher, § 7 Rn. 200; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 7 Rn. 65; Mankowski in Fezer/Büscher/Obergfell, § 7 Rn. 186). Denn die Privatsphäre der Nutzer elektronischer Kommunikationsmittel könne nicht nur durch im Wege der klassischen Formen der elektronischen Individualkommunikation wie E-Mail, SMS oder MMS übersandten unerbetene Nachrichten beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 30.01.2020 - I ZR 25/19, GRUR 2020, 420 Rn. 29, beckonline).

Der Europäische Gerichtshof hat anlässlich der Vorlagefragen durch Urteil vom 25.11.2021 diese Auffassung bestätigt und klargestellt, dass der Begriff der elektronischen Kommunikationsmittel aus technologischer Sicht entwicklungsfähig und mit Blick auf das Regelungsziel, dass den Nutzern der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste der gleiche Grad des Schutzes personenbezogener Daten und der Privatsphäre geboten werden soll, weit auszulegen sei (vgl. EuGH, Urteil vom 25.11.2021 - C-102/20, GRUR 2022, 87 Rn. 38, 39, beckonline).

Daher fallen unter den Begriff der elektronische Post im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. neben E-Mails, SMS und MMS auch sämtliche Nachrichten über Social Media-Dienste wie Xing, Facebook, LinkedIn oder WhatsApp (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 15.01.2019 - 3 U 724/18, GRUR-RR 2019, 170 Rn. 59, beckonline; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 264; Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 86).

Zwar handelt es sich bei dem Nachrichtendienst eines Immobilienportals nicht um einen Social-Media-Dienst. Die Funktionsweise des Postfachs ist jedoch dieselbe. Auch hier werden Nachrichten asynchron übermittelt und auf dem Server des jeweiligen Portalbetreibers für den jeweiligen Inserenten gespeichert, bis dieser sie abruft. Die Nachrichten erreichen den Nutzer in seinem eingerichteten und lediglich privat zugänglichen Postfach, das er über einen Nachrichten-Manager abrufen kann. Dementsprechend handelt es sich gleichermaßen um eine Art elektronischen Briefkasten. Angesichts des oben dargelegten Schutzzwecks des Art. 13 Abs. 1 RL 2002/58/EG kann daher für Nachrichten über Immobilienportale nichts anderes gelten als für Nachrichten über Social-Media-Dienste (oder per E-Mail).

bb)

Die Verbraucher sind weiter Adressaten im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. Die Argumentation der Klägerin, das Internetportal, an das die Nachrichten geschickt würden, sei der Adressat ihrer Nachrichten, ist nicht nachvollziehbar.

Adressat im Sinne der Vorschrift ist der Nutzer des Immobilienportals, den die Nachricht erreichen soll. Der Nutzer eines Immobilienportals erhält erst Zugang zu seinem Nachrichtenbereich, nachdem er seine Zugangsdaten und ein Passwort eingeben hat. Ihn erreichen die Nachricht also - wie oben dargelegt - in einem privaten Bereich, der ihm vorbehalten und für die Konsolidierung der privaten Inhalte in der Form der an ihn versandten Nachrichten bestimmt ist. Es ist ohne Belang, dass die Nachricht der Klägerin die Inserenten nicht "direkt", sondern über den Server des jeweiligen Internetportals erreicht.

cc)

Kontaktaufnahmen seitens der Klägerin, die darauf gerichtet sind, den Inserenten Maklerdienste anzubieten, sind auch bei Vorliegen eines grundsätzlichen Interesses des potentiellen Immobilienverkäufers an einer Kontaktaufnahme nicht von einer entsprechenden Einwilligung gedeckt. Grundsätzlich gilt: Hat ein Verbraucher eine Anzeige geschaltet, in der er eine Eigentumswohnung zum Verkauf anbietet und dabei zur Kontaktaufnahme seine Telefonnummer angibt, erklärt er seine ausdrückliche Einwilligung in Telefonanrufe von Kaufinteressenten, auch in solche von Maklern, die sich für ihre Suchkunden für die angebotene Wohnung interessieren. Telefonanrufe von Maklern, die darauf gerichtet sind, dem Inserenten Maklerdienste anzubieten oder mit diesem gar einen Maklervertrag zu schließen, sind von einer solchen Einwilligung nicht gedeckt (vgl. Senatsbeschluss vom 23.12.2021 - 18 U 110/21, Rn. 9, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.6.2018 - 8 U 153/17, NJW-RR 2018, 1263, beckonline). Auch die Bestimmungen der jeweiligen Portale sind nicht geeignet, die erforderliche Einwilligung des jeweiligen Nutzers zu ersetzen (vgl. Senatsbeschluss, a.a.O.).

b) Die Verschaffung der sog. Opt-Ins erfolgt ebenso unter Verstoß gegen die Vorschriften des UWG. Auch soweit sich auf die - wettbewerbswidrigen - Anschreiben die Inserenten melden und mit einer telefonischen Kontaktaufnahme einverstanden sind, kann sich die Klägerin nicht auf eine vorherige ausdrückliche Einwilligung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. in einen Telefonanruf zur Herbeiführung eines Opt-In berufen. Auf die nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.

c) Die in § 14 der Akquise-Vereinbarung enthaltene salvatorische Klausel steht der Gesamtnichtigkeit des Vertrags nach § 139 BGB nicht entgegen. Der nichtige Vertragsteil ist von derart grundlegender Bedeutung, dass die Aufrechterhaltung nur des Restgeschäfts nicht mehr als vom durch Vertragsauslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien umfasst angesehen werden kann. Denn hier sind gerade die entscheidenden wesentlichen Vertragsbestimmungen unwirksam. Ohne diese verliert der Vertrag seinen Inhalt.


Volltext BVerwG liegt vor: Social Media-Auftritte der öffentlichen Verwaltung mit Kommentarfunktion können mitbestimmungspflichtig sein

BVerwG
Beschluss vom 04.05.2023
5 P 16.21


Wir hatten bereits in dem Beitrag BVerwG: Social Media-Auftritte der öffentlichen Verwaltung mit freigeschalteter Kommentarfunktion können mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des Bundesverwaltungsgerichts:
Betreibt eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien eigene Seiten oder Kanäle, kann wegen der für alle Nutzer bestehenden Möglichkeit, dort eingestellte Beiträge zu kommentieren, eine technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten vorliegen, deren Einrichtung oder Anwendung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Diese Frage entzieht sich einer generellen Beantwortung, sondern ist nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BMDV: Entwurf Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) zur Umsetzung des Digital Services Acts (DSA)

Das BMDV hat den Entwurf des Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) zur Umsetzung des Digital Services Acts (DSA) vorgelegt.

Aus dem Entwurf:
A. Problem und Ziel
Am 16. November 2022 ist die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG in Kraft getreten (im Folgenden „Digital Services Act“ oder „DSA“). Die Verordnung gilt ab dem 17. Februar 2024. Mit der Verordnung wird ein horizontaler Rechtsrahmen für digitale Dienste geschaffen.

Ziel des DSA ist es, einheitliche horizontale Regeln festzulegen für ein sicheres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld. Zudem soll eine robuste und dauerhafte Aufsichtsstruktur aufgesetzt werden, die eine wirksame Aufsicht über Online-Plattformen in Europa sicherstellt. Als neue Aufsichtsbehörde soll in jedem Mitgliedstaat ein Koordinator für digitale Dienste eingesetzt werden, der Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern aus dem jeweiligen Mitgliedstaat entgegennehmen und Zugriff auf die Daten der Plattformen erhalten soll. Ergänzend regelt der DSA das Verhältnis der Plattformen zu ihren Nutzerinnen und Nutzern neu. Die Anbieter müssen ein Melde- und Beschwerdeverfahren für illegale Inhalte vorhalten. Zudem werden Online-Plattformen zu Maßnahmen gegen illegale Aktivitäten und Missbrauch der Meldeverfahren verpflichtet. Vertrauenswürdige Hinweisgeber sollen bei Meldungen bevorzugt werden. Online-Marktplätze müssen die Händler, die auf ihren Plattformen Produkte oder Dienstleistungen anbieten, vorher überprüfen. Ferner sieht der DSA Transparenzverpflichtungen für kommerzielle Werbung vor, sowie strengere Verpflichtungen für sehr große Plattformen / Suchmaschinen (mit mehr als 45 Mio. Nutzern in der EU) als für kleine und mittlere Anbieter vor. Dies alles soll ein sicheres digitales Umfeld fördern. Schließlich wird ein Rahmen für die Umsetzung, die Zusammenarbeit, für Sanktionen und die Durchsetzung des DSA angelegt, der konkrete, an die Mitgliedstaaten gerichteten Regelungsaufträge enthält. Neben einer Durchführung im nationalen Recht erfordert der DSA auch eine Überprüfung und Anpassung des bestehenden nationalen Rechts.

B. Lösung

Der DSA ist im nationalen Recht durchzuführen und das nationale Recht ist anzupassen. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und zur Änderung weiterer Gesetze (Digitale-Dienste-Gesetzes, oder DDG) ist der nationale Rechtsrahmen auf die Vorgaben des DSA auszurichten und anzupassen. Bestehende nationale Regelungen, die sich zu Angelegenheiten verhalten, die durch den DSA geregelt werden, sind im Lichte der vom europäischen Gesetzgeber bezweckten vollständigen Harmonisierung des Regulierungsrahmens für digitale Dienste, abzulösen. Zur Durchführung des DSA sind insbesondere die zuständige nationale Koordinierungsstelle für die Beaufsichtigung der Anbieter von Vermittlungsdiensten und zur Durchsetzung des DSA zu benennen, Sanktionsvorschriften zu erlassen und erforderliche Gesetzesänderungen vorzunehmen


Den vollständigen Entwurf finden Sie hier:


EuGH: Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Meta / Facebook - Bundeskartellamt darf im Rahmen des Missbrauchsverfahrens auch DSGVO-Verstöße feststellen

EuGH
Urteil vom 04.07.2023
C-252/21
Meta Platforms Inc., vormals Facebook Inc., Meta Platforms Ireland Ltd, vormals Facebook Ireland Ltd, Facebook Deutschland GmbH
gegen
Bundeskartellamt,
Beteiligte:
Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.,
(Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks)


Der EuGH hat entschieden, dass das Bundeskartellamt im Rahmen eines Missbrauchsverfahrens auch DSGVO-Verstöße feststellen darf, wobei das Bundeskartellamt etwaige Entscheidungen und Feststellungen der zuständigen Datenschutzbehörde berücksichtigen muss.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Eine nationale Wettbewerbsbehörde kann im Rahmen der Prüfung, ob eine beherrschende Stellung missbraucht wird, einen Verstoß gegen die DSGVO feststellen

Aufgrund ihrer Bindung an den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit muss sie jedoch eine etwaige Entscheidung oder Untersuchung seitens der nach der DSGVO zuständigen Aufsichtsbehörde berücksichtigen.

Meta Platforms Ireland betreibt in der Union das soziale Online-Netzwerk Facebook. Durch die Anmeldung bei Facebook stimmen die Nutzer den von diesem Unternehmen festgelegten Allgemeinen Nutzungsbedingungen und damit auch den Richtlinien für die Verwendung von Daten und Cookies zu. Nach diesen Richtlinien erfasst Meta Platforms Ireland Daten über Nutzeraktivitäten innerhalb und außerhalb des sozialen Netzwerks und ordnet sie den Facebook-Konten der betroffenen Nutzer zu. Bei den Daten, die Aktivitäten außerhalb des sozialen Netzwerks betreffen (auch „Off-Facebook-Daten“ genannt), handelt es sich zum einen um Daten über den Aufruf dritter Websites und Apps und zum anderen um Daten über die Nutzung anderer zum Meta-Konzern gehörender OnlineDienste (darunter Instagram und WhatsApp). Die dementsprechend erhobenen Daten ermöglichen es insbesondere, die an die Facebook-Nutzer gerichteten Werbenachrichten zu personalisieren.

Das deutsche Bundeskartellamt verbot es insbesondere, in den Allgemeinen Nutzungsbedingungen die Nutzung des sozialen Netzwerks Facebook durch in Deutschland wohnhafte private Nutzer von der Verarbeitung ihrer OffFacebook-Daten abhängig zu machen und diese Daten ohne ihre Einwilligung zu verarbeiten. Es begründete seinen Beschluss damit, dass diese Verarbeitung, da sie nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)1 im Einklang stehe, eine missbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung von Meta Platforms Ireland auf dem deutschen Markt für soziale Online-Netzwerke darstelle.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf, bei dem eine Beschwerde gegen diesen Beschluss anhängig ist, fragt den Gerichtshof, ob die nationalen Wettbewerbsbehörden prüfen dürfen, ob eine Datenverarbeitung den Anforderungen der DSGVO entspricht. Außerdem fragt dieses Gericht, wie bestimmte Vorschriften der DSGVO auszulegen und auf eine Datenverarbeitung durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks anzuwenden sind.

In seinem heute verkündeten Urteil führt der Gerichtshof aus, dass es sich für die Wettbewerbsbehörde des betreffenden Mitgliedstaats im Rahmen der Prüfung, ob ein Unternehmen eine beherrschende Stellung missbraucht, als notwendig erweisen kann, auch zu prüfen, ob das Verhalten dieses Unternehmens mit anderen als den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, etwa mit den Vorschriften der DSGVO, vereinbar ist. Wenn die nationale Wettbewerbsbehörde einen Verstoß gegen die DSGVO feststellt, tritt sie allerdings nicht an die Stelle der durch diese Verordnung eingerichteten Aufsichtsbehörden. Die Prüfung, ob die DSGVO eingehalten wird, erfolgt nämlich ausschließlich, um den Missbrauch einer beherrschenden Stellung festzustellen und gemäß den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften Maßnahmen zur Abstellung dieses Missbrauchs aufzuerlegen.

Um eine kohärente Anwendung der DSGVO zu gewährleisten, sind die nationalen Wettbewerbsbehörden verpflichtet, sich abzustimmen und loyal mit den Behörden, die die Einhaltung dieser Verordnung überwachen, zusammenzuarbeiten. Hält es eine nationale Wettbewerbsbehörde für erforderlich, die Vereinbarkeit des Verhaltens eines Unternehmens mit der DSGVO zu prüfen, so muss sie insbesondere ermitteln, ob dieses oder ein ähnliches Verhalten bereits Gegenstand einer Entscheidung durch die zuständige Aufsichtsbehörde oder auch durch den Gerichtshof war. Ist dies der Fall, darf sie davon nicht abweichen, wobei es ihr aber freisteht, daraus eigene Schlussfolgerungen unter dem Gesichtspunkt der Anwendung des Wettbewerbsrechts zu ziehen.

Darüber hinaus weist der Gerichtshof darauf hin, dass die von Meta Platforms Ireland vorgenommene Datenverarbeitung offenbar auch besondere Kategorien von Daten betrifft, die u. a. die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse Überzeugungen oder die sexuelle Orientierung offenbaren können und deren Verarbeitung nach der DSGVO grundsätzlich untersagt ist. Das nationale Gericht wird daher zu prüfen haben, ob bestimmte der erhobenen Daten tatsächlich die Offenlegung solcher Informationen ermöglichen, unabhängig davon, ob diese Informationen einen Nutzer des sozialen Netzwerks oder eine andere natürliche Person betreffen.

Was die Frage betrifft, ob die Verarbeitung solcher sogenannten „sensiblen Daten“ ausnahmsweise zulässig ist, weil die betroffene Person diese Daten offensichtlich öffentlich gemacht hat, stellt der Gerichtshof klar, dass die bloße Tatsache, dass ein Nutzer Websites oder Apps aufruft, die solche Informationen offenbaren können, keineswegs bedeutet, dass er seine Daten im Sinne der DSGVO offensichtlich öffentlich macht. Ebenso verhält es sich, wenn ein Nutzer Daten auf solchen Websites oder in solchen Apps eingibt oder darin eingebundene Schaltflächen betätigt, es sei denn, er hat zuvor explizit seine Entscheidung zum Ausdruck gebracht, die ihn betreffenden Daten einer unbegrenzten Zahl von Personen öffentlich zugänglich zu machen.

In Bezug auf die von Meta Platforms Ireland vorgenommene Verarbeitung in einem allgemeineren Sinne (einschließlich der Verarbeitung „nicht sensibler“ Daten) prüft der Gerichtshof sodann, ob diese unter die in der DSGVO genannten Rechtfertigungsgründe fällt, nach denen eine Datenverarbeitung rechtmäßig sein kann, ohne dass die betroffene Person ihre Einwilligung erteilt hat. Insoweit stellt der Gerichtshof fest, dass die Erforderlichkeit, den mit dieser Person geschlossenen Vertrag zu erfüllen, die streitige Praxis nur dann rechtfertigt, wenn die Datenverarbeitung insofern objektiv unerlässlich ist, als der Hauptgegenstand des Vertrags ohne sie nicht erfüllt werden könnte. Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das nationale Gericht äußert der Gerichtshof Zweifel daran, dass die Personalisierung der Inhalte oder die durchgängige und nahtlose Nutzung der Dienste des Meta-Konzerns diese Kriterien erfüllen können. Zudem befindet der Gerichtshof, dass die Personalisierung der Werbung, mit der das soziale Netzwerk Facebook finanziert wird, nicht als berechtigtes Interesse von Meta Platforms Ireland die fragliche Datenverarbeitung rechtfertigen kann, sofern keine Einwilligung der betroffenen Person vorliegt.

Abschließend stellt der Gerichtshof fest, dass der Umstand, dass der Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks als für die Verarbeitung Verantwortlicher eine beherrschende Stellung auf dem Markt für soziale Netzwerke einnimmt, für sich genommen nicht ausschließt, dass die Nutzer dieses Netzwerks im Sinne der DSGVO wirksam in die Verarbeitung ihrer Daten durch diesen Betreiber einwilligen können. Da eine solche Stellung aber geeignet ist, die Wahlfreiheit der Nutzer zu beeinträchtigen und ein klares Ungleichgewicht zwischen den Nutzern und dem Verantwortlichen zu schaffen, ist sie ein wichtiger Aspekt für die Prüfung, ob die Einwilligung tatsächlich wirksam, insbesondere freiwillig, erteilt wurde, wofür der betreffende Betreiber die Beweislast trägt.


Tenor der Entscheidung:

1. Die Art. 51 ff. der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) sowie Art. 4 Abs. 3 EUV

sind dahin auszulegen, dass

eine mitgliedstaatliche Wettbewerbsbehörde im Rahmen der Prüfung, ob ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch ein Unternehmen im Sinne von Art. 102 AEUV vorliegt, vorbehaltlich der Erfüllung ihrer Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden feststellen kann, dass die Allgemeinen Nutzungsbedingungen dieses Unternehmens, soweit sie sich auf die Verarbeitung personenbezogener Daten beziehen, und die Durchführung dieser Nutzungsbedingungen nicht mit der Verordnung 2016/679 vereinbar sind, wenn diese Feststellung erforderlich ist, um das Vorliegen eines solchen Missbrauchs zu belegen.

Angesichts dieser Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit darf die nationale Wettbewerbsbehörde von einer Entscheidung der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde oder der zuständigen federführenden Aufsichtsbehörde in Bezug auf diese Allgemeinen Nutzungsbedingungen oder ähnliche allgemeine Bedingungen nicht abweichen. Wenn sie Zweifel hinsichtlich der Tragweite einer solchen Entscheidung hat, wenn die fraglichen Bedingungen oder ähnliche Bedingungen gleichzeitig Gegenstand einer Prüfung durch diese Behörden sind oder wenn sie bei Nichtvorliegen einer Untersuchung oder Entscheidung dieser Behörden der Auffassung ist, dass die fraglichen Bedingungen nicht mit der Verordnung 2016/679 vereinbar sind, muss die Wettbewerbsbehörde diese Aufsichtsbehörden konsultieren und um deren Mitarbeit bitten, um ihre Zweifel auszuräumen oder zu klären, ob sie eine Entscheidung der Aufsichtsbehörden abwarten muss, bevor sie mit ihrer eigenen Beurteilung beginnt. Wird von den Aufsichtsbehörden innerhalb einer angemessenen Frist kein Einwand erhoben oder keine Antwort erteilt, so kann die nationale Wettbewerbsbehörde ihre eigene Untersuchung fortsetzen.

2. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

in dem Fall, dass ein Nutzer eines sozialen Online-Netzwerks Websites oder Apps mit Bezug zu einer oder mehreren der in dieser Bestimmung genannten Kategorien aufruft und dort gegebenenfalls Daten eingibt, indem er sich registriert oder Online-Bestellungen aufgibt, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber dieses sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass dieser Betreiber die aus dem Aufruf dieser Websites und Apps stammenden Daten sowie die vom Nutzer eingegebenen Daten über integrierte Schnittstellen, Cookies oder ähnliche Speichertechnologien erhebt, die Gesamtheit dieser Daten mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und diese Daten verwendet, als eine „Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, die vorbehaltlich der in Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2016/679 vorgesehenen Ausnahmen grundsätzlich untersagt ist, wenn diese Datenverarbeitung die Offenlegung von Informationen ermöglicht, die in eine dieser Kategorien fallen, unabhängig davon, ob diese Informationen einen Nutzer dieses Netzwerks oder eine andere natürliche Person betreffen.

3. Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

ein Nutzer eines sozialen Online-Netzwerks, wenn er Websites oder Apps mit Bezug zu einer oder mehreren der in Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Kategorien aufruft, die diesen Aufruf betreffenden Daten, die der Betreiber dieses sozialen Online-Netzwerks über Cookies oder ähnliche Speichertechnologien erhebt, nicht im Sinne der erstgenannten Bestimmung offensichtlich öffentlich macht.

Gibt ein solcher Nutzer Daten auf solchen Websites oder in solchen Apps ein oder betätigt er darin eingebundene Schaltflächen – wie etwa „Gefällt mir“ oder „Teilen“ oder Schaltflächen, die es dem Nutzer ermöglichen, sich auf diesen Websites oder in diesen Apps unter Verwendung der Anmeldedaten, die mit seinem Konto als Nutzer des sozialen Netzwerks, seiner Telefonnummer oder seiner E‑Mail-Adresse verknüpft sind, zu identifizieren –, so macht er die eingegebenen oder sich aus der Betätigung dieser Schaltflächen ergebenden Daten nur dann im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung 2016/679 offensichtlich öffentlich, wenn er zuvor, gegebenenfalls durch in voller Kenntnis der Sachlage vorgenommene individuelle Einstellungen, explizit seine Entscheidung zum Ausdruck gebracht hat, die ihn betreffenden Daten einer unbegrenzten Zahl von Personen öffentlich zugänglich zu machen.

4. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass Daten der Nutzer eines solchen Netzwerks, die aus anderen Diensten des Konzerns, zu dem dieser Betreiber gehört, stammen oder sich aus dem Aufruf dritter Websites oder Apps durch diese Nutzer ergeben, erhoben, mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und verwendet werden, nur dann als im Sinne dieser Vorschrift für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragsparteien die betroffenen Personen sind, erforderlich angesehen werden kann, wenn diese Verarbeitung objektiv unerlässlich ist, um einen Zweck zu verwirklichen, der notwendiger Bestandteil der für diese Nutzer bestimmten Vertragsleistung ist, so dass der Hauptgegenstand des Vertrags ohne diese Verarbeitung nicht erfüllt werden könnte.

5. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass Daten der Nutzer eines solchen Netzwerks, die aus anderen Diensten des Konzerns, zu dem dieser Betreiber gehört, stammen oder sich aus dem Aufruf dritter Websites oder Apps durch diese Nutzer ergeben, erhoben, mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und verwendet werden, nur dann als zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann, wenn der fragliche Betreiber den Nutzern, bei denen die Daten erhoben wurden, ein mit der Datenverarbeitung verfolgtes berechtigtes Interesse mitgeteilt hat, wenn diese Verarbeitung innerhalb der Grenzen dessen erfolgt, was zur Verwirklichung dieses berechtigten Interesses absolut notwendig ist und wenn sich aus einer Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen unter Würdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten dieser Nutzer gegenüber dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten nicht überwiegen.

6. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass Daten der Nutzer eines solchen Netzwerks, die aus anderen Diensten des Konzerns, zu dem dieser Betreiber gehört, stammen oder sich aus dem Aufruf dritter Websites oder Apps durch diese Nutzer ergeben, erhoben, mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und verwendet werden, nach dieser Vorschrift gerechtfertigt ist, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, der der Verantwortliche gemäß einer Vorschrift des Unionsrechts oder des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats unterliegt, tatsächlich erforderlich ist, diese Rechtsgrundlage ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgt und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Ziel steht und diese Verarbeitung in den Grenzen des absolut Notwendigen erfolgt.

7. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. d und e der Verordnung 2016/679

ist dahin auszulegen, dass

die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks, die darin besteht, dass Daten der Nutzer eines solchen Netzwerks, die aus anderen Diensten des Konzerns, zu dem dieser Betreiber gehört, stammen oder sich aus dem Aufruf dritter Websites oder Apps durch diese Nutzer ergeben, erhoben, mit dem jeweiligen Nutzerkonto des sozialen Netzwerks verknüpft und verwendet werden, grundsätzlich – vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht – nicht als im Sinne von Buchst. d erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen, oder als im Sinne von Buchst. e für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde, angesehen werden kann.

8. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a und Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2016/679

sind dahin auszulegen, dass

der Umstand, dass der Betreiber eines sozialen Online-Netzwerks eine beherrschende Stellung auf dem Markt für soziale Online-Netzwerke einnimmt, für sich genommen nicht ausschließt, dass die Nutzer eines solchen Netzwerks im Sinne von Art. 4 Nr. 11 dieser Verordnung wirksam in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch diesen Betreiber einwilligen können. Gleichwohl ist dieser Umstand ein wichtiger Aspekt für die Prüfung, ob die Einwilligung tatsächlich wirksam, insbesondere freiwillig, erteilt wurde, wofür der betreffende Betreiber die Beweislast trägt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuG: Facebook / Meta Platforms Ireland muss EU-Kommission anhand von Suchbegriffen zu identifizierende Dokumente zur Verfügung stellen

EuG
Urteil vom 24.05.2023
T-451/20
Meta Platforms Ireland / Kommission


Das EuG hat entschieden, dass Facebook / Meta Platforms Ireland der EU-Kommission anhand von Suchbegriffen zu identifizierende Dokumente zur Verfügung stellen muss.

Die Pressemitteilung des EuG
Wettbewerb: Die Klage von Meta Platforms Ireland (Facebook-Konzern) gegen eine Aufforderung der Kommission zur Übermittlung von Dokumenten, die anhand von Suchbegriffen zu identifizieren sind, wird abgewiesen

Nach den Feststellungen des Gerichts hat Meta Platforms Ireland nicht nachweisen können, dass die Aufforderung zur Übermittlung von Dokumenten, die anhand von Suchbegriffen zu identifizieren sind, über das Erforderliche hinausging und dass der Schutz sensibler personenbezogener Daten durch die Einrichtung eines virtuellen Datenraums nicht hinreichend gewährleistet wurde

Da die Europäische Kommission den Verdacht hegte, dass der Facebook-Konzern bei seiner Verwendung von Daten und beim Betreiben seines sozialen Netzwerks wettbewerbswidrig handelte, richtete sie mit Beschluss vom 4. Mai 20201 ein Auskunftsverlangen an die Meta Platforms Ireland Ltd, vormals Facebook Ireland Ltd. Dieser nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/20032 ergangene Beschluss verpflichtete Meta Platforms Ireland dazu, alle Dokumente, die von drei ihrer Verantwortlichen im maßgeblichen Zeitraum erstellt oder empfangen worden waren und einen oder mehrere der in den Anhängen des Beschlusses genannten Suchbegriffe enthielten, an die Kommission zu übermitteln. Für den Fall der unterlassenen Erteilung der verlangten Auskünfte wurde im Beschluss ein Zwangsgeld in Höhe von 8 Mio. Euro pro Tag angedroht.

Der Beschluss vom 4. Mai 2020 trat an die Stelle eines ähnlichen früheren Beschlusses, in dem weiter gefasste Suchkriterien vorgesehen waren. Durch den neuen Beschluss, der nach einem Austausch zwischen der Kommission und Meta Platforms Ireland erging, wurde die Anzahl der verlangten Dokumente verringert, indem die Suchbegriffe verfeinert und der Kreis der betroffenen Verantwortlichen begrenzt wurde.

Am 15. Juli 2020 erhob Meta Platforms Ireland eine Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss vom 4. Mai 2020 und stellte einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz.

Mit einem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss ordnete der Präsident des Gerichts die Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses vom 4. Mai 2020 an, und zwar bis zur Einrichtung eines speziellen Verfahrens für die Vorlage derjenigen der verlangten Dokumente, die keinen Bezug zur Geschäftstätigkeit von Meta Platforms Ireland aufweisen und darüber hinaus sensible personenbezogene Daten enthalten. Um diesem Beschluss Folge zu leisten, erließ die Kommission einen Änderungsbeschluss5, der vorsieht, dass die fraglichen Dokumente erst zu den Untersuchungsakten genommen werden dürfen, nachdem sie in einem virtuellen Datenraum nach den Modalitäten, die in dem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss dargelegt werden, geprüft wurden.

Nachdem Meta Platforms Ireland ihre Klageschrift angepasst hat, um diesem Änderungsbeschluss Rechnung zu tragen, weist die Fünfte erweiterte Kammer des Gerichts ihre Klage in vollem Umfang ab. In diesem Zusammenhang prüft das Gericht zum ersten Mal die Rechtmäßigkeit eines mit Suchbegriffen verknüpften Auskunftsverlangens im Sinne der Verordnung Nr. 1/2003 sowie die Rechtmäßigkeit eines Verfahrens, das für die Bearbeitung von Dokumenten mit sensiblen personenbezogenen Daten einen virtuellen Datenraum vorsieht.

Würdigung durch das Gericht

Zur Stützung ihrer Nichtigkeitsklage machte Meta Platforms Ireland u. a. geltend, die Anwendung der im Auskunftsverlangen genannten Suchbegriffe führe unweigerlich dazu, dass zahlreiche Dokumente zusammenzutragen seien, die für die von der Kommission durchgeführte Untersuchung unerheblich seien, was dem in Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 niedergelegten Grundsatz der Erforderlichkeit zuwiderlaufe.

Insoweit erinnert das Gericht daran, dass die Kommission gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, um die Einhaltung des Wettbewerbsrechts der Union zu kontrollieren, durch einfaches Auskunftsverlangen oder durch Beschluss von Unternehmen verlangen kann, dass sie „alle erforderlichen Auskünfte“ erteilen. Daraus folgt, dass die Kommission nur Auskünfte verlangen kann, die sie voraussichtlich in die Lage versetzen, die mutmaßlichen Zuwiderhandlungen zu prüfen, deretwegen sie ihre Untersuchung durchführt. In Anbetracht der weiten Ermittlungsbefugnisse, die die Verordnung Nr. 1/2003 der Kommission einräumt, ist diese Voraussetzung der Erforderlichkeit erfüllt, wenn die Kommission zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens vernünftigerweise annehmen kann, dass die Auskünfte ihr dabei helfen können, festzustellen, ob ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln vorliegt.

Zur Stützung ihrer Rügen, mit denen sie die Einhaltung des Grundsatzes der Erforderlichkeit in Frage stellte, beanstandete Meta Platforms Ireland bestimmte im Auskunftsverlangen genannte Suchbegriffe, wobei sie darauf hinwies, dass diese spezifischen Beanstandungen als nicht abschließende Beispiele zu verstehen seien, die dazu dienten, ihre allgemeinere Argumentationslinie zu illustrieren. Ihrer Auffassung nach wäre es unangebracht, wenn nicht gar unmöglich gewesen, auf jeden einzelnen Suchbegriff separat einzugehen.

Diese Sichtweise wird jedoch vom Gericht zurückgewiesen. Seiner Auffassung nach ist eine globale Prüfung der Frage, ob der in Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 niedergelegte Grundsatz der Erforderlichkeit eingehalten wird, im vorliegenden Fall nicht angezeigt, falls überhaupt möglich. Der Umstand, dass bestimmte Suchbegriffe, wie von Meta Platforms Ireland geltend gemacht, womöglich zu vage sind, ändert nämlich nichts daran, dass andere Suchbegriffe hinreichend genau oder zielgerichtet sein können, um die Feststellung zu erlauben, dass sie der Kommission dabei helfen können, zu ermitteln, ob ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln vorliegt.

In Anbetracht der für Handlungen der Unionsorgane geltenden Vermutung der Rechtmäßigkeit befindet das Gericht daher, dass allein die von Meta Platforms Ireland konkret beanstandeten Suchbegriffe darauf geprüft werden können, ob sie dem Grundsatz der Erforderlichkeit entsprechen. Bei den übrigen Suchbegriffen muss hingegen davon ausgegangen werden, dass sie im Einklang mit diesem Grundsatz festgelegt worden sind.

Nach dem Hinweis, dass die erstmals im Stadium der Erwiderung vorgebrachten Argumente bezüglich der Suchbegriffe unzulässig sind, prüft das Gericht allein die von der Klageschrift erfassten Suchbegriffe. Insoweit stellt es fest, dass Meta Platforms Ireland nicht hat nachweisen können, dass diese Begriffe dem Grundsatz der Erforderlichkeit zuwiderlaufen. Daher weist das Gericht die verschiedenen in dieser Hinsicht vorgebrachten Argumente als unbegründet zurück.

Im Rahmen ihrer Nichtigkeitsklage machte Meta Platforms Ireland außerdem geltend, dass der Beschluss vom 4. Mai 2020 in seiner geänderten Fassung (im Folgenden: angefochtener Beschluss) insoweit, als er die Vorlage zahlreicher privater und unerheblicher Dokumente vorschreibe, das in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und Art. 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) niedergelegte Grundrecht auf Achtung des Privatlebens verletze.

Hierzu führt das Gericht aus, dass nach Art. 7 der Charta (der Rechte gewährt, die den durch Art. 8 Abs. 1 EMRK verbürgten Rechten entsprechen) jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation hat.

Was Eingriffe in dieses Recht anbelangt, sieht Art. 52 Abs. 1 der Charta vor, dass jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten muss. Zudem dürfen Einschränkungen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Anhand dieser Vorgaben prüft das Gericht, ob der durch den angefochtenen Beschluss bewirkte Eingriff in Art. 7 der Charta die in deren Art. 52 Abs. 1 genannten Voraussetzungen erfüllt.

Das Gericht stellt zunächst fest, dass die Verordnung Nr. 1/2003 die Kommission zum Erlass des angefochtenen Beschlusses ermächtigt, so dass der durch ihn bewirkte Eingriff in das Privatleben gesetzlich vorgesehen ist. Der Beschluss entspricht überdies dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen der Union, und Meta Platforms Ireland hat nicht geltend gemacht, dass er den Wesensgehalt des Rechts auf Achtung des Privatlebens antastet.

Sodann prüft das Gericht, ob der angefochtene Beschluss einen unverhältnismäßigen Eingriff in dieses Recht bewirkt. Insoweit bestätigt das Gericht erstens, dass ein Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 eine Maßnahme darstellt, die zur Erreichung der von der Kommission verfolgten, dem Gemeinwohl dienenden Ziele (nämlich der Aufrechterhaltung der Wettbewerbsordnung nach Maßgabe der Verträge) geeignet ist.

Was zweitens die Frage anbelangt, ob der angefochtene Beschluss über das hinausgeht, was zur Erreichung der dem Gemeinwohl dienenden Ziele erforderlich ist, so weist das Gericht darauf hin, dass die Kommission nach dem Erlass des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses vom 29. Oktober 2020 ein spezielles Verfahren eingerichtet hat, um die Dokumente zu bearbeiten, die von Meta Platforms Ireland vorzulegen waren, aber dem ersten Anschein nach keinen Bezug zu ihrer Geschäftstätigkeit aufwiesen und sensible personenbezogene Daten enthielten (im Folgenden: geschützte Dokumente).


Nach diesem Verfahren waren die geschützten Dokumente der Kommission auf einem separaten elektronischen Datenträger zu übermitteln und in einen virtuellen Datenraum einzustellen, auf den nur eine begrenzte Zahl von Mitgliedern des für die Untersuchung zuständigen Teams in Anwesenheit der Anwälte von Meta Platforms Ireland zugreifen durfte, um die zu den Akten zu nehmenden Dokumente auszuwählen. Für den Fall einer nicht auszuräumenden Uneinigkeit über die Einstufung eines Dokuments sieht der Änderungsbeschluss darüber hinaus ein Streitschlichtungssystem vor. Nach diesem Beschluss können die geschützten Dokumente der Kommission zudem in einer Form übermittelt werden, in der die Namen der betroffenen Personen und jegliche Angaben, die deren Identifizierung ermöglichen könnten, geschwärzt sind. Auf ein durch die Erfordernisse der Untersuchung gerechtfertigtes Verlangen der Kommission müssen ihr diese Dokumente allerdings vollständig übermittelt werden.

Im Übrigen ist unstreitig, dass einige der von der Kommission verlangten Dokumente sensible personenbezogene Daten enthielten, die möglicherweise unter die von Art. 9 der Verordnung 2016/6796 und Art. 10 der Verordnung 2018/17257 erfassten Daten fielen. Die Zulässigkeit der Verarbeitung solcher Daten hängt von den drei folgenden Voraussetzungen ab:

1. Die Verarbeitung dient einem erheblichen öffentlichen Interesse mit unionsrechtlicher Grundlage;

2. die Verarbeitung muss zur Durchsetzung dieses öffentlichen Interesses erforderlich sein;

3. das Unionsrecht muss in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen, den Wesensgehalt des Rechts auf Datenschutz wahren sowie angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Person vorsehen.

Diese Voraussetzungen sind auch für die Prüfung relevant, ob der angefochtene Beschluss, wie von Art. 52 Abs. 1 der Charta verlangt, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der mit ihm verfolgten, dem Gemeinwohl dienenden Ziele erforderlich ist. Insoweit stellt das Gericht fest, dass ein Auskunftsverlangen wie der angefochtene Beschluss eine Maßnahme darstellt, die zur Erreichung der von der Kommission verfolgten, dem Gemeinwohl dienenden Ziele geeignet ist (erste Voraussetzung), und dass die Verarbeitung personenbezogener Daten, die der angefochtene Beschluss verlangt, zur Durchsetzung des damit verfolgten erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich ist (zweite Voraussetzung).

Unter Verweis auf die Modalitäten der Übermittlung, der Einsichtnahme, der Bewertung und der Anonymisierung der geschützten Dokumente befindet das Gericht, dass die dritte der oben genannten Voraussetzungen im vorliegenden Fall ebenfalls erfüllt ist.

Nachdem das Gericht auf diese Weise ermittelt hat, dass der angefochtene Beschluss, soweit er das Verfahren der Verwendung eines virtuellen Datenraums vorsieht, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der verfolgten, dem Gemeinwohl dienenden Ziele erforderlich ist, stellt es drittens fest, dass die Nachteile dieses Verfahrens auch nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen standen.

Aufgrund all dieser Erwägungen gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der durch den angefochtenen Beschluss bewirkte Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens die in Art. 52 Abs. 1 der Charta genannten Voraussetzungen erfüllt, und weist daher die Rügen, mit denen ein Verstoß gegen Art. 7 der Charta geltend gemacht wurde, zurück.

Da sich auch die weiteren Klagegründe, die von Meta Platforms Ireland vorgebracht wurden, als unbegründet erweisen, weist das Gericht die Klage in vollem Umfang ab.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BVerwG: Social Media-Auftritte der öffentlichen Verwaltung mit freigeschalteter Kommentarfunktion können mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein

BVerwG
Beschluss vom 04.05.2023
5 P 16.21


Das BVerwG hat entschieden, dass Social Media-Auftritte der öffentlichen Verwaltung mit freigeschalteter Kommentarfunktion mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein können.

Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts:
Soziale Medien mit Kommentarfunktion können mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein

Betreibt eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien eigene Seiten oder Kanäle, kann wegen der für alle Nutzer bestehenden Möglichkeit, dort eingestellte Beiträge zu kommentieren, eine technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten vorliegen, deren Einrichtung oder Anwendung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund unterhält (teilweise zusammen mit anderen Rentenversicherungsträgern) im Rahmen ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und zur Personalgewinnung bei Facebook, Instagram und Twitter eigene Seiten und Kanäle. Von ihr dort eingestellte Beiträge können Nutzer nach eigenem Belieben kommentieren und dabei auch Verhalten oder Leistung einzelner Beschäftigter thematisieren. Beiträge und Kommentare werden von den sozialen Medien gespeichert, aber dort nicht für die Dienststelle ausgewertet. Während das Verwaltungsgericht ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bejaht hat, hat das Oberverwaltungsgericht dessen Bestehen verneint.

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Frage, ob die Einrichtung oder Anwendung von Seiten oder Kanälen mit Kommentarfunktion, die eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien unterhält, der Mitbestimmung durch den Personalrat unterliegen, nicht generell, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles beantwortet werden kann. Nach der einschlägigen Regelung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) hat der Personalrat mitzubestimmen bei der Einrichtung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (§ 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG in der bis zum 14. Juni 2021 und inhaltsgleich nunmehr § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG in der seither geltenden Fassung). Dieses Mitbestimmungsrecht dient dem Schutz der Persönlichkeit der Beschäftigten am Arbeitsplatz und soll gewährleisten, dass Beschäftigte nicht durch eine technische Einrichtung eine ständige Überwachung befürchten müssen und dadurch unter einen Überwachungsdruck geraten. Dieser Schutzzweck gebietet es entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, bereits das Speichern von Nutzerkommentaren mit verhaltens- oder leistungsbezogenen Angaben als selbstständige (Überwachungs-)Leistung einer technischen Einrichtung anzusehen. Denn es birgt grundsätzlich die Gefahr in sich, dass die Dienststelle diese Daten auch auswertet, wodurch ein Überwachungsdruck bei den Beschäftigten erzeugt werden kann. Das Speichern der in Rede stehenden Kommentare kann zudem zur Überwachung der Beschäftigten "bestimmt" sein. Für ein solches Bestimmtsein reicht es aus, dass die Datenspeicherung objektiv zur Überwachung geeignet ist.

Ob das der Fall ist, hängt beim Betreiben der in Rede stehenden sozialen Medien wegen der ungewissen, nur möglichen Eingabe entsprechender Verhaltens- oder Leistungsdaten durch Dritte in tatsächlicher Hinsicht davon ab, ob bei objektiver Betrachtung im konkreten Fall eine nach Maßgabe des Schutzzwecks des Mitbestimmungstatbestandes hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Einstellen entsprechender Nutzerkommentare gegeben ist. Hierfür ist zunächst die Konzeption des von der Dienststellenleitung verantworteten Auftritts der Dienststelle in den sozialen Medien von Bedeutung. Berichtet die Dienststellenleitung beispielsweise selbst über konkrete Beschäftigte und ihr Tätigkeitsfeld und lenkt damit den Blick des Publikums auf das dienstliche Verhalten und die Leistung von Beschäftigten, können hierauf bezogene Nutzerkommentare erwartet werden. Demgegenüber wird von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für die Anbringung entsprechender Kommentare in der Regel nicht auszugehen sein, wenn Auftritte der Dienststelle in sozialen Medien sachbezogen in allgemeiner Form lediglich über Aufgaben der Dienststelle oder etwa ohne Bezüge zu bestimmten Beschäftigten in Form von Pressemitteilungen über die Tätigkeit der Dienststelle informieren. Darüber hinaus ist das tatsächliche Verhalten der Nutzer in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Kommt es insbesondere erst im Verlaufe des Betriebs zu einer nennenswerten Zahl verhaltens- oder leistungsbezogener Nutzerkommentare, kann die Überwachungseignung eine gegenüber der ursprünglichen Prognose andere Relevanz erhalten und zu bejahen sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Betrachters das Entstehen eines Überwachungsdrucks deshalb nicht anzunehmen ist, weil die Dienststellenleitung derartige Kommentare ohne vorherige Auswertung schnellstmöglich löscht.

Da das Oberverwaltungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – die danach erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bislang nicht getroffen hat, war der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuverweisen.


BVerwG 5 P 16.21 - Beschluss vom 04. Mai 2023

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, OVG 62 PV 5/20 - Beschluss vom 04. August 2021 -

VG Berlin, VG 72 K 7.19 PVB - Beschluss vom 29. Mai 2020 -


BMJ: Eckpunkte für ein Gesetz gegen digitale Gewalt - Accountsperren, erweiterte Auskunftsansprüche und Erleichterung von Zustellungen

Das BMJ hat Eckpunkte für ein Gesetz gegen digitale Gewalt veröffentlicht.

Die Pressemitteilung des BMJ:
Eckpunkte für ein Gesetz gegen digitale Gewalt
Immer wieder werden Menschen im Netz massiv beleidigt und verleumdet oder im schlimmsten Fall wird dort ihr Leben bedroht. Für viele Betroffene ist es wichtig, dass solche Inhalte schnell gelöscht und die weitere Verbreitung verhindert werden. Derzeit haben Betroffene aber oft nur unzureichende Möglichkeiten, ihre Rechte selbst durchzusetzen. Häufig scheitert die Durchsetzung ihrer Rechte bereits daran, dass es nicht gelingt, zügig und mit vertretbarem Aufwand Auskunft über die Identität des Verfassers bzw. der Verfasserin rechtswidriger Inhalte zu erlangen. Auch fehlt es an einem effektiven Instrument, um gegen den ständigen Missbrauch eines Nutzerkontos für Angriffe gegen eine andere Person vorzugehen.

Um künftig die private Rechtsdurchsetzung zu stärken, plant das Bundesministerium der Justiz (BMJ) ein Gesetz gegen digitale Gewalt vorzulegen. Zur Vorbereitung dieses Gesetzentwurfs hat das BMJ ein Eckpunktepapier erstellt, das folgende drei wesentlichen Zielrichtungen enthält:

1. Stärkung privater Auskunftsverfahren
Durch das Gesetz soll das private Auskunftsverfahren so ausgestaltet werden, dass Betroffene von digitaler Gewalt bei einer offensichtlichen Rechtsverletzung, wie etwa Formalbeleidigungen - das heißt beispielsweise besonders herabwürdigende Ausdrücke - oder Morddrohungen, innerhalb weniger Tage herausfinden können, wer diese Inhalte verfasst hat. In allen anderen Fällen soll binnen weniger Tage nach Einleitung des Auskunftsverfahrens vom Gericht zumindest eine Datenspeicherung angeordnet werden können. Ziel der Speicherung ist es u.a., dass die gesicherten Daten in einem anschließenden Gerichtsverfahren als Beweismittel genutzt werden können.

2. Anspruch auf eine richterlich angeordnete Accountsperre
Mit einem Anspruch auf richterlich angeordnete Accountsperren soll der Rechtsschutz gegen hartnäckige Täterinnen und Täter im Netz verbessert werden. Betroffene sollen sich auf diese Weise wirksam dagegen zu Wehr setzen können, dass sie immer wieder von demselben Nutzer bzw. derselben Nutzerin eines sozialen Netzwerks verunglimpft, diffamiert oder bedroht werden.

3. Erleichterung der Zustellung
Soziale Netzwerke sind verpflichtet, einen Ansprechpartner in Deutschland (sogenannter inländischer Zustellungsbevollmächtigter) zu benennen, an den Schreiben förmlich zugestellt werden können. Diese Verpflichtung besteht für soziale Netzwerke bislang für behördliche und gerichtliche Verfahren, um Verfahren schnellstmöglich gegen das soziale Netzwerk einleiten zu können. Diese Regelung soll durch das Gesetz gegen digitale Gewalt auch auf vorgerichtliche Schreiben (also beispielsweise anwaltliche Schreiben) ausgeweitet werden. Die Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten ermöglicht den Nachweis, dass das soziale Netzwerk über einen beleidigenden oder bedrohenden Inhalt in Kenntnis gesetzt wurde und deshalb haftet, wenn es einen rechtswidrigen Inhalt nicht löscht.


Bundeskartellamt: Apple - Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb nach § 19a GWB

Das Bundeskartellamt hat hinsichtlich Apple die überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb nach § 19a GWB festgestellt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:
Apple unterliegt den Digitalvorschriften nach § 19a GWB

Das Bundeskartellamt hat entschieden, dass die Apple Inc., Cupertino, USA, ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb ist. Damit unterliegt Apple gemeinsam mit seinen Tochterunternehmen der erweiterten Missbrauchsaufsicht des § 19a GWB.

Die Vorschrift des § 19a GWB ist aufgrund einer Gesetzesänderung seit Januar 2021 in Kraft. Das Bundeskartellamt kann in einem zweistufigen Vorgehen Verfahren Unternehmen, die eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb haben, wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Apple verfügt über eine marktübergreifende wirtschaftliche Machtposition, die dem Unternehmen vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierte Verhaltensspielräume eröffnet. Das Unternehmen ist – ausgehend von seinen mobilen Endgeräten wie dem iPhone – Betreiber eines umfassenden digitalen Ökosystems mit einer hohen Bedeutung für den Wettbewerb nicht nur in Deutschland, sondern auch europa- und weltweit. Apple nimmt mit seinen proprietären Produkten iOS und dem App Store Schlüsselpositionen für den Wettbewerb und für den Zugang zum Ökosystem und den Apple-Kunden ein. Auf der Grundlage dieser Entscheidung können wir gezielt wettbewerbsgefährdende Praktiken aufgreifen und effektiv unterbinden.“

Hinsichtlich konkreter Verhaltensweisen von Apple prüft das Bundeskartellamt in einem weiteren Verfahren Apples Tracking-Regelungen sowie das App Tracking Transparency Framework (s. Pressemitteilung vom 14. Juni 2022). Das Bundeskartellamt geht dabei insbesondere dem Anfangsverdacht nach, dass diese Regelungen Apples eigene Angebote bevorzugt behandeln und/oder andere Unternehmen behindern könnten. Über die Einleitung weiterer Verfahren gegen Apple ist noch nicht entschieden worden.

Zur marktübergreifenden Bedeutung von Apple

Apple gehört mit weltweiten Umsatzerlösen von rund 400 Mrd. USD und einem Gewinn von fast 100 Mrd. USD im Geschäftsjahr 2022 zu den umsatz- und gewinnstärksten Unternehmen der Welt. Zum einen besetzt Apple die gesamte Wertschöpfungskette rund um hochwertige mobile digitale Endgeräte, teilweise einschließlich der eigenen Entwicklung von zentralen Komponenten wie der Prozessoren. Zum anderen entwickelt Apple die Software für diese Geräte – allen voran deren mobile Betriebssysteme wie iOS – selbst. Gleiches gilt für die Plattform für den mobilen Softwarevertrieb auf den Geräten, den App Store. Ergänzt wird Apples Angebot um eine Reihe weiterer Hardware-, Software- und Diensteprodukte.

Apples iPhone trägt kontinuierlich zu mehr als 50 Prozent zum Umsatz des Technologiekonzerns bei. Apple verfügt über marktbeherrschende, mindestens jedoch marktstarke Stellungen auf allen vertikal verbundenen Stufen ausgehend von Smartphones, Tablets und Smartwatches über die proprietären Betriebssysteme bis hin zum Apple App Store als der sowohl für App-Herausgebende als auch für Nutzerinnen und Nutzer einzig verfügbaren digitalen Vertriebsplattform für Apps und andere Softwareprodukte auf Apple Geräten.

Ausgehend von dieser engen, proprietären Vertikalstruktur und einer aktiven Gerätebasis von weltweit derzeit mehr als zwei Mrd. Stück ist Apple vielfach auf miteinander verbundenen Marktstufen und Geschäftsfeldern tätig und ist so in der Lage, seine Nutzerinnen und Nutzer langfristig an sein komplexes Ökosystem zu binden. Damit einher geht eine ausgeprägte Regelsetzungsmacht gegenüber Dritten, allen voran den App-Entwicklenden. Apple kontrolliert den Zugang zu Apple-Kundinnen und -Kunden und gestaltet diesen Zugang nach seinen Regeln und zu seinen ökonomischen Rahmenbedingungen. Diese herausragende Positionierung wird flankiert durch eine überragende Ressourcenausstattung. Apple kann nicht nur auf hohe Finanzmittel, sondern auch auf eine breite Nutzerbasis und einen starken Markenwert der Marke „Apple“ zurückgreifen. Das Unternehmen nutzt seine Ressourcen für den Ausbau seines Ökosystems, sei es über hohe Investitionen in F&E, fortlaufende Personalzuwächse in zukunftsweisenden Geschäftsbereichen oder über Unternehmenszukäufe, die sich vor allem auf Technologien zur Erweiterung von Geschäftsfeldern oder zur Verbesserung bestehender Dienste oder Produkte richten. Auch verfügt das Unternehmen über einen privilegierten Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten. Diese strukturell abgesicherte marktübergreifende Präsenz erleichtert es Apple, sein Ökosystem abzusichern und in neue Geschäftsfelder vorzustoßen, wie zum Beispiel das Werbegeschäft.

Apples überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb im Sinne des § 19a Abs. 1 GWB verschafft dem Unternehmen damit im Ergebnis eine Machtposition, die ihnen vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierte marktübergreifende Verhaltensspielräume eröffnet. Die Entscheidung des Bundeskartellamtes ist gemäß den gesetzlichen Vorgaben auf fünf Jahre befristet. Innerhalb dieses Zeitraumes unterliegt Apple in Deutschland der besonderen Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt nach § 19a Abs. 2 GWB. Das Bundeskartellamt hat zu seiner Entscheidung heute ebenfalls einen Fallbericht veröffentlicht. Dieser ist hier abrufbar.

Hintergrund zu § 19a GWB

Im Januar 2021 ist die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB-Digitalisierungsgesetz) in Kraft getreten. Eine zentrale neue Vorschrift (§ 19a GWB) erlaubt dem Bundeskartellamt ein frühzeitiges und effektiveres Eingreifen, insbesondere gegen Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne. Vor dem heute abgeschlossenen Verfahren gegen Apple hat das Amt eine überragende marktübergreifende Bedeutung bereits bei Alphabet/Google, bei Meta/Facebook und bei Amazon festgestellt (s. Pressemitteilungen vom 5. Januar 2022, vom 4. Mai 2022 und vom 6. Juli 2022). Ein weiteres Feststellungsverfahren wurde gegen Microsoft eingeleitet (s. Pressemitteilung vom 28. März 2023).

Auf Basis der neuen Vorschriften laufen auch bereits mehrere Verfahren, die sich gegen konkrete Verhaltensweisen richten, so gegen Google/Alphabet (s. Pressemitteilungen vom 21. Juni 2022, vom 4. Juni.2021 bzw. 12. Januar 2022 und 25. Mai 2021), Meta/Facebook (s. Pressemitteilung vom 28. Januar 2021) und Amazon (s. Pressemitteilung vom 14. November 2022).