Skip to content

BGH legt EuGH vor: Wann liegt das Tatbestandsmerkmal "infolge einer Verarbeitung" im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO vor

BGH
Beschluss vom 10.11.2022 - I ZR 186/17
App-Zentrum II
Verordnung (EU) 2016/679 Art. 80 Abs. 2; UWG § 8 Abs. 3 Nr. 3; UKlaG §§ 1, 2 Abs. 2 Satz 1
Nr. 11, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1


Der BGH hat dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, wann das Tatbestandsmerkmal "infolge einer Verarbeitung" im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO vorliegt.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 80 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO, ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Wird eine Rechtsverletzung "infolge einer Verarbeitung" im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO geltend gemacht, wenn ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen seine Klage darauf stützt, die Rechte einer betroffenen Person seien verletzt, weil die Informationspflichten gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO über den Zweck der Datenverarbeitung und den Empfänger der personenbezogenen Daten nicht erfüllt worden seien ?

BGH, Beschluss vom 10. November 2022 - I ZR 186/17 - Kammergericht - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



LG Frankfurt: Twitter muss wie Facebook bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Tweets und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen

LG Frankfurt
Urteil vom 14.12.2022
2-03 O 325/22

Das LG Frankfurt hat wie erwartet entschieden, dass Twitter wie Facebook bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Tweets und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Persönlichkeitsrecht - Ehrverletzung durch herabwürdigenden Tweet

Twitter muss bei einem konkreten Hinweis auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auch kerngleiche Äußerungen entfernen.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat heute entschieden: Betroffene können von Twitter verlangen, dass falsche oder ehrverletzende Tweets über sie gelöscht werden. Auch sinngemäße Kommentare mit identischem Äußerungskern muss Twitter entfernen, sobald es von der konkreten Persönlichkeitsrechtsverletzung Kenntnis erlangt.

Im September 2022 erschienen auf Twitter diverse Kommentare, in denen wahrheitswidrig behauptet wurde, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg habe „eine Nähe zur Pädophilie“ und er habe „einen Seitensprung gemacht“. Außerdem wurde über ihn verbreitet, er sei in „antisemitische Skandale“ verstrickt und er sei „Teil eines antisemitischen Packs“.

Die zuständige Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main stellte in einem Eilverfahren fest, dass diese ehrenrührigen Behauptungen unwahr sind. Die Bezeichnung als Antisemit sei zwar zunächst eine Meinungsäußerung. Sie sei aber jedenfalls in dem gewählten Kontext rechtswidrig, denn sie trage nicht zur öffentlichen Meinungsbildung bei und ziele erkennbar darauf ab, in emotionalisierender Form Stimmung gegen den Antisemitismusbeauftragten zu machen.

Nachdem der Antisemitismusbeauftragte die Entfernung dieser Kommentare verlangt hat, hätte Twitter ihre Verbreitung unverzüglich unterlassen und einstellen müssen. Darüber hinaus entschied die Kammer: „Das Unterlassungsgebot greift nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt wird, sondern auch, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß erneut veröffentlicht werden.“ Unter weiter: „Die Äußerungen werden nicht in jeglichem Kontext untersagt. Betroffen sind nur solche Kommentare, die als gleichwertig anzusehen sind und die trotz gewisser Abweichungen einen identischen Äußerungskern aufweisen.“

Twitter werde damit auch keine allgemeine Monitoring-Pflicht im Hinblick auf seine rund 237 Mio. Nutzer auferlegt. Eine Prüfpflicht bestehe nämlich nur hinsichtlich der konkret beanstandeten Persönlichkeitsrechtsverletzung. „Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Twitter befindet sich damit in keiner anderen Situation, als wenn eine bestimmte Rechtsverletzung gemeldet wird. Auch in diesem Fall muss Twitter prüfen, ob diese Rechtsverletzung eine Löschung bedingt oder nicht“, so die Vorsitzende in der Urteilsbegründung.

Als zulässig erachtete die Kammer indes die Äußerung eines Nutzers, wonach der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg in die jährlich vom Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles veröffentlichte Liste der größten Antisemiten weltweit aufgenommen worden ist. Unabhängig davon, ob die Aufnahme in diese Liste gerechtfertigt sei, dürfe darüber informiert werden. Dagegen müsse sich der Antisemitismusbeauftragte im öffentlichen Meinungskampf zur Wehr setzen.

Das Urteil (Az. 2-03 O 325/22) ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden. Die Entscheidung wird in Kürze unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abrufbar sein.

Ergänzender Hinweis:
Dieselbe Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main hatte mit Urteil vom 8.4.2022 (Az.: 2-03 O 188/21) entschieden, dass in einer Wort-Bild-Kombination (sog. „Meme“) unterge-schobene Falschzitate auf Facebook auch ohne erneuten Hinweis gelöscht werden müssen, wenn sie einen kerngleichen Inhalt aufweisen. Geklagt hatte dort MdB Renate Künast.



BVerwG: Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten (hier: MDR) dürfen Nutzer-Kommentare ohne Sendungsbezug auf ihrer Facebook-Seite löschen

BVerwG
Urteil vom 30.11.2022
6 C 12.20

Das BVerwG hat entschieden, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (hier: MDR) Nutzer-Kommentare ohne Sendungsbezug auf ihrer Facebook-Seite löschen dürfen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
MDR darf Kommentare ohne Sendungsbezug auf seiner Facebook-Seite löschen

Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind berechtigt, nicht-sendungsbezogene Kommentare der Nutzer in Foren auf ihren Unternehmensseiten in den sozialen Medien zu löschen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) veröffentlicht auf seiner Facebook-Seite Beiträge zu ausgewählten Sendungen, die Nutzer kommentieren können. Für die Erstellung von Kommentaren verweist der MDR auf Vorgaben in Form einer sog. Netiquette, die u.a. einen Bezug zu dem Thema der jeweiligen Sendung verlangt. Der MDR hat 14 vom Kläger auf der Facebook-Seite des MDR gepostete Kommentare gelöscht.

Das Verwaltungsgericht hat der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Löschung gerichteten Klage hinsichtlich eines Kommentars stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die gegen die Klageabweisung gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Revision des Klägers hatte beim Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich eines weiteren Kommentars Erfolg.

Auf der Grundlage des im Zeitpunkt der Löschung noch geltenden Rundfunkstaatsvertrags bestimmte sich die Zulässigkeit des Telemedienangebots des MDR nach § 11d RStV. Danach unterlagen sendungsbezogene und eigenständige Telemedienangebote unterschiedlich strengen Anforderungen. Foren und Chats ohne Sendungsbezug waren unzulässig. Mit diesen zum Teil in den nunmehr geltenden Medienstaatsvertrag übernommenen Regelungen haben die Landesgesetzgeber den sog. Beihilfekompromiss zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Kommission umgesetzt. Die Kommission hatte im April 2007 ein auf Betreiben privater Medienanbieter eingeleitetes Beihilfeverfahren eingestellt, nachdem sich die Bundesrepublik Deutschland zum Schutz privater Medien sowie der Presse verpflichtet hatte, den gesetzlichen Auftrag des beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Internetauftritte näher zu präzisieren.

Zwar liegt in der Löschung der Kommentare des Klägers ein Eingriff in dessen durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsäußerungsfreiheit. Dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. Denn zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG zählen u.a. die das Telemedienangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betreffenden Regelungen des § 11d RStV. Die Beschränkung des Angebots dieser Rundfunkanstalten auf sendungsbezogene Telemedien sowie das Verbot von Foren und Chats ohne Sendungsbezug und redaktionelle Begleitung erstreckt sich auch auf die Kommentare der Nutzer. Die das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip wahrenden Vorschriften verleihen dem MDR zudem die Berechtigung zur Löschung von Posts ohne Sendungsbezug. Hierbei bedarf es weder einer vorherigen Anhörung noch einer nachträglichen Benachrichtigung.

Die noch im Streit stehenden Kommentare des Klägers hatten überwiegend keinen Bezug zu den Themen der jeweiligen Sendungen des MDR. Insbesondere der vom Kläger in dem Forum wiederholt geäußerten Kritik an der Löschungspraxis des MDR fehlte der notwendige Sendungsbezug. Zu eng haben die Vorinstanzen dieses Erfordernis jedoch hinsichtlich eines Kommentars gehandhabt, in dem der Kläger auf einen Beitrag mit dem Titel "Bundesweite Razzia gegen Neonazis" auch den islamistischen Terrorismus in den Blick genommen hatte.

BVerwG 6 C 12.20 - Urteil vom 30. November 2022

Vorinstanzen:

OVG Bautzen, OVG 5 A 35/20 - Urteil vom 16. September 2020 -

VG Leipzig, VG 1 K 1642/18 - Urteil vom 11. September 2019 -


OLG München: Sperrung eines Social-Media-Accounts muss begründet werden - Kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO

OLG München
Urteil v. 20.09.2022
18 U 6314/20 Pre


Das OLG München hat entschieden, dass die Sperrung eines Social-Media-Accounts begründet werden muss. Zudem hat das Gericht entschieden, dass kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO bei rechtswidriger Sperrung besteht.

Leitsätze des Gerichts:
1. Zum grundsätzlich bestehenden vertraglichen Anspruch des Nutzers eines sozialen Netzwerks gegen dessen Anbieter auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Beitragslöschung bei Fehlen einer Bestimmung in den Geschäftsbedingungen, wonach sich der Anbieter verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt (im Anschluss an BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20 und BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 192/20).

2. Der Antrag des Nutzers auf Unterlassung künftiger Sperren, ohne ihm unverzüglich den Anlass der Sperrung mitzuteilen, ist auf Unterlassung und nicht auf Erteilung einer - nicht selbständig einklagbaren - Information gerichtet (entgegen KG, Urteil vom 14.3.2022 - 10 U 1075/20).

3. Der Nutzer hat grundsätzlich Anspruch auf Unterlassung künftiger Sperren, ohne ihm unverzüglich den Anlass der Sperrung mitzuteilen. Eine weitergehende Begründung im Sinne einer rechtlichen Subsumtion, weshalb es sich um einen Verstoß handeln soll, kann er nicht verlangen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei Verhängung der Sperre wurde zudem ausweislich der Screenshots auf S. 18 der Klage (Bl. 18 d.A.) ein Grund hierfür nicht angegeben.

d) Bei der Verletzung von Vertragspflichten kann sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus § 280 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch ergeben (vgl. BGH a.a.O., Rn. 102 m.w.N.). Ein solcher ist auch in der vorliegenden Konstellation, in der die Beklagte bereits einmal ihre Pflichten aus dem - fortbestehenden - Vertragsverhältnis verletzt hat, anzunehmen. Dies gilt ungeachtet der zwischenzeitlichen Löschung des Nutzerkontos (s. hierzu nachfolgend unter Ziff. III 1), nachdem der Kläger seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2020 zufolge die Einrichtung eines neuen Kontos anstrebt.

Dem stehen auch nicht die Erwägungen des Kammergerichts Berlin in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 14.03.2022 (Az. 10 U 1075/20) entgegen. Das Kammergericht weist darin einen gleichlautenden Unterlassungsantrag des (dortigen) Klägers ab und führt zur Begründung aus, dass die vom Bundesgerichtshof angenommenen Informationspflichten der Beklagten gegenüber dem Nutzer nicht selbständig einklagbar seien. Da die Entfernungs- und Sperrvorbehalte in den Geschäftsbedingungen der Beklagten (unter anderem) den Anforderungen an die Informationspflicht nicht genügten, seien die genannten Vorbehalte gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam mit der Folge, dass eine vertragliche Grundlage für Löschungen und Sperrungen fehle. Gegen Löschungen von Beiträgen und Teilsperrungen seines Nutzerkontos könne der Nutzer im Klagewege vorgehen. Nur in diesem Zusammenhang komme den Informationspflichten eine Bedeutung zu. Da die Informationspflichten keinen eigenen Leistungszweck verfolgten, bestehe kein eigener, auf die Erfüllung der unselbständigen Unterlassungspflicht bezogener Unterlassungsanspruch (KG a.a.O.).

Anders als das Kammergericht meint, handelt es sich vorliegend jedoch nicht um einen auf Erteilung einer Information gerichteten Antrag, die nicht selbständig einklagbar wäre und die nicht zum Gegenstand eines Unterlassungsanspruchs gemacht werden könnte. Denn der Kläger begehrt die Unterlassung einer erneuten Sperre, schränkt dies allerdings zulässigerweise in Übereinstimmung mit dem bereits erfolgten Vertragsverstoß dahin ein, dass er sich (nur) gegen eine erneute Sperre ohne Angabe eines Grundes wendet. Er begehrt mithin das Unterlassen der rechtswidrigen Sperre; ein isolierter Anspruch auf Erteilung einer Information wird damit nicht geltend gemacht.

Darüber hinaus sprechen auch prozessökonomische Gründe für die Zulassung des Antrags, da der Kläger andernfalls gezwungen wäre, trotz gleichbleibenden Sachverhalts bei unveränderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten jeweils erneut gegen derartige Sperrungen im Klagewege vorzugehen.

e) In inhaltlicher Hinsicht kann der Kläger von der Beklagten verlangen, es zu unterlassen, ihn (erneut) zu sperren, ohne ihm unverzüglich den Anlass der Sperrung mitzuteilen. Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht jedoch nicht.

aa) Hinsichtlich des Umfangs der Mitteilungspflichten kann der Kläger allein die Mitteilung verlangen, welches Verhalten zum Anlass der Sperre genommen wurde, nicht jedoch eine weitergehende Begründung im Sinne einer rechtlichen Subsumtion, weshalb es sich um einen Verstoß handeln soll. Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich mit dem NetzDG: So soll nach dessen Gesetzesbegründung „die in den Beschwerdesystemen der sozialen Netzwerke übliche Multiple-Choice-Begründungsform“ im Rahmen der in § 3 Abs. 2 Nr. 5 NetzDG normierten Begründungspflicht ausreichen (BT-Drs. 18/12356, S. 23). Wenn die Sperre auf Gründe gestützt wird, die sich nicht auf rechtswidrige Inhalte nach dem NetzDG beziehen, kann insoweit kein strengerer Maßstab gelten.

Gleiches gilt für die vom Kläger geforderte Mitteilung „in speicherbarer Form“, die im NetzDG ebenfalls nicht vorgesehen ist. Es erscheint dem Kläger zumutbar, eine über die Plattform mitgeteilte Begründung ggf. durch einen Screenshot zu sichern.

bb) Die Mitteilung des Anlasses der Sperrung hat außerdem nach nochmaliger Prüfung unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur „unverzüglich“ (anstatt wie beantragt „zugleich“) zu erfolgen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Dem Bundesgerichtshof zufolge ist die erforderliche Anhörung des Nutzers - die neben der einleitenden Information über eine beabsichtigte Kontosperrung und der Mitteilung des Grundes hierfür auch die Möglichkeit des Nutzers zur Gegenäußerung mit einer anschließenden Neubescheidung umfasst - grundsätzlich vor der Sperrung des Kontos durchzuführen und nur in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen kann von einer vorherigen Durchführung abgesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 85 und 87). Die vom Kläger im Streitfall begehrte Mitteilung des Grundes bzw. Anlasses der Sperrung ist danach Teil des vom Bundesgerichtshofs geforderten Anhörungsverfahrens, das zwar regelmäßig, aber nicht ausnahmslos vor der Kontosperrung durchzuführen ist. Um auch die vom Bundesgerichtshof erwähnten Ausnahmefälle angemessen berücksichtigen zu können, erscheint es zu weitgehend, dem Kläger einen Anspruch auf Mitteilung „zugleich“ mit der Sperre - im Sinne von „gleichzeitig“ bzw. „zeitgleich“ - zuzubilligen. Vielmehr kann der Kläger als „Minus“ gegenüber seinem ursprünglichen Antrag nur eine unverzügliche Mitteilung des Anlasses der Sperrung verlangen. Damit wird zudem ein Gleichlauf mit der vom Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Löschung eines Beitrags geforderten unverzüglichen nachträglichen Anhörung (vgl. BGH a.a.O., Rn. 88) sowie mit § 3 Abs. 2 Nr. 5 NetzDG erreicht, der in den unter das NetzDG fallenden Konstellationen ebenfalls eine unverzügliche Information und Begründung verlangt. In der Mehrzahl der Fälle dürfte das Erfordernis einer unverzüglichen Mitteilung allerdings faktisch ohnehin darauf hinauslaufen, dass die Begründung wiederum zugleich mit der Sperre zu erfolgen hat. Denn regelmäßig sollte die Prüfung im Zeitpunkt der Verhängung der Sperre auf Seiten der Beklagten bereits abgeschlossen und die Mitteilung des Grundes der Beklagten möglich und zumutbar sein.

[...]

c) Schließlich scheidet auch ein Anspruch des Klägers auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO aus.

Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen. Die Verarbeitung der Daten der Klägerin durch die Beklagte verstieß aber nicht gegen die DS-GVO; denn sie beruhte auf der vorab erteilten Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen der Beklagten im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. a) DS-GVO und auf Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO.

Im Übrigen gilt auch für diese Anspruchsgrundlage, dass ersatzfähig alle Nachteile sind, die der Geschädigte an seinem Vermögen oder an sonst rechtlich geschützten Gütern erleidet (vgl. Kühling/Buchner/Bergt, DS-GVO, 3. Aufl. 2020, Art. 82 Rn. 19). Ein solch immaterieller Schaden, der hier allenfalls an eine - ggf. auch weniger schwerwiegende - Verletzung des Persönlichkeitsrechts anknüpfen könnte (vgl. hierzu Becker in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 82 DSGVO Rn. 4c; Wybitul, Immaterieller Schadensersatz wegen Datenschutzverstößen, NJW 2019, 3265, 3267), liegt jedoch wie dargelegt nicht vor. Die bloße Sperrung des klägerischen Nutzerkontos begründet einen solchen Schaden nicht


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


EuGH-Generalanwalt: Bundeskartellamt darf DSGVO-Verstöße durch Geschäftspraktiken im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs verfolgen und ahnden - hier: Facebook / Meta

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 20.09.2022
Facebook Inc., Facebook Ireland Ltd, Facebook Deutschland GmbH ./. Bundeskartellamt
C-252/21


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass das Bundeskartellamt DSGVO-Verstöße durch Geschäftspraktiken im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs verfolgen und ahnden darf (hier: Facebook / Meta). Dabei müssen allerdings Entscheidungen der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden beachtet werden.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Generalanwalt Rantos ist der Auffassung, dass eine Wettbewerbsbehörde in Ausübung ihrer Zuständigkeiten die Vereinbarkeit einer Geschäftspraxis mit der Datenschutzgrundverordnung prüfen kann

Sie muss jedoch jede Entscheidung oder Untersuchung der nach dieser Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörde berücksichtigen.

Meta Platforms ist der Eigentümer des sozialen Online-Netzwerks „Facebook“. Die Nutzer dieses sozialen Netzwerks müssen die Nutzungsbedingungen von Facebook akzeptieren, die auf die Praxis der Nutzung dieser Daten und von Cookies durch Meta Platforms verweisen. Mit den Cookies erfasst Meta Platforms Daten, die aus anderen Diensten des Konzerns Meta Platforms wie Instagram oder WhatsApp stammen sowie aus Websites und Apps Dritter über in diese eingebundene Schnittstellen oder über auf dem Computer oder mobilen Endgerät des Nutzers gespeicherte Cookies. Diese Daten verknüpft Meta Platforms mit dem Facebook-Konto des betreffenden Nutzers und verwertet sie u. a. zu Werbezwecken.

Das deutsche Bundeskartellamt untersagte Meta Platforms die in den Nutzungsbedingungen von Facebook vorgesehene Datenverarbeitung sowie die Durchführung dieser Nutzungsbedingungen und erlegte dem Unternehmen Maßnahmen zur Abstellung dieses Verhaltens auf. Das Bundeskartellamt war der Auffassung, dass die in Rede stehende Verarbeitung eine missbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung von Meta Platforms auf dem Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer in Deutschland darstelle. Meta Platforms legte gegen den Beschluss des Bundeskartellamts Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein. Dieses fragt den Gerichtshof, ob die nationalen Wettbewerbsbehörden befugt sind, die Vereinbarkeit einer Datenverarbeitung mit der DSGVO zu prüfen. Außerdem stellt das Oberlandesgericht dem Gerichtshof Fragen zur Auslegung und Anwendung bestimmter Vorschriften der DSGVO.

In seinen Schlussanträgen vom heutigen Tag vertritt Generalanwalt Athanasios Rantos erstens die Auffassung, dass eine Wettbewerbsbehörde zwar nicht befugt ist, einen Verstoß gegen die DSGVO festzustellen, sie jedoch in Ausübung ihrer eigenen Zuständigkeiten berücksichtigen kann, ob eine Geschäftspraxis mit der DSGVO vereinbar ist. Insoweit unterstreicht der Generalanwalt, dass die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit einer Praxis mit der DSGVO unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein wichtiges Indiz für die Feststellung sein kann, ob diese Praxis einen Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften darstellt.

Der Generalanwalt stellt jedoch klar, dass eine Wettbewerbsbehörde die Einhaltung der DSGVO nur inzident prüfen kann und dies die Anwendung dieser Verordnung durch die nach der Verordnung zuständige Aufsichtsbehörde nicht präjudiziert. Folglich muss die Wettbewerbsbehörde alle Entscheidungen oder Untersuchungen der zuständigen Aufsichtsbehörde berücksichtigen, diese über jedes sachdienliche Detail informieren und sich gegebenenfalls mit ihr abstimmen.

Zweitens ist der Generalanwalt der Ansicht, dass der bloße Umstand, dass ein Unternehmen, das ein soziales Netzwerk betreibt, auf dem nationalen Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer eine beherrschende Stellung innehat, der Einwilligung des Nutzers dieses Netzwerks in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten nicht ihre Wirksamkeit nehmen kann. Ein solcher Umstand spielt jedoch eine Rolle bei der Beurteilung der Freiwilligkeit der Einwilligung, die der für die Verarbeitung Verantwortliche nachzuweisen hat.

Drittens ist der Generalanwalt der Ansicht, dass die streitige Praxis von Meta Platforms oder bestimmte Tätigkeiten, aus denen sie sich zusammensetzt, unter in der DSGVO vorgesehene Ausnahmen fallen können, sofern die betreffenden Tätigkeiten dieser Praxis für die Erbringung der Dienstleistungen in Bezug auf das Facebook-Konto objektiv erforderlich sind. Auch wenn die Personalisierung der Inhalte sowie die durchgängige und nahtlose Nutzung der Dienste des Konzerns Meta Platforms, die Netzwerksicherheit und die Produktverbesserung im Interesse des Nutzers oder des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen erfolgen können, erscheinen diese Tätigkeiten allerdings nach Auffassung des Generalanwalts nicht für die Erbringung der genannten Dienstleistungen erforderlich.

Viertens stellt der Generalanwalt fest, dass das Verbot der Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten, die beispielsweise die rassische oder ethnische Herkunft, die Gesundheit oder die sexuelle Orientierung der betroffenen Person betreffen, auch die Verarbeitung der streitigen Daten umfassen kann. Dies ist dann der Fall, wenn die verarbeiteten Informationen, einzeln oder aggregiert betrachtet, die Erstellung eines Profils des Nutzers im Hinblick auf die in der DSGVO genannten sensiblen Merkmale ermöglichen.

In diesem Zusammenhang weist der Generalanwalt darauf hin, dass der Nutzer sich voll bewusst sein muss, dass er durch eine ausdrückliche Handlung personenbezogene Daten öffentlich macht, damit die Ausnahme von diesem Verbot, die beinhaltet, dass die betroffene Person die Daten offensichtlich öffentlich gemacht hat, greifen kann. Nach Ansicht des Generalanwalts kann ein Verhalten, das im Aufruf von Websites und Apps, der Eingabe von Daten in diese Websites und Apps sowie in der Betätigung von in diese eingebundenen Schaltflächen besteht, grundsätzlich nicht einem Verhalten gleichgestellt werden, das die sensiblen personenbezogenen Daten des Nutzers offensichtlich öffentlich macht.

Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:


LG Meiningen: Auch ein Like auf Facebook oder in anderen sozialen Netzwerken kann schon u.a. als Billigung von Straftaten nach § 140 StGB strafbar sein

LG Meiningen
Beschluss vom 05.08.2022
6 Qs 146/22

Das LG Meiningen hat entschieden, dass schon ein Like auf Facebook oder in anderen sozialen Netzwerken u.a. als Billigung von Straftaten nach § 140 StGB strafbar sein und eine Hausdurchsuchung rechtfertigen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
"Aus den Beweismitteln ergibt sich in hinreichender Weise, dass der Beschuldigte den zitierten Post des "Arminius Hetzer Hermann" mit dem Symbol versehen hat. Dies ist vorliegend tatbestandsmäßig.

Nach § 189 StGB macht sich strafbar, wer das Andenken Verstorbener "verunglimpft". Verunglimpfen ist eine nach Form, Inhalt oder nach den Begleitumständen besonders schwere Beleidigung, sei es in Gestalt eines Werturteils oder einer Tatsachenaussage. Die Verunglimpfung kann nicht nur durch schriftliche oder mündliche Äußerungen, sondern auch durch Tätlichkeiten am Leichnam oder in sonstiger Weise geschehen, sie muss jedenfalls als Ehrenkränkung des Verstorbenen von einem Dritten wahrgenommen werden.

Dies ist ohne Zweifel der Fall. Der Kommentar des Nutzers "Arminius Hetzer Hermann" erfolgte unter einem Beitrag betreffend eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des sehr öffentlichkeitswirksamen sog. Kuseler Polizistenmordes, nimmt also eine Veranstaltung in unmittelbarem Bezug, die sogar im engsten Wortsinne dem Andenken zweier konkreter Verstorbener dienen soll. Deren Bezeichnung als (bloße) Kreaturen spricht den Opfer an solchen ersichtlich die Menschenwürde ab; durch die Phrase "keine einzige Sekunde Schweigen" wird zudem direkter Bezug auf eine in Gedenkveranstaltungen oder Trauerfeiern übliche Schweigeminute Bezug genommen, die der Totenehrung und damit schlechthin ihrem Andenken dienen. Wird insoweit zum Ausdruck gebracht, dass den Verstorbenen keine "einzige Sekunde" (der 60 Sekunden umfassenden) Schweigeminute zuteilwerden soll, stellt dies bei objektiver Würdigung die - hier in breitester Öffentlichkeit des Internets getätigte - Aufforderung dar, den (nach wie vor in ihrer Persönlichkeit konkret bezeichneten) beiden Polizisten nicht zu gedenken, ihnen nicht einmal Bruchteile der allgemein üblichen Totenehre angedeihen zu lassen. Die ist in dem genannten Kontext nur als schwere Ehrkränkung aufzufassen, zumal die Art und Weise der Verbreitung im Internet die Schutzgüter des § 189 StGB unbesehen der Frage als besonders beeinträchtigt sehen lässt, ob neben dem soweit hier nachhaltig betroffenem Pietätsgefühl der Angehörigen auch das Pietätsgefühl der Allgemeinheit geschützt werden soll (allg. Auffassung, vgl. MüKoStGB/Regge/Pegel, 4. Aufl. 2021, StGB § 189 Rn. 4 m.w.N.).

Die Kammer verkennt nicht, dass - wie die Beschwerde wohl intendiert - die Grundsätze einer Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung nach überwiegender Ansicht auch bei § 189 StGB und insbesondere dann gelten, wenn sie sich auf eine Gruppe von Personen bezieht, deren Gemeinsamkeit sich gerade aus den Umständen ihres Versterbens ergibt (MüKoStGB/Regge/Pegel, 4. Aufl. 2021, StGB § 189 Rn. 19 m.w.N.). Soweit hat der Kommentar des Nutzers "Arminius Hetzer Hermann" zwar durch Anbringung eines entsprechenden Videos auch Bezug auf "Polizeigewalt" als solche genommen. Allerdings erfolgt auch dies im Kontext der Nutzung einer Kommentarfunktion zu dem geschilderten Gedenkereignis in Gestalt der Ermordung zweier konkret bezeichneter Polizeibeamter im Rahmen ihrer Dienstausübung. Damit wird bei Lichte betrachtet eine (ggf. durchaus allgemeine) Ablehnungshaltung gegenüber Polizisten auf zwei konkrete Einzelpersonen vor dem Hintergrund ihrer Ermordung bei Dienstverrichtung abgehoben. Eine Kollektivbezeichnung ("die Polizei") ist schon der äußeren Form nach nicht ersichtlich, würde aber (was die Beschwerde verkennt) im Falle ihres Vorliegens zur Strafbarkeit nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB führen. Keine kollektive, sondern eine individualisierte Beleidigung läge selbst bei anderer Auffassung hier auch dann vor, wenn zwar eine Kollektivbezeichnung verwendet, aber durch den einem Ausruf begleitenden "Fingerzeig" auf ein Mitglied des Kollektivs dieses erkennbar individuell betroffen sein soll (etwa bei dem Ausspruch "A.C.A.B." = all cops are bastards, siehe nur OLG Stuttgart 23.06.2008 – 1 Ss 329/08, NStZ-RR 2009, 50).

Es ist, was die Beschwerde ebenfalls verkennt, allgemein anerkannt, dass es vorliegend um mehrere Einzelbeleidigungen geht, die gleichsam "getarnt" lediglich unter einer "Kollektivbezeichnung" erfolgen. Darüber kann das vermeintlich Polizeigewalt darstellen Video nicht hinwegtäuschen.

Anerkannt ist die von der Rechtsprechung entwickelte Grundforderung, dass sich die bezeichnete Personenmehrheit - hier der beiden verstorbenen Polizeibeamten - auf Grund bestimmter Merkmale aus der Allgemeinheit so deutlich heraushebt, dass der Kreis der Betroffenen klar umgrenzt und so die Zuordnung des einzelnen zu diesem Kreis nicht zweifelhaft ist. Eingedenk des Umstandes, dass der Kommentar wie dargestellt als Reaktion auf einen just zwei Vertretern des Polizeistandes - als Mordopfer - gewidmeten Beitrag erfolgte, bestehen daran keine Zweifel, zumal schon eine Bezugnahme auf die von Einzelakteuren losgelöste Gruppe der "Polizei" an sich bzw. - mit den Worten der Beschwerde: "das Polizistensein im Allgemeinen" - fehlt. Dafür findet sich unbeschadet des Fernliegens der (soweit buchstäblich:) bemühten Argumentation der Beschwerde im Wortlaut letztlich keinerlei Anhaltspunkt.

Die Handlung, derer der Beschwerdeführer verdächtig ist, ist als sog. Liken eine hinreichende Ausrichtung bzw. Kundgabe der Befürwortung der Äußerungen des Nutzers "Aminius Hetzer Hermann". Nach der Rspr. des BGH setzt die Gleichstellung der Wiedergabe fremder Missachtung als Äußerung eigener Missachtung voraus, dass sich der Nutzer die fremde Äußerung zu eigen macht, mithin so in den eigenen Gedankengang einfügt, dass sie insgesamt als eigene erscheint. Darin liegt auch die ureigentliche Funktion des sog. Likes auf Facebook oder vergleichbaren Medien. Unbeschadet dessen, dass die Anbringung eines solchen "Likes", der wörtlich übersetzt jedenfalls in Mitteleuropa so viel wie "(ich) mag es" oder "(ich) will es" bedeutet, regelmäßig durch das Betätigen einer Schaltfläche mit den Worten "Gefällt mir" erfolgt, ist gerade auch das Zurschaustellen dieser Befürwortung nach außen Sinn dieser Kommentarfunktion. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass öffentlichkeitswirksame Vorgänge in anderen Medien regelmäßig damit als besonders herausragend etikettiert werden, dass sie nach der Anzahl ihres "Likes" (oder demgemäß Distanzierung bedeutende "Dislikes") ohne weiteres und nachgerade selbsterklärend bemessen werden.

Dass eine Faust mit nach oben gerecktem Daumen Zustimmung und Gutheißung bedeutet, kann ohnehin nicht ernsthaft in Frage gestellt werden. Der dahinterstehende Symbolgehalt einer nonverbalen, auf Belobigung oder jedenfalls unbeschränkte Zustimmung ausgerichteten Kommunikation dürfte selbst von Rezipienten im Vorschulalter nur als solcher verstanden werden.

In den modernen Medien hat er sich jedenfalls zum regelrechten Sinnbild der Befürwortung etabliert. In der auch hier in Rede stehenden Kommentarfunktion der Plattform Facebook dient diese Symbolik auch der gezieltermaßen öffentlichen Bewertung eines Beitrages, was nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck kommt, dass entsprechende Symbol-Schaltflächen vom Betreiber des Portals unter den Beiträgen als eine Art Einladung zum Kommentieren vorgehalten werden. Soweit kommt darin auch nicht nur eine gewissermaßen stille Befürwortung - etwa nur dem Verfasser gegenüber - zum Ausdruck, sondern die bewusst und für die Öffentlichkeit des Internets zum Ausdruck gebrachte Befürwortung der Inhalte. Deutlicher kann man ein Zueigenmachen kaum zum Ausdruck bringen bzw. allenfalls expressis verbis mit den Worten "Ich stimme dem zu" - nicht anderes symbolisiert aber hier allgemeinhin das in Rede stehende sog. Emoji.

Die darin liegende Bekundung von Sympathie nach außen ist insoweit auch aus Sicht eines Dritten mit einer verbal kundgegebenen Zustimmung nach außen gleichzusetzen (siehe auch Eckel, NStZ 2021, S. 1 ff.). Soweit dem vereinzelt entgegen gehalten wird, dass das Schicksal des sog. Likes dem des in Bezug genommenen Beitrages akzessorisch verbunden sei soll, ist dies irrelevant. Für die Schuldfrage kommt es naturgemäß auf den (Tat-)Zeitpunkt an, in dem der tatbestandliche Erfolg verwirklicht wird. Ohnehin dürfte derjenige, der (fremde) Beiträge mit entsprechender Symbolik versieht, regelmäßig keinen Einfluss auf den Bestand des Beitrages, umgekehrt aber gerade auf das Fortbestehen seines "Likes" haben.

Tatverdacht besteht letztlich auch hinsichtlich § 140 StGB.

Die Tathandlung nach der dortigen Nr. 2 besteht darin, dass der Täter die Tat öffentlich in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Inhalten durch eine auf eine konkrete Tat bezogene und aus sich heraus verständliche Erklärung gutheißt (Fischer, StGB, 63. Aufl. 2020, § 140 Rn. 6). Dies ist bei der gebotenen Gesamtbetrachtung anzunehmen. Tatbestandsmäßig sind auch befürwortende Äußerungen im Internet auf Webseiten, wobei auch schlüssige Erklärungen genügen (BGHSt 22, Seite 286; OLG Braunschweig NJW 1978, Seite 2045). Aus den bereits dargestellten Gründen liegt in der gegenständlichen Tathandlung ein Zueigenmachen, was - a maiore ad minus - eine Billigung einschließt. Aus dem Kontext des Posts ist bei objektiver Betrachtung zu entnehmen, dass derjenige, der den Opfern eines Tötungsdelikts i.S.v. § 126 Abs. 1 Nr. 3 StGB jede Würde absprechen will, auch auf den Leitartikel, dessen Kommentierung unternommen wird, Bezug nimmt und letztlich die dort dargestellte Straftat des Mordes in 2 Fällen billigt. Wer demjenigen, der durch ein Verbrechen zu Tode gekommen ist, in der dargestellten Weise jede Anerkennung und Ehrung abspricht, heißt das Verbrechen an sich gut. Bei lebensnaher Betrachtung kann die Zustimmung, den Opfern ohne weiteres ein Mindestmaß an Menschenwürde abzusprechen, nicht anders als die Billigung des Zentralgeschehens verstanden werden, auf das allein das Gedenken Bezug nimmt."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Fehlende Anhörung des Nutzers durch Facebook vor Löschung eines Facebook-Posts kann im Prozess um erneute Freischaltung des Beitrags nachgeholt werden

OLG Frankfurt
Urteil vom 30.06.2022
16 U 229/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine fehlende Anhörung des Nutzers durch Facebook vor Löschung eines Facebook-Posts im Prozess um die erneute Freischaltung des Beitrags nachgeholt werden kann.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Unterlassene Anhörung des Betroffenen vor Löschung eines Posts bei Facebook kann im Prozess um die Wiederfreischaltung nachgeholt werden

Nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021 (III ZR 179/20) sind die Regelungen in den Nutzungsbedingungen, die Facebook in einem Fall der Hassrede eine Befugnis zur Löschung dieses Posts einräumen, unwirksam, weil sie kein Verfahren vorsehen, aufgrund dessen der betroffene Nutzer über die Entfernung umgehend informiert, ihm der Grund dafür mitgeteilt und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung eingeräumt wird, woran sich eine neue Entscheidung mit der Möglichkeit der Wiederfreischaltung des Posts anschließt. Der Pressesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) hat mit dem heute verkündeten Urteil nunmehr entschieden, dass die fehlende Anhörung seitens der Beklagten im Verfahren nachgeholt werden kann und, wenn diese zu keiner anderen Bewertung führt, der betroffene Nutzer dann nicht die Wiederfreischaltung des Posts beanspruchen kann. Das Löschungsrecht ergebe sich in diesem Fall bei einem vertragswidrigen Post aus dem Nutzungsvertrag.

Die Beklagte ist in Deutschland Vertragspartnerin der Nutzer von Facebook. Der Kläger stimmte den im April 2018 geänderten Nutzungsbedingungen der Beklagten zu. Im November 2018 postete er im Zusammenhang mit einem Artikel über die gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Afghanen in einer Flüchtlingsunterkunft, in deren Verlauf diese untereinander Messer eingesetzt hatten, u.a.: „Solange diese sich gegenseitig abstechen ist es doch o. k. Ist jemand anderer Meinung? Messer-Emoji“. Die Beklagte löschte diesen Beitrag und sperrte außerdem vorübergehend Teilfunktionen des klägerischen Kontos. Der Kläger begehrte daraufhin vor dem Landgericht unter anderem die Freischaltung des gelöschten Beitrags. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hat auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Wiederfreischaltung des gelöschten Posts. Der Post sei zwar eine Meinungsäußerung. Er verstoße aber gegen die über die Nutzungsbedingungen einbezogenen Bestimmungen in den Gemeinschaftsstandards zur Hassrede. Der Begriff der Hassrede sei hinreichend transparent und in den Regelungen selbst definiert worden. Erfasst würden u.a. „Angriffe durch eine gewalttätige und entmenschlichende Sprache, durch Aussagen über Minderwertigkeit und durch Aufrufe, Personen auszuschließen und zu isolieren“. Die Beklagte sei auch berechtigt, ein Verbot von Hassrede vorzusehen, „durch das auch nicht strafbare oder rechtsverletzende Meinungsäußerungen erfasst werden“. Sie dürfe den Nutzern ihres Netzwerks bestimmte Kommunikationsstandards vorgeben, die über die strafrechtlichen Vorgaben hinausgingen. Die Verhaltensregeln sollten einen Kodex für „einen respektvollen Umgang miteinander“ enthalten.

Hier verstehe der flüchtige Leser die Äußerung so, dass es dem Kläger „gleichgültig ist bzw. er es in Ordnung finde, wenn afghanische Flüchtlinge sich gegenseitig abstechen“. Dies unterfalle dem Bereich der Hassrede.

Soweit die Löschung des Posts erfolgte, ohne den Kläger umgehend zu informieren und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme mit anschließender Neuentscheidung zu gegeben, könne die Beklagte sich zwar nicht auf ihre Regelungen zum Entfernungs- und Sperrvorbehalt berufen. Diese seien gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unwirksam.

Die Beklagte sei aber zur Löschung unmittelbar aus dem Nutzungsvertrag berechtigt. Die Verfahrensanforderungen zur Information des Betroffenen über die Löschung ergäben sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Durch die Unwirksamkeit der Klausel über den Entfernungs- und Sperrvorbehalt sei im vertraglichen Gefüge eine Lücke entstanden, die im Wege der Auslegung zu schließen sei. Über diese ergänzende Vertragsauslegung sei die Beklagte verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung eines Beitrags zu informieren und im Gelegenheit zur Stellungnahme und Neuentscheidung zu geben. Dies sei im Rahmen des hiesigen Prozesses nachgeholt worden. Der anfängliche Anhörungsfehler sei damit nachträglich geheilt worden.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BGH u.a. hinsichtlich des dargestellten Antrags auf Wiederherstellung des gelöschten Artikels zugelassen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 30.06.2022, Az. 16 U 229/20
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 03.09.2020, Az. 2-03 O 282/19)



OLG München: Facebook muss Nutzer vor Sperrung des Accounts regelmäßig anhören aber kein allgemeiner und umfassender Anspruch des Nutzers auf Unterlassung künftiger Sperren

OLG München
Urteil vom 12.04.2022
18 U 6473/20

Das OLG München hat bekräftigt, dass Facebook Nutzer vor Sperrung des Accounts regelmäßig anhören muss. Es besteht aber kein allgemeiner und umfassender Anspruch des Nutzers auf Unterlassung künftiger Sperren ohne vorherige Anhörung.

Leitsätze des Gerichts:

1. Zum grundsätzlich bestehenden vertraglichen Anspruch des Nutzers eines sozialen Netzwerks gegen dessen Anbieter auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Beitragslöschung bei Fehlen einer Bestimmung in den Geschäftsbedingungen, wonach sich der Anbieter verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neuentscheidung anschließt, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrags einhergeht (im Anschluss an BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20 und BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 192/20).

2. Der Nutzer handelt nicht treuwidrig, wenn er sich auf die Unwirksamkeit des Entfernungs- bzw. Sperrvorbehalts in den Nutzungsbedingungen des Anbieters beruft. Selbst wenn der Nutzer durch die Veröffentlichung der Beiträge gegen die Gemeinschaftsstandards und damit gegen vertragliche Verpflichtungen seinerseits verstoßen hat, steht es dem Anbieter nach der Rechtsprechung des BGH nicht zu, diese Beiträge ohne wirksame vertragliche Grundlage zu löschen und das Profil des Nutzers zu sperren.

3. Es besteht kein allgemeiner und umfassender Anspruch des Nutzers auf Unterlassung künftiger Sperren, ohne vorab über die beabsichtigte Sperrung zu informieren und die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen. Denn ein hierauf gerichteter Antrag umfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Anbieter trotz der Unwirksamkeit des Lösch- und Sperrvorbehalts in seinen Nutzungsbedingungen die Möglichkeit haben muss, gesetzwidrige oder strafbare Inhalte effektiv zu beseitigen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung der Klägerin ist, soweit noch über sie zu entscheiden war, zulässig und teilweise begründet.

Da die Beklagte mit der Löschung der Beiträge der Klägerin und der anschließenden vorübergehenden Sperrung des klägerischen Nutzerkontos gegen ihre Vertragspflichten verstoßen hat, steht der Klägerin ein Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Löschung der Beiträge bei deren erneuter Einstellung zu. Ferner kann sie anteilige Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 € für jeden Beitrag verlangen. Hinsichtlich der Beiträge vom 29.03.2019 und 12.03.2020 hat die Klägerin darüber hinaus einen Anspruch auf Wiederherstellung der Beiträge und Berichtigung des sie betreffenden Datensatzes der Beklagten.

Soweit die Klägerin darüber hinaus Freistellung von weiteren Rechtsanwaltskosten begehrt, hat das Landgericht die Klage hingegen zu Recht abgewiesen. Insoweit war daher auch die Berufung zurückzuweisen.

Der erstmals in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 14.10.2021 gestellte Antrag auf Unterlassung von Sperren, ohne vorab über die beabsichtigte Sperrung zu informieren und die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen, ist - auch in der Fassung Hilfsantrags vom 17.03.2022 - unbegründet.

1. Das Landgericht hat die - auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 - III ZR 102/02, NJW 2003, 426, juris Rn. 9) - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Ergebnis zutreffend bejaht.

Diese folgt aus Art. 17 Abs. 1 lit. c, Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO) (vgl. auch BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 24). Danach kann die Klägerin als Verbraucherin, die die Plattform der Beklagten privat und nicht beruflich oder gewerblich nutzt, gegen die Beklagte, die ihre gewerbliche Tätigkeit auch auf Deutschland ausgerichtet hat, vor dem Gericht ihres Wohnsitzes und damit vor dem Landgericht Augsburg Klage erheben.

2. Die Klage ist hinsichtlich der zuletzt noch gestellten Anträge zulässig. Die Voraussetzungen einer zulässigen Klageerweiterung in der Berufungsinstanz nach § 533 ZPO liegen trotz der fehlenden Einwilligung der Beklagten vor, weil die Zulassung des weiteren Unterlassungsantrags sachdienlich ist und auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seiner Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen hat.

3. Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Löschung der Beiträge vom 29.03.2019, 24.08.2019 und 12.03.2020 bei deren erneuter Einstellung gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu (Berufungsanträge Ziff. 6 bis 8). Die gestellten Unterlassungsanträge sind allerdings um den Kontextbezug zu ergänzen („wenn dies geschieht wie am 29.03.2019, 24.08.2019 bzw. 12.03.2020 “).

a) Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind nach deutschem Recht zu beurteilen. Aufgrund der Rechtswahlklausel in Nr. 4.4 der Nutzungsbedingungen der Beklagten (Anlage K 1) unterliegt der zwischen den Parteien geschlossene Nutzungsvertrag nach Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) dem deutschen Recht. Dessen Anwendbarkeit ergäbe sich im Übrigen auch ohne Rechtswahl der Parteien aus Art. 6 Abs. 1 lit. b Rom I-VO, weil ein Verbrauchervertrag vorliegt (vgl. auch BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 26).

b) Die Beklagte hat - wie sich auch aus den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021 in zwei vergleichbaren Parallelverfahren ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, NJW 2021, 3179 und BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 192/20, ZUM-RD 2021, 612) - durch die Entfernung der Beiträge der Klägerin und die Sperrung des klägerischen Nutzerkontos gegen ihre Vertragspflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag verstoßen.

aa) Die Beklagte war nicht gemäß Nr. 3.2 und Nr. 1 der Nutzungsbedingungen i.V.m. Teil II Nr. 9 bzw. Teil I Nr. 2 der Gemeinschaftsstandards in der Fassung vom 19. April 2018 (Anlagen K 1 und K 3) zur Löschung der Beiträge und Sperrung des Nutzerkontos der Klägerin berechtigt. Denn der dort vorgesehene Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

(1) In Übereinstimmung mit den vorzitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ist zunächst festzuhalten, dass die aktualisierten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten (Anlagen K 1 und K 3) - bei denen es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB handelt - wirksam in das Vertragsverhältnis der Parteien einbezogen wurden (§ 305 Abs. 2 BGB).

Die Klägerin hat ihr Einverständnis mit den aktualisierten Geschäftsbedingungen erklärt und das an sie gerichtete Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags angenommen, indem sie nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung vom 07.04.2020 (dort S. 23) am 24.08.2018 den geänderten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards, die ihr im Rahmen eines sog. Pop-up-Fensters zur Kenntnis gebracht wurden, durch Anklicken der entsprechenden Schaltfläche ausdrücklich zugestimmt hat.

Auf diese Konstellation findet entgegen der Ansicht der Klägerin weder § 308 Nr. 5 BGB Anwendung noch ist ihre Einverständniserklärung gemäß § 138 Abs. 1 BGB als unwirksam anzusehen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seinen Entscheidungen vom 29.07.2021 (vgl. etwa BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 31 ff.) wird Bezug genommen.

Für die vorliegend in Streit stehenden Regelungen zur „Unterstützung einer Hassorganisation“ gilt dabei in gleicher Weise wie für die im Rahmen des Rechtsstreits vor dem Bundesgerichtshof streitigen Regelungen zur „Hassrede“, dass die Neufassung von der vorherigen Fassung nicht zum Nachteil der Nutzer abweicht. Auch insoweit werden lediglich die Sanktionsmöglichkeiten (zum Vorteil der Nutzer) an einen objektiven Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen statt an die subjektive Einschätzung der Beklagten geknüpft sowie nähere Erläuterungen zur Einstufung eines Verhaltens als „Unterstützung einer Hassorganisation“ gegeben.

(2) Die in das Vertragsverhältnis der Parteien einbezogenen Klauseln in Nr. 3.2 und Nr. 1 der Nutzungsbedingungen i.V.m. Teil III Nr. 12 bzw. Teil I Nr. 2 der Gemeinschaftsstandards halten indessen einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB nicht stand. Der darin enthaltene Entfernungs- und Sperrungsvorbehalt ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil ein verbindliches Verfahren zur Anhörung des betroffenen Nutzers fehlt (vgl. BGH a.a.O., Rn. 51 ff.).

Die nach dem Bundesgerichtshof erforderliche Abwägung der einander gegenüberstehenden Grundrechte und Interessen der Parteien sowie der einzubeziehenden Drittinteressen ergibt, dass die Beklagte als Anbieterin eines sozialen Netzwerks zwar grundsätzlich berechtigt ist, den Nutzern ihres Netzwerks in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Einhaltung objektiver, überprüfbarer Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. In diesem Rahmen darf sie sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Maßnahmen zu ergreifen, die eine Entfernung einzelner Beiträge und die Sperrung des Netzwerkzugangs einschließen (vgl. BGH a.a.O., Leitsatz 2 und Rn. 78). Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jedoch erforderlich, dass sich die Beklagte in ihren Geschäftsbedingungen dazu verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrags einhergeht (vgl. BGH a.a.O., Leitsatz 3 und Rn. 85, 87 f.).

Diesen verfahrensrechtlichen Anforderungen genügen die Nutzungsbedingungen der Beklagten nicht. Ein verbindliches Verfahren, innerhalb dessen die von der Entfernung von Beiträgen und der Sperrung ihres Kontos betroffenen Nutzer Stellung nehmen können, ist dort nicht vorgesehen (vgl. BGH a.a.O., Rn. 93). Vielmehr räumt sich die Beklagte in Nr. 3.2 ihrer Nutzungsbedingungen einen weiten, im Einzelnen nicht nachvollziehbaren und sie im Ergebnis nahezu von jeglicher Anhörungsverpflichtung freistellenden Beurteilungsspielraum ein, die Nutzer über die Entfernung von Inhalten zu informieren oder nicht (vgl. BGH a.a.O., Rn. 94). Ebenso wenig wird den Nutzern in den Nutzungsbedingungen eine hinreichende Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt oder eine Verpflichtung der Beklagten statuiert, die Nutzer von sich aus über ergriffene Maßnahmen zu unterrichten, diese gegenüber den Nutzern zu begründen und ihnen die Gelegenheit zur Stellungnahme mit anschließender Neubescheidung einzuräumen (vgl. BGH a.a.O., Rn. 95 f.).

bb) Die Beklagte war vorliegend auch nicht deshalb zur Entfernung der Beiträge berechtigt, weil sie einen strafbaren Inhalt enthielten. Hierfür bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

cc) Der im Schriftsatz vom 25.01.2022 (Bl. 596/623 d.A.) vertretenen Ansicht der Beklagten, wonach es an einem vertragswidrigen Verhalten ihrerseits fehle, sie zur Entfernung der beiden Beiträge und Sperrung des klägerischen Profils auf Basis des Nutzervertrags - jedenfalls im Wege ergänzender Vertragsauslegung - berechtigt gewesen sei und sich Gegenteiliges auch nicht aus den jüngsten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ergebe, kann nicht gefolgt werden.

(1) Die vorzitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021, denen sich der Senat bereits in seinem Urteil vom 14.12.2021 (18 U 6997/20 Pre) inhaltlich angeschlossen hat, und die er auch weiterhin für überzeugend hält, sind eindeutig. Danach sind die Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte in den streitgegenständlichen Nutzungsbedingungen der Beklagten gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil ein verbindliches Verfahren zur Anhörung des betroffenen Nutzers fehlt. Eine vertragliche Grundlage für die Löschung der Beiträge und die Sperrung des klägerischen Nutzerprofils ist mithin nicht vorhanden. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht lückenhaft.

Insbesondere liegen die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung - in dem von der Beklagten gewünschten Sinne - nicht vor. Die ersatzlose Streichung der Klausel führt vorliegend nicht dazu, dass keine angemessene, den beiderseitigen Interessen Rechnung tragende Lösung mehr vorhanden wäre (vgl. Senat, Urteil vom 14.12.2021, 18 U 6997/20 Pre). Weder wird das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Nutzers verschoben (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1997 - IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153, Rn. 11) noch führt die Streichung für die Beklagte zu einem unzumutbaren Ergebnis im Sinne einer grundlegenden Störung des Vertragsgleichgewichts (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2002 - V ZR 26/01, NJW-RR 2002, 1136, Rn. 10; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 306 Rn. 13):

Der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen vom 29.07.2021 zu Recht ausgeführt, dass die derzeitige Ausgestaltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht interessengerecht ist und es die Beklagte ist, die dem Nutzer durch die Entfernung seines Inhalts und ggf. weitere beschränkende Maßnahmen die Erbringung vertraglich geschuldeter Leistungen verweigert und hierdurch in die - über § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB in die Nutzungsverträge einstrahlende - geschützte Grundrechtsposition des Nutzers eingreift (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2021 - III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 96). Die Beklagte hat die laut Bundesgerichtshof erforderlichen prozeduralen Voraussetzungen - wie sie selbst einräumt (vgl. Bl. 606 d.A.) - nicht einmal in der Praxis eingehalten. Maßgeblich ins Gewicht fällt außerdem, dass das Recht der Beklagten zur Löschung strafbarer Inhalte und zur Vermeidung einer Störerhaftung auch bei einer Streichung der Klausel in jedem Falle unberührt bleibt.

Zusammenfassend ist es der Beklagten daher zuzumuten, bis zur Änderung ihrer Nutzungsbedingungen und Beachtung der verfahrensrechtlichen Erfordernisse auf weitergehende Lösch- und Sperrbefugnisse zu verzichten. Die Beklagte muss ungeachtet des Erfordernisses, oftmals schnell entscheiden zu müssen, das auch der Bundesgerichtshof hinreichend berücksichtigt hat, Verfahrensrechte der Nutzer beachten.

(2) Die Klägerin handelt entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht treuwidrig, wenn sie sich auf die Unwirksamkeit des Entfernungsvorbehalts bzw. des Sperrvorbehalts in den Nutzungsbedingungen der Beklagten beruft. Selbst wenn die Klägerin durch die Veröffentlichung der Beiträge gegen die Gemeinschaftsstandards und damit gegen vertragliche Verpflichtungen ihrerseits verstoßen haben sollte, stand es der Beklagten nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu, diese Beiträge eigenmächtig ohne wirksame vertragliche Grundlage zu löschen und das Profil der Klägerin zu sperren. Die Beklagte ist insoweit auch nicht schutzwürdig. Strafbare Inhalte bzw. Beiträge, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter verletzten, muss die Beklagte nicht dulden, worauf bereits hingewiesen wurde. Vor allem aber hätte es die Beklagte selbst in der Hand, ihre Nutzungsbedingungen nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs zu ändern, und anschließend - unter Beachtung der dann implementierten Verfahrensvorschriften - Beiträge, die gegen ihre Gemeinschaftsstandards verstoßen, zu löschen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann auch an dieser Stelle nicht von einer Lückenhaftigkeit der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ausgegangen werden. Denn ein Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB wäre von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 242 Rn. 21 m.w.N.). Der Umstand, dass der Bundesgerichtshof diese Frage in seinen Entscheidungen nicht erörtert hat, lässt deshalb erkennen, dass er eine Treuwidrigkeit als fernliegend angesehen hat.

(3) Die Beklagte war auch nicht deshalb zur Löschung der Beiträge bzw. Sperrung des Profils der Klägerin berechtigt, weil sie möglicherweise ein Recht zur außerordentlichen Kündigung gehabt hätte. Denn zum einen hat die Beklagte keine Kündigung des Nutzervertrages, der zu einer endgültigen Vertragsbeendigung führen würde, ausgesprochen. Zum anderen hätte aber auch eine außerordentliche Kündigung schon nach den Nutzungsbedingungen der Beklagten grundsätzlich vorausgesetzt, dass eine gewährte Abhilfefrist oder eine Abmahnung fruchtlos geblieben ist (vgl. Ziffer 4.2. der Nutzungsbedingungen). Dass vorliegend eine außerordentliche Kündigung ausnahmsweise ohne Setzen einer Abhilfefrist zulässig gewesen wäre, behauptet die Beklagte selbst nicht.

(4) Im Hinblick auf den weiteren Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 25.01.2022 ist festzuhalten, dass eine Unterlassung der erneuten Löschung eines Beitrags nebst Sperrung des Nutzerprofils stets in Bezug auf den konkreten Kontext zu prüfen und auszusprechen ist. Ein Unterlassungsgebot bezieht sich daher immer nur auf kerngleiche Verstöße. Dies hindert aber den Ausspruch eines entsprechenden Unterlassungsgebots - anders als es die Beklagte anzudeuten versucht - nicht.

Soweit die Beklagte eine vorherige Anhörung bei einem identischen Beitrag im selben Äußerungskontext wegen des vorliegend durchgeführten Gerichtsverfahrens nicht mehr für erforderlich hält, kann dem nicht gefolgt werden. Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich die Festlegung eines verbindlichen Verfahrens in den Geschäftsbedingungen der Beklagten für erforderlich erachtet (vgl. BGH a.a.O., Rn. 93). Eine Anhörung nur im Einzelfall oder im Rahmen eines Gerichtsverfahrens genügt insoweit nicht. Im Übrigen könnte sich die Frage der vorherigen Anhörung nur dann stellen, wenn die Beklagte erneut einen kerngleichen Beitrag der Klägerin löschen möchte. Auch in diesem Fall wäre aber die gebotene Anhörung der Klägerin geeignet, eventuelle Missverständnisse über die Zulässigkeit des Beitrags schnell und unkompliziert aufzuklären (vgl. Senat, Urteil vom 14.12.2021, 18 U 6997/20 Pre).

c) Bei der Verletzung von Vertragspflichten kann sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus § 280 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch ergeben (vgl. BGH a.a.O., Rn. 102 m.w.N.).

Dies ist im Hinblick auf die Beiträge vom 29.03.2019 und 12.03.2020 ohne Weiteres anzunehmen, da die Vertragsverletzung im Rahmen des fortbestehenden Vertragsverhältnisses infolge der Löschung des Beitrags noch andauert.

Ein Unterlassungsanspruch ist aber auch im Hinblick auf den zwischenzeitlich wiederhergestellten Beitrag vom 24.08.2019 gegeben. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass der zu Unrecht entfernte Beitrag erst nach fast fünf Monaten von der Beklagten wiederhergestellt worden ist. Dass dieser Zeitraum unangemessen lang war, lässt sich auch mit Blick auf die deutlich kürzeren Prüfungs- und Entscheidungsfristen für Beschwerden über rechtswidrige Inhalte belegen, die den Anbietern sozialer Netzwerke in §§ 3, 3b NetzDG auferlegt werden.

d) Aus den bereits begangenen Pflichtverletzungen der Beklagten folgt zugleich eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr (vgl. BGH a.a.O., Rn. 103 m.w.N.). Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, mit der die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr widerlegt werden könnte, wurde für keinen der Beiträge abgegeben. Allein mit der Freischaltung des Beitrags vom 24.08.2019 ist auch keine Anerkennung seitens der Beklagten dahin verbunden, dass ihr ein Anspruch auf Entfernung nicht zugestanden habe, zumal sie weiterhin auf ein ihr zustehendes Recht auf vorübergehende Entfernung im Rahmen einer Einzelfallprüfung verweist, ohne auf die übermäßig lange Dauer der Prüfung im iegenden Fall einzugehen.
43
e) Die gestellten Unterlassungsanträge sind allerdings um einen ausdrücklichen Kontextbezug zu ergänzen, da der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung jeweils nur im konkreten Kontext zusteht.

4. Hinsichtlich der nicht wieder frei geschalteten Beiträge vom 29.03.2019 und 12.03.2020 hat die Klägerin aus den oben genannten Gründen darüber hinaus einen Anspruch gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB darauf, dass die Beklagte diese gelöschten Beiträge wieder freischaltet (Berufungsanträge Ziff. 3 + 4).

5. Der Klägerin steht gegen die Beklagte außerdem ein Anspruch auf Datenberichtigung bezogen auf die am 29.03.2019 und 12.03.2020 gelöschten Beiträge aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB zu (Berufungsanträge Ziff. 2 + 4). Bezüglich dieser Beiträge ist zwischen den Parteien unstreitig, dass in den von der Beklagten verwalteten Datensätzen betreffend die Klägerin noch der Verstöße gegen die Gemeinschaftsstandards der Beklagten vermerkt sind.

6. Die Klägerin kann von der Beklagten ferner Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 571,44 € für das Tätigwerden bezogen auf die drei Beiträge (Berufungsantrag Ziff. 10) verlangen.

Mit den vorgerichtlichen Schreiben gemäß Anlage K 13 (Beitrag vom 24.08.2019), Anlage K 24 (Beitrag vom 29.03.2019) und Anlage K 26 (Beitrag vom 12.03.2019) wurde u.a. die Aufhebung der Sperre, Datenberichtigung, Freischaltung des jeweiligen Beitrags und Unterlassung der erneuten Sperrung gefordert, so dass sich ein Gegenstandswert der erfolgversprechenden anwaltlichen Tätigkeit bezogen auf jeden Beitrag zum damaligen Zeitpunkt in Höhe von 5.750 € errechnet (Einzelstreitwerte von 2.500 € für Aufhebung der Sperre + 1.250 € für Datenberichtigung + 500 € für Wiederherstellung des Beitrags + 1.500 € für Unterlassung). Auf dieser Grundlage errechnen sich erstattungsfähige vorgerichtliche Kosten in Höhe von jeweils 571,44 €.

7. Der erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung künftiger Sperren, ohne vorab über die beabsichtigte Sperrung zu informieren und die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen, steht der Klägerin dagegen nicht zu (Berufungsantrag Ziff. 9).

Es kann offen bleiben, ob die Besorgnis nicht rechtzeitiger Leistung im Sinne des § 259 ZPO vorliegt (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 259 Rn. 12). Denn der geltend gemachte Anspruch ist unbegründet.

a) Zwar hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.03.2020 (Bl. 680 d.A.) klargestellt, dass ihr Antrag nur vorübergehende Sperrungen und keine dauerhaften Deaktivierungen von Profilen erfassen soll. Dennoch umfasst der Antrag weiterhin auch Konstellationen, in denen die Beklagte trotz der Unwirksamkeit des Lösch- und Sperrvorbehalts in ihren Nutzungsbedingungen die Möglichkeit haben muss, gesetzwidrige oder strafbare Inhalte effektiv zu beseitigen. Hierzu kann im Einzelfall, wie dem Senat aus anderen Fällen bekannt ist, auch die vorübergehende umgehende Sperrung eines Nutzerkontos nötig sein, wenn sie dazu dient, unmittelbar bevorstehende Straftaten zu verhindern oder das allgemeines Persönlichkeitsrecht Dritter vor konkret drohenden Angriffen zu schützen.

Einer solchen Sichtweise stehen auch die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2021 nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof führt in Rz. 87 des Urteils im Verfahren III ZR 179/20 aus, dass in eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen eine Anhörung vor Verhängung einer vorübergehenden Sperrung entbehrlich sein kann. Damit gibt auch der Bundesgerichtshof zu erkennen, dass es Fälle geben kann, in denen eine vorherige Anhörung für die Beklagte unzumutbar ist. Hiergegen wendet sich auch die Klägerin nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass derartige Sperren ohne vorherige Anhörung stets nur dann zulässig sind, wenn denkbare Fallgruppen vorab wirksam in den Nutzungsbedingungen der Beklagten vereinbart wurden. Dies mag für „einfache“ Verstöße gegen Gemeinschaftsstandards der Beklagten gelten, kann aber für Sperren zur Verhinderung von Straftaten oder zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Dritter nicht richtig sein, da die Beklagte in solchen Fällen gesetzlich verpflichtet ist, tätig zu werden. Auch der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass für Beiträge mit strafbaren Inhalten andere Prüfungsmaßstäbe gelten, was sich daran ablesen lässt, dass er diese in einem eigenen Prüfungspunkt unter Randnummer 98 seines Urteils abhandelt. Nichts anderes kann für eine Sperre zur Verhinderung einer offensichtlichen oder schwerwiegenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Dritter gelten.

b) Der Klägerin kann aufgrund des im Hinblick auf die vorstehenden Überlegungen zu weit gefassten Unterlassungsantrags auch kein „engerer“ Unterlassungsanspruch als Minus zugesprochen werden, indem der Senat alle Fälle aus dem Unterlassungsbegehren ausscheidet, bei denen eine vorübergehende Sperre durch die Beklagte ohne vorherige Anhörung zulässig erscheint. Denn letztlich wird sich stets nur im Einzelfall entscheiden lassen, ob die Voraussetzungen für eine Sperre ohne vorhergehende Anhörung vorliegen oder nicht. Nicht jeder Beitrag mit strafbaren Inhalten wird das rechtfertigen und auch nicht jede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Vielmehr wird es darauf ankommen, ob mit einer sofortigen (vorübergehenden) Sperre eines Nutzerprofils unmittelbar bevorstehende Gefahren für geschützte Rechtsgüter abgewendet werden können.

Vor diesem Hintergrund kann aus dem vertragswidrigen Verhalten der Beklagten in der Vergangenheit, nämlich der Sperre des klägerischen Profils in den streitgegenständlichen Fällen ohne vorherige Anhörung, nicht geschlossen werden, dass sie auch in zukünftigen Fällen in unberechtigter Weise Sperren ohne vorherige Anhörung gegen die Klägerin verhängen wird. Es fehlt insoweit an der schlüssigen Darlegung einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr.

Das Zusprechen des begehrten Unterlassungsanspruchs hätte zur Folge, dass der Streit über die Berechtigung zukünftiger Sperren ohne Anhörung ins Vollstreckungsverfahren verlagert würde, was schon deshalb auch für die Klägerin nicht erstrebenswert erscheint, weil ihr dann der Instanzenzug eines Erkenntnisverfahrens abgeschnitten wäre.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Schleswig-Holstein: Facebook darf auf Grundlage der aktuellen Nutzungsbedingungen Nutzerkonto bei Hassposting sperren und rechtswidrigen Beitrag löschen

OLG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 01.03.2022
7 U 152/20


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass Facebook (Meta) auf Grundlage der aktuellen Nutzungsbedingungen ein Nutzerkonto bei einem Hassposting sperren und den rechtswidrigen Beitrag löschen darf.

Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO.

Rechtsfehler zulasten des Klägers weist das angefochtene Urteil nicht auf; auch die zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Mit dem Feststellungsantrag Ziffer 2 ist die Klage bereits unzulässig; im Übrigen hat das Landgericht die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

1. Unabhängig davon, ob die zeitweise Sperrung des Kontos des Klägers und die (behauptete) Löschung seines inkriminierten Beitrages zu Recht erfolgt sind, ist das Feststellungsbegehren zu Ziffer 2 schon unzulässig, denn gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann Gegenstand einer Feststellungsklage nur die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses sein (Zöller-Greger, ZPO, 33. Aufl. § 256 Rn. 3 a m. w. N.).

Darauf zielt das Feststellungsbegehren des Klägers in der beantragten Form aber nicht ab. Vielmehr möchte er eine Vorfrage für seine Anträge Ziffer 4 und 7 (Unterlassung und Schadenersatz) geklärt sehen. Soweit sich aus der möglichen Rechtswidrigkeit der zeitweisen Kontensperrung bzw. der Löschung Rechtsfolgen in der Gegenwart ergeben, ist der Kläger auf die vorrangige Leistungsklage - die er auch erhoben hat - zu verweisen, ohne dass es einer isolierten Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Maßnahmen bedarf. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist dem Zivilprozessrecht, anders als dem Verwaltungsprozessrecht, unbekannt.

2. Auf der Grundlage der wirksam in das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis einbezogenen aktuellen Nutzungsbedingungen hat die Beklagte zu Recht den Beitrag gelöscht und eine 30-tägige Sperre verhängt.

Die geänderten Nutzungsbestimmungen sind aufgrund der Zustimmung des Klägers durch Anklicken der Schaltfläche wirksam geworden. Die allen Nutzern als „pop-up“ bei Aufruf des Dienstes der Beklagten zugegangene Mitteilung über die beabsichtigte Änderung der Nutzungsbedingungen in Verbindung mit der Aufforderung, die „ich stimme zu“ - Schaltfläche anzuklicken, ist dabei als an den einzelnen Nutzer gerichtetes Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrages im Sinne von § 145 BGB zu sehen. Ein durch Anklicken erfolgter Vertragsabschluss hat grundsätzlich individuellen Charakter, auch wenn die Willenserklärungen, aus denen er sich zusammensetzt, vorformulierte Bestandteile besitzen. Entgegen der von der Berufung vertretenen Rechtsansicht wird die Neufassung der AGB in einem solchen Fall nicht aufgrund einer vorformulierten Änderungsklausel, sondern aufgrund eines nach allgemeinen Regeln über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte zwischen den Parteien geschlossenen Änderungsvertrages einbezogen (Münchener Kommentar - Basedow, BGB 8. Aufl. 2019,§ 305, Rn 86; 90 m.w.N.; JurisPK-BGB - Lapp, 2. A. § 305, Rz. 57). Daher kommen solche Erklärungen als Gegenstand einer AGB-rechtlichen Prüfung nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 07.11.2001 – VIII ZR 13/01 –, Rn. 42 - 43, Juris). Das individuelle Angebot im Sinne des § 145 BGB hat der Kläger unstreitig durch Anklicken der Schaltfläche angenommen. Dass die „neue Datenschutzgrundverordnung“ als Grund für die Änderung benannt und lediglich verklausuliert darauf hingewiesen wird, dass neben der Datenschutzrichtlinie der Beklagten auch die Nutzungsbedingungen aktualisiert wurden um „zu erklären, ... was wir von allen Nutzern erwarten“, steht einer wirksamen Annahme dieser Nutzungsbedingungen, die über den am Ende eingebetteten Link Bestandteil des Angebots der Beklagten auf Abschluss eines Änderungsvertrages geworden sind, nicht entgegen. Es kann daher dahinstehen, ob die Änderungsklausel in den Altbedingungen hinreichend transparent gewesen und ob für die vorgenommene Änderung ein triftiger Grund bestand, den die Beklagte hinreichend kommuniziert hat.

Das Angebot der Beklagten, der Kläger möge entweder die Nutzungsbedingungen akzeptieren oder seinen Vertrag mit der Beklagten beenden, ist auch nicht als sittenwidrig anzusehen. Auch wenn die Beklagte im Bereich der sozialen Netzwerke in Deutschland eine überragend wichtige Stellung einnimmt, unterliegt sie zum einen keinem Kontrahierungszwang, sondern ist bei der Auswahl ihrer Vertragspartner im Rahmen allgemeiner Diskriminierungsverbote frei. Entgegen den Ausführungen der Berufungsbegründung hat das Landgericht auch die marktbeherrschende Stellung der Beklagten im Blick gehabt und mit berücksichtigt. Dies ergibt sich aus den Ausführungen auf Seite 8 des angefochtenen Urteils. Zudem ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Annahme der geänderten Bedingungen für den Kläger so unzumutbar sein sollte, dass eine de-facto erzwungene Zustimmung als sittenwidrig anzusehen sein sollte. Die mit der Änderung erfolgte Präzisierung u. a. des Begriffes der Hassrede und des bei Verstößen geltenden Sanktionsregimes begünstigt im Gegenteil die Nutzer, weil sie das zuvor bestehende uferlose und damit rechtlich bedenkliche (vgl. hierzu OLG München, Beschluss v. 17.07.2018 - 18 W 858/18) Sanktionsermessen auf eine AGB-rechtlich unbedenkliche Form zurückführt. Es ist daher - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung auch allgemein anerkannt, dass die Änderungen der Nutzungsbedingungen durch die derzeit geltende Fassung keinen Bedenken unterliegen (vgl. nur OLG Nürnberg, Urteil v. 04.08.2020 - 3 U 3641/19 Juris Rn. 78).

Die neuen, geänderten AGB der Beklagten halten auch der Wirksamkeitskontrolle stand. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hier zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (dort S. 10 f.) verwiesen.

Die in den Nutzungsbedingungen normierten Verhaltensregeln sind jedenfalls nicht überraschend im Sinne des § 305 c BGB, und zwar gerade weil die Debatte um die Einhaltung von Regeln im Internet breiten Raum in der Öffentlichkeit einnimmt und die Normierung von „Benimmregeln“ bei Inanspruchnahme sozialer Kommunikationsplattformen allgemein bekannt ist (vgl. OLG Dresden Beschluss v. 08.08.2018 - 4 W 577/18 - Juris Rn. 20 m.w.N.). Dass sich das Verbot von Hassrede in Ziff. 12 der Gemeinschaftsstandards auf die Meinungsfreiheit der Nutzer auswirkt, aber keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB darstellt, hat das Landgericht in zutreffender Weise unter Hinweis auf die Entscheidung des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 26.02.2020 (9 U 125/19) ausgeführt.

Diese rechtliche Würdigung gilt sowohl für die Voraussetzungen, unter denen sich die Beklagte Sanktionen vorbehält, als auch hinsichtlich der Sanktionen als solchen. Richtig ist zwar, dass sich die klägerseits zitierte Sperrvorschrift unter Ziffer 3.2 der Nutzungsbedingungen nicht im Einzelnen mit der Frage befasst, bei welchen Verstößen genau welche Sanktionen vorgesehen sind. Wie im angefochtenen Urteil ausgeführt genügt es aber, wenn der Nutzer weiß, dass ihn ein abgestuftes Sanktionssystem erwartet und die Beklagte je nach Schwere des Verstoßes eine Sanktion bis hin zur Deaktivierung des gesamten Kontos verhängen kann. Damit ist dem Nutzer hinreichend klar, dass ihn eine Sanktion treffen kann, an deren Ende bei wiederholten Zuwiderhandlungen gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards die komplette Deaktivierung des Kontos steht. Dies ist hinreichend transparent und benachteiligt den Kläger auch nicht unangemessen. Eine unangemessene Benachteiligung eines Vertragspartners des Verwenders im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB, bei der der Verwender durch seine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH, Urteil v. 17.09.2009 - III ZR 207/08 Juris Rn. 18 m.w.N.), liegt hierin schon deshalb nicht vor, weil hierdurch keine wesentlichen Rechte der Nutzer verletzt oder unangemessen beschränkt werden, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben. Nach der Natur des Nutzungsvertrages möchte die Beklagte eine Plattform zur Verfügung stellen, auf der die Nutzer einen respektvollen Umgang miteinander wahren und auf der sich jeder Nutzer „sicher“ fühlt (vgl. Gemeinschaftsstandards, dort unter „Einleitung“). Dies ist der Geschäftszweck, der dem Kunden bei Inanspruchnahme der Leistungen vor Augen geführt wird und zu dessen Definition die Beklagte als privater Anbieter berechtigt ist.

Innerhalb eines solchermaßen definierten Vertragszwecks liegt keine unzulässige Einschränkung darin, bei Verstößen gegen die an diesem Vertragszweck orientierten Standards ein abgestuftes Sanktionssystem bis hin zur Deaktivierung des Kontos auszusprechen.

Die Auffassung des Klägers, für eine Sperrung dürften nur Sachverhalte herangezogen werden, die zugleich einen Straftatbestand verwirklichten, trifft schon für das allgemeine Äußerungsrecht nicht zu. Für die hier in Rede stehende Frage, unter welchen Bedingungen der Betreiber eines sozialen Netzwerkes unter Bezug auf seine AGB Meinungsäußerungen löschen und Nutzer sperren darf, verkennt sie die anzuwendenden Maßstäbe grundlegend. Sie wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung so auch nirgends vertreten (OLG Schleswig aaO Juris Rn. 75 ff m.w.N.).

3. Die Beklagte war wegen eines Verstoßes des Klägers gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards nach Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen, der Einleitung der Gemeinschaftsstandards und der Regelung zu „Hassreden“ innerhalb der Gemeinschaftsstandards (Nr. 12) berechtigt, den Beitrag nicht nur vorübergehend zu entfernen, wie das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung Bezug. Entgegen der Ansicht der Berufung hat das Landgericht den streitgegenständlichen Post nicht rechtsfehlerhaft ausgelegt. Der Post des Klägers - seinen Vortrag als richtig unterstellt - lautet im Wortlaut: „Das deutsche Parlaments-Pack unterzeichnet den Pakt. Schlimmer das deutsche Pack hat ihn gepackt.“

Der Kläger verunglimpft damit - wie sich nicht zuletzt nachhaltig auch aus seiner als Anlage zum Protokoll vom 17.06.2020 gereichten „Argumentation“ ergibt - ganz bewusst sowohl die deutschen Parlamentarier (jedenfalls soweit sie den sog. Migrationspakt unterstützt haben) als auch die deutsche Bevölkerung sowie Migranten und Flüchtlinge. Damit erfüllt der Beitrag, wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt (S.11/12 VU), die Kriterien der Schweregrade 2 und 3 nach Teil III Nr. 12 der Gemeinschaftsstandards der Beklagten.

Vor diesem Hintergrund ist auch die 30-tägige Versetzung in den read only-Modus nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Sie ist weder willkürlich festgesetzt worden noch wird der Kläger hierdurch vorschnell oder dauerhaft gesperrt. Die Sanktionierung eines klaren Verstoßes gegen Ziff.12 der Gemeinschaftsstandards mit einer zeitlich begrenzten Sperre für die aktive Nutzung ist vielmehr als verhältnismäßige Sanktion anzusehen. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich weder entnehmen, dass er hierdurch einen wirtschaftlichen Schaden erlitten haben will, noch ist eine wirkliche Beeinträchtigung seiner Kommunikationsfreiheit erkennbar geworden. Dabei stand es dem Kläger frei, sein Kommunikationsbedürfnis ggf. in anderen „sozialen“ Netzwerken wie Twitter, Instagram oder Youtube (um nur einige zu nennen) zu befriedigen.

Selbst wenn man den Beitrag als eine noch zulässige Meinungsäußerung ansehen wollen würde, wäre die Beklagte dennoch berechtigt, eine solche Äußerung gemäß ihren Gemeinschaftsstandards zu sanktionieren und stünde dem ein wirksamer Grundrechtsschutz nicht entgegen. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (aaO juris Rn 76 ff) an, die auch im Einklang mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung stehen und denen zufolge das Gebot der praktischen Konkordanz gebietet, nicht nur dem Meinungsäußerungsgrundrecht des Klägers zur Geltung zu verhelfen, sondern in gleicher Weise auch die Grundrechte der anderen Nutzer und nicht zuletzt der Beklagten selbst zu schützen.

4. Weil die Beklagte mit der Sperrung keine Rechtsverletzung begangen hat, stehen dem Kläger weder Wiederherstellungs-, noch Unterlassungs-, noch Schadensersatzansprüche zu. Mangels unerlaubter Handlung stehen dem Kläger auch keine Auskunftsansprüche zu.

a) Einen Anspruch auf Auskunft darüber, ob die gegen ihn verhängte Sperre durch ein "beauftragtes Unternehmen" erfolgt ist, hat das Landgericht zu Recht verneint. Mangels einer spezialgesetzlichen Grundlage kommt ein solcher Auskunftsanspruch nur nach § 242 BGB in Betracht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Auskunftsanspruch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gegeben, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise ü über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (vgl. BGH, Urteil v. 17.07.2002 - VIII ZR 64/01, NJW 2002, 3771 unter II. 1. m.w.N.). Unter diesen Voraussetzungen ist ein Anspruch auf Auskunftserteilung auch dann gegeben, wenn nicht der in Anspruch Genommene selbst, sondern ein Dritter Schuldner des Hauptanspruchs ist, dessen Durchsetzung der Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung ermöglichen soll (BGH, Urteil v. 09.07.2015 - III ZR 329/14 Juris Rn 11). Datenschutzrechtliche Bedenken an der Auskunftserteilung bestehen nach § § 24 Abs. 1 Nr. 1 BDSG nicht, sofern die Auskunftserteilung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche erforderlich ist. Der allgemeine Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben wird aber seinerseits durch § § 242 begrenzt. Seine Geltendmachung ist daher rechtsmissbräuchlich, wenn die Auskunft für den in Frage stehenden Anspruch unter keinem Aspekt relevant ist oder wenn der Gläubiger sie zu „sachwidrigen Zwecken“ begehrt (Palandt-Grüneberg, BGB 80. Aufl. § 259 Rn 9).

So liegt es hier. Selbst wenn man – wofür der Kläger allerdings nichts vorgetragen hat - unterstellt, dass die Löschung des streitgegenständlichen Beitrags nicht durch Mitarbeiter der Beklagten, sondern in deren Auftrag durch einen Dienstleister vorgenommen worden sein sollte, kämen Ansprüche gegen diesen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht. Ansprüche nach § 241 BGB i.V.m. dem Nutzungsvertrag oder nach § 280 BGB könnte der Kläger mangels einer schuldrechtlichen Sonderverbindung gegen diesen Dritten nicht geltend machen. Auch scheiden in einem solchen Fall Ansprüche aus § 826 BGB aus. Unabhängig davon, dass nicht ersichtlich ist, welchen Schaden der Kläger hier erlitten haben will und worauf er den zu benennenden Dritten überhaupt in Anspruch nehmen möchte, setzt der Anspruch nach § § 826 BGB jedenfalls ein Verhalten voraus, das objektiv sittenwidrig ist und von einer besonders verwerflichen Gesinnung getragen wird. Hierunter fällt nach allgemeiner Auffassung nur ein Verhalten, das nach Inhalt und Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, d.h. mit den grundlegenden Werten der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (vgl. statt aller Palandt-Sprau, aaO. § 826 Rn 4). Dass mit einem Verhalten gegen eine Vertragspflicht verstoßen wird, genügt hierfür gerade nicht. Da grundsätzlich die Löschung unzulässiger Beiträge nach den Community-Standards nicht zu beanstanden ist, die Löschung von Beiträgen mit offensichtlich rechtswidrigem Inhalt im Sinne des NetzDG durch § 3 Abs. 2 Nr. 1 NetzDG dem Betreiber sogar verpflichtend vorgegeben ist, liegt in der Ausübung dieser Befugnisse keine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung des betroffenen Nutzers, die einen Anspruch aus § 826 BGB rechtfertigen könnte. Erst recht ist ein solcher Vorwurf gegenüber demjenigen nicht gerechtfertigt, der von einem sozialen Netzwerk als Dienstleister eingesetzt und damit lediglich Verrichtungsgehilfe im Sinne des § 831 BGB ist, ohne eigene Interessen mit der Löschung oder Sperrung von Teilnehmern zu verfolgen.

b) Ebenso besteht kein Anspruch auf Auskunft über mögliche Weisungen „von Seiten der Bundesregierung oder nachgeordneter Dienststellen“ hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern. Die durch das NetzDG ausgelösten Handlungsaufforderungen für Betreiber sozialer Netzwerke lassen sich dem Gesetzestext entnehmen. Für eine weitergehende Einflussnahme im konkreten Einzelfall werden keinerlei (Indiz-)Tatsachen behauptet. Die Annahme, die Bundesregierung oder eine andere Stelle der öffentlichen Verwaltung habe auf die Beklagte eingewirkt, um den Post des Klägers zu sperren, liegt zudem ersichtlich fern und knüpft offensichtlich allein an vergleichbare digital verbreitete Verschwörungstheorien an. Die Geltendmachung eines Auskunftsanspruches, mit dem eine Aussage des in Anspruch Genommenen über durch nichts belegte Behauptungen erzwungen werden soll, ist als Fall des Rechtsmissbrauchs unzulässig.

c) Schließlich scheidet auch ein Anspruch auf Zahlung von 1.500,- € mangels Anspruchsgrundlage für einen Zahlungsanspruch aus.

Der aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG hergeleitete Anspruch auf eine immaterielle Geldentschädigung liegt nicht bei jeder Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, schon gar nicht bei jeder Vertragsverletzung vor. Er setzt vielmehr voraus, dass ihm ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht zugrunde liegt und die hiervon ausgehende Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Dass der Kläger durch die Löschung des Beitrages und die zeitlich befristete Sperrung von dreißig Tagen eine solche Beeinträchtigung erlitten haben soll, wird nicht substantiiert behauptet und erscheint auch nicht vorstellbar. Der Kläger bemisst seine immaterielle Einbuße mit lediglich 1500,- € und gibt hierdurch zu erkennen, dass er selbst dem Verhalten der Beklagten keine hinreichende Eingriffsschwere beimisst. Dies erschließt sich auch daraus, dass der Kläger in seiner „Argumentation“ zum Ausdruck bringt, mit derartigen Rechtsstreitigkeiten „im Grunde ... nur die Kaste der Rechtsanwälte“ zu unterhalten.

Bereicherungsrechtliche Ansprüche auf eine fiktive Lizenzgebühr aus § 812 BGB kann der Kläger ebenfalls nicht geltend machen. Ob die Beklagte während des Zeitraums der Sperrung seine persönlichen Daten zu Werbezwecken tatsächlich genutzt hat, kann hierfür dahinstehen. Denn jedenfalls hatte der Kläger nach seinem eigenen Vortrag mit der Nutzung seine Einwilligung zu der in den Nutzungsbedingungen festgelegten Befugnis, alle Beiträge und erhaltenen Daten „dauerhaft zu speichern und zu nutzen" erteilt. Einen Vorbehalt für den Zeitraum etwaiger Sperrungen hatte er nicht erklärt. Eine rechtsgrundlose Nutzung von durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Daten liegt nach alledem nicht vor.

Auch für einen fiktiven Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie fehlt es an den erforderlichen Voraussetzungen.

Für einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 241 BGB i.V.m. dem Nutzungsvertrag enthält der Vortrag des Klägers keine substantiierten Tatsachengrundlagen.

Schließlich scheiden auch die geltend gemachten Ansprüche nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO aus. Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat hiernach Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen. Ein Verstoß gegen die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung liegt jedoch nicht vor. Erhebung und Verarbeitung seiner Daten, wozu gem. Art. 4 Nr. 2 DSGVO auch die Löschung des streitgegenständlichen Posts und die Sperrung seines Kontos zählen, beruhen auf der vom Kläger vorab erteilten Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen der Beklagten (Art. 6 Abs. 1 lit a DSGVO). Diese ist gerade nicht daran geknüpft, dass auch die Beklagte ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommt und umfasst daher auch Zeiträume, in denen der Account gesperrt ist.

Dass dem Kläger durch die Sperrung ein materieller oder immaterieller Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO entstanden wäre, ist weder dargetan noch ersichtlich. Die bloße Sperrung seiner Daten stellt ebenso wie ein etwaiger Datenverlust noch keinen Schaden im Sinne der DSGVO dar.

Die behauptete Hemmung in der Persönlichkeitsentfaltung durch die (rechtmäßige) dreißigtägige Sperrung hat allenfalls Bagatellcharakter, was die Zuerkennung eines immateriellen Schadensersatzes ausschließt.

Hat nach Vorstehendem die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, wird sie im Beschlusswege zurückzuweisen sein.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Celle: Keine Verfügungsgrund für einstweilige Verfügung wenn Facebook bereits Sperre aufgehoben und Beitrag wiederhergestellt hat

OLG Celle
Urteil vom 19.05.2022
5 U 152/21


Das OLG Celle hat entschieden, dass kein Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung besteht, wenn Facebook eine Kontosperre bereits aufgehoben und den gelöschten Beitrag wiederhergestellt hat.

Leitsätze des Gerichts:
1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel der Untersagung der – erneuten – Löschung eines Beitrags in einem sozialen Netzwerk und der erneuten vorübergehenden Sperre des Nutzerkontos ist ein Verfügungsgrund im Regelfall gesondert darzulegen.

2. Dies gilt insbesondere, wenn der streitgegenständliche Beitrag vom Betreiber des sozialen Netzwerks wieder eingestellt worden ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Gemessen an diesen Maßstäben hat der Verfügungskläger keinen Verfügungsgrund dargelegt bzw. glaubhaft gemacht.

a. Der Verfügungskläger hat erstinstanzlich nicht substantiiert ausgeführt, dass und aus welchen Gründen er meint, den von ihm verfolgten Anspruch in einem einstweiligen Verfügungsverfahren verfolgen zu können, obwohl die Verfügungsbeklagte auf Seiten 19 f. ihres Schriftsatzes vom 29. Juni 2021 (Bl. 92 f. d. A.) auf diese rechtliche Problematik hingewiesen hat. Das Vorbringen des Verfügungsklägers ist nach Auffassung des Senats nicht geeignet, die Voraussetzung der besonderen Dringlichkeit zu belegen.

b. Der Hinweis des Verfügungsklägers, die Einschränkung seines Rechts auf Meinungsäußerung genüge für einen Verfügungsgrund, geht fehl. Es ist gerade nicht ersichtlich, warum es für den Verfügungskläger wegen besonderer Dringlichkeit unzumutbar sein soll, die vorliegenden Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren
zu klären. Er war nie daran gehindert, sich zu äußern, sondern nur für drei Tage, dies über „Facebook“ zu tun. Seit mehr als einem Jahr hat der Verfügungskläger wieder unbeschränkten Zugang zu seinem dortigen Nutzerkonto. Da der Verfügungskläger selbst darauf abhebt, der Hinweis des Senats auf ein einstweiliges
Verfügungsverfahren sei abwegig, weil die Verfügungsbeklagte gar nicht beabsichtige, das Nutzerkonto wieder zu sperren, wird deutlich, dass das vorliegende Begehren nicht tauglicher Gegenstand für einen einstweiligen Rechtsschutz darstellt.

c. Dies gilt umso mehr, als bereits vor Zustellung der Antragsschrift im einstweiligen Rechtsschutzverfahren am 21. Juli 2021 nicht nur die vorübergehende Kontosperrung von drei Tagen bereits abgelaufen war, sondern die Verfügungsbeklagte am 8. April 2021 auch den hier streitgegenständlichen Post von sich aus
nach einer internen Überprüfung anhand der „Gemeinschaftsstandards“ wieder eingestellt hatte. Danach war dem Verfügungskläger auch die ganz konkrete, streitbefangene Meinungsäußerung auf der Plattform der Verfügungsbeklagten wieder möglich. Der Senat braucht nicht zu bewerten, ob dies auch materiellrechtlich der Annahme einer Wiederholungsgefahr entgegensteht (was zweifelhaft sein dürfte vor dem Hintergrund, dass in der Regel der einmalige Verstoß die tatsächliche Vermutung der Wiederhoungsgefahr begründet, an deren Widerlegung hohe Anforderungen zu stellen sind, vgl. nur Herrler, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. § 1004 Rn. 32 m.w.N.). Es hat jedoch erhebliche Bedeutung für die Frage, ob eine besondere Dringlichkeit für eine vorläufige Unterlassungsverfügung bis zur Entscheidung in der Hauptsache besteht. Insoweit ist zu beachten, dass die Frage der Dringlichkeit – wie sämtliche Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung – im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu beurteilen ist.

d. Der pauschal gehaltene Vortrag, es bedürfe wegen der Marktmacht der Verfügungsbeklagten grundsätzlich des Instruments des einstweiligen Rechtsschutzes, weil die Nutzer sonst gleichsam willkürlich der Entscheidung der Verfügungsbeklagten ausgesetzt seien, vorübergehend Beiträge zu löschen oder Konten zu sperren, wird dem konkreten Einzelfall nicht gerecht. Denn die Verfügungsbeklagte hat hier nicht unter dem Eindruck des Verfügungsverfahrens den Beitrag wieder eingestellt, sondern bereits (deutlich) vor Zustellung der Antragsschrift. Der Hinweis auf andere vom Bevollmächtigten des Verfügungsklägers gegen die Verfügungsbeklagte geführte Verfahren vermag einen Eilbedarf in diesem konkreten Rechtsstreit ebenfalls nicht zu begründen. Dies zeigt gerade auch der Hinweis des Verfügungsklägers auf die Entscheidung des Landgerichts Heilbronn vom 23. Juni 2021 (Wo 1 O 40/21). Danach differenziert die Verfügungsbeklagte erkennbar im Einzelfall, inwieweit sie auf von ihr (zunächst) beanstandete Äußerungen auf ihrer
Plattform reagiert.

e. Letztlich fehlt eine konkrete Auseinandersetzung des Verfügungsklägers mit der in den Schriftsätzen der Verfügungsbeklagten klar zum Ausdruck kommenden ursprünglichen Motivation der Verfügungsbeklagten, den Beitrag zu löschen. Im Laufe des Rechtsstreits ist hinreichend deutlich geworden, dass sich die Verfügungsbeklagte nicht an dem Textbeitrag stört („O. will in den Duden. Or else.“), sondern an dem sich hieran („anderenfalls“) anschließenden GIF, in dem eine männliche Person mit einer Pistole auf den Leser zielt. Mit seinem Antrag begehrt der Verfügungskläger jedoch gerade „isoliert“ nur eine Untersagung der Löschung des Textteils und einer darauf beruhenden Kontosperrung. Das Bild ist vom Streitgegenstand nicht umfasst. In seiner Antragsschrift erwähnt der Verfügungskläger das GIF nicht und geht auf die diesbezüglichen Einwände der Verfügungsbeklagten (zum Beispiel im Schriftsatz vom 29. Juni 2021 und in der Berufungsbegründung) nicht inhaltlich ein, sondern stellt allein darauf ab, in ihrer vorprozessualen Mitteilung über die Löschung habe die Verfügungsbeklagte nur den Textteil genannt. Letztlich geht auch der Verfügungskläger (so ausdrücklich im Schriftsatz vom 23. Januar 2022, S. 11 unter Buchstabe c = Blatt 393) davon aus, dass sich der vorliegende Einzelfall dadurch auszeichne, dass die Verfügungsbeklagte ihre rechtswidrige Löschung sogar eingeräumt habe und sich nicht gegen die Wiederherstellung des streitigen Inhalts wehre.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Frankfurt: Instagram-Influencerin muss Beiträge mit kostenlos erhaltenen Büchern mit Verlinkung auf Unternehmen per Tap Tag als Werbung kennzeichnen

OLG Frankfurt
Urteil vom 19.05.2022
6 U 56/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine Instagram-Influencerin Beiträge mit kostenlos erhaltenen Büchern mit Verlinkung auf Unternehmen per Tap Tag als Werbung kennzeichnen muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Anpreisung kostenlos erhaltener Bücher durch Influencerin auf Instagram mit Verlinkung zu den Unternehmen über Tap-Tags ist als Werbung kenntlich zu machen

Ein ohne finanzielle Gegenleistung erfolgter Beitrag einer Influencerin auf Instagram ist als Werbung zu kennzeichnen, wenn er kostenlos überlassene E-Books anpreist und jeweils mit sog. Tap-Tags zu den Unternehmen der Bücher verlinkt. Aufgrund der Vermischung von privaten und kommerziellen Darstellungen ist es für den Durchschnittsverbraucher ohne diese Kennzeichnung nicht erkennbar, ob es sich um Werbung handelt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) wies mit heute verkündetem Urteil die Berufung einer Influencerin zurück, die vom Landgericht zum Unterlassen der Veröffentlichung derartiger Posts ohne Werbehinweis verurteilt worden war.

Die Klägerin ist Verlegerin mehrerer Print- und Onlinezeitschriften. Sie verfügt über einen Instagram-Account und bietet Kunden u.a. entgeltlich Werbeplatzierungen an. Die Beklagte ist sog. Influencerin und betreibt auf Instragram ein Nutzerprofil mit mehr als einer halbe Million Followern. Sie stellt dort zum einen Produkte und Leistungen von Unternehmen vor, für deren Präsentation sie von diesen vergütet wird. Zum anderen veröffentlicht sie Posts, bei denen sie mittels sog. Tap-Tags auf die Instragram-Accounts von Unternehmen verlinkt, deren Produkte zu sehen sind. Hierfür erhält sie keine finanzielle Gegenleistung. Im Herbst 2019 verwies die Beklagte auf ein Bündel von E-Books, das sich mit veganer Ernährung befasste. Sie erhielt dafür keine finanzielle Gegenleistung; die E-Books waren ihr jedoch kostenlos zur Verfügung gestellt worden.

Das Landgericht verurteilte die Beklagte, es zu unterlassen, kommerzielle Inhalte vorzustellen, ohne die Veröffentlichung als Wertung kenntlich zu machen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.
Der Klägerin stehe der geltend gemacht Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu, begründete das OLG seine Entscheidung. Die Parteien seien Mitbewerber. Beide böten Dritten an, auf ihrem Instagram-Account entgeltlich zu werben. Die Posts der Beklagten seien auch geschäftliche Handlungen. Erfasst würden Handlungen, die bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet seien, durch „Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher, den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern“, betont das OLG.

Der Betrieb des Instagram-Profils fördere zum einen das eigene Unternehmen der Beklagten. Die Steigerung des Werbewerts komme unmittelbar ihrem Unternehmen zugute. Gerade scheinbar private Posts machten es für das Publikum attraktiver, Influencern zu folgen, da diese so „glaubwürdiger, nahbarer und sympathischer“ wirkten. Zum anderen fördere der Post auch die Unternehmen der Anbieter der E-Books. Es liege ein „geradezu prototypischer Fall des werblichen Überschusses“ vor. Es finde keinerlei Einordnung oder inhaltliche Auseinandersetzung oder Bewertung der herausgestellten Produkte statt. Die Beklagte habe vielmehr werbend unter Hervorhebung des außergewöhnlich hohen Rabattes die E-Books angepriesen.

Diese Förderung der Drittunternehmen nicht kenntlich zu machen, sei unlauter. Die Beklagte habe die E-Books im von ihr behaupteten Wert von rund 1.300 € unentgeltlich erhalten und dies nicht gekennzeichnet. Die Kennzeichnung als Werbung sei auch nicht entbehrlich gewesen. „Selbst followerstarke Profile auf Instagram sind nicht stets (nur) kommerziell motiviert“, erläutert das OLG, so dass die Follower zu Recht erwarteten, dass ein etwaiges ernährungsbezogenes Engagement des Influencers nicht kommerziell beeinflusst sei. Die Beklagte habe allerdings nicht darauf hinweisen müssen, dass ihr Verhalten auch ihrem Unternehmen zu gute komme. Dies sei dem durchschnittlichen Verbraucher unzweifelhaft erkennbar gewesen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann der Kläger die Zulassung der Revision beim BGH begehren.



Bundeskartellamt: Meta (Facebook) - Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb nach § 19a GWB

Das Bundeskartellamt hat hinsichtlich Meta (Facebook) die überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb nach § 19a GWB festgestellt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

Für Meta (vormals Facebook) gelten neue Regeln – Bundeskartellamt stellt „überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb“ fest

Das Bundeskartellamt hat festgestellt, dass die Meta Platforms, Inc., Menlo Park, USA ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb ist. Damit sind die Instrumente der erweiterten Missbrauchsaufsicht auf Meta anwendbar, die der deutsche Gesetzgeber Anfang 2021 eingeführt hat.

Die neuen Regeln des § 19a GWB erlauben dem Bundeskartellamt ein früheres und effektiveres Eingreifen gegen Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne. Das Bundeskartellamt kann Unternehmen, deren überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb es festgestellt hat, wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Durch das von Meta geschaffene digitale Ökosystem mit einer sehr großen Zahl von Nutzenden ist das Unternehmen der zentrale Spieler im Bereich der sozialen Medien. Nach unseren Ermittlungen ist Meta damit auch im kartellrechtlichen Sinne ein Unternehmen von überragender marktübergreifender Bedeutung. Wir haben seine Position nach zeitweilig streitigem Verfahren jetzt förmlich nachgewiesen. Unsere Feststellung versetzt uns in die Lage, gegen etwaige Wettbewerbsverstöße deutlich effizienter vorzugehen, als wir das mit den bislang verfügbaren Instrumenten tun konnten. Meta hat auf Rechtsmittel gegen unsere Entscheidung verzichtet.“

Meta ist ein international tätiger Digitalkonzern, der insbesondere für seine Dienste Facebook (einschließlich des Messengers), Instagram und WhatsApp bekannt ist. Mit Features wie den „Stories“ oder den „Reels“ und Angeboten wie „Watch“ oder „Shops“ erweitert Meta sein Angebot fortlaufend. Als großes Zukunftsprojekt investiert Meta insbesondere in Hard- und Software für ein „Metaverse“, eine umfassende virtuelle 3D-Welt. Dafür hat Meta beispielsweise den 3D-Brillen- und Technologiehersteller Oculus (jetzt: Meta Quest) zugekauft.

Die Dienste von Meta werden weltweit von über 3,5 Milliarden Menschen genutzt. Auch in Deutschland nutzen weite Teile der Bevölkerung die Meta-Dienste. Aufgrund der vielen Nutzenden und der Daten, über die Meta zu ihnen verfügt, ist das Unternehmen zugleich der führende Anbieter im Bereich von Social-Media-Werbung. Aus dieser finanziert sich das Unternehmen bislang nahezu ausschließlich. Im Jahr 2021 ist der Gewinn von Meta im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um mehr als ein Drittel auf fast 40 Milliarden USD gestiegen.

Insgesamt betreibt Meta damit ein starkes, werbefinanziertes Ökosystem im Bereich der sozialen Medien, das sich immer weiter ausdehnt (siehe zur Veranschaulichung die beigefügte Grafik ).

Wegen wettbewerblicher Bedenken hat das Bundeskartellamt Meta bereits Anfang 2019 die Zusammenführung von Nutzerdaten aus verschiedenen Quellen untersagt (siehe Pressemitteilung vom 07. Februar 2019). Der Rechtsstreit mit Meta zu dieser Entscheidung ist jedoch bis heute vor den Gerichten anhängig. Außerdem führt das Bundeskartellamt bereits seit 2020 ein Verfahren gegen Meta wegen der Verknüpfung des 3D-Brillen-Angebots von Meta Quest (vormals Oculus) mit Facebook (siehe Pressemitteilung vom 10. Dezember 2020).

Mit der Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung Metas für den Wettbewerb gemäß § 19a Abs. 1 GWB sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, solche Verfahren zukünftig schneller abschließen zu können.

Die Entscheidung ist den gesetzlichen Vorgaben entsprechend auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft befristet. In dieser Zeit unterliegt Meta der besonderen Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt gemäß § 19a Abs. 2 GWB.

Meta hat erklärt, gegen den Beschluss kein Rechtsmittel einzulegen und die Normadressatenstellung im Sinne von § 19a Abs. 1 GWB nicht zu bestreiten. Meta erklärt damit allerdings ausdrücklich nicht, dass es zwingend mit allen von der Beschlussabteilung in der Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen übereinstimmt.

Zu seiner Entscheidung wird das Bundeskartellamt zeitnah einen Fallbericht veröffentlichen.

Hintergrund:

Seit Anfang 2021 sind mit der 10. GWB-Novelle neue Vorschriften im Bereich der Missbrauchsaufsicht in Kraft getreten, durch die das Bundeskartellamt schneller und effektiver gegen große Digitalkonzerne vorgehen kann. Das Amt hat seitdem verschiedene neue Verfahren gegen Google, Amazon, Meta (vormals Facebook) und Apple eingeleitet. Die überragende marktübergreifende Bedeutung von Alphabet / Google hat das Amt bereits Ende 2021 rechtskräftig festgestellt (siehe Pressemitteilung vom 5. Januar 2022).




EU-Parlament und EU-Rat einigen sich über Digital Services Act - Gesetz über digitale Dienste

EU-Parlament und EU-Rat haben sich über den Digital Services Act bzw. das Gesetz über digitale Dienste geeinigt.

Die Pressemitteilung der EU:

Digital Services Act: agreement for a transparent and safe online environment

- Access to platforms’ algorithms now possible
- Online platforms will have to remove illegal products, services or content swiftly after they have been reported
- Protection of minors online reinforced; additional bans on targeted advertising for minors as well as targeting based on sensitive data
- Users will be better informed how content is recommended to them

EU negotiators agree on landmark rules to effectively tackle the spread of illegal content online and protect people's fundamental rights in the digital sphere.

On Friday, Parliament and Council reached a provisional political agreement on the Digital Services Act (DSA). Together with the Digital Markets Act, the DSA will set the standards for a safer and more open digital space for users and a level playing field for companies for years to come.


More responsible online platforms


Under the new rules, intermediary services, namely online platforms - such as social media and marketplaces - will have to take measures to protect their users from illegal content, goods and services.

Algorithmic accountability: the European Commission as well as the member states will have access to the algorithms of very large online platforms;
Swift removal of illegal content online, including products, services: a clearer “notice and action” procedure where users will be empowered to report illegal content online and online platforms will have to act quickly;
Fundamental rights to be protected also online: stronger safeguards to ensure notices are processed in a non-arbitrary and non-discriminatory manner and with respect for fundamental rights, including the freedom of expression and data protection;
More responsible online marketplaces: they have to ensure that consumers can purchase safe products or services online, by strengthening checks to prove that the information provided by traders is reliable (“Know Your Business Customer” principle) and make efforts to prevent illegal content appearing on their platforms, including through random checks;
Victims of cyber violence will be better protected especially against non-consensual sharing (revenge porn) with immediate takedowns;
Penalties: online platforms and search engines can be fined up to 6% of their worldwide turnover. In the case of very large online platforms (with more that 45 million users), the EU Commission will have exclusive power to demand compliance;
Fewer burdens and more time to adapt for SMEs: longer period to apply the new rules will support innovation in the digital economy. The Commission will follow closely the potential economic effects of the new obligations on small businesses.
Safer online space for users

New transparency obligations for platforms will allow users to be better informed about how content is recommended to them (recommender systems) and to choose at least one option not based on profiling;
Online advertising: users will have better control over how their personal data are used. Targeted advertising is banned when it comes to sensitive data (e.g. based on sexual orientation, religion, ethnicity);
Protection of minors: platforms accessible to minors will have to take specific measures to protect them, including by fully banning targeted advertising;
Manipulating users’ choices through ‘dark patterns’ will be prohibited: online platforms and marketplaces should not nudge people into using their services, for example by giving more prominence to a particular choice or urging the recipient to change their choice via interfering pop-ups. Moreover, cancelling a subscription for a service should become as easy as subscribing to it;
Compensation: recipients of digital services will have a right to seek redress for any damages or loss suffered due to infringements by platforms.

Harmful content and disinformation


Very large online platforms will have to comply with stricter obligations under the DSA, proportionate to the significant societal risks they pose when disseminating illegal and harmful content, including disinformation.

Very large online platforms will have to assess and mitigate systemic risks and be subject to independent audits each year. In addition, those large platforms that use so-called “recommender systems” (algorithms that determine what users see) must provide at least one option that is not based on profiling;
Special measures in times of crisis: when a crisis occurs, such as a public security or health threat, the Commission may require very large platforms to limit any urgent threats on its platforms. These specific actions are limited to three months.
Quote


“The Digital Services Act will set new global standards. Citizens will have better control over how their data are used by online platforms and big tech-companies. We have finally made sure that what is illegal offline is also illegal online. For the European Parliament, additional obligations on algorithmic transparency and disinformation are important achievements,” said rapporteur Christel Schaldemose (DK, S&D). “These new rules also guarantee more choice for users and new obligations for platforms on targeted ads, including bans to target minors and restricting data harvesting for profiling.”

Next steps

The text will need to be finalised at technical level and verified by lawyer-linguists, before both Parliament and Council give their formal approval. Once this process is completed, it will come into force 20 days after its publication in the EU Official Journal and the rules will start to apply 15 months later.

From 23 to 27 May, a delegation from the EP’s Internal Market Committee will visit several company headquarters (Meta, Google, Apple and others) in Silicon Valley to discuss in person the Digital Services Act package, and other digital legislation in the pipeline, and hear the position of American companies, start-ups, academia and government officials.



LG Frankfurt: Facebook muss bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Inhalte und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen

LG Frankfurt
Urteil vom 08.04.2022
2-03 O 188/21

Das LG Frankfurt hat entschieden, dass der Betreiber eines sozialen Netzwerks (hier: Facebook / Meta) bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Inhalte und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen muss.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Ehrverletzung durch Falschzitat in sozialem Netzwerk

Diensteanbieter muss Varianten mit kerngleichem Inhalt ohne erneuten Hinweis sperren.
Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast kann verlangen, dass eine bestimmte Wort-Bild-Kombination (sog. „Meme“) mit einem ihr untergeschobenen Falschzitat auf Facebook gesperrt wird. Auch Varianten dieses Memes mit kerngleichem Inhalt muss das soziale Netzwerk ohne erneuten Hinweis auf die jeweilige URL löschen. Renate Künast steht wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts außerdem ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Betreiberin von Facebook zu.

Auf Facebook erschien ein Bild von Renate Künast, dem folgendes Zitat beigefügt war: „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“ Dieses Zitat ist falsch. Renate Künast hat die Äußerung nicht getätigt. Sie verlangte von Meta als Betreiberin von Facebook die Löschung des Eintrages. Der Post wurde außerdem in verschiedenen Varianten veröffentlicht, etwa mit verändertem Layout oder durch Erweiterung oder Weglassen von Textinhalten, durch Tippfehler oder durch Veränderung für das Auge nicht wahrnehmbarer Pixel. Diese Varianten haben eine andere URL als das ursprüngliche, von Renate Künast zunächst beanstandete Meme.

Vor dem Landgericht Frankfurt am Main hat Renate Künast darauf geklagt, dass Meta es unterlässt, Memes mit kerngleichem Inhalt auf Facebook öffentlich zugänglich machen zu lassen. Mit Urteil vom heutigen Tage hat eine Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main ihrer Klage stattgegeben.

Durch das Falschzitat werde Renate Künast in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Ein Diensteanbieter müsse zwar nicht ohne einen Hinweis alle ins Netz gestellten Beiträge auf eine eventuelle Rechtsverletzung prüfen. „Nachdem Renate Künast aber konkret darauf hingewiesen hatte, dass die ihr zugeschriebene Äußerung ein falsches Zitat ist, muss sie diesen Hinweis nicht für jeden weiteren Rechtsverstoß unter Angabe der URL wiederholen,“ erklärte die Vorsitzende der Kammer in der Urteilsbegründung. „Denn für die Beklagte ist unschwer erkennbar, dass es sich bei Varianten mit kerngleichem Inhalt um Falschzitate handelt.“ Und weiter: „Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Das gilt auch in diesem Fall.“

Die Kammer stellte weiter fest: „Die Beklagte hat nicht dargetan, dass es ihr technisch und wirtschaftlich nicht zumutbar ist, ohne konkrete Bezeichnung der URL identische und ähnliche Memes zu erkennen und zwar auch, wenn für die Beurteilung eines abgewandelten Textes in einem Eintrag eine menschliche Moderationsentscheidung notwendig wird“.

In seinem Urteil billigte die Pressekammer Renate Künast außerdem eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro zu. Meta treffe aufgrund der Veröffentlichung der persönlichkeitsrechts-verletzenden Posts eine Mitverantwortung. Denn Meta sei ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, ihre Plattform von weiteren Falschzitaten zu befreien. Die Schwere der Rechtsverletzungen rechtfertige das Schmerzensgeld. Renate Künast sei aufgrund der Falschzitate Anfeindungen ausgesetzt gewesen.

Die Kammer erklärte: „Die Glaubwürdigkeit ist das Kapital eines jeden Menschen, besonders einer Politikerin. Diese Glaubwürdigkeit wird durch das Zuschreiben von Falschzitaten beschädigt. Dies ist ehrenrührig und beeinträchtigt das Persönlichkeitsrecht der Falschzitierten. Falschzitate verzerren auch den Meinungskampf und sie schaden der Allgemeinheit.“

Das heutige Urteil (Aktenzeichen 2-03 O 188/21) ist nicht rechtskräftig.


OLG Köln: Comedian darf ehemaligen Fußballnationalspieler bei Twitter nicht als "krankes Schwein" bezeichnen

OLG Köln
Urteil vom 10.03.2022
15 U 244/21


Das OLG Köln hat entschieden, dass ein Comedian einen ehemaligen Fußballnationalspieler nicht als "krankes Schwein" bezeichnen darf. Gegenstand des Rechtsstreits war ein Twitter-Post.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

Da die einstweilige Verfügung des Senats durch die Aufhebung in dem angefochtenen Urteil auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten hin (endgültig) „kassiert“ worden ist, war – wie im Termin durch die auf Hinweis des Senats hin erfolgte Klarstellung der Anträge betont – richtigerweise dabei ein entsprechender Neuerlass der einstweiligen Verfügung geboten (vgl. etwa zum prozessualen Vorgehen in solchen Fällen OLG Köln v. 10.09.2002 - 16 U 80/02, BeckRS 2003, 153; Musielak/Voit/Huber, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 925 Rn. 10; Dötsch, MDR 2010, 1429, 1432 Fn. 56 m.w.N.).

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

a)Eine doppelte Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO analog) wegen des ohnehin erst später vor dem Landgericht Hamburg wegen der weiteren Äußerung eingeleiteten Verfahrens steht mit den entsprechenden Ausführungen des Senats im Beschluss vom 24.06.2021 – 15 W 41/21 (Bl. 290 ff. der Beschwerdeakte), auf die verwiesen wird, dem Antrag nicht entgegen. Zudem geht es richtigerweise ohnehin schon wegen des ganz anderen Kontextes der Äußerungen um zwei unterschiedliche Streitgegenstände, wie auch das LG Hamburg im Urt. v. 20.08.2021 – 324 O 265/21, Bl. 179 ff. d. Senatshefts im Parallelverfahren zutreffend ausgeführt hat. Es liegt aus ähnlichen Gründen schließlich auch keine sog. unzulässige Mehrfachverfolgung (§ 242 BGB) vor, wie der Senat a.a.O. ebenfalls bereits ausgeführt hat. Dem tritt der Verfügungsbeklagte auch nicht mit neuen sachlichen Einwendungen entgegen.

b) Wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung unter Verweis auf einschlägige Fundstellen zutreffend ausgeführt hat – worauf Bezug genommen wird -, ist die hier bereits vor Verfahrensbeginn ausgestellte, nunmehr im Original vorliegende und vom Senat in dem in elektronischen Akten geführten Berufungsverfahren als Papier-Urkunde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachte Verfahrensvollmacht (Protokoll, Bl. 224 d. Senatshefts) prozessual ohne weiteres noch vom Berufungsgericht zu berücksichtigen. Die Vorlage der Urkunde war allerdings sachlich geboten, denn § 80 Abs. 1 ZPO gilt richtigerweise auch in einstweiligen Verfügungsverfahren (OLG Saarbrücken v. 30.04.2008 – 1 U 461/07, juris; LG Bochum v. 04.10.2017 – 13 O 136/17, juris), so dass der Nachweis nicht – wie der Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsklägers es versucht hat – mittels einer eidesstattlichen Versicherung als Glaubhaftmachungsmittel zu führen war, wie im Schrifttum teilweise angedeutet wird (so Zöller/Althammer, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 80 Rn. 8 unter Verweis auf die dies allerdings nicht tragende Entscheidung des LG Hamburg v. 13.08.2020 – 304 T 10/20, juris; an diese anschließend formstreng auch BGH v. 29.09.2021 – VII ZB 25/20, juris Rn. 15). Angesichts der nunmehr vorliegenden Urkunde - deren Echtheit nicht bestritten ist und die deswegen auch nicht (im Freibeweisverfahren, dazu MüKo-ZPO/Toussaint, 6. Aufl. 2020, § 80 Rn. 18) zu klären war - bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob das spontane Erheben der Rüge erst im Termin zur mündlichen Verhandlung im konkreten Fall rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) war, woran mit den Ausführungen des Landgerichts aber durchaus Bedenken bestehen.

2. Es fehlt vorliegend nicht - wie der Verfügungsbeklagte meint - am Verfügungsgrund, denn es liegt kein „dringlichkeitsschädliches“ Verhalten des Verfügungsklägers bzw. seines – ihm nach allgemeiner Ansicht über § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden (OLG München v. 16.09.2021 – 29 U 3437/21 Kart, GRUR-RS 2021, 29384 m.w.N.) - Verfahrensbevollmächtigten vor, welches zu einer sog. Selbstwiderlegung der Dringlichkeit/Dringlichkeitsvermutung hätte führen können.

a) Als „dringlichkeitsschädliches“ Verhalten ist nur ein solches anzusehen, das erkennen lässt, dass es dem Verfügungskläger mit der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht oder nicht mehr so eilig ist, so dass die Durchführung eines Eilverfahrens mit den damit zu Lasten des Verfügungsbeklagten verbundenen Einschränkungen gegenüber einem Klageverfahren einerseits und der Bevorzugung der Sachbehandlung gegenüber anderen bei dem angerufenen Gericht anhängigen Verfahren andererseits nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Dringlichkeitsschädliche Auswirkungen auf den Verfügungsgrund können dabei anerkanntermaßen nicht nur Verhaltensweisen vor Antragstellung, sondern auch solche während des bereits anhängigen Verfahrens bzw. sogar bei der Zwangsvollstreckung haben. Indes liegen hier keine solchen Verhaltensweisen vor.

b) Es kann zunächst nicht daran angeknüpft werden, dass der Verfahrensbevollmächtigte einen (später zurückgezogenen) Antrag auf Fristverlängerung für die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat gestellt hat.

aa) Zwar ist der Verfügungskläger nach Aufhebung der vom Senat erlassenen einstweiligen Verfügung auf Widerspruch hin durch das angefochtene Urteil (wieder) genauso wie vor dem erstmaligen Erlass einer einstweiligen Verfügung „ungesichert“ gewesen (vgl. OLG Frankfurt v. 02.09.2021 – 19 U 86/21, juris Rn. 55), so dass etwaigen Termins- und Fristverlegungsanträgen (außerhalb hier nicht vorliegender besonderer rechtfertigender Umstände, dazu OLG Karlsruhe v. 09.06.2005 – 4 U 164/04, BeckRS 2005, 30357864) kritischer zu begegnen ist, weil mit der Stattgabe solcher Anträge in aller Regel nicht unerhebliche Verfahrensverzögerungen einhergehen, die der Verfügungskläger dann mit seinem Antrag billigend in Kauf nimmt. Soweit dies teilweise so streng gehandhabt wird, dass schon allein ein Verlängerungsantrag für die Berufungsbegründungsfrist um – wie hier – einen Monat schädlich sein soll, selbst wenn diesem Antrag gar nicht entsprochen wird oder er auch sonst keine Folgen hat (so die von der Vorsitzenden in ihrem Hinweis zitierte Entscheidung des OLG München v. 16.09.2021 – 29 U 3437/21 Kart, GRUR-RS 2021, 29384 und möglicherweise auch Kontusch JuS 2012, 323, 326 sowie Schuschke/Roderburg, in: Schuschke u.a., Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 7. Aufl. 2020, Vor § 935 Rn. 105; beide allerdings nur unter Verweis auf eine dies so nicht tragende Entscheidung des KG v. 16.04.2009 - 8 U 249/08, BeckRS 2009, 14692), deckt sich das zwar mit der teils wohl gleichermaßen sehr strengen Handhabung bei Anträgen auf Terminsverlegung (siehe selbst für einen Hilfsantrag in einer mündlicher Verhandlung auf eine kurze Vertagung OLG Düsseldorf v. 10.07.1997 - 2 U 9/97, WRP 1997, 968).

bb) Indes erscheint diese Lesart so pauschal überzogen streng und verstellt den Blick auf die tatsächlich gebotene Einzelfallbetrachtung, zumal die rein prozessualen Möglichkeiten einer Fristverlängerung für Rechtsmittelfristen - die ohnehin primär auf „normale“ Klageverfahren ausgelegt sind - mit der Frage der „Dringlichkeit“ unmittelbar nichts zu tun haben und es allenfalls um indizielle Auswirkungen auf die tatsächliche Vermutung der Dringlichkeit gehen kann (grundlegend Teplitzky, WRP 2013, 1414 ff.); deswegen ist stets eine Würdigung im Einzelfall geboten (so auch OLG Hamburg v. 21.03.2019 – 3 U 105/18, juris, Rn. 45; gegen Dringlichkeitsschädlichkeit einer prozessual zulässigen Fristverlängerung und –ausschöpfung – überholt – aber sogar noch OLG Hamburg v. 08. Juli 1976 – 3 U 45/76, juris Rn. 38; v. 17.08.1995 – 3 U 87/95, WRP 1996, 27, 28). Mit Blick darauf wird eine Dringlichkeitsschädlichkeit von der herrschenden Meinung nur dann diskutiert, wenn man über den Fristverlängerungsantrag hinaus die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist auch tatsächlich überschritten hat (so OLG München v. 30.06.2016 – 6 U 531/16, GRURRR 2016, 499 Rn. 79 selbst bei nur wenigen Tagen), wobei zumeist zusätzlich eine „nicht unerhebliche“ Verlängerung der Frist vorausgesetzt wird, bei der man die so bewilligte Frist auch „nicht unerheblich“ oder sogar vollständig „ausnutzt“ (so etwa schon Senat v. 19.01.2012 - 15 U 195/11, BeckRS 2012, 5820; siehe ferner OLG Frankfurt v. 02.09.2021 – 19 U 86/21, juris Rn. 52 ff.; v. 13.09.2001 – 6 U 79/01, juris Rn. 4 f. – 6 Tage unschädlich; OLG Dresden v. 06.03.2018 – 4 U 1675/17, NJW-RR 2018, 1135 Rn. 7 f.; OLG Hamburg v. 18.08.2017 – 7 U 72/17, BeckRS 2017, 127226 Rn. 2 ff.; OLG Celle v. 17.09.2015 - 13 U 72/15, BeckRS 2016, 17073; KG v. 16.04.2009 - 8 U 249/08, BeckRS 2009, 14692; OLG Düsseldorf v. 15.07.2002 - 20 U 74/02, GRUR-RR 2003, 31; OLG Köln v. 05.07.1999 – 16 U 3/99, BeckRS 1999, 30065637; OLG München v. 09.08.1990 - 6 U 3296/90, GRUR 1992, 328; OLG Naumburg v. 20.09.2012 - 9 U 59/12, MMR 2013, 131, 132 – zwei Wochen unschädlich; siehe allg. auch MüKo-ZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, § 935 Rn. 22; Dötsch, MDR 2010, 1429, 1433; Feddersen, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl. 2019, Kap. 54 Rn. 27; Schlingloff, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl. 2014, § 12 Rn. 401; offen Senat v. 18.03.2019 - 15 U 25/19, BeckRS 2019, 22208 bei Verlängerung um eine Woche über Karneval im Rheinland).

cc) Mit Blick darauf und auf die weitere Tatsache, dass es hier um einen Fristablauf kurz nach den Weihnachts-/Neujahrstagen mit einer Urlaubsabwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten ging und zudem nicht gesetzt ist, dass der Verfahrensbevollmächtigte selbst ohne den richterlichen Hinweis der Vorsitzenden (siehe zu dessen Bewertung den Beschluss des Senats vom 17.02.2022 – 15 U 244/21, Bl. 211 ff. d. Senatshefts mit Blick auf § 42 ZPO) die beantragte Frist auch tatsächlich voll ausgeschöpft hätte, ist die indizielle Wirkung (nur) des Antrages aber noch nicht so deutlich, dass in der Gesamtschau schon ein dringlichkeitsschädliches Verhalten anzunehmen wäre. Ist etwa das OLG Frankfurt v. 24.09.2015 – 6 U 60/15, BeckRS 2016, 1414 Rn. 4 in einem ganz ähnlichen Fall – dort sogar nach erfolgter Fristverlängerung - bei auf einen richterlichen Hinweis auf die möglichen Folgen hin zumindest noch zeitnah eingereichter Berufungsbegründung vom Fortbestehen des Verfügungsgrundes ausgegangen, kann vorliegend nichts anderes gelten, zumal hier sogar noch innerhalb der regulären Begründungsfrist reagiert und die Begründung fristgerecht vorgenommen worden ist. Allein auf das bloße Einreichen des Verlängerungsantrages als Indiz für eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit abzustellen, wäre in einem solchen Fall zu streng (vgl. auch erneut Schlingloff, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl. 2014, § 12 Rn. 401: „Der Ver-längerungsantrag selbst schadet nicht, wenn die beantragte und gewährte Verlängerung nicht oder nur unerheblich ausgenutzt wird.“).

c) Soweit die Berufung – wie gerade ausgeführt - nach Rücknahme des Fristverlängerungsantrages tatsächlich (kurz) vor Ablauf der zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist begründet worden ist, wäre selbst ein vollständiges Ausschöpfen dieser prozessualen Frist jedenfalls im Regelfall nach ständiger Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln nicht dringlichkeitsschädlich gewesen (OLG Köln v. 20.12.1996 – 6 U 204/96, NJWE-WettbR 1997, 176; v. 13.12.2002 - 6 U 156/02487, NJOZ 2003, 486, 488; v. 13.12.2002 – 6 U 156/02, BeckRS 2003, 1281 Rn. 11; offen BGH v. 01.07.1999 – I ZB 7/99, juris Rn. 11). Der vorliegende Sachverhalt bietet keinen Anlass für eine strengere Handhabung im Einzelfall.

d) Der Verfügungsbeklagte dringt auch nicht mit der weiteren Erwägung durch, dass die Dringlichkeitsvermutung allgemein eben auch dadurch widerlegt werden kann, dass ein Verfügungskläger in einem auf einen Widerspruch (§ 924 ZPO) hin anberaumten Termin säumig bleibt (vgl. OLG Frankfurt v. 04.09.2020 – 10 U 18/20, NJW-RR 2021, 117 Rn. 19 m.w.N.; jedenfalls bei Ausschöpfen der Einspruchsfrist auch OLG Düsseldorf v. 25.08.2015 - 20 U 196/14, BeckRS 2015, 16904). Denn die Versuche des Verfügungsbeklagten, dem den Fall einer „nicht ordnungsgemäßen Vertretung“ im Termin gleichzustellen, tragen hier gleich mehrfach nicht: Zum einen war tatsächlich eine Prozessvollmacht vor Verfahrensbeginn erteilt und allein der formale Nachweis scheiterte in der besonderen, durch die spontane Rüge i.S.d. § 80 Abs. 1 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung und die durch die allseitige Teilnahme an diesem Termin nach § 128a Abs. 1 ZPO besonders erschwerten Reaktionsmöglichkeiten. Soweit die Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten meint, dass „ein gewissenhafter Anwalt „auf Nummer sicher gegangen" (wäre) und … jedenfalls die erforderliche Vollmacht zum Nachweis bei sich geführt“ hätte, verkennt sie zum anderen schon ganz grundlegend, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsklägers die Vollmachtsurkunde tatsächlich „greifbar“ in seiner Kanzlei bei sich hatte und allein das rechtzeitige Verbringen der Urkunde an die richtige Stelle eines der größten Landgerichte der Bundesrepublik in der besonderen Situation der Verhandlung nach § 128a Abs. 1 ZPO zum rein praktischen Problem geworden ist. Hier eine „Selbstwiderlegung“ der Dringlichkeit allein daraus abzuleiten, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsklägers in der Situation im Termin möglicherweise bei prozessual etwas „geschickterem“ Vorgehen noch einen weiteren Fristverlängerungsantrag für die Beibringung (etwa um 30 Minuten) hätte stellen können - was das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung als geeignete Reaktionsmöglichkeit angesprochen hat – und dies versäumt worden ist, ginge nach Auffassung des Senats hier zu weit, zumal man sich ansonsten um eine zeitnahe Vorlage der Urkunde eben durchaus bemüht und diese sogleich auf den Weg zum Landgericht gebracht hatte.

e) Eine „Selbstwiderlegung“ der Dringlichkeit kann schließlich auch nicht mit Blick auf eine angeblich zu zögerliche Vollziehung und Zwangsvollstreckung der vom Senat erlassenen einstweiligen Verfügung angenommen werden. Abstrakt ist das zwar durchaus denkbar, wenn etwa ein mögliches Verfahren nach § 890 ZPO gegen fortbestehende Verletzungen nicht oder nicht zeitnah betrieben wird (vgl. etwa OLG Köln v. 07.04.2017 – 6 U 135/16, GRUR-RR 2018, 95 sowie OLG Frankfurt v. 25.03.2010 - 6 U 219/09, BeckRS 2010, 16885; KG v. 08.04.2011 – 5 U 140/10, BeckRS 2011, 09414). Ein solcher Fall liegt aber hier ersichtlich nicht vor: Mit Blick auf die konkrete „Erstverletzung“ hat der Verfügungskläger die einstweilige Verfügung unstreitig zeitnah vollzogen. Soweit es allein um spätere - sei es inhaltlich vergleichbare - Äußerungen des Verfügungsbeklagten geht, die zu der gesonderten Einleitung eines eigenständigen gerichtlichen Verfahrens in Hamburg geführt haben, hat der Senat bereits im Beschluss vom 24.06.2021 - 15 W 41/21 (Bl. 290 ff. der Beschwerdeakte) ausgeführt, dass schon wegen des doch etwas anderen Kontextes dieser Äußerung erhebliche Zweifel an einer „Kerngleichheit“ angebracht waren, weswegen gerade auch keine rechtsmissbräuchliche Mehrfachverfolgung im Raum steht. Mit den gleichen Erwägungen kann das Unterlassen des Versuchs des Erwirkens eines Ordnungsmittelbeschlusses über § 890 ZPO hier aber auch nicht als dringlichkeitsschädliches Verhalten eingeordnet werden, zumal der Verfügungskläger durch sein Vorgehen mit dem zeitnahen Antrag auf Erlass einer weiteren einstweiligen Verfügung in Hamburg gerade deutlich belegt hat, dass ihm an einer umfassenden und zeitnahen Sicherung stets gelegen war.

4. Auch ein Verfügungsanspruch des Verfügungsklägers (jedenfalls) aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ist hier hinreichend glaubhaft gemacht (§§ 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO).

a) Zur Meidung unnötiger Wiederholungen verweist der Senat zunächst auf den - seinerzeit nach Anhörung des Verfügungsbeklagten sowie nach Einsichtnahme durch den Senat in das zwar von den Parteien bisher nicht vollständig zu den Akten gereichte, damals im Internet gemäß dem Hinweis des Landgerichts vom 19.05.2021 (Bl. 52 d.A.) aber noch frei abrufbare (§ 291 ZPO) Video mit einem ca. 13-minütigen Statement des Verfügungsbeklagten zum Verfügungskläger ergangenen - Beschluss vom 24.06.2021 - 15 W 41/21 (Bl. 290 ff. der Beschwerdeakte). Dies gilt auch mit Blick auf die Fassung des Tenors und die mit Blick auf die beAVolumenbegrenzungen hier noch mögliche Einbettung der Datei (dazu allg. auch Senat v. 12.07.2021 – 15 W 45/21, GRUR-RS 2021, 26526 Rn. 29).

b) Das weitere Vorbringen des Verfügungsbeklagten in der Widerspruchsbegründung (Bl. 138 ff. d.A.) und im Berufungsverfahren rechtfertigt nur noch nachstehende ergänzende Ausführungen des Senats:

aa) Soweit der Senat bei dem Erlass der einstweiligen Verfügung im genannten Beschluss in der Tat noch keine näheren Ausführungen zur Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) gemacht hat, kann dem Video-Posting zwar ein gewisser satirischer Charakter nicht abgesprochen werden, mag das an der konkret streitgegenständlichen Stelle auch weniger zum Ausdruck kommen. Indes ist die Kunstfreiheit anerkanntermaßen nicht schrankenlos gewährt und findet in kollidierenden Grundrechtspositionen Dritter – hier dem Recht der persönlichen Ehre des Verfügungsklägers – ihre Grenzen, wobei die kollidierenden Grundrechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz zum schonenden Ausgleich zu bringen sind. Letztlich geht es damit aber auch hier (nur) um eine Abwägungsentscheidung (vgl. etwa OLG Hamburg v. 15.05.2018 - 7 U 34/17, BeckRS 2018, 8374 Rn. 19; dazu BVerfG v. 26.01.2022 – 1 BvR 2026/19, BeckRS 2022, 1484), zu der sogleich näher auszuführen ist; auch Art 5 Abs. 3 GG trägt hier im Ergebnis keine andere Gewichtung. Wegen der eindeutigen Teilbarkeit der streitgegenständlichen Passagen vom Rest des Beitrages (als „Gesamtkunstwerk“) bestehen auch mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 GG keine durchgreifenden Bedenken an einem – gegenüber einem sonst alleindenkbaren sog. Gesamtverbot immerhin „milderen“ – Teilverbot eben nur der hier konkret angegriffenen Passage (allg. dazu auch OLG Hamburg a.a.O. Rn. 21 selbst zu einem Gedicht). Die hier fragliche Passage zeichnet sich auch nicht durch ganz besondere satirische Elemente aus, was ggf. die Frage nach einer Trennung von Aussagegehalt und nur satirischer Einkleidung aufwerfen könnte; anderes behauptet auch der Verfügungsbeklagte nicht.

bb) Der Senat lässt mit Blick auf die weiteren Ausführungen des Verfügungsbeklagten zur popkulturellen bzw. im allgemeinen Sprachgebrauch heutzutage üblichen Nutzung des in der Tat vielschichtigen Begriffs „Schwein“ in Fällen mit sexueller Konnotation bzw. egoistischer Triebbefriedigung nunmehr ausdrücklich offen, ob tatsächlich bereits von einer Formalbeleidigung und/oder einer Schmähkritik mit der Folge eines Abwägungsausfalls auszugehen ist; auch die vorgelegte Entscheidung des LG Hamburg im Urt. v. 20.08.2021 – 324 O 265/21 (Bl. 179 ff. d. Senatshefts) hat dies ersichtlich in Frage gestellt. Denn darauf kommt es – wie auch im Termin erörtert – hier nicht entscheidend an: Denn der Senat hat schon bei Erlass der einstweiligen Verfügung ausgeführt, dass ungeachtet der (formalen) Einordnung der Äußerung als Formalbeleidigung oder Schmähkritik (die man deswegen offenlassen könnte) jedenfalls in der Abwägung – diese nur bezogen auf die konkrete Äußerung als konkrete Verletzungsform im hier fraglichen Kontext - die schutzwürdigen Persönlichkeitsrechte des Verfügungsklägers – mag dieser auch nur in seiner sog. Sozialsphäre betroffen sein – ebenfalls überwiegen. Ein solches – mehr oder weniger „vorsorgliches“ - Abstellen auf eine Abwägungsentscheidung (unter Offenlassen eines sonst denkbaren „Abwägungsausfalls“ wegen der Annahme einer Formalbeleidigung/Schmähkritik) entspricht – dies entgegen der im nicht nachgelassenen Schriftsatz des Verfügungsbeklagten vom 23.02.2021 zum Ausdruck Gebrachten - auch der zuletzt u.a. in der sog. „D“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (v. 19.12.2021- 1 BvR 1073/20, juris Rn. 30 und 42 ff.) vorgezeichneten Möglichkeit eines gerichtlichen Vorgehens in Fällen wie dem Vorliegenden.

cc) Zu der Abwägungsentscheidung kann zunächst dann ebenfalls auf den o.a. Beschluss des Senats und die in dem Parallelverfahren gemachten und gleichlaufenden Erwägungen des Landgerichts Hamburg Bezug genommen werden. Zusammenfassend sei (noch einmal) betont, dass der Senat nicht in Frage stellen will, dass auch eine polemische und „überzogene“ Auseinandersetzung mit dem strafbaren Verhalten des Verfügungsklägers, der nicht nur wegen seiner Rolle als ehemaliger Nationalspieler, sondern gerade auch wegen des greifbaren Kontrastes seines Verhaltens zu seinem früheren sozialen Engagement für Kinderrechte keinesfalls pauschal zu sanktionieren wäre. Ganz im Gegenteil muss sich der Verfügungskläger die kritische Würdigung im Grundsatz gefallen lassen. Auch steht außer Frage, dass die aus Anlass der Verurteilung versuchte „Selbstinszenierung“ des Verfügungsklägers als ein „Medienopfer“– ungeachtet aller möglichen Auswüchse von manchen Presseorganen – ebenso Anlass zu Kritik bieten mag wie die auch aus den Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsklägers im Termin vor dem Senat wieder ableitbaren, eher durchschaubaren Versuche, das Verhalten des Verfügungsklägers in Ansehung der inhaltlich nicht bestrittenen Chatverläufe „schönzufärben“ oder gar den damals beteiligten Zeuginnen eine Schuld am Gesamtgeschehen zuzuweisen bzw. entsprechende Mutmaßungen über deren Geltendmachung von Zeugnisverweigerungsrechten im Strafverfahren anzustellen. Auch der von einem „agent provocateur“ – sei es auch unter dem behaupteten Einfluss von Bekannten, Polizei und/oder gar Presseorganen – zu einer Straftat veranlasste Straftäter ist und bleibt im Zweifel ein Straftäter bzw. muss sich – selbst wenn es strafrechtliche Bedenken gegen eine Verurteilung gegeben hätte (wie nicht) – zumindest dennoch der kritischen Würdigung seines tatsächlichen Verhaltens stellen, für das eine Rechtfertigung zu finden auch dem Senat ausdrücklich nicht möglich ist. Indes bedeutet dies – dies entgegen den engagierten Ausführungen der Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten im Termin und im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23.02.2022 – keinen „Freibrief“ auch für grenzenlos übersteigerte und die Person des Betroffenen in ihrem sozialen Geltungsanspruch tief treffende Äußerungen; genau um eine solche geht es aber hier.

(1) In der Abwägung bedarf es dabei stets einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte. Zu den hierbei zu berücksichtigenden Umständen können insbesondere Inhalt, Form, Anlass und Wirkung der betreffenden Äußerung sowie Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten gehören (vgl. etwa BVerfG v. 19.12.2021- 1 BvR 1073/20, juris Rn. 30 m.w.N.). Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht (BVerfG a.a.O. Rn. 31 m.w.N.). Treten so etwa selbst bei einem Politiker etwaige Gesichtspunkte der Machtkritik und der Veranlassung durch vorherige eigene Wortmeldungen im Rahmen einer öffentlichen Debatte zurück, wenn es um eine ins Persönliche gehende Beschimpfung und eine auf die Person abzielende öffentlichen Verächtlichmachung geht (BVerfG a.a.O. Rn. 34), sind ganz allgemein kritische Äußerungen umso weniger schutzwürdig, je mehr sie sich von einem Meinungskampf in die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen wegbewegen und die Herabwürdigung der betreffenden Personen in den Vordergrund tritt (BVerfG a.a.O. Rn. 34). Mit Blick auf Form und Begleitumstände einer Äußerung kann nach den Umständen des Falles dann insbesondere auch erheblich sein, ob sie ad hoc in einer hitzigen Situation oder im Gegenteil mit längerem Vorbedacht gefallen ist. Denn für die Freiheit der Meinungsäußerung wäre es abträglich, wenn vor einer mündlichen Äußerung jedes Wort auf die Waagschale gelegt werden müsste. Der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit impliziert - in den Grenzen zumutbarer Selbstbeherrschung – durchaus die rechtliche Anerkennung menschlicher Subjektivität und damit auch von Emotionalität und Erregbarkeit (BVerfG a.a.O. Rn. 36). Ebenfalls bei der Abwägung in Rechnung zu stellen ist stets auch die konkrete Verbreitung und Wirkung einer Äußerung, wobei Form und Begleitumstände der Kommunikation maßgeblich sind und der Adressatenkreis, die Frage der Perpetuierung eines Eingriffs und auch die Breitenwirkung einer Internetpublikation (BVerfG a.a.O. Rn. 37).

(2) Unter Berücksichtigung dieser Prämissen bleibt es auch mit Blick auf das weitere Vorbringen des Verfügungsbeklagten und auch das oben zu Art. 5 Abs. 3 GG Gesagte bei dem bereits aufgezeigten Abwägungsergebnis.

(a) Selbst wenn man zu Gunsten des Verfügungsbeklagten in Rechnung stellt, dass er in einem bundesweit für Aufsehen sorgenden und gesetzliche Reformen im Strafrecht beeinflussenden Strafverfahren tagesaktuell kritisch Position bezogen haben mag und – wie aufgezeigt – der Verfügungskläger selbst hinreichenden Anlass für eine solche Kritik gegeben hat, wurden an der hier fraglichen Stelle des Postings - auch nach Mimik, Gestik und Ausdruck, wobei eben Wort-/Bildberichterstattungen anerkanntermaßen in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind – sprichwörtlich „alle Hemmungen fallengelassen“ und der Bogen schlichtweg „überspannt.“ Es geht dabei – dies entgegen dem Standpunkt der Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten – nicht darum, dass die Ausführungen des Senats zum „virtuellen Marktplatz“ eigentlich doch dazu führen müssten, das - konsequent zu Ende gedacht – das gesamte ca. 13-minütige Statement des Verfügungsbeklagten insgesamt zu verbieten sei. Die Widerspruchsbegründung (S. 30 = Bl. 167 d.A.) sieht nämlich selbst den Unterschied gerade im Duktus der angegriffenen Stelle („Was allein bleibt, ist der - so man es so betrachten will - vermeintlich schärfere Wortlaut.“); genau dies ist aber – wie ausgeführt – das Problem.

(b) Da dem durchschnittlichen „Follower“ des Verfügungsbeklagten die vorangegangenen öffentlichen Auseinandersetzungen unter den Parteien auch schwerlich verborgen geblieben sein können, fällt dabei aber gerade die (erneute) Verwendung (ausgerechnet) des Terminus „krankes Schwein“, der in anderem Kontext bereits zu Lasten des Verfügungsbeklagten streitentscheidend gewesen ist (Senat v. 13.10.2020 – 15 W 46/20, GRUR-RS 2020, 46637 Rn. 12), deutlich ins Gewicht. Es geht hier nicht etwa um eine in einer emotionalen Situation möglicherweise aufgrund einer verständlichen Erregung (nur) im Einzelfall entgleisende scharfe Formulierung, sondern vielmehr um das ganz bewusstes Kalkül eines offenkundig Uneinsichtigen, der mit dem schon damals plakativ genutzten, einprägsamen und in die Öffentlich getragenen Passus offenbar hier nur (erneut) „Stimmung machen“ wollte, um auf dem „virtuellen Marktplatz“ vor dem Gerichtsgebäude zur Stimmungsmache unter seinen Anhängern nochmals mit deutlich abschätzender Mimik und Gestik den Stab über dem Verfügungskläger zu brechen. Dass der Verfügungsbeklagte gerade um die ihm im Zusammenhang mit einer Verdachtsäußerung bereits einmal vom Senat untersagte Bezeichnung als „krankes Schwein“ ringt und mit der damaligen prozessualen „Niederlage“ offenbar hadert, zeigt plastisch das „Nachtatverhalten“ zum hiesigen Vorfall, welches zu dem weiteren Verfahren vor dem Landgericht Hamburg geführt hat und in dem auch die dortige Kammer nur eine überzogene und in der Abwägung nicht hinnehmbare (wiederholte) Kränkung mit der bewussten und öffentlich bekannt gewordenen Formulierung gesehen hat.

(c) Verstärkt wird das Vorgenannte im konkreten Zusammenhang zudem dadurch, dass sich der Verfügungsbeklagte zusätzlich noch aus dem Nichts heraus in haltlosen Spekulationen (auch) über angeblich mögliche Missbrauchshandlungen des Verfügungsklägers (auch) im Ausland („Osteuropa, Asien“) verliert, zu denen weder das Strafverfahren noch sonstige tatsächliche Umstände Anlass boten. Dies kann man möglicherweise in Abgrenzung zu einer Auseinandersetzung (nur) mit den abstoßenden Inhalten der im Termin vor dem Senat inhaltlich nicht bestrittenen „Chatverläufe“ des Verfügungsklägers sehen, die möglicherweise Rückschlüsse zumindest auf ein „Weiter-Denken“ des Verfügungsklägers im Hinblick auch auf körperliche Missbrauchshandlungen von Kindern bieten mögen (vgl. dazu auch S. 7 ff. des Schriftsatzes vom 23.06.2021 = Bl. 163 ff. der Beschwerdeakte sowie Anlage ASt 5, Bl. 192 ff. d.A. und den nachgelassenen Schriftsatz vom 23.02.2022, Bl. 226 ff. d. Senatshefts). Jedenfalls dieser weitere (haltlose) Angriff mit dem Vorwerfen etwaiger Auslandsstraftaten zeigt aber, dass es im vorliegenden Kontext mit dem darin liegenden Bedienen üblicher „Klischee-Vorstellungen“ zu „Triebtätern“ und deren Verhalten etwa im asiatischen Ausland nur um eine besondere Herabsetzung des damals frisch verurteilten Verfügungsklägers ging, hinter der das öffentliche Interesse an einer (unbestreitbar möglichen) kritischen Würdigung von Tat, Täter, Gerichtsverfahren und Umgang des Täters mit der Strafe (nur) im vorliegenden Einzelfall zurücktritt. Diese Umstände lassen den Begriff „krankes Schwein“ - ungeachtet des sonst vom Verfügungsbeklagten reklamierten Bedeutungswandels dieses Begriffs – jedenfalls hier weiterhin als übermäßigen Eingriff in die Rechte des Verfügungsklägers erscheinen, den dieser im konkreten Kontext in der Gesamtabwägung nicht mehr hinzunehmen hat. Ob man sonst das Schwein in der christlichen Lehre mit der Unzucht, Völlerei und den sog. Todsünden in Verbindung gebracht hat und es zu einer kulturell-religiös gewachsenen Symbolfigur für das Triebhafte geworden ist, spielt insofern dann auch keine entscheidende Rolle mehr.

(d) Dem Verfügungsbeklagten soll – was der Senat a.a.O. bereits zum Ausdruck gebracht hat - ansonsten auch ausdrücklich nicht die Möglichkeit genommen werden, sich kritisch mit dem Verfügungsklägers und seinem strafbaren Verhalten bzw. seinem Umgang mit der Verurteilung auseinanderzusetzen. Dass in anderem sprachlichen Duktus und anderer Einkleidung u.U. dann auch ähnlich scharfe Begrifflichkeiten bzw, „schweinisches“ oder „krankes“ Verhalten vorgeworfen werden könnten, ist Frage des Einzelfalles und hier nicht allgemein zu entscheiden. Vorliegend jedenfalls tritt das sachliche Anliegen des Verfügungsbeklagten aber – ungeachtet des tagesaktuellen Anlasses seiner Äußerungen und dem möglicherweise im Kern auch berechtigten Sachanliegen jedenfalls derart in den Hintergrund, dass sich die Äußerung letztlich in einer persönlichen Kränkung erschöpft.

5. Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Verfügungsbeklagten vom 23.02.2022 (Bl. 226 ff. d. Senatshefts) rechtfertigt keine andere Sichtweise und trägt keine – im Verfahren betreffend den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohnehin regelmäßig ausgeschlossene (Feddersen, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl. 2019, Kap. 55 Rn. 19) – Wiedereröffnung nach § 525 S. 1, 156 Abs. 1 oder 2 ZPO.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: