Das AG Bonn hat entschieden, dass die Voraussetzungen des Sonderkündigungsrechts nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 TKG vom Kunden im Prozess substantiiert vorgetragen werden müssen.
Aus den Entscheidungsgründen: Das Vertragsverhältnis der Parteien ist nicht durch die unter dem 8.1.2023 ausgesprochene Kündigung beendet worden.
Ein Grund zur Kündigung lag nicht vor. Insbesondere war auch kein Grund für eine Sonderkündigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 TKG gegeben. Nach der v.g. Vorschrift kann der Verbraucher außerordentlich kündigen ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist im Falle von erheblichen, kontinuierlichen oder regelmäßigen wiederkehrenden Abweichungen bei der Geschwindigkeit ober bei anderen Dienstequalitätsparametern zwischen der tatsächlichen Leistung der Internetzugangsdienste und der vom Anbieter angegebenen Leistung, die durch einen von der Bundesnetzagentur bereitgestellten oder von ihr oder einem von ihr beauftragten Dritten zertifizierten Überwachungsmechanismus ermittelt wurden.
Indes hat der Kläger nicht dargelegt, dass die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Leistung nicht der vertraglich vereinbarten Leistung entsprochen hat.
Ausweislich der von dem Kläger vorgelegten Auftragsbestätigung heißt es dort auf der 3. Seite:
Wie vereinbart, stellen wir Ihnen den Zugang aus technischen Gründen mit einer reduzierten Geschwindigkeit bereit. Download: Max. 6,016 MBit/s, Normal 3,8 MBit/s, Min. 2,048 MBit/s Upload: Max. 2,4 MBit/s, Normal 0,7 MBit/s, Min. 0,288 MBit/s Voraussetzung ist ein für die ADSL-Schnittstelle der U geeigneter Router bzw. Modem. Messung der Datenübertragungsrate möglich unter www.breitbandmessung.de"
Die v.g. Geschwindigkeiten/Leistungen sind mithin Vertragsinhalt geworden. Dass davon abweichende Leistungen vereinbart wurden, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Für das Gericht ist nicht ersichtlich, die von dem Kläger gemessenen Werte sich nicht innerhalb des vereinbarten Leistungsbereichs bewegen. Zu abweichend gemessenen Werten hat der Kläger nicht explizit vorgetragen, auch nicht auf das entsprechende Bestreiten der Beklagten.
Auch aus den kommentarlos vorgelegten Messprotokollen ergibt sich für das Gericht keine Unterschreitung der erbrachten Leistung von der v.g. vereinbarten vertraglichen Leistung. Die Messwerte bewegen mindestens im Normalbereich. Insbesondere ergibt sich kein Anhaltspunkt für erhebliche, kontinuierliche oder regelmäßig wiederkehrende Abweichungen der Leistungen für Up- und Download.
Die Voraussetzungen für ein Sonderkündigungsrecht sind mithin nicht gegeben.
Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass ein Sonderkündigungsrecht gemäß § 57 TKG nach Wegfall von Nulltarif-Streamingoptionen wie Vodafone Pass oder Stream On besteht
Aus den Entscheidungsgründen: 1. (zum Antrag zu 1.) Gegenstand des Antrags sind nach Erläuterung des Antragstellers nicht Mobilfunkverträge, bei denen die Antragsgegnerin als Kompensation unbegrenzte Datenvolumina eingeräumt hat. Bei diesen kommt ein Kündigungsrecht auch nach Auffassung des Antragstellers im Hinblick auf § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TKG von vornherein nicht in Betracht. Diese Einschränkung soll sich nach Ansicht des Antragstellers aus der Bezugnahme auf AS 2 ergeben, in der nur ein begrenztes Datenvolumen zur Verfügung gestellt wurde. Der Senat hat dies vorsorglich im Tenor klargestellt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts greift § 57 Abs. 1 TKG n.F. mit der Kündigungsmöglichkeit des Kunden im vorliegenden Fall ein.
Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert nicht, anders als die Antragsgegnerin mein , bereits daran, dass es sich um eine Kündigung/Vertragsanpassung nach §§ 313, 314 BGB gehandelt habe. § 313 BGB gewährt einem Vertragspartner kein einseitiges Änderungsrecht, wie es die Antragsgegnerin für sich in Anspruch nimmt, vielmehr lediglich einen Anspruch auf Vertragsverhandlungen über eine Anpassung des Vertrages (vgl. Senat EnwZ 2023, 273 Rn. 29 m.w.N.).
Eine Kündigung hat die Antragsgegnerin nicht erklärt, auch nicht eine Änderungskündigung (vgl. § 2 KSchG); die Antragsgegnerin wollte die Verträge nicht kündigen, sie hat die Fortsetzung des Vertrages auch nicht von der Annahme der Vertragsänderungen durch den Kunden abhängig gemacht. Die Antragsgegnerin hat sich den Kunden gegenüber auch nicht auf § 313 BGB berufen.
Es bedarf keiner Erörterung, ob die einseitige Vertragsänderung in den Fällen, in denen es an einer entsprechenden Klausel fehlt, unwirksam ist. Die Vorschrift des § 57 Abs. 1 TKG greift auch dann ein. Wie aus Art. 105 Abs. 4 RL (EU) 2018/1972 hervorgeht, gilt das Kündigungsrecht bei (von gleich zu erörternden Ausnahmen abgesehen) allen einseitigen Vertragsänderungen. Der Gesetzgeber des TKG wollte in § 57 die Richtlinie ordnungsgemäß umsetzen (BT-Drs. 19/26108, S. 289). Fallgestaltungen, in denen ein Mobilfunkunternehmen eine einseitige Vertragsänderung ohne entsprechende AGB-Klausel vornehmen würde, lagen dem Gesetzgeber erkennbar vollständig fern. Auch der Streit darüber, ob die AGB die vorgesehene Änderung erlaubt, sollte ersichtlich ein Kündigungsrecht nicht ausschließen. Auch Vertragsänderungen, die „kraft höherer Gewalt“ notwendig werden und die nach allgemeinem Recht Reaktionen nach § 313 BGB auslösten könnten, hat der Gesetzgeber, wie sich aus § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 TKG ergibt, berücksichtigt. § 314 BGB gewährt einer Vertragspartei lediglich ein Kündigungsrecht, nicht ein Vertragsänderungsrecht. Von daher ist es unerheblich, dass die Antragsgegnerin die Fallgestaltung (nunmehr) unter §§ 313, 314 BGB subsumiert.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts spielt auch keine Rolle, dass ein erheblicher Teil der fraglichen Verträge vor dem Inkrafttreten des TKG n.F. am 01. Dezember 2021 abgeschlossen worden wäre. Mangels einer Übergangsvorschrift sind die Richtlinie und das Gesetz auch auf vorher abgeschlossene Verträge anzuwenden (vgl. für eine vergleichbare Fallgestaltung EuGH NJW 2022, 529).
Auch der Auffassung des Landgerichts, im Übrigen greife die Ausnahmevorschrift des § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 TKG ein, vermag der Senat nicht beizutreten. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei den Urteilen des EuGH und der darauf fußenden geänderten Rechtsauffassung des Aufsichtsbehörde um nachträglich eingetretene Änderungen des Unionsrechts handelt oder solchen gleichzustellen sind. Selbst wenn man dies zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt, greift die Ausnahmevorschrift aus einem anderen Grunde nicht ein. Es reicht nicht aus, dass der Anlass der Änderung in Unionsrecht begründet ist, vielmehr muss das Ergebnis der Änderung unionsrechtlich zwingend sein. Dies ergibt sich eindeutig bereits aus dem deutschen („es sei denn, die vorgeschlagenen Änderungen sind unmittelbar durch Unionsrecht oder nationales Recht vorgeschrieben“), englischen („unless the proposed changes … are directly imposed by Union or national law“) und französischen („sauf sie les modifications envisagées … sont directement imposées par le droit de l‘Union ou le droit national“) Wortlaut der Richtlinienvorschrift. Auch Sinn und Zweck sprechen dafür, das Kündigungsrecht nur dann auszuschließen, wenn das Ergebnis der Vertragsänderung zwingend ist. Nur in diesem Fall kann dem Kunde angesonnen werden, eine einseitige Vertragsänderung hinzunehmen. In dem – auch hier vorliegenden - Falle, in dem dem Mobilfunkunternehmen mehrere Möglichkeiten zur Anpassung zur Verfügung stehen, muss der Kunde auf die vom Mobilfunkunternehmen getroffene Wahl reagieren können.
Der Antragsgegnerin war zwar aufgegeben worden, auch in Bestandsverträgen die Verstöße gegen die Netzneutralität abzustellen. Wie sie dies bewerkstelligte, ob sie beispielsweise sämtlichen Verbrauchern unbegrenzte Datenvolumina anbot oder ob sie die Verträge aus wichtigem Grunde kündigte, war jedoch ihr überlassen.
Das OLG Köln hat entschieden, dass Banken Kontoführungsgebühren im Wege der Zustimmungsfiktion ändern können, sofern die Vorgaben von § 675g BGB eingehalten werden.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Bank darf Kontoführungsgebühren durch Zustimmungsfiktion ändern, soweit sie das gesetzlich vorgesehene Verfahren hierfür einhält
Klausel, die Änderung der AGB einer Bank mittels Zustimmungsfiktion erlaubt, ist wirksam. Kunden haben in diesem Fall ein kostenfreies Sonderkündigungsrecht.
Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Bank für wirksam erklärt, nach der diese ihre AGB und insbesondere die Entgelte für Bankleistungen mittels Zustimmungsfiktion ändern kann. Die Bank muss die Kunden dabei allerdings mit einem Vorlauf von zwei Monaten auf die beabsichtigte Änderung und auf die Möglichkeit zur fristlosen und kostenfreien Kündigung in transparenter Form hinweisen.
Die Verbraucherzentrale hatte die Bank verklagt, die streitige Klausel nicht weiter zu verwenden. Sie meint, die Klausel sei intransparent, da der Kunde nicht vorhersehen könne, in welchem Umfang er mit Änderungen zu rechnen habe. Das Landgericht Köln hatte die nach dem Unterlassungsklagegesetz erhobene Klage abgewiesen. Mit Urteil vom 19.12.2019 hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass die streitgegenständliche Klausel den gesetzlichen Vorgaben in § 675g Abs. 1 und 2 BGB entspreche. Der deutsche Gesetzgeber habe bewusst nicht eingegrenzt, in welchem Umfang Banken ihre AGB ändern könnten. Angesichts dieser Entscheidung des Gesetzgebers sei es den Gerichten verwehrt, durch Auslegung eine irgendwie geartete Eingrenzung von
§ 675g BGB vorzunehmen, auch nicht vor dem Hintergrund der einschlägigen europarechtlichen Regelungen.
Der Senat hob hervor, dass etwaige konkrete Änderungen der AGB bzw. der Bankgebühren durchaus kontrolliert werden könnten. Die Mitteilung der Bank, mit der sie den Kunden beabsichtigte Änderungen anbiete, müsse transparent sein. Den Kunden müsse die beabsichtigte Änderung spätestens zwei Monate vor dem Wirksamwerden in Textform angeboten werden. Zugleich müssten diese darauf hingewiesen werden, dass Schweigen zu einer Zustimmung ihrerseits führe und dass sie die Möglichkeit zur fristlosen und kostenfreien Kündigung hätten. Damit wisse der Verbraucher spätestens zwei Monate vor einer Änderung, was konkret „auf ihn zukommt“ und dass er dies nicht einseitig hinnehmen muss, sondern sich durch Kündigung vom Vertrag lösen kann. Wenn das Mitteilungsschreiben der Bank nicht dem Transparenzgebot entspreche, sei das Änderungsverlangen unwirksam, so dass auch eine Zustimmungsfiktion seitens des Verbrauchers nicht in Betracht komme.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da die fragliche Klausel von zahlreichen Banken und Sparkassen im Bundesgebiet verwendet werde und diesbezüglich keine höchstrichterliche Entscheidung vorliege.
Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 19.12.2019 - Az. 12 U 87/18.
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 675g Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrags
(1) Eine Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrags auf Veranlassung des Zahlungsdienstleisters setzt voraus, dass dieser die beabsichtigte Änderung spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens dem Zahlungsdienstnutzer in der in Artikel 248 §§ 2 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche vorgesehenen Form anbietet.
(2) Der Zahlungsdienstleister und der Zahlungsdienstnutzer können vereinbaren, dass die Zustimmung des Zahlungsdienstnutzers zu einer Änderung nach Absatz 1 als erteilt gilt, wenn dieser dem Zahlungsdienstleister seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung angezeigt hat. Im Fall einer solchen Vereinbarung ist der Zahlungsdienstnutzer auch berechtigt, den Zahlungsdiensterahmenvertrag vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung fristlos zu kündigen. Der Zahlungsdienstleister ist verpflichtet, den Zahlungsdienstnutzer mit dem Angebot zur Vertragsänderung auf die Folgen seines Schweigens sowie auf das Recht zur kostenfreien und fristlosen Kündigung hinzuweisen.
EuGH
Urteil vom 26.11.2015 C-326/14
Verein für Konsumenteninformation
gegen
A1 Telekom Austria AG
Der EuGH hat entschieden, dass eine Entgeltanpassungsklausel in den AGB von Telekommunikationstarifen zulässig ist, wenn die Klausel an einem staatlich ermittelten objektiven Verbraucherpreisindex anknüpft.
Tenor der Entscheidung:
Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Änderung der Entgelte für die Bereitstellung elektronischer Netz- oder Kommunikationsdienste gemäß einer Entgeltanpassungsklausel, die in den allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Unternehmens, das diese Dienste anbietet, enthalten ist und vorsieht, dass eine solche Änderung anhand eines von einer staatlichen Stelle ermittelten objektiven Verbraucherpreisindex erfolgt, keine „Änderung der Vertragsbedingungen“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, die den Teilnehmer berechtigt, seinen Vertrag ohne Zahlung von Vertragsstrafen zu widerrufen.