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OLG Hamm: Vertragsstrafeansprüche nach § 339 Satz 2 BGB fallen nicht unter die Sonderzuständigkeit der Oberlandesgerichte nach § 6 Abs. 1 Satz 1 UKlaG

OLG Hamm
Urteil vom 10.03.2025
31 U 64/24


Das OLG Hamm hat entschieden, dass Vertragsstrafeansprüche nach § 339 Satz 2 BGBfallen grundsätzlich nicht unter die Sonderzuständigkeit der Oberlandesgerichte nach § 6 Abs. 1 Satz 1 UKlaG unterfallen.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Ob die ausschließliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach § 6 Abs. 1 Satz 1 UKlaG auch Vertragsstrafeansprüche gemäß § 339 Satz 2 BGB erfasst, die ihren Ursprung in einem auf einer Abmahnung nach dem UKlaG beruhenden Unterlassungsvertrag haben, ist nach Änderung des § 6 UKlaG durch Art. 10 des Gesetzes vom 8. Oktober 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 272) in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

a) Nach einer Ansicht wird eine entsprechende Anwendung bejaht (so: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 23. Oktober 2024 – 7 UKl 2/23, juris Rn. 37 ff.; Baetge in jurisPK/BGB, 10. Aufl., § 6 UKlaG Rn. 22, 1. Überarb. [Januar 2025]; Grüneberg in Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 6 UKlaG Rn. 1; Köhler/Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 6 UKlaG Rn. 4).

Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2016 - I ZR 93/15) § 13 UWG in der vom 4. August 2009 bis 1. Dezember 2020 geltenden Fassung (künftig aF) auch Vertragsstrafeklagen, die auf einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung beruhten, erfasst habe. Es habe dem Gesetzeszweck dieser Norm entsprochen, eine ausschließliche und vom Streitwert unabhängige sachliche Zuständigkeit der Landgerichte in Wettbewerbssachen einzuführen, weil bei den Landgerichten aufgrund der dort streitwertbedingt überwiegend anfallenden Wettbewerbssachen der für die Behandlung dieser Sachen erforderliche Sachverstand und das notwendige Erfahrungswissen vorhanden gewesen seien. Dies gelte gleichermaßen für die Behandlung von Streitigkeiten aufgrund von Vertragsstrafeversprechen und Unterlassungsverträgen, in denen ähnliche, spezifisch wettbewerbsrechtliche Probleme aufträten wie bei originären Ansprüchen aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2016 – I ZR 93/15, juris Rn. 19 ff.).

Entsprechend der – wegen § 545 Abs. 2 ZPO allerdings nicht tragenden – Auffassung des Bundesgerichtshofs seien Vertragsstrafeansprüche ebenfalls der sachlichen Zuständigkeit des § 6 Abs. 1 UKlaG zu unterstellen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 28. März 2017 – I-4 U 148/16, juris Rn. 20 zu § 6 Abs. 1 UKlaG in der vom 1. September 2004 bis 6. Juni 2021 geltenden Fassung, künftig aF), und zwar auch nach der zum 13. Oktober 2023 erfolgten Neufassung der Norm. Denn es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit Neufassung des § 6 Abs. 1 UKlaG eine abweichende Regelung habe schaffen wollen (A. Baetge in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 6 UKlaG 1. Überarb. [Stand: Januar 2025], Rn. 22_1). Zudem habe das Anliegen des Gesetzgebers, Rechtsfragen einer einheitlichen Entscheidung nun des Oberlandesgerichts zuzuführen, auch Bedeutung für die Auslegung der Unterlassungserklärung und die rechtliche Beurteilung, ob die Vertragsstrafe verwirkt sei und ob der Wortlaut einer Klausel „im Kern“ der Unterlassungsverpflichtung unterfalle (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 23. Oktober 2024 – 7 UKl 2/23, juris Rn. 37 ff.).

b) Nach der Gegenauffassung begründet § 6 Abs. 1 UKlaG keine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für Klagen, mit denen eine solche Vertragsstrafe geltend gemacht wird (vgl. z.B. OLG Stuttgart, Urteil vom 10. Juli 2024 - 9 UKl 2/24, juris Rn. 29; OLG Naumburg, Urteil vom 2. Oktober 2024, ZIP 2024, 2584, 2585; vgl. Feddersen in: Köhler/Feddersen, 43. Aufl., UWG § 14 Rn. 2, 3).

Für eine analoge Anwendung fehle es jedenfalls seit der Änderung des § 6 UKlaG zum 13. Oktober 2023 an der hierfür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe die Zuständigkeitskonzentration bewusst neu gefasst, ohne Vertragsstrafeansprüche einzubeziehen (vgl. OLG Stuttgart, aaO; OLG Naumburg, aaO). Auch der Sinn und Zweck des § 6 Abs. 1 UKlaG sprächen gegen eine entsprechende Anwendung.

2. Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

a) Nach § 6 Abs. 1 UKlaG sind die Oberlandesgerichte ausschließlich für „Klagen nach diesem Gesetz“ zuständig, also für Klagen über Ansprüche nach den §§ 1 bis 2b UKlaG. Vertragsstrafeklagen sind vom Wortlaut der Norm danach nicht erfasst.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich nichts Abweichendes aus dem Urteil des 4. Zivilsenats des hiesigen Oberlandesgerichts vom 28. März 2017 (I-4 U 148/16, juris). Das Oberlandesgericht hat in seiner Entscheidung zwar die Ausführungen des Bundesgerichtshofs aus dem Beschluss vom 19. Oktober 2016 (I ZR 93/15) zu § 13 Abs. 1 UWG aF auf § 6 Abs. 1 UKlaG aF übernommen (aaO Rn. 17 ff.). Es hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass entsprechend den Ausführungen des Bundesgerichtshofs die vertragliche Verpflichtung in Form eines abstrakten Schuldanerkenntnisses im Wege der Schuldumschaffung an die Stelle des gesetzlichen Anspruchs aus dem UKlaG trete; aufgrund dessen sei auch für Ansprüche aus dieser Vereinbarung die Zuständigkeit nach § 6 Abs. 1 UKlaG aF gegeben.

Diese Überlegungen stellten indes nicht in Rechnung, dass nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 UWG aF (nunmehr § 14 Abs. 1 UWG) eine ausschließliche Zuständigkeit für „alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht wird“, bestand, während unter § 6 Abs. 1 UKlaG aF nur „Klagen nach diesem Gesetz“, mithin Verfahren über die im UKlaG selbst geregelten Ansprüche fielen. Hierzu gehört eine Klage, mit der ein Anspruch aus einer gegenüber einem Vertragspartner bestehenden vertraglichen Verpflichtung nach § 339 BGB geltend gemacht wird, nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 UKlaG aF nicht.

Der Kläger hat im Rahmen der hier erhobenen Zahlungsklage auch nicht nachzuweisen, dass die Abmahnung nach § 5 UKlaG i. V. m. § 13 Abs. 1 UWG, welche die Beklagte veranlasst hat, die Unterlassungserklärung abzugeben und für Zuwiderhandlungen eine Vertragsstrafe zu versprechen, bei Vertragsschluss nach § 1 UKlaG berechtigt war. Die Beurteilung dieser Frage fiel vielmehr in den Risikobereich der Beklagten und hätte von ihr vor Schaffung des eigenständigen, von dem Anspruch nach § 1 UKlaG grundsätzlich unabhängigen Schuldgrundes geprüft werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 – I ZR 46/19, juris Rn. 15 f.; BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - I ZR 210/12, GRUR 2014, 797 Rn. 28).

b) Eine vom Wortlaut abweichende Auslegung oder eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 1 UKlaG dahingehend, dass dieser auch die sachliche Zuständigkeit für Vertragsstrafeklagen begründet, scheidet nach Ansicht des Senats aus.

Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers (BVerfGE 157, 273 Rn.106; BGHZ 210, 77 Rn. 69 jeweils mwN). Dabei bildet der Wortlaut zwar den Ausgangspunkt, jedoch in der Regel keine starre Auslegungsgrenze. Der gesetzgeberische Wille ist vielmehr auch nach der Systematik sowie nach dem Sinn und Zweck der Norm unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte zu ermitteln (vgl. BVerfGE 159, 355 Rn.83).

aa) Die Gesetzessystematik spricht nicht für eine vom Wortlaut abweichende Auslegung.

Fehl geht zunächst die Auffassung des Oberlandesgerichts Brandenburg, aus § 6 Abs. 3 UKlaG könne abgeleitet werden, dass Vertragsstrafeansprüche von § 6 Abs. 1 UKlaG erfasst sein könnten, auch wenn sie nicht im Gesetz erwähnt würden (OLG Brandenburg, Urteil vom 23. Oktober 2024 – 7 UKl 2/23, juris Rn. 38). Sind – wie bei richtigem Normverständnis anzunehmen – Vertragsstrafeklagen keine „Klagen nach diesem Gesetz“, sind diese auch nicht – wie Klagen, „die einen Anspruch der in § 13 UKlaG bezeichneten Art zum Gegenstand haben“ – gemäß § 6 Abs. 3 UKlaG aus dem Anwendungsbereich des Absatz 1 herauszunehmen.

Der Hinweis auf die „Schwesternvorschriften“ im Wettbewerbsrechts und des Rechts des gewerblichen Rechtsschutzes rechtfertigt ebenfalls keine extensive Auslegung des § 6 Abs. 1 UKlaG. Der zur Begründung der Einbeziehung von Vertragsstrafeklagen herangezogene „inhaltliche Gleichklang“ (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2016 – I ZR 93/15, juris Rn. 25) existiert nach der Neufassung der Norm und der dadurch geschaffenen Eingangszuständigkeit der Oberlandesgerichte für Unterlassungsklagen nicht mehr. In Kennzeichensachen nach § 140 Abs.1 MarkenG, § 27 Abs. 1 GebrMG, § 143 Abs. 1 PatG und eben auch § 14 Abs. 1 UWG sind vielmehr die Landgerichte erstinstanzlich zuständig geblieben, und zwar auch für die parallelen Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG.

bb) Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes rechtfertigt eine Ausweitung des § 6 Abs. 1 UKlaG auf Vertragsstrafeklagen gleichfalls nicht.

(1.) Zum einen ist schon davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber bei der Neuregelung im Jahr 2023 die seit ca. 2016 geführte Diskussion in Rechtsprechung und Literatur zu einer Einbeziehung von Vertragsstrafeklagen in den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 UKlaG aF bekannt war. Dennoch hat dies keinen Niederschlag in der Neufassung gefunden; insbesondere ist die von der herrschenden Meinung aufgezeigte vermeintliche Regelungslücke nicht geschlossen worden. Soweit das Landgericht meint, der Gesetzgeber habe die Problematik schlicht übersehen, insbesondere, weil zwischen der Änderung der Zuständigkeitsregelung im UWG im Jahr 2020 und der des § 6 UKlaG im Jahr 2023 ein Regierungswechsel stattgefunden habe, ist auch im Falle eines Regierungswechsels regelmäßig davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber die Erwägungen der Vorgängerregierung zur Begründung einer Gesetzesänderung bekannt sind. Abgesehen davon genügte die Annahme, aus der Gesetzesbegründung ließe sich jedenfalls nicht der objektivierte Wille des Gesetzgebers entnehmen, Vertragsstrafeansprüche nicht in § 6 Abs. 1 UKlaG einzubeziehen, nicht, um eine Auslegung der Norm entgegen ihrem Wortlaut zu rechtfertigen.

(2.) Zum anderen ergibt auch die weitere Gesetzgebungshistorie keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den nach § 6 Abs. 1 UKlaG für Ansprüche aus diesem Gesetz zuständigen Oberlandesgerichten eine Kompetenz für die Entscheidung über Vertragsstrafeansprüche zuweisen wollte. Im Gegenteil zeigt eine Auswertung der Gesetzesmaterialien, dass den Oberlandesgerichten allein solche Ansprüche in erster (und in Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch in letzter) Instanz zur Entscheidung zufallen sollten, die ihre Grundlage in der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher (Verbandsklagerichtlinie) haben (vgl. KG, Urteil vom 5. November 2024 – 5 UKl 5/24, juris Rn. 81 ff.).

Ausweislich Erwägungsgrund 7 der Verbandsklagerichtlinie ist es Ziel der Richtlinie, effiziente Instrumente des kollektiven Verbraucherrechtsschutzes u.a. auf nationaler Ebene sicherzustellen, nämlich Unterlassungsklagen, durch die Zuwiderhandlungen gegen Verbraucherrecht beendet werden können, und Abhilfeklagen, durch die Verbraucherrechte durchgesetzt werden können. In Umsetzung dieser Vorgaben hat der Gesetzgeber die im deutschen Recht bis dahin nicht vorgesehene Abhilfeklage mit den Regelungen zu der bisher in der ZPO verankerten Musterfeststellungsklage in ein neues Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG) aufgenommen. Insoweit ist die ausschließliche sachliche Zuständigkeit für die vom Gesetzgeber als Verbandsklagen (im engeren Sinne) bezeichnete Abhilfeklage und die Musterfeststellungsklage im VDuG angesichts der Breitenwirkung der mit Abhilfe- und Musterfeststellungsklagen geltend gemachten Ansprüche oder Rechtsverhältnisse und der hiermit einhergehenden Bedeutung der Sache gemäß § 3 Abs. 1 VDuG den Oberlandesgerichten zugewiesen worden (vgl. BT-Drs. 20/6520, S. 70 „Zu § 3“ „Zu Absatz 1“). Indem die ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Landgerichte nach § 6 Abs. 1 UKlaG aF aufgegeben und für die Verfahren nach dem UKlaG nunmehr in § 6 Abs. 1 UKlaG eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gewählt worden ist, hat der Gesetzgeber einen Gleichlauf mit den übrigen von der Verbandsklagerichtlinie vorgesehenen Instrumenten für die effektive Durchsetzung der Verbraucherrechte hergestellt (KG, Urteil vom 5. November 2024 – 5 UKl 5/24, juris Rn. 87). Das vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 19. Oktober 2016 (I ZR 93/15, juris Rn. 25) unterstellte gesetzgeberische Ziel, die ausschließliche erstinstanzliche Zuständigkeit der Landgerichte im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und nach dem Unterlassungsklagengesetz einheitlich zu regeln, ist demgegenüber entfallen.

Diese Konzentration aller Klagen bei den Oberlandesgerichten, die nach dem VDuG und nach dem UKlaG von den prozessführungsbefugten Verbänden zum Zwecke der Durchsetzung der Verbraucherrechte erhoben werden können, sollte dabei zum einen der Erleichterung einer aufeinander abgestimmten Durchsetzung der Verbraucherrechte dienen (vgl. Meller-Hannich, DB 2023, 628, 634; KG, aaO Rn. 88). Zum anderen sollte die ausschließliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte die Verfahren beschleunigen. Hierbei ging der Gesetzgeber davon aus, dass in den künftig nach dem UKlaG geführten Verfahren überwiegend Rechtsfragen zu klären seien, so dass eine Tatsacheninstanz ebenso wie bei Musterfeststellungsklagen und Abhilfeklagen nach dem VDuG ausreichend sei (BT-Drucks. 20/6520, S. 118 „Zu Buchstabe b“). Für den Gesetzgeber stand danach bei der Bestimmung der ausschließlichen sachlichen Zuständigkeit der Oberlandesgerichte das Interesse im Vordergrund, möglichst zügig Rechtsklarheit durch höchstrichterliche Entscheidungen zu schaffen und eine effektive Rechtsdurchsetzung zu vereinfachen (vgl. Janar, GRUR 2023, 985, 986; KG, aaO).

Dieser klaren Zielvorstellung des Gesetzgebers liefe es zuwider, würde man den Oberlandesgerichten neben den Klagen nach §§ 1 ff. UKlaG auch Vertragsstrafeklagen zuweisen. So handelte es sich bei diesen Klagen schon nicht um auf Rechtsfragen fokussierte Verfahren; sie werfen vielmehr regelmäßig auch Tatsachenfragen, die im Einzelfall zu entscheiden sind, auf. Ihre beschleunigte Bearbeitung diente ferner nicht der Durchsetzung von Verbraucherrechten. Insoweit weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass das Urteil bei einer Vertragsstrafeklage als Individualklage nur inter partes wirkt, während bei der Verbandsklage die Urteilswirkung weiter reicht. Auch hemmt nach § 204a BGB die Erhebung einer einstweiligen Verfügung bzw. einer Klage nach den §§ 1 bis 2a UKlaG die Verjährung von Ansprüchen von Verbrauchern gegenüber dem Unternehmer; diese verjährungshemmende Wirkung kommt einer Vertragsstrafeklage indes nicht zu. Gerade an den Regelungen zur Verjährung wird erneut deutlich, dass der Gesetzgeber zwischen Kollektiv- und Individualklagen unterscheiden wollte und nur den ersteren zugunsten der Verbraucher eine besondere Stellung zukommen sollte.

Dass der Gesetzgeber Vertragsstrafeklagen bei der Neufassung des § 6 Abs. 1 UKlaG nicht mit aufnehmen wollte, folgt darüber hinaus aus den dem VDuG angenäherten Vorschriften zum Verfahren. Nicht nur, dass zur Geltendmachung der Ansprüche nach §§ 1 bis 2a UKlaG „auf Unterlassung, auf Widerruf und auf Beseitigung“ allein die in § 3 und § 3a UKlaG aufgenommenen Stellen berechtigt sind; auch die Pflicht zur Veröffentlichung von Klagen und Entscheidungen nach § 5a bzw. nach § 6a UKlaG zeigt, dass von dem UKlaG ausschließlich Verfahren erfasst werden sollten, die grundsätzlich die Interessen einer Vielzahl von Verbrauchern betreffen. Für eine Vertragsstrafeklage, die für andere Verfahren keine Wirkung hat, passen diese Vorschriften demgegenüber nicht; eine Veröffentlichung dieser Klagen wäre ohne Sinn. Entsprechende Vorgaben zur Veröffentlichung enthält das UWG, dessen § 14 Abs. 1 Individualklagen grundsätzlich einschließt, folgerichtig auch nur für Klagen von qualifizierten Verbraucherverbänden nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, soweit diese Ansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG gerichtlich geltend machen (§ 8 Abs. 5 Satz 2 UWG). Dies sind Ansprüche auf Beseitigung oder Unterlassung im Falle einer Wiederholungsgefahr entsprechend § 1 UKlaG, nicht aber Vertragsstrafeansprüche.

cc) Eine teleologische Betrachtung bestätigt schließlich dieses Ergebnis.

Die teleologische Interpretation gewährleistet, dass eine Norm ihrer Funktion gerecht wird und ist insbesondere bei einer nach dem Wortlaut unklaren Rechtslage bedeutsam (BVerfGE 124, 25/40). Da eine solche nach dem Wortlaut unklare Rechtslage – wie ausgeführt – schon nicht vorliegt, kommt eine teleologische Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 1 UKlaG ohnehin nur eingeschränkt in Betracht. Eine Erweiterung wäre aber auch nicht vom Zweck der Norm gedeckt.

Wie aufgezeigt soll nach dem Willen des Gesetzgebers mit § 6 Abs. 1 UKlaG maßgeblich eine Verfahrensbeschleunigung durch Zuständigkeitskonzentration bei den Oberlandesgerichten in Kollektivverfahren erreicht werden (BT-Drucksache 20/650, S. 118, „Zu Buchstabe b“). Diesem Zweck entspricht eine Erstreckung der Zuständigkeit der Oberlandesgerichte auf Vertragsstrafeklagen nicht. Denn in Vertragsstrafeverfahren sind regelmäßig auch Tatsachenfragen zu klären, die sich aus dem Einzelfall ergeben; eine Verfahrensbeschleunigung durch eine einheitliche Beurteilung scheidet – anders als bei der Frage der Zulässigkeit bestimmter Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – insoweit von vornherein aus. Dem einzelnen Fall käme im Hinblick darauf, dass die Wirksamkeit des Vertragsstrafeversprechens jeweils unter Zugrundelegung der konkreten Umstände des Einzelfalls und die Verwirkung der Strafe im Wege der Vertragsauslegung zu klären ist, keine Allgemeingültigkeit zu.

Würden Vertragsstrafeverfahren erstinstanzlich vor dem Oberlandesgericht geführt, würden diese tatsächlichen Fragen zudem nur durch eine Instanz geprüft, da nach § 6 Abs. 1 UKlaG gegen die Urteile der Oberlandesgerichte allein die Revision stattfindet. Eine „einfache“ Tatsacheninstanz ist aber gesetzlich wenigen Ausnahmefällen vorbehalten, maßgeblich bei Geringfügigkeit wegen Nichterreichens der Berufungssumme (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Gerade die von den Befürwortern einer erweiternden Auslegung hervorgehobene Bedeutung der Sache spricht dafür, dieser Bedeutung auch durch eine erneute Überprüfung der Tatsachenfeststellungen ausreichend Rechnung zu tragen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BMJ: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zuständigkeitsstreitwerts der Amtsgerichte, zum Ausbau der Spezialisierung der Justiz in Zivilsachen sowie zur Änderung weiterer prozessualer Regelungen

Das BMJ hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zuständigkeitsstreitwerts der Amtsgerichte, zum Ausbau der Spezialisierung der Justiz in Zivilsachen sowie zur Änderung weiterer prozessualer Regelungen vorgelegt.

Aus der Begründung:
A. Problem und Ziel
In Verfahren wegen bürgerlich-rechtlicher Rechtsstreitigkeiten sind je nach Fallgestaltung die Amtsgerichte oder die Langerichte als Eingangsinstanz zuständig. Dabei leisten insbesondere die Amtsgerichte als Eingangsinstanz einen wichtigen Beitrag zur Bürgernähe der Justiz. Denn durch ihre Verteilung in der Fläche wird den Bürgerinnen und Bürgern ein ortsnaher Rechtsschutz und ein leichter Zugang zur Justiz gewährleistet. Eine stark ausgeprägte und gut in der Fläche verteilte amtsgerichtliche Struktur übernimmt damit eine wichtige rechtsstaatliche Aufgabe.

Die Zahl der erstinstanzlich bei den Amtsgerichten eingegangenen Zivilverfahren ist in den letzten Jahrzehnten jedoch immer weiter zurückgegangen. Diese Schwächung ist insbesondere für kleinere Amtsgerichtsstandorte problematisch, da diese den Rückgang der Eingangszahlen nicht durch einen Abbau der Stellen kompensieren können und daher die Gefahr besteht, dass sie ganz geschlossen werden müssen. Ziel des vorliegenden Entwurfs ist daher, die Amtsgerichte in Zivilsachen zu stärken. Außerdem soll durch den Entwurf in bestimmten Bereichen die Spezialisierung in der Justiz gefördert werden.

Daneben sollen zwei Probleme der gerichtlichen Praxis adressiert werden:

Zum einen ist es Gerichten bislang nicht möglich, eine in Folge einer nachträglichen Streitwertänderung oder in Folge einer erfolgreichen Beschwerde gegen die Wertfestsetzung unrichtig gewordene Kostenentscheidung zu ändern. Dies führt zu Wertungswidersprüchen und Ungerechtigkeiten.

Zum anderen werden aufgrund der unklaren Regelung im Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz derzeit keine Richterinnen und Richter an das Bayerische Oberste Landesgericht abgeordnet. Dies hat zur Folge, dass dort bei hohem Geschäftsanfall Engpässe im richterlichen Bereich entstehen können, welche durch Abordnungen verhindert werden könnten.

Dieser Entwurf steht im Kontext der gefährdeten rechtzeitigen Erreichung der Ziele der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 25. September 2015 „Transformation unserer Welt: die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ und erhöht die Leistungsfähigkeit der Justiz im Sinne von Nachhaltigkeitsziel 16.

B. Lösung
Für die Begründung der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Amtsgerichte in Zivilsachen ist vor allem der Zuständigkeitsstreitwert entscheidend. Dieser wird derzeit in § 23 Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes auf Ansprüche festgelegt, deren Gegenstand an Geld oder Geldwert die Summe von 5 000 Euro nicht übersteigt. Diese Streitwertgrenze für die Zuständigkeit der Amtsgerichte wurde seit mehr als 30 Jahren nicht mehr angehoben. Sie wurde zuletzt im Jahr 1993 auf 10 000 DM festgesetzt; dies entspricht der noch heute geltenden Streitwertgrenze von 5 000 Euro. Daher soll unter Berücksichtigung der seitdem eingetretenen Geldwertentwicklung eine Anhebung auf 8 000 Euro erfolgen. Durch diese Anhebung werden die streitwertabhängigen Zuständigkeiten aus dem Jahr 1993 weitestgehend wiederhergestellt und die Anzahl der erstinstanzlich vor dem Amtsgericht zu verhandelnden zivilrechtlichen Verfahren wird sich wieder erhöhen.

Daneben sollen zur Förderung der Spezialisierung weitere streitwertunabhängige Zuständigkeiten der Amts- und Landgerichte geschaffen werden. Zivilrechtliche Streitigkeiten werden in einigen Rechtsgebieten zunehmend komplexer, bei anderen Rechtsgebieten spielt hingegen die Ortsnähe eine besondere Rolle. Durch die im Entwurf vorgesehene, streitwertunabhängige Zuweisung von Sachgebieten an das Amts- oder das Landgericht wird diesem Umstand Rechnung getragen, sodass Verfahren effizient und ressourcenschonend bearbeitet werden können. So sollen Streitigkeiten aus dem Bereich des Nachbarrechts den Amtsgerichten streitwertunabhängig zugewiesen werden. Bei nachbarrechtlichen Streitigkeiten spielt die Ortsnähe oft eine besondere Rolle. Streitigkeiten aus dem Bereich der Vergabesachen, der Heilbehandlungen sowie der Veröffentlichungsstreitigkeiten sollen hingegen den Landgerichten streitwertunabhängig zugewiesen werden, um so eine weitergehende Spezialisierung zu erreichen. Der Entwurf greift damit ein Anliegen der Justizministerinnen und Justizminister aller Länder auf (vergleiche Beschluss zu TOP I.3 der Frühjahrskonferenz 2023 der Justizministerinnen und Justizminister).

Außerdem soll eine Regelung in der Zivilprozessordnung geschaffen werden, die eine Änderung der vom Gericht im Urteil oder Beschluss getroffenen Kostenentscheidung nach einer nachträglichen Änderung der Festsetzung des Streit- oder des Verfahrenswertes ermöglicht. Damit wird ebenfalls ein Anliegen der Justizministerinnen und Justizminister der Länder aufgegriffen (vergleiche Beschluss zu TOP I.15 der Frühjahrskonferenz 2023 der Justizministerinnen und Justizminister). Für das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sowie in den Verfahrensordnungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Finanzgerichtsbarkeit sind jeweils entsprechende Regelungen zu schaffen.

Des Weiteren soll im Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz eine gesetzliche Klarstellung erfolgen, dass Abordnungen von Richterinnen und Richtern auch an oberste Landesgerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit möglich sind.


Den Entwurf finden Sie hier:




BGH: Zuständigkeitsregelung in § 1 VeröffAnsprKonzV NW gilt auch für Veröffentlichungen im Internet

BGH
Beschluss vom 06.06.2023
VI ZB 75/22
VeröffAnsprKonzV NW § 1


Der BGH hat entschieden, dass die Zuständigkeitsregelung in § 1 VeröffAnsprKonzV NW (Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit zur Entscheidung in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten und in Angelegenheiten der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit) auch für Veröffentlichungen im Internet gilt.

Leitsatz des BGH:
Die Zuständigkeitsregelung in § 1 der nordrhein-westfälischen KonzentrationsVerordnung über Ansprüche aus Veröffentlichungen vom 1. Oktober 2021 (GV. NRW. S. 1156) erfasst auch Streitigkeiten über Ansprüche aus Veröffentlichungen im Internet.

BGH, Beschluss vom 6. Juni 2023 - VI ZB 75/22 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Konzentrations-VO Wettbewerbsstreitsachen NRW: Ab 01.01.2022 Sonderzuständigkeit der Landgerichte Bochum, Düsseldorf und Köln für Wettbewerbsstreitigkeiten in NRW

Am 01.01.2022 tritt in NRW die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit zur Entscheidung in Wettbewerbsstreitsachen (Konzentrations-VO Wettbewerbsstreitsachen) in Kraft. Diese begründet eine Sonderzuständigkeit der Landgerichte Bochum, Düsseldorf und Köln für wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten in NRW.

Der Verordnungstext:

Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit zur Entscheidung in Wettbewerbsstreitsachen (Konzentrations-VO Wettbewerbsstreitsachen)

Vom 1. Oktober 2021

Auf Grund des § 14 Absatz 3 Satz 1 und 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 254), der durch Artikel 1 Nummer 5 des Gesetzes vom 26. November 2020 (BGBl. I S. 2568) neu gefasst worden ist, in Verbindung mit § 1 Absatz 2 Satz 1 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 26. Januar 2010 (GV. NRW. S. 30), der durch Gesetz vom 12. Juli 2019 (GV. NRW. S. 364) geändert worden ist, verordnet das Ministerium der Justiz:

§ 1 Gerichtliche Zuständigkeit

Die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die nach § 14 Absatz 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I. S. 254) in der jeweils geltenden Fassung die Landgerichte ausschließlich zuständig sind, werden zugewiesen:

1. dem Landgericht Düsseldorf
für den Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf,

2. dem Landgericht Bochum
für den Oberlandesgerichtsbezirk Hamm und

3. dem Landgericht Köln
für den Oberlandesgerichtsbezirk Köln.

§ 2 Übergangsvorschrift

Für Verfahren, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung anhängig geworden sind, verbleibt es bei der bisherigen Zuständigkeit.

§ 3 Inkrafttreten, Berichtspflicht

(1) Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2022 in Kraft.

(2) Das für die Justiz zuständige Ministerium berichtet der Landesregierung bis zum 31.Dezember 2026 und danach alle fünf Jahre über die Erfahrungen mit dieser Verordnung.


BGH: Rechtsmittelzuständigkeit bei landesgesetzlicher Konzentration nach § 105 UrhG und falsche Belehrung durch erstinsanzliches Gericht

BGH
Beschluss vom 7. Juni 2018
I ZB 48/17
Pizzafoto
ZPO § 281; ZuVOJu BW § 13 Abs. 1 Nr. 1


Leitsatz des BGH:

Besteht für eine Rechtsmittelzuständigkeit eine landesgesetzliche Konzentration nach § 105 UrhG für Urheberrechtsstreitsachen und erteilt das erstinstanzliche Gericht eine unzutreffende Belehrung über das für das Rechtsmittelverfahren zuständige Gericht, kann die Partei bei dem in der Rechtsmittelbelehrung
angeführten Gericht fristwahrend Rechtsmittel einlegen, auch wenn dessen Zuständigkeit für das Rechtsmittelverfahren tatsächlich nicht gegeben ist. Das funktional unzuständige Gericht hat die Sache entsprechend § 281 ZPO an das nach der Konzentrationsregelung zuständige Rechtsmittelgericht zu verweisen (Fortführung von BGH, GRUR 2016, 636 - Gestörter Musikvertrieb).

BGH, Beschluss vom 7. Juni 2018 - I ZB 48/17 - LG Freiburg im Breisgau - AG Staufen im Breisgau

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




OLG Köln: Begriff der Patentstreitsache nach § 143 PatG ist weit auszulegen - Sonderzuständigkeit der Patentstreitkammern der Patentstreitgerichte

OLG Köln
Urteil vom 14.07.2017
6 U 199/16


Das OLG Köln hat entschieden, dass der Begriff der Patentstreitsache nach § 143 PatG weit auszulegen ist. Die Einordnung einer Streitigkeit als Patentstreitsache hat die Sonderzuständigkeit der Patentstreitkammern der Patentstreitgerichte zur Folge.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen. Es liegt eine Patentstreitsache gemäß § 143 PatG vor, für die das Landgericht Düsseldorf ausschließlich (s. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl., Kap. 45 Rn. 7) sachlich zuständig ist.

Nach § 143 Abs. 1 PatG sind Patentstreitsachen alle Klagen, durch die ein Anspruch aus einem der im PatG geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird. Der Begriff ist gemäß der Rechtsprechung des BGH weit auszulegen. Er umfasst alle Klagen, die einen Anspruch auf eine Erfindung oder aus einer Erfindung zum Gegenstand haben oder sonstwie mit einer Erfindung eng verknüpft sind; dabei ist eine Patentstreitsache anzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine enge Verknüpfung mit einer Erfindung hinreichend dargestellt und erkennbar werden (s. BGH GRUR 2013, 662 – Patentstreitsache I, Juris-Tz. 9; BGH GRUR 2013, 756 – Patentstreitsache II, Juris-Tz. 10; Grabinski/Zülch, PatG, § 143 Rn. 1, Bl. 1509 GA). Bei Klagen, deren Anspruchsgrundlage sich – wie hier – nicht aus dem Patentgesetz ergibt, und bei denen das den Klagegrund bildende Rechtsverhältnis auch keine sonstige Regelung durch das Patentgesetz erfährt, sind Sinn und Zweck der Zuständigkeit gemäß § 143 PatG zu beachten. Damit soll gewährleistet werden, dass sowohl das Gericht als auch die zur Vertretung einer Partei berufenen und die bei der Prozessvertretung mitwirkenden Anwälte über besonderen Sachverstand verfügen, um die technische Lehre einer Erfindung und die für ihr Verständnis und die Bestimmung ihrer Reichweite maßgeblichen tatsächlichen Umstände erfassen und beurteilen zu können (BGH GRUR 2013, 756 – Patentstreitsache II, Juris-Tz. 10; BGH GRUR 2011, 662 – Patentstreitsache I, Juris-Tz. 10).

Die Klägerin macht Ansprüche aus der Vertraulichkeitsvereinbarung geltend. Wie das Landgericht zutreffend - und von den Parteien in zweiter Instanz nicht angegriffen - ausgeführt hat, kann die Klägerin hieraus die Löschung von Informationen nur dann verlangen, wenn es sich ganz oder teilweise um „ihre“ Informationen handelt. Insoweit ist maßgeblich, ob / inwieweit das Projekt Web2.T/KommA bzw. die von der Klägerin herausverlangten Dokumente auf dem Patent der Beklagten beruhen.

Für die Charakterisierung einer Sache als Patentstreitsache kommt es auf die Klage und – jedenfalls zunächst – den Sachvortrag des Klägers an (s. Grabinski/Zülch, PatG, § 143 Rn. 3, Bl. 1510 GA).

a) Die Klägerin weist zunächst zu Recht darauf hin, dass aus der Widerklage keine Patentstreitsache hergeleitet werden kann. Die ausschließliche Zuständigkeit ist zwingend, § 40 Abs. 2 ZPO. Widerklage kann daher nur dann erhoben werden, wenn für den Gegenanspruch keine andere ausschließliche sachliche Zuständigkeit besteht als für die Hauptsache, § 33 Abs. 2 ZPO (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 33 Rn. 3).

b) Der Klägerin ist auch zuzugestehen, dass es für die Einordnung des vorliegenden Verfahrens als Patentstreitsache nicht darauf ankommt, was Schwerpunkt / Kern der Auseinandersetzung ist. Allerdings ist die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf bereits dann begründet, wenn auch nur bezüglich eines der von ihr herausverlangten Dokumente, die nach der zutreffenden Ansicht der Klägerin jeweils einen eigenen Streitgegenstand bilden, von einer Patentstreitsache auszugehen ist.

Nach dem Vorbringen beider Parteien ist bezüglich des mit der Klageerweiterung vom 31.07.2015 geltend gemachten Anspruchs auf Herausgabe des Dokuments „MyComPg-Version 001“ eine enge Verknüpfung mit der Erfindung der Beklagten erkennbar. Ob für die Bewertung der Sache als eine Patentstreitsache nur auf den Sachvortrag der Klägerin abzustellen ist oder z.B. bei einem Schweigen des Klägers zu den Voraussetzungen der Zuständigkeitsnorm gemäß dem Vorbringen der Beklagten auch auf die Einwendungen der Gegenseite, kann dahinstehen. Die Klägerin hatte bereits in der Klageschrift ausgeführt, dass sich die Beklagte – nach ihrer Ansicht zu Unrecht – auf ein Patent berufe, das der Technologie für das Projekt Web2.T/KommA zugrunde liege (Bl. 23 GA). Mit Schriftsätzen vom 04.05.2015 (Bl. 419 ff. GA) und 31.07.2015 (Bl. 547 ff. GA) hat sie zur Irrelevanz des Patents für das Projekt und die zum damaligen Zeitpunkt streitgegenständlichen Dokumente vorgetragen sowie das weitgehend pauschale Vorbringen der Beklagten in der Klageerwiderung (Bl. 336, 337 GA) und im Schriftsatz vom 24.06.2015 (Bl. 509 ff.) dazu, dass das Projekt Web 2.T/KommA primär auf dem patentrechtlich geschützten Verfahren beruhe, als unschlüssig gerügt. Im Schriftsatz vom 31.07.2015 hat die Klägerin die Klage bezüglich des „überaus bedeutsamen“ Dokuments „MyComPg-Version 001“ erweitert (Bl. 576 GA). In diesem Dokument wird der sog. Dispatcher verwendet. Die Beklagte hat daraufhin in ihren Schriftsätzen vom 22.09.2015 (Bl. 610 ff. GA) und 12.11.2015 (Bl. 650 ff. GA) konkret zum sog. Dispatcher als eines zentralen Bausteins ihrer patentrechtlich geschützten Methode Stellung genommen und unter Beweisantritt behauptet, dass der Dispatcher inhaltlich bereits durch das Patent abgedeckt gewesen sei, mithin keine vertrauliche Information der Klägerin darstelle. Dem ist die Klägerin ihrerseits mit Schriftsatz vom 26.01.2016 (Bl. 799 ff. GA) vertieft entgegengetreten. Sie hat zur Irrelevanz des Patents für den sog. Dispatcher ausgeführt und dessen technische Entwicklung für sich in Anspruch genommen. Als Beleg für ihre detaillierten Behauptungen hat sie sich auf eine „Patentrechtliche Würdigung“ des Patentanwalts Molnia berufen (Bl. 800, 1472 ff. GA), der sich mit der Frage beschäftigt hat, ob und wenn ja inwieweit der sog. Dispatcher der Patentanmeldung zu entnehmen ist. Mithin hat gerade auch die Klägerin selbst in erster Instanz umfangreich zum Thema „Dispatcher“ / Dokument „MyComPg-Version 001“ und der – so die eigene Formulierung in der Berufungsbegründung – „damit verbundenen Frage nach der Relevanz des Patents“ vorgetragen.

Dass bezüglich des Dokuments „MyComPg-Version 001“ ein patentrechtlicher Bezug besteht, hat die Klägerin im Berufungsverfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung letztlich auch nicht in Abrede gstellt. So führt sie in der Berufungsbegründung aus, dass die von der Beklagten behauptete Relevanz des Patents nur einen kleinen Ausschnitt der streitgegenständlichen 50 Dokumenten betreffe, nämlich nur das Dokument „MyComPg-Version 001“, in dem es um den sog. „Dispatcher“ und seine Beschreibung gehe (Bl. 1592 GA). Im Schriftsatz vom 30.05.2017 trägt sie vor, dass ein patentrechtlicher Charakter bezüglich der 49 schon in der Klage geltend gemachten Dokumente bereits a limine ausscheide. Bei der streitigen Auseinandersetzung um die Bedeutung des Patents sei es nämlich konkret immer nur um den sog. Dispatcher und die darauf bezogenen Klageanträge gegangen. Außerhalb der auf die Dispatcher-Thematik bezogenen Dokumente und Klageanträge lasse sich eine patentrechtliche Einordnung nicht ernsthaft diskutieren (Bl. 1632, 1632a, 1633 GA). Soweit die Klägerin weiter vorträgt, dass ein patentrechtlicher Charakter auch im Übrigen zu verneinen sei, begründet sie dies mit einem Verweis auf ihr Vorbringen in der Berufungsbegründung, in dem lediglich das prozessuale Vorgehen des Landgerichts gerügt wird (Bl. 1632, 1595 GA). Außerdem trägt sie anschließend vor, dass sich über den sog. Dispatcher die „streitgegenständliche Diskussion über die Bedeutung des von der Beklagten geltend gemachten Patents“ drehe, und dass es sich bei dem Thema „Dispatcher“ um das Streitthema „Patent“ handele (Bl. 1640 GA).

Damit liegt unter Zugrundelegung des Vorbringens der Klägerin eine Patentstreitsache vor. Die Beurteilung, ob der sog. Dispatcher im Patent der Beklagten angelegt ist oder eine technische Entwicklung der Klägerin darstellt, und ob/inwieweit die patentrechtlich geschützten Ergebnisse in den Dispatcher bzw. das Dokument „MyComPg-Version 001“ eingegangen sind, erfordert besonderen Sachverstand. Immerhin hat die Klägerin sich für ihr Vorbringen in erster Instanz auf eine umfangreiche patentrechtliche Würdigung gestützt (Bl. 800, 1472 GA). In der Berufungsbegründung führt die Klägerin sogar ausdrücklich aus, dass der Teil des Rechtsstreits, bei dem es um den sog. Dispatcher gehe, nicht entschieden werden könne ohne Beweisaufnahme darüber, ob die Behauptung der Beklagten von der Relevanz des Patents zutreffe, dass die Beweisführung hierüber nicht ohne Einschaltung eines Patentanwalts durchführbar sein werde, dass eine Antwort auf diese streitige Frage besonderen Sachverstand erfordere, und dass die Qualifikation als Patentstreitigkeit „- soweit es den Dispatcher betraf -“ unabweisbar sei, wenn man die vom Gericht selbst genannten Kriterien des „besonderen Sachverstandes“ bzw. des „Verständnisses der Erfindung“ als für die Einordnung maßgeblich und ausreichend erachte (Bl. 1597 GA). Die Ausführungen der Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung im – insoweit nicht nachgelassenen – Schriftsatz vom 05.07.2017 dazu, dass das Vorbringen der Beklagten zum Dokument „MyComPg-Version 001“ unerheblich sei und als wahr unterstellt werden könne, sowie dazu, dass der Streit um die Herausgabe dieses Dokuments und die damit verbundene Auseinandersetzung über den Dispatcher ohne patentrechtlichen Sachverstand gelöst werden könne, sind mit dem Vortrag in der Berufungsbegründung unvereinbar.

Die vom Landgericht vorgenommen Bewertung des vorliegenden Verfahrens als eine Patentstreitsache entspricht dem bei der Auslegung des Begriffs zu beachtenden (s.o.) Sinn und Zweck der Konzentrationswirkung des § 143 PatG; das vom Landgericht herangezogene Kriterium des patentrechtlichen Sachverstandes (s. Urteil S. 13) ist nach der Rechtsprechung des BGH (s.o.) nicht zu beanstanden.

Der Haupteinwand der Klägerin gegen die Qualifikation des vorliegenden Verfahrens als Patentstreitigkeit besteht letztlich darin, dass das Landgericht innerhalb des Prozesses des vertieften Vorbringens der Parteien zum sog. Dispatcher eine in ihren Kriterien nicht nachvollziehbare Zäsur gezogen habe, von der an erst eine Patentstreitigkeit gegeben sein solle. Es habe auf der Hand gelegen, dass auch schon vor der mündlichen Verhandlung vom 01.10.2015 die Qualifikation als Patentstreitigkeit, soweit es den sog. Dispatcher betroffen habe, unabweisbar gewesen sei (Bl. 1597 GA). Ob das Landgericht zur Feststellung einer Patentstreitsache schon vor der mündlichen Verhandlung vom 01.10.2015 hätte kommen können oder – gemäß dem Hinweis vom 24.02.2016 – erst nach u.a. Vorlage der annotierten Fassung der Patentanmeldung, ist indes nicht entscheidungserheblich. Im übrigen ist die von der Klägerin gerügte unklare Zäsur innerhalb des Prozesses einer schrittweisen Vertiefung des streitigen Vorbringens zur Relevanz des Patents in der weiten Auslegung des Begriffs der Patentstreitsache angelegt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Patentstreitsache anzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine enge Verknüpfung mit einer Erfindung „hinreichend dargestellt und erkennbar werden“ (BGH GRUR 2013, 662 – Patentstreitsache I, Juris-Tz. 9; BGH GRUR 2013, 756 – Patentstreitsache II, Juris-Tz. 10). Insoweit kann sich die Beurteilung im Lauf des Prozesses ändern (vgl. Busse, PatG, 8. Aufl., § 143 Rn. 51)."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:





LG Mannheim: Sonderzuständigkeit der Landgerichte nach § 13 UWG für Ansprüche auf Zahlung einer Vertragsstrafe wenn Unterlassungserklärung wegen eines Wettbewerbsverstoßes abgegeben wurde

LG Mannheim
Beschluss vom 28.04.2015
2 O 46/15


Das LG Mannheim hat entschieden, dass eine Sonderzuständigkeit der Landgerichte nach § 13 UWG für Ansprüche auf Zahlung einer Vertragsstrafe besteht, wenn die dem Anspruch zugrunde liegende strafbewehrte Unterlassungserklärung wegen eines Wettbewerbsverstoßes abgegeben wurde. Die Frage ist umstritten, die Rechtsansicht des LG Mannheim aber richtig.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Nach Ansicht der Kammer sind Ansprüche auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einem Unterlassungsvertrag, der zum Zweck der Unterwerfung gegenüber wettbewerblichen Ansprüchen geschlossen worden ist, als solche aufgrund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb im Sinn des § 13 UWG und des § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG anzusehen.

a) Dies ist allerdings in Rechtsprechung und Literatur umstritten und höchstrichterlich bisher nicht geklärt (siehe BGH, GRUR 2012, 730 Rn. 23 - Bauheizgerät; BGH, MDR 2015, 51 Rn. 10 mit Anm. Vollkommer).

aa) Teilweise wird die Anwendung der Zuständigkeitsregel in § 13 UWG auf eine Vertragsstrafenklage mit der Begründung verneint, ihr stehe deren Wortlaut - insbesondere im Vergleich mit den Formulierungen der parallelen Vorschriften in § 140 Abs. 1 MarkenG und § 104 Abs. 1 UrhG - entgegen, weil eine Vertragstrafenforderung nicht auf Grund des Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb erhoben, sondern auf eine vertragliche Vereinbarung gestützt würde, die den gesetzlichen Unterlassungsanspruch gerade ersetzen sollte. Der Zweck der Zuständigkeitskonzentration gebiete keine erweiternde Auslegung von § 13 UWG, weil es in der Sache gerade nicht um wettbewerbsrechtliche Ansprüche, sondern um allgemeine vertragsrechtliche Fragen, insbesondere der Vertragsauslegung, und die Anwendung von § 339 BGB gehe (OLG Rostock, GRUR 2014, 304; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl, § 13 Rn. 2; Teplitzky, 10. Aufl., Kap. 45 Rn. 5; Retzer in: Harte-Bevendamme/Henning-Bodewig, UWG, 3. Aufl., § 13 Rn. 9; Ahrens/Bähr, 6. Aufl., Kap. 17 Rn. 37; Hess in Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 13 UWG Rn. 11; Rieble, JZ 2009, 716; s.a. OLG Köln, Beschluss vom 5. Juni 2014 - I-8 AR 68/14, juris Rn. 10; weitere Nachweise bei BGH, aaO - Bauheizgerät). Gegen die Anwendung von § 13 UWG auf die Vertragstrafenforderung wird zudem eingewandt, dass § 14 Abs. 2 UWG dann genauso auszulegen sei, letzteres aber nicht haltbar wäre (Teplitzky, 10. Aufl., Kap. 45 Rn. 5 mit Fn. 48).

bb) Nach anderer Ansicht soll § 13 UWG auch auf die Einforderung der Vertragsstrafe angewandt werden, um - gemäß den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen - die Amtsgerichte von einer Befassung mit spezifischen Fragen des Wettbewerbsrechts, die sich auch bei der Beurteilung der Verwirkung einer Vertragsstrafe stellen könnten, zu entlasten und einen inhaltlichen Gleichklang mit anderen Zuständigkeitsvorschriften im gewerblichen Rechtsschutz herzustellen. Im Übrigen könne durch eine streitwertunabhängige Zuständigkeit der Landgerichte der Anreiz vermieden werden, die Vereinbarung zur Höhe einer Vertragsstrafe sachwidrig an Zuständigkeitsgrenzen, insbesondere durch die Wahl eines Betrags von 5.001 EUR auszurichten. Dieses weite Verständnis sei auch mit dem Wortlaut vereinbar, weil die strafbewehrte Unterlassungserklärung dazu diene, die Wiederholungsgefahr bezüglich des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs entfallen zu lassen und auch Eingang in § 12 Abs. 1 UWG gefunden habe, so dass der Vertragsstrafeanspruch auf einen Anspruch auf Grund des UWG zurückzuführen sei (OLG Jena, GRUR-RR 2011, 199 mwN; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 13 Rn. 7 f; Ottofülling in MünchKomm UWG, 2. Aufl, § 12 Rn. 270; Ehricke in: MünchKomm UWG, 2. Aufl., § 13 Rn. 10; Zöllner in Cepl/Voß, ZPO, § 1 Rn. 103; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 13 Rn. 2 mwN; Goldbeck, WRP 2006, 37, 38 ff; s.a. Deichfuß, jurisPR-WettbR 3/2011 Anm. 3).

b) Die Kammer schließt sich der letzten Ansicht an.

[...]

Der Zweck, die Erfahrung der hauptsächlich mit UWG-Verfahren befassten Gerichte zu nutzen und insbesondere Amtsgerichte von solchen Verfahren zu entlasten, greift auch bei Streitigkeiten um die Verwirkung einer Vertragsstrafe und deren Höhe. Bei Ansprüchen aus wettbewerbsrechtlichen Unterwerfungsvereinbarungen treten nicht selten ähnliche spezifische Probleme wie bei originären Ansprüchen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb auf (insoweit und de lege ferenda zustimmend Teplitzky, aaO mit Fn. 46, 50; aA Rieble, aaO S. 717, der allerdings auf S. 718 Ausnahmen eingesteht).

Der spezifische Sachverstand des Wettbewerbsgerichts kann beispielsweise bei der Vertragsauslegung zum Zug kommen, etwa bei der Bestimmung der Reichweite der Unterlassungspflicht, bei der im Einzelfall zu berücksichtigen sein kann, wie weit die für kerngleiche Handlungen begründete Wiederholungsgefahr im Sinn des § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG aufgrund der vorangegangenen (angeblichen) Verletzungshandlung ging. Freilich sind die Parteien bei der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages frei; seine Auslegung richtet sich deshalb nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen. Ein unmittelbarer Rückgriff auf die Grundsätze, die für die Auslegung eines in gleicher Weise formulierten Unterlassungstitels gelten, kommt danach nicht in Betracht. Zur Auslegung sind neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien und ihre Interessenlage heranzuziehen. Nach diesen Grundsätzen spricht allerdings der regelmäßig anzunehmende Zweck eines Unterlassungsvertrages, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr auszuräumen und eine darauf gestützte Klage zu vermeiden, erfahrungsgemäß dafür, dass die Vertragsparteien durch ihn auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten (BGH, GRUR 1997, 931, 932 - Sekundenschnell)."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

AG Rostock: Wettbewerbsrechtliche Sonderzuzuständigkeit der Landgerichte nach § 13 Abs. 2 UWG gilt auch für Klage auf Zahlung einer Vertragsstrafe

AG Rostock
Beschluss vom 15.04.2014
42 C 43/14


Das AG Rostock hat entschieden, dass die wettbewerbsrechtliche Sonderzuzuständigkeit der Landgerichte nach § 13 Abs. 2 UWG auch für Klagen auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einer Unterlassungserklärung, die wegen eines Wettbewerbsverstoßes abgegen wurde, gilt.

Die wohl überwiegende Meinung sieht dies jedoch anders, da der Wortlaut der Vorschrift auf Ansprüche aus dem UWG abstellt und es sich bei einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung um eine eigenständige vertragliche Regelung handelt.

BGH: Honorarstreitigkeit zwischen Anwalt und Mandant in Filesharing-Sache ist keine Urheberrechtsstreitigkeit - keine Sonderzuständigkeit

BGH
Beschluss vom 17.01.2013
I ZR 194/12


Der BGH hat wenig überraschend entschieden, dass eine Honorarstreitikgeit zwischen Anwalt und Mandant in Filesharing-Sachen keine Urheberrechtsstreitigkeit ist und somit auch keine Sonderzuständigkeit des Gerichts begründet wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
"Danach handelt es sich bei einer Klage auf Zahlung des Rechtsanwaltshonorars für die Beratung und Vertretung in einer Urheberrechtssache nicht um eine Urheberrechtsstreitigkeit. Die Honorarforderung beruht nicht auf dem Urheberrecht und hängt auch nicht von einem im Urheberrechtsgesetz geregelten
Rechtsverhältnis ab; sie ergibt sich vielmehr aus dem Rechtsanwaltsvertrag, dem bürgerlichen Recht und dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts wird zwar inhaltlich von dem der Beauftragung zugrundeliegenden Sachverhalt bestimmt. Dies führt jedoch nicht dazu, dass das
rechtsanwaltliche Vertragsverhältnis den rechtlichen Charakter der zugrundeliegenden Rechtsangelegenheit teilt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27. April
2012 - 32 SA 29/12, juris Rn. 7)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: