Leitsatz des Bundesverwaltungsgerichts:
Betreibt eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien eigene Seiten oder Kanäle, kann wegen der für alle Nutzer bestehenden Möglichkeit, dort eingestellte Beiträge zu kommentieren, eine technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten vorliegen, deren Einrichtung oder Anwendung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Diese Frage entzieht sich einer generellen Beantwortung, sondern ist nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen.
Aus dem Entwurf: A. Problem und Ziel
Am 16. November 2022 ist die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG in Kraft getreten (im Folgenden „Digital Services Act“ oder „DSA“). Die Verordnung gilt ab dem 17. Februar 2024. Mit der Verordnung wird ein horizontaler Rechtsrahmen für digitale Dienste geschaffen.
Ziel des DSA ist es, einheitliche horizontale Regeln festzulegen für ein sicheres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld. Zudem soll eine robuste und dauerhafte Aufsichtsstruktur aufgesetzt werden, die eine wirksame Aufsicht über Online-Plattformen in Europa sicherstellt. Als neue Aufsichtsbehörde soll in jedem Mitgliedstaat ein Koordinator für digitale Dienste eingesetzt werden, der Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern aus dem jeweiligen Mitgliedstaat entgegennehmen und Zugriff auf die Daten der Plattformen erhalten soll. Ergänzend regelt der DSA das Verhältnis der Plattformen zu ihren Nutzerinnen und Nutzern neu. Die Anbieter müssen ein Melde- und Beschwerdeverfahren für illegale Inhalte vorhalten. Zudem werden Online-Plattformen zu Maßnahmen gegen illegale Aktivitäten und Missbrauch der Meldeverfahren verpflichtet. Vertrauenswürdige Hinweisgeber sollen bei Meldungen bevorzugt werden. Online-Marktplätze müssen die Händler, die auf ihren Plattformen Produkte oder Dienstleistungen anbieten, vorher überprüfen. Ferner sieht der DSA Transparenzverpflichtungen für kommerzielle Werbung vor, sowie strengere Verpflichtungen für sehr große Plattformen / Suchmaschinen (mit mehr als 45 Mio. Nutzern in der EU) als für kleine und mittlere Anbieter vor. Dies alles soll ein sicheres digitales Umfeld fördern. Schließlich wird ein Rahmen für die Umsetzung, die Zusammenarbeit, für Sanktionen und die Durchsetzung des DSA angelegt, der konkrete, an die Mitgliedstaaten gerichteten Regelungsaufträge enthält. Neben einer Durchführung im nationalen Recht erfordert der DSA auch eine Überprüfung und Anpassung des bestehenden nationalen Rechts.
B. Lösung
Der DSA ist im nationalen Recht durchzuführen und das nationale Recht ist anzupassen. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und zur Änderung weiterer Gesetze (Digitale-Dienste-Gesetzes, oder DDG) ist der nationale Rechtsrahmen auf die Vorgaben des DSA auszurichten und anzupassen. Bestehende nationale Regelungen, die sich zu Angelegenheiten verhalten, die durch den DSA geregelt werden, sind im Lichte der vom europäischen Gesetzgeber bezweckten vollständigen Harmonisierung des Regulierungsrahmens für digitale Dienste, abzulösen. Zur Durchführung des DSA sind insbesondere die zuständige nationale Koordinierungsstelle für die Beaufsichtigung der Anbieter von Vermittlungsdiensten und zur Durchsetzung des DSA zu benennen, Sanktionsvorschriften zu erlassen und erforderliche Gesetzesänderungen vorzunehmen
Das BVerwG hat entschieden, dass Social Media-Auftritte der öffentlichen Verwaltung mit freigeschalteter Kommentarfunktion mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein können.
Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts: Soziale Medien mit Kommentarfunktion können mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein
Betreibt eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien eigene Seiten oder Kanäle, kann wegen der für alle Nutzer bestehenden Möglichkeit, dort eingestellte Beiträge zu kommentieren, eine technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten vorliegen, deren Einrichtung oder Anwendung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund unterhält (teilweise zusammen mit anderen Rentenversicherungsträgern) im Rahmen ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und zur Personalgewinnung bei Facebook, Instagram und Twitter eigene Seiten und Kanäle. Von ihr dort eingestellte Beiträge können Nutzer nach eigenem Belieben kommentieren und dabei auch Verhalten oder Leistung einzelner Beschäftigter thematisieren. Beiträge und Kommentare werden von den sozialen Medien gespeichert, aber dort nicht für die Dienststelle ausgewertet. Während das Verwaltungsgericht ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bejaht hat, hat das Oberverwaltungsgericht dessen Bestehen verneint.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Frage, ob die Einrichtung oder Anwendung von Seiten oder Kanälen mit Kommentarfunktion, die eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien unterhält, der Mitbestimmung durch den Personalrat unterliegen, nicht generell, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles beantwortet werden kann. Nach der einschlägigen Regelung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) hat der Personalrat mitzubestimmen bei der Einrichtung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (§ 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG in der bis zum 14. Juni 2021 und inhaltsgleich nunmehr § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG in der seither geltenden Fassung). Dieses Mitbestimmungsrecht dient dem Schutz der Persönlichkeit der Beschäftigten am Arbeitsplatz und soll gewährleisten, dass Beschäftigte nicht durch eine technische Einrichtung eine ständige Überwachung befürchten müssen und dadurch unter einen Überwachungsdruck geraten. Dieser Schutzzweck gebietet es entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, bereits das Speichern von Nutzerkommentaren mit verhaltens- oder leistungsbezogenen Angaben als selbstständige (Überwachungs-)Leistung einer technischen Einrichtung anzusehen. Denn es birgt grundsätzlich die Gefahr in sich, dass die Dienststelle diese Daten auch auswertet, wodurch ein Überwachungsdruck bei den Beschäftigten erzeugt werden kann. Das Speichern der in Rede stehenden Kommentare kann zudem zur Überwachung der Beschäftigten "bestimmt" sein. Für ein solches Bestimmtsein reicht es aus, dass die Datenspeicherung objektiv zur Überwachung geeignet ist.
Ob das der Fall ist, hängt beim Betreiben der in Rede stehenden sozialen Medien wegen der ungewissen, nur möglichen Eingabe entsprechender Verhaltens- oder Leistungsdaten durch Dritte in tatsächlicher Hinsicht davon ab, ob bei objektiver Betrachtung im konkreten Fall eine nach Maßgabe des Schutzzwecks des Mitbestimmungstatbestandes hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Einstellen entsprechender Nutzerkommentare gegeben ist. Hierfür ist zunächst die Konzeption des von der Dienststellenleitung verantworteten Auftritts der Dienststelle in den sozialen Medien von Bedeutung. Berichtet die Dienststellenleitung beispielsweise selbst über konkrete Beschäftigte und ihr Tätigkeitsfeld und lenkt damit den Blick des Publikums auf das dienstliche Verhalten und die Leistung von Beschäftigten, können hierauf bezogene Nutzerkommentare erwartet werden. Demgegenüber wird von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für die Anbringung entsprechender Kommentare in der Regel nicht auszugehen sein, wenn Auftritte der Dienststelle in sozialen Medien sachbezogen in allgemeiner Form lediglich über Aufgaben der Dienststelle oder etwa ohne Bezüge zu bestimmten Beschäftigten in Form von Pressemitteilungen über die Tätigkeit der Dienststelle informieren. Darüber hinaus ist das tatsächliche Verhalten der Nutzer in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Kommt es insbesondere erst im Verlaufe des Betriebs zu einer nennenswerten Zahl verhaltens- oder leistungsbezogener Nutzerkommentare, kann die Überwachungseignung eine gegenüber der ursprünglichen Prognose andere Relevanz erhalten und zu bejahen sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Betrachters das Entstehen eines Überwachungsdrucks deshalb nicht anzunehmen ist, weil die Dienststellenleitung derartige Kommentare ohne vorherige Auswertung schnellstmöglich löscht.
Da das Oberverwaltungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – die danach erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bislang nicht getroffen hat, war der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuverweisen.
Das LG Frankfurt hat wie erwartet entschieden, dass Twitter wie Facebook bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Tweets und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen muss.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Persönlichkeitsrecht - Ehrverletzung durch herabwürdigenden Tweet
Twitter muss bei einem konkreten Hinweis auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auch kerngleiche Äußerungen entfernen.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat heute entschieden: Betroffene können von Twitter verlangen, dass falsche oder ehrverletzende Tweets über sie gelöscht werden. Auch sinngemäße Kommentare mit identischem Äußerungskern muss Twitter entfernen, sobald es von der konkreten Persönlichkeitsrechtsverletzung Kenntnis erlangt.
Im September 2022 erschienen auf Twitter diverse Kommentare, in denen wahrheitswidrig behauptet wurde, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg habe „eine Nähe zur Pädophilie“ und er habe „einen Seitensprung gemacht“. Außerdem wurde über ihn verbreitet, er sei in „antisemitische Skandale“ verstrickt und er sei „Teil eines antisemitischen Packs“.
Die zuständige Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main stellte in einem Eilverfahren fest, dass diese ehrenrührigen Behauptungen unwahr sind. Die Bezeichnung als Antisemit sei zwar zunächst eine Meinungsäußerung. Sie sei aber jedenfalls in dem gewählten Kontext rechtswidrig, denn sie trage nicht zur öffentlichen Meinungsbildung bei und ziele erkennbar darauf ab, in emotionalisierender Form Stimmung gegen den Antisemitismusbeauftragten zu machen.
Nachdem der Antisemitismusbeauftragte die Entfernung dieser Kommentare verlangt hat, hätte Twitter ihre Verbreitung unverzüglich unterlassen und einstellen müssen. Darüber hinaus entschied die Kammer: „Das Unterlassungsgebot greift nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt wird, sondern auch, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß erneut veröffentlicht werden.“ Unter weiter: „Die Äußerungen werden nicht in jeglichem Kontext untersagt. Betroffen sind nur solche Kommentare, die als gleichwertig anzusehen sind und die trotz gewisser Abweichungen einen identischen Äußerungskern aufweisen.“
Twitter werde damit auch keine allgemeine Monitoring-Pflicht im Hinblick auf seine rund 237 Mio. Nutzer auferlegt. Eine Prüfpflicht bestehe nämlich nur hinsichtlich der konkret beanstandeten Persönlichkeitsrechtsverletzung. „Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Twitter befindet sich damit in keiner anderen Situation, als wenn eine bestimmte Rechtsverletzung gemeldet wird. Auch in diesem Fall muss Twitter prüfen, ob diese Rechtsverletzung eine Löschung bedingt oder nicht“, so die Vorsitzende in der Urteilsbegründung.
Als zulässig erachtete die Kammer indes die Äußerung eines Nutzers, wonach der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg in die jährlich vom Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles veröffentlichte Liste der größten Antisemiten weltweit aufgenommen worden ist. Unabhängig davon, ob die Aufnahme in diese Liste gerechtfertigt sei, dürfe darüber informiert werden. Dagegen müsse sich der Antisemitismusbeauftragte im öffentlichen Meinungskampf zur Wehr setzen.
Das Urteil (Az. 2-03 O 325/22) ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden. Die Entscheidung wird in Kürze unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abrufbar sein.
Ergänzender Hinweis:
Dieselbe Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main hatte mit Urteil vom 8.4.2022 (Az.: 2-03 O 188/21) entschieden, dass in einer Wort-Bild-Kombination (sog. „Meme“) unterge-schobene Falschzitate auf Facebook auch ohne erneuten Hinweis gelöscht werden müssen, wenn sie einen kerngleichen Inhalt aufweisen. Geklagt hatte dort MdB Renate Künast.
EU-Parlament und EU-Rat haben sich über den Digital Services Act bzw. das Gesetz über digitale Dienste geeinigt.
Die Pressemitteilung der EU:
Digital Services Act: agreement for a transparent and safe online environment
- Access to platforms’ algorithms now possible
- Online platforms will have to remove illegal products, services or content swiftly after they have been reported
- Protection of minors online reinforced; additional bans on targeted advertising for minors as well as targeting based on sensitive data
- Users will be better informed how content is recommended to them
EU negotiators agree on landmark rules to effectively tackle the spread of illegal content online and protect people's fundamental rights in the digital sphere.
On Friday, Parliament and Council reached a provisional political agreement on the Digital Services Act (DSA). Together with the Digital Markets Act, the DSA will set the standards for a safer and more open digital space for users and a level playing field for companies for years to come.
More responsible online platforms
Under the new rules, intermediary services, namely online platforms - such as social media and marketplaces - will have to take measures to protect their users from illegal content, goods and services.
Algorithmic accountability: the European Commission as well as the member states will have access to the algorithms of very large online platforms;
Swift removal of illegal content online, including products, services: a clearer “notice and action” procedure where users will be empowered to report illegal content online and online platforms will have to act quickly;
Fundamental rights to be protected also online: stronger safeguards to ensure notices are processed in a non-arbitrary and non-discriminatory manner and with respect for fundamental rights, including the freedom of expression and data protection;
More responsible online marketplaces: they have to ensure that consumers can purchase safe products or services online, by strengthening checks to prove that the information provided by traders is reliable (“Know Your Business Customer” principle) and make efforts to prevent illegal content appearing on their platforms, including through random checks;
Victims of cyber violence will be better protected especially against non-consensual sharing (revenge porn) with immediate takedowns;
Penalties: online platforms and search engines can be fined up to 6% of their worldwide turnover. In the case of very large online platforms (with more that 45 million users), the EU Commission will have exclusive power to demand compliance;
Fewer burdens and more time to adapt for SMEs: longer period to apply the new rules will support innovation in the digital economy. The Commission will follow closely the potential economic effects of the new obligations on small businesses.
Safer online space for users
New transparency obligations for platforms will allow users to be better informed about how content is recommended to them (recommender systems) and to choose at least one option not based on profiling;
Online advertising: users will have better control over how their personal data are used. Targeted advertising is banned when it comes to sensitive data (e.g. based on sexual orientation, religion, ethnicity);
Protection of minors: platforms accessible to minors will have to take specific measures to protect them, including by fully banning targeted advertising;
Manipulating users’ choices through ‘dark patterns’ will be prohibited: online platforms and marketplaces should not nudge people into using their services, for example by giving more prominence to a particular choice or urging the recipient to change their choice via interfering pop-ups. Moreover, cancelling a subscription for a service should become as easy as subscribing to it;
Compensation: recipients of digital services will have a right to seek redress for any damages or loss suffered due to infringements by platforms.
Harmful content and disinformation
Very large online platforms will have to comply with stricter obligations under the DSA, proportionate to the significant societal risks they pose when disseminating illegal and harmful content, including disinformation.
Very large online platforms will have to assess and mitigate systemic risks and be subject to independent audits each year. In addition, those large platforms that use so-called “recommender systems” (algorithms that determine what users see) must provide at least one option that is not based on profiling;
Special measures in times of crisis: when a crisis occurs, such as a public security or health threat, the Commission may require very large platforms to limit any urgent threats on its platforms. These specific actions are limited to three months.
Quote
“The Digital Services Act will set new global standards. Citizens will have better control over how their data are used by online platforms and big tech-companies. We have finally made sure that what is illegal offline is also illegal online. For the European Parliament, additional obligations on algorithmic transparency and disinformation are important achievements,” said rapporteur Christel Schaldemose (DK, S&D). “These new rules also guarantee more choice for users and new obligations for platforms on targeted ads, including bans to target minors and restricting data harvesting for profiling.”
Next steps
The text will need to be finalised at technical level and verified by lawyer-linguists, before both Parliament and Council give their formal approval. Once this process is completed, it will come into force 20 days after its publication in the EU Official Journal and the rules will start to apply 15 months later.
From 23 to 27 May, a delegation from the EP’s Internal Market Committee will visit several company headquarters (Meta, Google, Apple and others) in Silicon Valley to discuss in person the Digital Services Act package, and other digital legislation in the pipeline, and hear the position of American companies, start-ups, academia and government officials.
Das LG Frankfurt hat entschieden, dass der Betreiber eines sozialen Netzwerks (hier: Facebook / Meta) bei ehrverletzenden Inhalten auch kerngleiche Inhalte und Memes ohne erneute Inkenntnissetzung automatisch löschen muss.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Ehrverletzung durch Falschzitat in sozialem Netzwerk
Diensteanbieter muss Varianten mit kerngleichem Inhalt ohne erneuten Hinweis sperren.
Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast kann verlangen, dass eine bestimmte Wort-Bild-Kombination (sog. „Meme“) mit einem ihr untergeschobenen Falschzitat auf Facebook gesperrt wird. Auch Varianten dieses Memes mit kerngleichem Inhalt muss das soziale Netzwerk ohne erneuten Hinweis auf die jeweilige URL löschen. Renate Künast steht wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts außerdem ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Betreiberin von Facebook zu.
Auf Facebook erschien ein Bild von Renate Künast, dem folgendes Zitat beigefügt war: „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“ Dieses Zitat ist falsch. Renate Künast hat die Äußerung nicht getätigt. Sie verlangte von Meta als Betreiberin von Facebook die Löschung des Eintrages. Der Post wurde außerdem in verschiedenen Varianten veröffentlicht, etwa mit verändertem Layout oder durch Erweiterung oder Weglassen von Textinhalten, durch Tippfehler oder durch Veränderung für das Auge nicht wahrnehmbarer Pixel. Diese Varianten haben eine andere URL als das ursprüngliche, von Renate Künast zunächst beanstandete Meme.
Vor dem Landgericht Frankfurt am Main hat Renate Künast darauf geklagt, dass Meta es unterlässt, Memes mit kerngleichem Inhalt auf Facebook öffentlich zugänglich machen zu lassen. Mit Urteil vom heutigen Tage hat eine Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main ihrer Klage stattgegeben.
Durch das Falschzitat werde Renate Künast in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Ein Diensteanbieter müsse zwar nicht ohne einen Hinweis alle ins Netz gestellten Beiträge auf eine eventuelle Rechtsverletzung prüfen. „Nachdem Renate Künast aber konkret darauf hingewiesen hatte, dass die ihr zugeschriebene Äußerung ein falsches Zitat ist, muss sie diesen Hinweis nicht für jeden weiteren Rechtsverstoß unter Angabe der URL wiederholen,“ erklärte die Vorsitzende der Kammer in der Urteilsbegründung. „Denn für die Beklagte ist unschwer erkennbar, dass es sich bei Varianten mit kerngleichem Inhalt um Falschzitate handelt.“ Und weiter: „Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Das gilt auch in diesem Fall.“
Die Kammer stellte weiter fest: „Die Beklagte hat nicht dargetan, dass es ihr technisch und wirtschaftlich nicht zumutbar ist, ohne konkrete Bezeichnung der URL identische und ähnliche Memes zu erkennen und zwar auch, wenn für die Beurteilung eines abgewandelten Textes in einem Eintrag eine menschliche Moderationsentscheidung notwendig wird“.
In seinem Urteil billigte die Pressekammer Renate Künast außerdem eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro zu. Meta treffe aufgrund der Veröffentlichung der persönlichkeitsrechts-verletzenden Posts eine Mitverantwortung. Denn Meta sei ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, ihre Plattform von weiteren Falschzitaten zu befreien. Die Schwere der Rechtsverletzungen rechtfertige das Schmerzensgeld. Renate Künast sei aufgrund der Falschzitate Anfeindungen ausgesetzt gewesen.
Die Kammer erklärte: „Die Glaubwürdigkeit ist das Kapital eines jeden Menschen, besonders einer Politikerin. Diese Glaubwürdigkeit wird durch das Zuschreiben von Falschzitaten beschädigt. Dies ist ehrenrührig und beeinträchtigt das Persönlichkeitsrecht der Falschzitierten. Falschzitate verzerren auch den Meinungskampf und sie schaden der Allgemeinheit.“
Das heutige Urteil (Aktenzeichen 2-03 O 188/21) ist nicht rechtskräftig.
OLG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 23.03.2022 9 Wx 23/21
Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass Instagram dem Geschädigten bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung Auskunft über E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Nutzers geben muss.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Auskunftsanspruch gegen Betreiberin einer Social-Media-Plattform bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts
Die Betreiberin der Plattform www.instagram.com ist verpflichtet, über den Namen, die E-Mail-Adresse und die Telefonnummer eines Nutzers Auskunft zu erteilen, wenn durch den Inhalt des Nutzer-Accounts eine strafrechtlich relevante Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfolgt. Dem Auskunftsantrag einer verletzten Person hat der 9. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in dieser Woche stattgegeben.
Zum Sachverhalt: Eine der Antragstellerin unbekannte Person eröffnete zu einem unbekannten Zeitpunkt einen Account auf der Social-Media-Plattform „Instagram“ mit einem Nutzernamen, der den Vornamen der Antragstellerin und die Angabe „wurde gehackt“ enthielt. In den Account wurden Bilder eingestellt, die eine lediglich mit Unterwäsche bekleidete junge Frau zeigten, deren Gesicht jeweils durch ein Smartphone verdeckt war. Auf den Fotos waren Äußerungen zu lesen, die den Eindruck erweckten, die abgebildete Person sei an einer Vielzahl von sexuellen Kontakten interessiert. Nachdem die Antragstellerin von anderen Personen erkannt und auf den Inhalt des Accounts angesprochen worden war, meldete sie das Konto bei der Plattformbetreiberin und es wurde gesperrt. Das Landgericht hat ihren Antrag, Auskunft über die Nutzungsdaten zu erteilen, abgelehnt. Die gegen diese Ablehnung gerichtete Beschwerde vor dem 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hatte im Hinblick auf den Namen, die E-Mail-Adresse und die Telefonnummer des Nutzers Erfolg.
Aus den Gründen: Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Auskunftserteilung über Bestandsdaten gegenüber der Betreiberin der Social-Media-Plattform „Instagram“ nach § 21 Abs. 2, Abs. 3 Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG). Ein solcher Auskunftsanspruch besteht, soweit die Auskunft zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte erforderlich ist. Vorliegend erfüllen die Schaffung des Fake-Accounts und das Einstellen der Fotos mit Kommentaren im Zusammenhang gesehen den Tatbestand der Beleidigung im Sinne des § 185 StGB. Durch das Erstellen des Fake-Accounts und Hochladen der Fotos nebst Kommentaren wird suggeriert, die Antragstellerin wolle sich auf diese Weise zur Schau stellen und den Besuchern der Seite ihr sexuelles Interesse mitteilen. Dadurch, dass ihr diese unsittliche Verhaltensweise zugeordnet wird, wird der soziale Geltungswert der Antragstellerin gemindert. Dies stellt eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB dar. Um ihre Rechte gegenüber dem unbekannten Ersteller des Fake-Accounts zivilrechtlich geltend machen zu können, ist die Antragstellerin auf die Auskunft der Betreiberin der Plattform angewiesen. Eine andere Möglichkeit, den Ersteller des Nutzerkontos zu ermitteln, hat sie nicht.
(Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23.03.2022, Az. 9 Wx 23/21).
Leitsatz des BGH:
Der von einem Unterlassungsurteil im Verbandsklageverfahren ausgehenden Bindungswirkung für den Individualprozess steht eine spätere Gesetzesänderung nicht entgegen, soweit in dem Individualprozess die Wirksamkeit einer Bestimmung im Streit steht, die vor dieser Gesetzesänderung in den Vertrag einbezogen worden ist.
BGH, Urteil vom 27. Januar 2022 - III ZR 4/21 - OLG München - LG Ingolstadt
a) Zeitlicher Bezugspunkt für die Frage, ob eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ist, ist im Individualprozess der Zeitpunkt, zu dem die Bestimmung in den jeweiligen Vertrag einbezogen worden ist. Wurde der Vertragspartner des Verwenders durch die Bestimmung zu diesem Zeitpunkt unangemessen benachteiligt, ist sie von Anfang an als unwirksam anzusehen und kann nicht nachträglich Wirksamkeit erlangen (Anschluss an BGH, Urteil vom 3. November 1999 - VIII ZR 69/98).
b) Der bis zum 30. November 2021 geltende § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG, wonach der Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist, ist mit der Richtlinie 95/46/EG vom 24. Oktober 1995 (Datenschutz-Richtlinie) vereinbar.
c) Bei einer vor Geltung der Verordnung (EU) 2016/679 vom 27. April 2016 (Datenschutz-
Grundverordnung) in einen Vertrag über die Nutzung eines sozialen Netzwerks einbezogenen Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Anbieters, nach welcher der Vertragspartner abweichend von § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG bei der Nutzung des Netzwerks den im täglichen Leben gebrauchten Namen zu verwenden hat, ist im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners anzunehmen.
BGH, Urteil vom 27. Januar 2022 - III ZR 3/21 - OLG München - LG Traunstein
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Facebook Renate Künast Auskunft über Bestandsdaten von weiteren Nutzern, die Hasspostings gepostet haben, erteilen muss.
Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen fachgerichtliche Versagung der Auskunft über Bestandsdaten gegenüber einer Social Media Plattform
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen von Fachgerichten aufgehoben, mit denen der Beschwerdeführerin die notwendige gerichtliche Anordnung zur Auskunft über Bestandsdaten gegenüber einer Social Media Plattform versagt wurden.
Die Beschwerdeführerin möchte vor den Fachgerichten erreichen, dass eine Social Media Plattform die bei ihr vorhandenen personenbezogenen Daten über mehrere Nutzer herausgibt, die auf der Plattform Kommentare über die Beschwerdeführerin getätigt haben. Die Fachgerichte stuften im Ergebnis lediglich 12 der 22 im Ausgangsverfahren gegenständlichen Kommentare als strafbare Beleidigungen ein und gestatteten die Beauskunftung über die bei der Social Media Plattform vorhandenen Bestandsdaten. Im Übrigen wurde eine Beauskunftung abgelehnt. Die Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, soweit sie die Anordnung hinsichtlich der zehn verbliebenen Kommentare versagt haben. Die Fachgerichte haben unter Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Persönlichkeitsrechts die verfassungsrechtlich erforderliche Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht unterlassen.
Sachverhalt:
Nach § 14 Abs. 3 Telemediengesetz a. F. (nunmehr § 21 Abs. 2 und 3 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes) durfte ein Diensteanbieter im Einzelfall Auskunft über die bei ihm vorhandenen Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte erforderlich ist. Für diese Auskunftserteilung war eine vorherige gerichtliche Anordnung erforderlich. Rechtswidrige Inhalte in diesem Sinne waren unter anderem Inhalte, die den Tatbestand nach §§ 185 bis 187 des Strafgesetzbuchs erfüllten und nicht gerechtfertigt waren.
Auf einem Internetblog stellte dessen Inhaber Ende Oktober 2016 unter dem Titel „[Name der Beschwerdeführerin] findet Kinderficken ok, solange keine Gewalt im Spiel ist“ das Bild der Beschwerdeführerin ein mit folgendem, scheinbar ein Zitat der Beschwerdeführerin darstellenden Text:
„Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist der Sex mit Kindern doch ganz ok. Ist mal gut jetzt.“
Hintergrund war die im Jahr 2015 noch einmal aufgekommene Debatte betreffend die Haltung der Partei DIE GRÜNEN zur Pädophilie in den 1980er Jahren. So wurde im Mai 2015 unter anderem über einen Zwischenruf der Beschwerdeführerin im Berliner Abgeordnetenhaus im Mai 1986 berichtet. Während eine Abgeordnete der Grünen über häusliche Gewalt sprach, stellte ein Abgeordneter der Regierungskoalition die Zwischenfrage, wie die Rednerin denn zu einem Beschluss der Grünen in Nordrhein-Westfalen stehe, wonach die Strafandrohung wegen sexueller Handlungen an Kindern aufgehoben werden solle. Anstelle der Rednerin rief laut Protokoll des Abgeordnetenhauses die Beschwerdeführerin: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist!“
Die Beschwerdeführerin nahm den Bloginhaber wegen seines ursprünglichen Eintrags auf Unterlassung in Anspruch und verlangte ein Schmerzensgeld. Daraufhin veröffentlichte der Bloginhaber Anfang 2019 auf seiner Seite auf der Social Media Plattform einen weiteren Text. Es folgt das Bild der Beschwerdeführerin mit dem aus dem ursprünglichen Blogbeitrag bekannten Text, der kein zutreffendes Zitat einer Äußerung der Beschwerdeführerin ist. Im April und Mai 2019 reagierten zahlreiche Nutzer der Social Media Plattform auf diese Veröffentlichung und kommentierten sie ihrerseits - soweit verfahrensgegenständlich - unter anderem wie folgt:
„Pädophilen-Trulla“; „Die alte hat doch einen Dachschaden, die ist hol wie Schnittlauch man kann da nur noch“; „Mensch… was bist Du Krank im Kopf!!!“; Die ist Geisteskrank“; „Ich könnte bei solchen Aussagen diese Personen die Fresse polieren“; „Sperrt diese kranke Frau weck sie weiß nicht mehr was sie redet“; „Die sind alle so krank im Kopf“; Gehirn Amputiert“; „Kranke Frau“ und „Sie wollte auch mal die hellste Kerze sein, Pädodreck.“.
In der Folge begehrte die Beschwerdeführerin die Gestattung der Auskunftserteilung über die Bestandsdaten dieser Nutzer der Social Media Plattform. Das Landgericht gestattete im Ergebnis die Beauskunftung von sechs Kommentaren. Das Kammergericht gestattete zusätzlich die Beauskunftung weiterer sechs Kommentare. Im Übrigen führte es aus, dass die Schwelle zum Straftatbestand des § 185 StGB nicht überschritten sei. Denn es liege kein Fall der abwägungsfreien Diffamierung vor und die Verletzung des Persönlichkeitsrechts erreiche kein solches Gewicht, dass die Äußerungen unter Einbeziehung des Kontexts lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähung der Beschwerdeführerin erschienen.
Die Beschwerdeführerin rügt unter anderem die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg.
I. Die Auslegung und Anwendung des Fachrechts ist Aufgabe der ordentlichen Gerichte. Bei ihrer Entscheidung haben sie jedoch dem Einfluss der Grundrechte auf die einfachgesetzlichen Vorschriften Rechnung zu tragen. Die Zivilgerichte verstehen das allgemeine Persönlichkeitsrecht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als einen offenen Tatbestand, bei dem die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung eine ordnungsgemäße Abwägung voraussetzt.
1. Weichenstellend für die Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist die Erfassung des Inhalts der verfahrensgegenständlichen Äußerungen. Auf der zutreffenden Sinnermittlung einer Äußerung aufbauend erfordert die Annahme einer Beleidigung nach § 185 StGB grundsätzlich eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die den betroffenen Rechtsgütern und Interessen, hier also der Meinungsfreiheit und der persönlichen Ehre, drohen. Eine Abwägung ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn die streitgegenständliche Äußerung sich als Schmähung oder Schmähkritik, als Formalbeleidigung oder als Angriff auf die Menschenwürde darstellt.
2. Liegt keine dieser eng umgrenzten Ausnahmekonstellationen vor, begründet dies bei Äußerungen, mit denen bestimmte Personen in ihrer Ehre herabgesetzt werden, kein Indiz für einen Vorrang der Meinungsfreiheit.Voraussetzung einer strafrechtlichen Sanktion ist dann allerdings eine grundrechtlich angeleitete Abwägung. Hierfür bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte.
Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht. Bei der Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist zudem davon auszugehen, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet.In die Abwägung ist daher einzustellen, ob die Privatsphäre der Betroffenen oder ihr öffentliches Wirken mit seinen - unter Umständen weitreichenden - gesellschaftlichen Folgen Gegenstand der Äußerung ist und welche Rückwirkungen auf die persönliche Integrität der Betroffenen von einer Äußerung ausgehen können. Allerdings bleiben die Gesichtspunkte der Machtkritik und der Veranlassung durch vorherige eigene Wortmeldungen im Rahmen der öffentlichen Debatte in eine Abwägung eingebunden und erlauben nicht jede auch ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgerinnen und Amtsträgern oder Politikerinnen und Politikern. Gegenüber einer auf die Person abzielenden, insbesondere öffentlichen Verächtlichmachung oder Hetze setzt die Verfassung allen Personen gegenüber äußerungsrechtliche Grenzen und nimmt hiervon Personen des öffentlichen Lebens und Amtsträgerinnen und Amtsträger nicht aus. Dabei liegt insbesondere unter den Bedingungen der Verbreitung von Informationen durch „soziale Netzwerke“ im Internet ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgerinnen und Amtsträgern sowie Politikerinnen und Politikern über die Bedeutung für die jeweils Betroffenen hinaus im öffentlichen Interesse, was das Gewicht dieser Rechte in der Abwägung verstärken kann. Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist.
II. Die angegriffenen Entscheidungen genügen diesen Anforderungen nicht.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend erkennt das Kammergericht, dass es sich bei den noch verfahrensgegenständlichen Bezeichnungen der Beschwerdeführerin um erheblich ehrenrührige Herabsetzungen handelt. Das Kammergericht geht indes unter Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Persönlichkeitsrechts davon aus, dass eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB aus verfassungsrechtlichen Gründen nur dann vorliege, wenn die streitgegenständliche Äußerung „lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähung“ zu verstehen sei. Dieses Fehlverständnis setzt sich bei den weiteren Ausführungen des Fachgerichts fort. Zwar deutet das Kammergericht die Notwendigkeit einer Abwägung an. Verfassungsrechtlich fehlerhaft knüpft es die Voraussetzungen der Beleidigung sodann jedoch an die Sonderform der Schmähkritik an.Die angekündigte Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin nimmt das Kammergericht in der Folge aber nicht vor. Es legt wiederholt einen fehlerhaften, mit dem Persönlichkeitsrecht der von ehrenrührigen Äußerungen Betroffenen unvereinbaren Maßstab an, wenn es annimmt, eine strafrechtliche Relevanz erreiche eine Äußerung erst dann, wenn ihr diffamierender Gehalt so erheblich sei, dass sie in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheine. Vorliegend hat sich das Fachgericht aufgrund einer fehlerhaften Maßstabsbildung, die eine Beleidigung letztlich mit der Schmähkritik gleichsetzt, mit der Abwägung der Gesichtspunkte des Einzelfalls nicht auseinandergesetzt. Hierin liegt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin.
2. Infolge fehlerhafter Maßstabsbildung mangelt es für alle verfahrensgegenständlichen Äußerungen an der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung der betroffenen Rechtspositionen im Rahmen der rechtlichen Würdigung. Die vom Fachgericht zum Teil begründungslos verwendete Behauptung, die Beschwerdeführerin müsse den Angriff als Politikerin im öffentlichen Meinungskampf hinnehmen, ersetzt die erforderliche Abwägung nicht.
Der BGH hat entschieden, dass keine allgemeine Klarnamenpflicht bei der Nutzung eines sozialen Netzwerks besteht. Entsprechende Regelungen in den Facebook-Nutzungsbedingungen sind daher unwirksam. Die Verwendung eines Pseudonyms ist zulässig, soweit der Nutzer im Innenverhältnis dem Betreiber des sozialen Netzwerks seinen Klarnamen mitteilt. Die Pflicht zur Benennung des Klarnamens gegenüber dem Betreiber ergibt sich aus einer Abwägung unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO.
Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof verneint für bestimmte Fälle Klarnamenpflicht bei der Nutzung eines sozialen Netzwerks
Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Dienstverhältnisse zuständige III. Zivilsenat hat sich mit der Pflicht des Anbieters eines sozialen Netzwerks befasst, dessen Nutzung unter Pseudonym zu ermöglichen.
Sachverhalt:
Die Kläger unterhalten jeweils ein Nutzerkonto für ein von der Muttergesellschaft der Beklagten betriebenes weltweites soziales Netzwerk, dessen Anbieter und Vertragspartner für Nutzer mit Sitz in Deutschland die Beklagte ist.
In dem Verfahren III ZR 3/21 hatte der Kläger als seinen Profilnamen ursprünglich ein Pseudonym verwendet. Nachdem er im März 2018 auf Nachfrage nicht bestätigt hatte, dass es sich um seinen im Alltag verwendeten Namen handelt, sperrte die Beklagte sein Nutzerkonto. Sie schaltete es erst nach einer Änderung des Profilnamens wieder frei. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, Änderungen seines von ihm in dem Netzwerk verwendeten Profilnamens zu verhindern.
In dem Verfahren III ZR 4/21 gab die Klägerin als Profilnamen ebenfalls ein Pseudonym an. Ihr Nutzerkonto wurde von der Beklagten im Januar 2018 gesperrt, nachdem sie der Aufforderung, ihren Profilnamen zu ändern, nicht nachgekommen war. Die Klägerin begehrt die Aufhebung dieser Sperrung.
Bisheriger Prozessverlauf:
Im Verfahren III ZR 3/21 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Im Verfahren III ZR 4/21 hat das Landgericht die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, das Nutzerkonto der Klägerin freizuschalten und ihr unbeschränkten Zugriff auf die Funktionen des Kontos zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen der Kläger hatten überwiegend Erfolg.
Im Verfahren III ZR 3/21 hat der III. Zivilsenat das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, es zu dulden, dass der Kläger seinen Profilnamen in ein Pseudonym ändert, und dem Kläger unter Verwendung des gewählten Profilnamens Zugriff auf die Funktionen seines Nutzerkontos zu gewähren.
Nach den für diesen Fall maßgeblichen Nutzungsbedingungen vom 19. April 2018 hat der Kontoinhaber bei der Nutzung des Netzwerks den Namen zu verwenden, den er auch im täglichen Leben verwendet. Diese Bestimmung ist unwirksam, weil sie den Kläger zum Zeitpunkt ihrer Einbeziehung in den Nutzungsvertrag der Parteien am 30. April 2018 entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligte. Sie ist mit dem in § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG in der bis zum 30. November 2021 geltenden Fassung zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass der Diensteanbieter die Nutzung der Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist, nicht zu vereinbaren. Eine umfassende Würdigung und Abwägung der wechselseitigen Interessen unter Einbeziehung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Richtlinie) ergibt, dass es der Beklagten zwar nicht zumutbar gewesen ist, die Nutzung des Netzwerks zu ermöglichen, ohne dass der jeweilige Nutzer ihr zuvor – etwa bei der Registrierung – im Innenverhältnis seinen Klarnamen mitgeteilt hatte. Für die anschließende Nutzung der von ihr angebotenen Dienste unter Pseudonym ist die Zumutbarkeit jedoch zu bejahen.
Die Unwirksamkeit der Bestimmung zur Klarnamenpflicht führt dazu, dass die Bestimmung ersatzlos wegfällt. In der Folge hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch darauf, das Netzwerk unter einem Pseudonym zu nutzen.
Im Verfahren III ZR 4/21 hat der III. Zivilsenat das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und – unter Zurückweisung der Revision im Übrigen – die Beklagte verurteilt, das Nutzerkonto der Klägerin freizuschalten und der Klägerin unbeschränkten Zugriff auf die Funktionen dieses Kontos zu gewähren.
Die Beklagte kann von der Klägerin nicht verlangen, ihren Profilnamen in ihren wahren Namen zu ändern. Die Bestimmung zur Klarnamenpflicht in den hier maßgeblichen Nutzungsbedingungen der Beklagten zum Stand 30. Januar 2015 ist ebenfalls unwirksam. Diese Bedingungen enthalten eine Regelung, wonach die Nutzer ihre wahren Namen und Daten anzugeben haben. Von der Unwirksamkeit dieser Bestimmung hat der Senat bereits gemäß § 11 Satz 1 UKlaG aufgrund des Unterlassungsurteils des Landgerichts Berlin vom 16. Januar 2018 (16 O 341/15) in einem Verbandsklageverfahren auszugehen. Die Beklagte darf sich danach bei der Abwicklung von Verträgen über die Teilnahme an einem sozialen Netzwerk mit Verbrauchern, die ihren ständigen Aufenthaltsort in Deutschland haben, nicht auf Bestimmungen berufen, die der hier verwendeten Bestimmung zur Klarnamenpflicht entsprechen. In der Folge kann die Klägerin von der Beklagten die Freischaltung ihres Nutzerkontos und Zugriff auf dessen Funktionen verlangen.
In beiden Verfahren kam es für die Entscheidung auf die Vorgaben der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) nicht an, weil diese erst seit dem 25. Mai 2018 gilt und es für die Rechtslage auf den Zeitpunkt der Einbeziehung der jeweiligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen in das Vertragsverhältnis ankommt.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1.mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
§ 13 Abs. 6 Satz 1 TMG in der bis zum 30. November 2021 geltenden Fassung
Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.
Art. 6 Abs. 1 Buchst. c Datenschutz-Richtlinie
Die Mitgliedsstaaten sehen vor, dass personenbezogene Daten den Zwecken entsprechen, für die sie erhoben und/oder weiterverarbeitet werden, dafür erheblich sind und nicht darüber hinausgehen.
Handelt der verurteilte Verwender einem auf § 1 beruhenden Unterlassungsgebot zuwider, so ist die Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als unwirksam anzusehen, soweit sich der betroffene Vertragsteil auf die Wirkung des Unterlassungsurteils beruft.
LG Karlsruhe
Beschluss vom 20.01.2022 13 O 3/22 KfH
Das LG Karlsruhe hat entschieden, dass Facebook seine Nutzer vor Teilen eines Beitrags darauf hinweisen darf, dass der Nutzer den Beitrag noch nicht gelesen hat und dies vor dem Teilen tun sollte.
Die Pressemitteilung des Gerichts: Entscheidung über Facebook-Hinweis
Kurzbeschreibung: Das Landgericht Karlsruhe entscheidet über neuen Hinweis, der beim Teilen eines ungelesenen Beitrags auf Facebook eingeblendet wird
Eine Kammer für Handelssachen des LG Karlsruhe hat in einem heute veröffentlichten Beschluss im Einstweiligen Verfügungsverfahren entschieden, dass Facebook (bzw. Meta Platforms Ireland Ltd., die das Portal für Nutzer außerhalb der USA und Kanadas betreibt) nicht gehindert ist, dem Teilen eines nicht angeklickten (und folglich nicht gelesenen) Posts einen Hinweis vorzuschalten, mit dem der Nutzer gebeten wird, den Beitrag zunächst zu lesen. Die beiden streitgegenständlichen Hinweise haben folgenden Wortlaut:
„Weißt du wirklich, was du da gerade teilst? Damit du umfassend informiert bist, worum es in diesem Artikel geht, nimm dir bitte die Zeit, ihn erst zu lesen.“
bzw.
„Sieh dir genau an, was du teilst, bevor du es teilst. Um zu wissen, was du teilst, ist es immer eine gute Idee, Artikel erst selbst zu lesen.“
Antragstellerin war die A. M. GmbH, die unter www.a....com einen politischen Blog herausgibt und eine Seite auf Facebook unterhält, auf der sie ebenfalls Beiträge publiziert. Sie war der Auffassung, es handele sich um bevormundende und paternalistische Anmaßungen, die bei üblichem Sprachgebrauch Vorbehalte gegenüber dem journalistischen Inhalt formulierten. Darin liege eine Herabsetzung und Behinderung im Wettbewerb der Parteien.
Dem ist das Landgericht unter anderem mit der Erwägung entgegengetreten, die Antragstellerin sei nicht gehindert, ihren bzw. den von ihrem Autor verfassten Beitrag auf dem Portal der Antragsgegnerin zu publizieren, kein Nutzer sei gehindert, ihn zu lesen und/oder ihn zu teilen. Eine auf den Inhalt des Beitrags bezogene Stellungnahme durch die Antragsgegnerin oder durch von ihr beauftragte „Faktenprüfer“ liege nicht vor. Es erscheine lebensfremd, dass sich ein Nutzer von einem solchen Hinweis von seinem – bereits durch einen Klick in die Tat umgesetzten – Entschluss, den Beitrag zu teilen, abschrecken lassen würde. Es bedürfe lediglich eines einzigen weiteren Klicks, um den Beitrag tatsächlich (nach Wunsch sogar ungelesen) zu teilen. Bei einer Auslegung der beiden Hinweise in ihrem Kontext handele es sich nicht um ein abträgliches Werturteil, sondern eine neutral gefasste Erinnerung an eigentlich Selbstverständliches, nämlich dass man nur weiterverbreiten sollte, was man selbst inhaltlich zur Kenntnis genommen hat. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass sich beide Parteien jeweils auf Grundrechte berufen können, so insbesondere die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und auf berufliche Ausübung ihres jeweiligen Geschäftsmodells. Jedoch verbleibe die Grundrechtsbetroffenheit der Antragstellerin unterhalb der Eingriffsschwelle. Die Antragstellerin besitze kein rechtlich oder gar grundrechtlich geschütztes Interesse daran, dass die Antragsgegnerin den Nutzern ein um die Anregung zum Nachdenken bereinigtes Nutzererlebnis eröffne. Daher scheide auch die – von der Antragstellerin nur angedeutete – Annahme aus, dass eine Herabsetzung ihres Angebots in der Ungleichbehandlung gegenüber anderen Seiten bzw. Anbietern auf dem Portal der Antragsgegnerin bestehe.
Der Beschluss ist anfechtbar und mithin nicht rechtskräftig.
Das OLG Dresden hat entschieden, dass die automatisierte Löschung eines Facebook-Beitrags durch einen Algorithmus allein keine Wiederholungsgefahr für einen Anspruch auf zukünftiges Unterlassen begründet. Erst wenn der Betreiber des sozialen Netzwerks die Löschung im weiteren Verlauf verteidigt, begründet dies die für einen Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr.
Aus den Entscheidungsgründen: I. Der Antragsteller wendet sich gegen die am 27.7.2021 erfolgte Löschung eines Beitrags auf dem sozialen Netzwerk "XXX" der Antragsgegnerin und gegen seine zeitweise Versetzung in den sog. read-only Modus. Die Sperre des Antragsstellers hat die Antragsgegnerin zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgehoben, der Post wurde wieder eingestellt. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Es wird insofern auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen. Mit der sofortigen Beschwerde erstrebt der Antragsteller den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 569 ZPO eingelegt worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
1. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist zulässig. Die internationale und örtliche Zuständigkeit hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, bejaht.
2. Ebenfalls zutreffend ist die Annahme des Landgerichts, das auf den streitgegenständlichen Vertrag deutsches Recht Anwendung findet (vgl. hierzu im Übrigen auch BGH, Urteil vom 29.7.2021 – III R 192/20, juris) und dass die von der Antragsgegnerin am 27.7.2021 vorgenommene Löschung des streitgegenständlichen Beitrags ebenso wie die Sperrung des Antragsgegners in Form der Versetzung seines Kontos in den sog. read-only Modus für einen Zeitraum von 30 Tagen rechtswidrig waren. Ob der Beitrag selbst gegen die Nutzungsbedingungen verstößt, kann im Anschluss an die o.a. aufgeführte Entscheidung des BGH dahingestellt bleiben, weil der in Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen enthaltene Sperrungs- und Löschungsvorbehalt gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist, eine vertragliche Grundlage für die von der Antragsgegnerin ergriffenen Maßnahmen mithin nicht bestand (so ausdrücklich für den Parallelfall BGH, aaO. Rn 41ff.). Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin, der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens rechtliches Gehör gewährt wurde, auch nicht.
3. Entgegen der Auffassung des Landgerichts scheitert vorliegend ein Verfügungsanspruch aber nicht am Fehlen der Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr. Wie der BGH in der o.a. Entscheidung ebenfalls ausgeführt hat, setzt ein vertraglicher Unterlassungsanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB - ebenso wie ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB - eine Erstbegehungs- beziehungsweise Wiederholungsgefahr voraus (vgl. Bodewig, Jura 2005, 505, 512; Fritzsche, Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage, 2000, S. 106; Köhler, AcP 1990, 496, 508; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 27. Aufl., Rn. 207; MüKo/Bachmann, BGB, 8. Aufl., § 241 Rn. 70). Dabei begründet ein einmal erfolgter Vertragsverstoß die tatsächliche Vermutung für seine Wiederholung. Die Verletzung einer Vertragspflicht begründet insofern die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für identische Verletzungsformen, sondern auch für andere Vertragspflichtverletzungen, soweit die Verletzungshandlungen im Kern gleichartig sind (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – III ZR 192/20 –, Rn. 115 - 116, juris; Urteil vom 20. Juni 2013 - I ZR 55/12, NJW 2014, 775 Rn. 18; Beschluss vom 3. April 2014 - I ZB 42/11, NJW 2014, 2870 Rn. 12; jew. mwN). An die Entkräftung dieser Vermutung sind strenge Anforderungen zu stellen sind. Sie ist ausnahmsweise dann als widerlegt anzusehen, wenn der Eingriff durch eine einmalige Sondersituation veranlasst war (BGH, Urteil vom 27. April 2021 – VI ZR 166/19 –, Rn. 23, juris). Eine solche Sondersituation hat der BGH bezogen auf den vertraglichen Unterlassungsanspruch eines xxx-Nutzes gegen die Antragsgegnerin in der Entscheidung vom 29. Juli 2021 deshalb angenommen, weil von einer aus drei Sätzen bestehenden Äußerungen nur die beiden Sätze in die Rechtsmittelinstanz gelangt waren, die im Verhältnis zum dritten Satz wesentlich weniger scharf formuliert waren und daher für sich genommen keine Veranlassung geboten hätten, zu prüfen ob sie auch für sich genommen gegen die Nutzungsbedingungen der Antragsgegnerin verstoßen. Die vollständige Löschung des Beitrags sei nicht kerngleich zu einer denkbaren Teillöschung nur dieser Sätze und indiziere daher die Wiederholungsgefahr nicht. Dies gilt aber erst recht in den Fällen, in denen die Antragsgegnerin auf die Beanstandung eines Nutzes hin die gesamte, zunächst gelöschte Äußerung umgehend wiederherstellt und eine gegen den Nutzer verhängte Sperre aufhebt. Es ist zum einen gerichtsbekannt, dass die Löschung von Beiträgen regelmäßig zunächst durch eine algorithmusgesteuerte Künstliche Intelligenz (KI) erfolgt, die selbstständig in den sozialen Netzen der Antragsgegnerin Hassrede, sexuell provozierende Inhalte, Drogenangebote, Gewalt und Terrorpropaganda ausfiltert. Menschen greifen nur in Zweifelsfällen ein (vgl. etwa https://www.yyy.de/xxx, abgerufen am 30.8.2021). Diese Praxis ist, wie der BGH in der Entscheidung vom 29.7.2021 ebenfalls ausgeführt hat auch nicht zu beanstanden. Es ist gerade nicht zwingend geboten, den Nutzer bereits vor der Löschung eines posts anzuhören. Ausreichend ist vielmehr, wenn Netzwerkbetreiber in ihren Geschäftsbedingungen den Nutzern ein Recht auf unverzügliche nachträgliche Benachrichtigung, Begründung und Gegendarstellung mit anschließender Neubescheidung einräumen. Insoweit ist zum einen das Interesse der Netzwerkbetreiber zu berücksichtigen, einen vermeintlich rechtswidrigen Inhalt aus Haftungsgründen zügig nach Kenntniserlangung zu entfernen. Zum anderen steigt mit jedem Tag, an dem ein Beitrag auf der Kommunikationsplattform eingestellt bleibt, die Gefahr seiner Verbreitung und damit im Fall seiner Rechtswidrigkeit der Perpetuierung der Rechtsverletzung. Schließlich ist, wenn mit dem fraglichen Inhalt eine mögliche Rechtsverletzung Dritter einhergeht, auch deren Interesse an einer zügigen Entfernung zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – III ZR 192/20 –, Rn. 99, juris).
Wird ein solches Verfahren eingesetzt, lässt eine automatisierte Löschung für sich genommen noch keinen Rückschluss auf ein zukünftiges Verhalten der Antragsgegnerin zu. Auch wenn subjektive Tatbestandsmerkmale wie ein Verschulden für die Wiederholungsgefahr grundsätzlich unerheblich sind, so knüpft diese Vermutung an ein Verhalten des Störers in der Vergangenheit an, das auf die objektive Besorgnis schließen lässt, dass es in der Zukunft zu weiteren gleichartigen Störungen kommen wird. Hiervon kann jedoch in einer Situation, in der die erstmalige Überprüfung der durch einen Algorithmus eingeleiteten Löschung unmittelbar zu einer Wiederherstellung eines Posts führt, nicht ausgegangen werden, weil die Antragsgegnerin hierdurch zu erkennen gibt, dass die Löschung auf einem technischen Versehen beruht und an die Wiederherstellung die tatsächliche Vermutung anknüpft, dass der Beitrag zukünftig von Löschalgorithmen nicht mehr erfasst wird. Sähe man dies anders, wäre die Antragsgegnerin gezwungen, eine – in der Regel kostenpflichtige – strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, obwohl sie ein von der Rechtsordnung gebilligtes Verfahren einsetzt und einen Fehler der von ihr eingesetzten KI unmittelbar bemerkt und ausgeräumt hat. Dies würde nicht zuletzt einer unerwünschten Abmahnindustrie Vorschub leisten.
Anders ist dies aber, wenn die Antragsgegnerin im Verlauf des Verfahrens die Löschung verteidigt oder durch ihr Verhalten zu erkennen gibt, sie inhaltlich nach wie vor für berechtigt zu halten. Da es auch für die Wiederholungsgefahr auf die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung oder mündlichen Verhandlung ankommt, kann an ein solches nachgelagertes Verhalten eine eigenständige Vermutung anknüpfen, die sich mit der Löschung durch eine KI noch nicht verbindet. So liegen die Dinge hier. Wie der Antragsteller dargelegt und glaubhaft gemacht hat, hat er sich nämlich unmittelbar nach der Löschung an die Antragsgegnerin gewandt und von deren "Support" daraufhin die – in der Antragsschrift eingescannte - Nachricht erhalten, sein Beitrag sei "noch einmal geprüft" worden, entspreche jedoch nicht den Gemeinschaftsstandards. Erst zu einem späteren Zeitpunkt sei er ohne Angabe von Gründen wiedereingestellt worden. Aufgrund welcher hier zu beachtender besonderer Umstände des Einzelfalls dies erfolgt ist, lässt sich aus dieser kommentarlosen Wiedereinstellung nicht entnehmen. Die Annahme des Landgerichts, die Antragsgegnerin habe hiermit der Entscheidung des BGH vom 29.7.2021 Rechnung tragen wollen, ist spekulativ und lässt unberücksichtigt, dass die Entscheidungsgründe im dortigen Verfahren im Zeitpunkt der Wiedereinstellung des hiesigen Beitrags Anfang August 2021 noch gar nicht verkündet waren und die Antragsgegnerin daher den Umfang ihrer zukünftigen Verpflichtungen allenfalls grob absehen konnte. Überdies ist dem Senat aus zahlreichen vergleichbaren Verfahren bekannt, dass Betreiber weltweit verfügbarer sozialer Netzwerke mit mehreren Milliarden Nutzern Gerichtsentscheidungen mitunter nur zögerlich befolgen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 29. Juni 2021 – 4 W 396/21 –, juris). Zwar hat die Antragsgegnerin unter Vorlage der Anlage JS 2 im mit Schriftsatz vom 21.9.2021 behauptet, die Sperre sei noch am 30.7.2021 und damit vor dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wieder aufgehoben worden; diese Behauptung hat sie indes nicht durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht. Der weitgehend geschwärzten Anlage JS 2, bei der es sich um einen Screenshot aus dem internen System der Antragsgegnerin handeln soll, lässt sich überdies lediglich entnehmen, dass unter dem Datum "2021/07/30 2:31 pm" die "action:"lActionUnlimited Feature" und die "action: "lActionRestore" an einem Konto mit der owner_id: 100002031410019" vorgenommen worden sein soll, bei dem es sich um das Konto des Antragsstellers handeln soll. Weshalb gleichwohl der Antragsteller die Mitteilung erhalten hat, sein Antrag auf Aufhebung der Sperre sei nach "erneuter Prüfung" abgelehnt worden, bleibt offen. Eine Mitteilung, dass die Antragsgegnerin an ihrer Auffassung nicht mehr festhält, der Beitrag verstoße gegen ihre Nutzungsbedingungen, hat sie dem Antragsteller jedenfalls unstreitig zu keinem Zeitpunkt zukommen lassen. Im Schriftsatz vom 21.9.2021 hat sie überdies die Auffassung vertreten, der Beitrag habe aus der Sicht eines objektiven, unvoreingenommenen Lesers "jedenfalls zunächst" vertretbar als Angriff auf eine Gruppe von Menschen gedeutet werden können und könne ggf. in einem "anderen Kontext" als unzulässig angesehen werden. Ein eindeutiges Abrücken von der Sperr- und Löschungsentscheidung, das unter den hier gegebenen Bedingungen die Vermutung der Wiederholungsgefahr entfallen ließe, kann der Senat hierin nicht erkennen.
4. Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehlt es hier auch nicht an einem Verfügungsgrund. Regelmäßig besteht dieser in der (objektiv begründeten) Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (vgl. Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 935 Rz. 10). Bei Unterlassungsansprüchen ergibt sich die „Dringlichkeit“ als Voraussetzung des Verfügungsgrundes zwar nicht schon aus der materiell-rechtlichen Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr (vgl. Zöller, a.a.O.), jedoch wird in Fällen des Presse- und Äußerungsrechts ein Verfügungsgrund, wenn - wie hier - keine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, insbesondere durch Zuwarten, gegeben ist, regelmäßig bejaht (vgl. auch KG, Beschluss vom 22. März 2019, Az.: 10 B 172/18 - juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Januar 2019, Az.: 4 U 214/18 - juris). Gleiches gilt bei Unterlassungsansprüchen gegen Betreiber sozialer Netzwerke wegen der Löschung eines Beitrags oder der Sperrung des Nutzers (Senat, Urteil vom 20. April 2021 – 4 W 118/21 –, Rn. 41, juris). Eine Leistungsverfügung, von der das Landgericht ausgegangen ist und die grundsätzlich nur bei Not- und Zwangslagen in Betracht kommt, wenn der Gläubiger darlegen und glaubhaft machen kann, auf die Erfüllung dringend angewiesen zu sein (vgl. nur Zöller-Vollkommer, ZPO, 33. Aufl. § 940 Rn 6; Senat, Beschluss vom 15. Februar 2021 – 4 U 2196/20 –, Rn. 5, juris), liegt hier schon deshalb nicht vor, weil es nicht darum geht, dem Antragsteller im Verfügungsverfahren eine zusätzliche Leistungsposition zu verschaffen, sondern die Antragsgegnerin lediglich vorläufig daran gehindert werden soll, ihn an der Ausübung seiner bereits durch den Nutzungsvertrag eingeräumten Rechte durch Sperrung und Löschung zu hindern. Unabhängig hiervon hat der Antragsteller auch glaubhaft gemacht, als Kandidat zum Deutschen Bundestag im Vorfeld der Bundestagswahl und darüber hinaus auf die von ihm betriebene Seite auf dem sozialen Netzwerk der Antragsgegnerin angewiesen zu sein.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Bei der Streitwertfestsetzung war zu berücksichtigen, dass ein Klageantrag, der sich gegen eine 30-tägige Sperre eines Facebook-Nutzerkontos richtet, mit 2500,- €, der Antrag auf Unterlassung einer künftigen Beitragslöschung und Kontensperrung neben einem andere Zeiträume betreffenden Antrag auf Unterlassung für zurückliegende Zeiträume lediglich mit 1500,- € zu bemessen ist (BGH, Beschluss vom 27.5.2021 – III ZR 351/20). Da hier allein Ansprüche auf Unterlassung einer künftigen Löschung und Sperrung verfolgt werden und bei dem Antragssteller zudem die Bedeutung des Rechtsstreits für seine Kandidatur zum Deutschen Bundestag zu berücksichtigen ist, da es andererseits aber allein um ein Verfügungsverfahren geht, hat der Senat in der Gesamtwürdigung den Streitwert mit 3000,- € angesetzt.
OVG Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 04.08.2021
OVG 62 PV 5/20
Das OVG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die Einrichtung eines Social Media-Auftritts durch eine Behörde bei Facebook, Twitter und Instagram nicht der Mitarbeiterüberwachung dient und nicht mitbestimmungspflichtig ist.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die vom Beteiligten zu verantwortenden Auftritte in den sozialen Medien sind auch im Hinblick auf die den Nutzern ermöglichte Kommentierung nicht gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG mitbestimmungspflichtig. Nach dieser Vorschrift bestimmt der Personalrat mit, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, über die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Maßgeblich ist eine objektiv-finale Betrachtungsweise: Diejenigen technischen Einrichtungen unterliegen der Mitbestimmung des Personalrats, die nach ihrer Konstruktion oder konkreten Verwendungsweise eine Überwachung von Verhalten oder Leistung der Beschäftigten ermöglichen. Der Mitbestimmungstatbestand erstreckt sich auf solche technischen Einrichtungen, die zur Überwachung objektiv geeignet sind, ohne dass die Dienststellenleitung bei ihrer Einführung und Anwendung die Absicht hat, sie zu diesem Zweck einzusetzen (BVerwG, Beschluss vom 26. September 2006 – 6 PB 10.06 – juris Rn. 4 zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung). Daran hat die Gesetzesnovelle nichts geändert (vgl. die BT-Drs 19/26820 vom 19. Februar 2021, insbesondere S. 126 zu Nr. 21).
Die objektive Eignung zur Überwachung unterscheidet eine gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG mitbestimmungspflichtige technische Einrichtung von anderen technischen Einrichtungen, die sich lediglich zur technischen Hilfe eignen und nicht unter diesen Mitbestimmungstatbestand fallen (vgl. Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107>). Beispielhaft seien Kommunikationsmittel (klassisch das Telefon), Arbeitshilfen (Taschenrechner, computergestützte Schreib- und Rechenprogramme) und Archiveinrichtungen (elektronische Akten) genannt. Die sich nach Anwendungsgebieten sowie nach dem Ausmaß ausdehnende Technisierung erweitert die Möglichkeiten und bietet so Rationalisierungschancen, birgt aber auch unterschiedliche Gefahren. Nach dem Schutzzweck des Mitbestimmungstatbestands ist nicht schlechterdings jeder Technisierungsfortschritt mitbestimmungspflichtig. Stattdessen soll das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nur sicherstellen, dass die Beeinträchtigungen und Gefahren für den Schutz der Persönlichkeit des Beschäftigten am Arbeitsplatz, die von der Technisierung der Verhaltens- und Leistungskontrolle ausgehen, auf das erforderliche Maß beschränkt bleiben. Ein Beschäftigter, der befürchten muss, während der Arbeit mit Hilfe technischer oder elektronischer Kontrolleinrichtungen jederzeit beobachtet oder in anderer Weise fortlaufend kontrolliert zu werden, kann unter einen Überwachungsdruck geraten, der ihn in der freien Entfaltung der Persönlichkeit behindert, ihn insbesondere unter Anpassungsdruck setzt und ihn in eine erhöhte Abhängigkeit bringt (BVerwG, Beschluss vom 26. September 2006 – 6 PB 10.06 – juris Rn. 4).
Einhelliger Auffassung entspricht es, dass ein Überwachungsdruck, der sich durch eine womöglich kleinliche, jedenfalls engmaschige persönliche Kontrolle seitens der Vorgesetzten aufbaut, nach § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG unbeachtlich ist (Berg in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019 § 75 Rn. 258). Die Vorschrift dient nicht der Verwirklichung moderner Führungskonzepte. Die Kontrolle muss vielmehr mit Hilfe einer technischen Einrichtung erfolgen. Mit dem Merkmal der Technizität verbindet sich nach einer verbreiteten Ansicht nicht schon jedes Hilfsmittel, das eine den Überwachten verborgene Kontrolle erlaubt, etwa durch eine Beobachtung mittels Fernglas, Türspion oder einer einseitig durchsichtigen Fensterscheibe (Berg in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019 § 75 Rn. 258). Die verdeckte Überwachung mit solchen Hilfsmitteln kann zwar, im Unterschied zur offenen, aufsuchenden Kontrolle durch Vorgesetzte, die Empfindung auslösen, jederzeit beobachtet oder in anderer Weise fortlaufend kontrolliert zu werden. Für den Mitbestimmungstatbestand ist hingegen spezifisch, dass die Überwachung gerade mit Hilfe einer als technisch zu bewertenden Einrichtung erfolgt. Sommer spricht insoweit von einer Kontrolle „durch technische Einrichtungen“, von einer technisierten Ermittlung von Verhaltens- und Leistungsdaten (in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 75 Rn. 196a). Denn der Gesetzgeber reagierte in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit der Einführung von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG im Jahr 1972 und § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG im Jahr 1974 auf das verbreitete Unbehagen der Beschäftigten, das sich vornehmlich an elektronischer Datenverarbeitung festmachte. Die viel ältere Überwachungsmöglichkeit mittels optischer Instrumente stand nicht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Es liegt auf dieser Linie, wenn das Bundesverwaltungsgericht die Überwachung „mit Hilfe technischer oder elektronischer Kontrolleinrichtungen“ so interpretiert hat, dass technische Einrichtungen Anlagen oder Geräte seien, die unter Verwendung nicht menschlicher, sondern anderweit erzeugter Energie mit den Mitteln der Technik, insbesondere der Elektronik, eine selbständige Leistung erbrächten; dabei seien Anlagen zur elektronischen Datenverarbeitung dann zur Überwachung geeignet, wenn sie mit einem entsprechenden Programm versehen seien oder werden könnten (BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2011 – 6 P 10.10 – juris Rn. 16; siehe auch Sommer in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 75 Rn. 201a).
Die selbständige Leistung der technischen Einrichtung kann bei der Erhebung von Daten oder bei deren Auswertung zum Tragen kommen. Es reicht aus, wenn nur die Erhebung durch einen Automaten erfolgt und die Auswertung von Menschen durchgeführt wird (Überwachungskamera; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2006 – OVG 60 PV 19.05 – juris; unbeanstandet durch den Beschluss des BVerwG vom 26. September 2006 – 6 PB 10.06 – juris; ebenso Kaiser/Annuß in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, BPersVG § 75 Rn. 538). Umgekehrt lässt eine händische Eingabe den Mitbestimmungstatbestand nicht entfallen, wenn die Auswertung automatisiert ist (BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 1987 – 6 P 32.84 – juris Rn. 23). Dabei würde es für den Senat schon ausreichen, wenn automatisch eine Vorsortierung erfolgt, beispielsweise eine Auswahl von 10 aus 100 Datensätzen nach Schlüsselbegriffen, die von Personen weiter ausgewertet werden müsste. Wird hingegen sowohl die Eingabe leistungs- und verhaltensrelevanter Daten als auch deren Auswertung von Menschen vorgenommen, erbringt die Einrichtung keine selbständige Leistung.
Die selbständige Leistung zur Überwachung wäre nicht schon darin zu sehen, dass die Daten gespeichert werden. Für den Senat bedeutet es keinen Unterschied, ob die erhobenen Daten augenblicklich ausgewertet werden müssten, weil sie nicht gespeichert werden (Beispiel: die in einem mit Personal besetzten Kontrollraum zusammentreffenden Bilder aus laufenden Überwachungskameras), oder im Fall einer dauerhaften Aufzeichnung erst später, etwa nach Bedarf, ausgewertet werden könnten. Denn im Fall der Archivierung von Daten handelt es sich um nicht mehr als eine elektronische Akte (siehe dazu Grimm/Kühne, jM 2017, 330 <333>; Schiller in: Besgen/Prinz, Arbeiten 4.0 - Arbeitsrecht und Datenschutz in der digitalisierten Arbeitswelt, 4. Aufl. 2018, § 10 Arbeitsrechtliche Aspekte zu Social Media, Rn. 78).
Nach diesen Maßstäben sind die hier in Rede stehenden sozialen Medien auch im Hinblick auf die Kommentarfunktion keine technischen Einrichtungen im Sinn des § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG, sondern technische Hilfsmittel, weil weder die Datenerhebung noch die Datenauswertung ganz oder teilweise automatisch erfolgt (ebenso Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107> zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG; so wohl auch Sommer in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 75 Rn. 212b zum „reinen Betrieb einer Facebook-Seite“). Die womöglich mitbestimmungsrelevanten Daten werden von Nutzern händisch eingegeben. Und die Anbieter der sozialen Medien stellen den Seiteninhabern weder die Möglichkeit einer automatisierten (Teil-)Auswertung der Kommentare bereit noch sehen die Programme den nachträglichen Anschluss eines zur Auswertung bestimmten Programms vor. Es fehlt insgesamt eine selbständige Leistung der Einrichtung, ein datenverarbeitendes Programm im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts, das die Dienststelle zur Überwachung von Beschäftigten nutzen könnte. Eine automatisierte Auswertung von Daten durch die Anbieter der sozialen Medien wie auch die Möglichkeit einer Ausspähung durch Geheim- bzw. Nachrichtendienste sind für den Mitbestimmungstatbestand, der allein die Überwachung durch den Dienstherrn bzw. Arbeitgeber der Beschäftigten in den Blick nimmt, unerheblich. Das gilt auch für das Datenschutzrecht (vgl. Ehmann, jurisPR-ArbR 16/2021 Anm. 8 lit. C). Die Kommentarfunktion eröffnet den Nutzern eine niederschwellige Möglichkeit für Eingaben und Nachrichten. Der elektronisch übersandte Kommentar gleicht nach der Versendungsart einer Email (Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107>) und nach der Wirkung – bis zur Löschung – einem offenen Brief (Fuhlrott, EWiR 2017, 349 <350>).
Der erkennende Senat weicht insofern von der erstinstanzlichen Entscheidung und vom Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15 – ab. Das Bundesarbeitsgericht hielt es für genügend, dass die Informationen durch die Nutzer der Facebookseite aufgrund der dort vorhandenen Funktion eingegeben und mittels der von Facebook eingesetzten Software einer dauerhaften Speicherung und zeitlich unbegrenzten Zugriffsmöglichkeit zugeführt würden. Die Abweichung vom Bundesarbeitsgericht erklärt sich nicht dadurch, dass in dem dort entschiedenen Fall allein über die bei Facebook abstellbare Funktion „Besucher-Beiträge“ entschieden wurde und nicht über die unvermeidliche Kommentarfunktion. Bei der Eröffnung von Besucher-Beiträgen handelt es sich um eine attraktivere Kommentarfunktion, die sich in Bezug auf die Möglichkeit von leistungs- und verhaltensrelevanten Mitteilungen nicht von der grundlegenden Kommentarfunktion unterscheidet.
Das Bundesarbeitsgericht traf seine Entscheidung zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Diese Vorschrift stimmt im Wortlaut praktisch mit § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG überein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind beide Vorschriften im Wesentlichen gleich auszulegen; die Interessenlage in privaten Betrieben und öffentlichen Behörden gleicht sich insoweit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 1987 – 6 P 32.84 – juris Rn. 19; ähnlich Kaiser/Annuß in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, BPersVG § 75 Rn. 536). Angesichts dessen wich das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2016 von der vorhergehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dadurch ab, dass es nicht auf eine selbstständige Leistung der Einrichtung, auf ein datenverarbeitendes Programm abstellte (vgl. auch Bieder, NZA-RR 2017, 225 <230>). Nach den Besprechungen dieses Beschlusses wich das Bundesarbeitsgericht zudem von seiner eigenen Rechtsprechung ab, insbesondere vom Beschluss vom 10. Dezember 2013 – 1 ABR 43/12 – (juris) zur Verwendung von GoogleMaps bei der Überprüfung von Reisekostenabrechnungen (Wahlers, jurisPR-ITR 11/2017 Anm. 5; Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107>; Schiller in: Besgen/Prinz, Arbeiten 4.0 - Arbeitsrecht und Datenschutz in der digitalisierten Arbeitswelt, 4. Aufl. 2018, § 10 Arbeitsrechtliche Aspekte zu Social Media, Rn. 78). Ob der Beschluss vom 13. Dezember 2016 in der Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht eine Einzelfallentscheidung bleibt (so die Prognose von Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107>), braucht hier allerdings nicht weiter zu beschäftigen.
Die in etlichen Anmerkungen kritisch kommentierte Ausdehnung der bisherigen Rechtsprechung, die letztlich zur Mitbestimmungspflicht bei jedweder Eröffnung elektronischer Kommunikationsmittel durch die Dienststellenleitung führt (Grimm/Kühne, jM 2017, 330 <333>; siehe auch Mues, ArbRB 2017, 174 <175>; Prinz, SAE 2017, 92 <95>; Wahlers, jurisPR-ITR 11/2017 Anm. 5; dem BAG zustimmend Ley, BB 2017, 1213 <1215>; sich dem BAG unkommentiert anschließend Berg in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019 § 75 Rn. 263; Kaiser/Annuß in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, BPersVG § 75 Rn. 545; Rehak in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann u.a., BPersVG, § 75 Rn. 680), mag das Bundesarbeitsgericht in seiner Facebook-Entscheidung veranlasst haben, seinem abstrakten Rechtssatz Folgendes hinzuzufügen: „Zudem sind diese Daten über die Facebookseite dauerhaft öffentlich zugänglich. Sie sind deshalb nicht – wie das Landesarbeitsgericht meint – mit einem an den Arbeitgeber gerichteten Beschwerdebrief vergleichbar.“ Die Verknüpfung dieser Sätze mit der vorangegangenen Würdigung durch die Konjunktion „zudem“ lässt zwar daran zweifeln, ob es entscheidend auf den zusätzlichen Aspekt ankommen soll oder ob er hinweggedacht werden könnte, ohne am Ergebnis des Bundesarbeitsgerichts etwas zu ändern. Immerhin eignet sich der zusätzliche Aspekt zur Eindämmung einer ansonsten nahezu umfassenden Mitbestimmungspflicht.
Der Aspekt führt allerdings einen neuartigen Gesetzeszweck in die Auslegung des Mitbestimmungstatbestands ein, der sich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht findet. War bislang von den Gefahren der Technisierung nur der erhöhte Überwachungsdruck relevant, dem die Beschäftigten ausgesetzt sind, kommt nunmehr durch die Prangerwirkung öffentlich zugänglicher, womöglich unberechtigter oder tatsächlich haltloser Beschwerden über Beschäftigte, die einen Shitstorm und ähnlich gravierende Nachteile nach sich ziehen könnten, das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfassend in Betracht (vgl. Grimm/Kühne, jM 2017, 330 <333>). Auch wenn sich nach den Mitteilungen des Antragstellers und des Beteiligten seit der Eröffnung der Kommentarfunktionen nichts dergleichen ereignet hat, wären solche Vorkommnisse Anlass für die Dienststelle, im schutzwürdigen Interesse der Beschäftigten auf Abhilfe zu sinnen. Der Senat hält es allerdings für falsch, aus solchen Erwägungen heraus den Gesetzeszweck von § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG um einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Schutzgegenstand zu erweitern (ebenso Grimm/Kühne, jM 2017, 330 <333> zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen. Der Zulassungsgrund einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) liegt vor."
OLG München
Urteil vom 08.12.2020 18 U 5493/19 Pre
Das OLG München hat entschieden, dass Facebook in den Nutzungsbedingungen eine Klarnamenpflicht vereinbaren darf.
Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Ingolstadt, die auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 - III ZR 102/02, NJW 2003, 426 m.w.N.), ist zu bejahen.
Maßgeblich ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), weil die Beklagte ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung kann dahinstehen, ob es sich bei den streitgegenständlichen Ansprüchen um vertragliche Ansprüche oder um Ansprüche aus unerlaubter Handlung handelt, denn in beiden Fällen wäre das Landgericht Ingolstadt örtlich und damit auch international zuständig.
Eine Vertragspflicht der Beklagten im Sinne von Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO auf Bereitstellung von „Facebook-Diensten“ wäre mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien kraft Natur der Sache am Wohnsitz der Klägerin zu erfüllen.
Falls die Sperrung des klägerischen Nutzerkontos ein „schädigendes Ereignis“ im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO darstellen sollte, träte auch dieses primär am Wohnsitz der Klägerin ein. Denn dort käme es zur Kollision der widerstreitenden Interessen der Parteien, der Klägerin auf Meinungsfreiheit und Schutz ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Beklagten auf Wahrung ihrer Gemeinschaftsstandards (vgl. zur Bedeutung dieses Gesichtspunkts für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte im Falle einer Klage wegen einer Persönlichkeitsverletzung durch eine im Internet abrufbare Veröffentlichung BGH, Urteil vom 2.3.2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313, juris Rn. 20 ff.).
2. Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht der Klägerin kein Anspruch auf Freischaltung ihres unter dem Pseudonym „…“ angelegten Nutzerkontos aus § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB zu. Die in Ziffer 4 der maßgeblichen Nutzungsbedingungen der Beklagten (Anlage KTB 1, Stand: 30.01.2015) statuierte Verpflichtung der Facebook-Nutzer, ihre wahren Namen und Daten anzugeben, hält der rechtlichen Überprüfung stand.
1) Als Grundlage für den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Freischaltung ihres Nutzerkontos kommt allein der Erfüllungsanspruch aus dem Vertrag, durch den sich die Beklagte als Plattformbetreiberin verpflichtet hat, der Klägerin die Nutzung der von ihr angebotenen Dienste zu ermöglichen, und den die Beklagte durch eine rechtswidrige Sperrung verletzt hätte, in Betracht.
1) Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind nach deutschem Recht zu beurteilen. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO in Verbindung mit der Rechtswahl in Ziffer 5 der besonderen Nutzungsbedingungen der Beklagten für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland (Anlage KTB 2).
1) Zwischen den Parteien besteht unstreitig ein Vertragsverhältnis. Die Beklagte bietet ihren Nutzern unter der Bezeichnung „Facebook-Dienste“ Funktionen und Dienstleistungen an, die sie unter anderem über ihre Webseite unter www.facebook.com bereitstellt (vgl. Ziffer 17.1 der Anlage KTB 1). Insbesondere eröffnet sie ihren Nutzern die Möglichkeit, innerhalb ihres eigenen Profils Beiträge zu posten und die Beiträge anderer Nutzer zu kommentieren, soweit diese eine Kommentierung zulassen, oder mit verschiedenen Symbolen zu bewerten.
Für die von ihr angebotenen Dienste beansprucht die Beklagte kein Entgelt, weshalb der Nutzungsvertrag nicht als Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB eingeordnet werden kann. Es dürfte sich vielmehr um einen Vertrag sui generis handeln. Das ausführliche Regelwerk der Beklagten (Anlagen KTB 1 bis KTB 3) lässt jedenfalls erkennen, dass die Beklagte ihre Dienste mit Rechtsbindungswillen anbietet.
1) Bei der im Streit stehenden Klausel unter Ziffer 4 der Nutzungsbedingungen handelt es sich auch nicht um einen Teil der Leistungsbeschreibung, die gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB entzogen wäre.
Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gelten die Absätze 1 und 2 der Vorschrift sowie die §§ 308 und 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Klauseln, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu bezahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen) sind dagegen von der Inhaltskontrolle ausgenommen. Es ist nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie den Vertragsparteien im Allgemeinen freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen; mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt es insoweit regelmäßig auch an einem Kontrollmaßstab. Die Freistellung von der Inhaltskontrolle gilt jedoch nur für Abreden über den unmittelbaren Leistungsgegenstand, während Regelungen, die die Leistungspflicht des Verwenders einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, inhaltlich zu kontrollieren sind. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich von Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (BGH, Urteil vom 05.10.2017 - III ZR 56/17, NJW 2018, 535, juris Rn. 15 m.w.N.; Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, § 307 Rn. 44).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs stellt allein die jeweilige Umschreibung der von der Beklagten angebotenen „Facebook-Dienste“ entsprechend den Definitionen unter Ziffer 17 der Nutzungsbedingungen (Anlage KTB 1) eine der Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreibung dar. Mit der unter Ziffer 3 der Nutzungsbedingungen geregelten Verpflichtung zur Verwendung des auch im täglichen Leben verwendeten Namens wird dagegen das Hauptleistungsversprechen der Beklagten gegenüber ihren Nutzern, die angebotenen Dienste nutzen zu können, inhaltlich ausgestaltet und hinsichtlich der Verwendung von Pseudonymen eingeschränkt. Diese Klausel unterfällt nicht dem Ausnahmetatbestand des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.
1) Entgegen der Ansicht des Landgerichts hält die Klausel der Inhaltskontrolle stand. Die in Ziffer 4 vorgesehene Verpflichtung des Nutzers zur Angabe seines wahren Namens benachteiligt diesen nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben in unangemessener Weise (§ 307 Abs. 1 und 2 BGB).
1) Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist nicht ersichtlich. Die unter Ziffer 3 der Nutzungsbedingungen geregelte Verpflichtung, auf „Facebook“ denselben Namen zu verwenden, den der Nutzer auch im täglichen Leben verwendet, ist klar und verständlich formuliert.
1) Die Klausel ist auch nicht im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Bestimmung des § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG unvereinbar.
(1) Die Entbehrlichkeit einer Prüfung am Maßstab § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG ergibt sich zwar nicht bereits aus dem in § 3 Abs. 2 Satz 1 TMG anerkannten Herkunftslandprinzip in Verbindung mit dem Umstand, dass das irische Recht keine § 13 Abs. 6 TMG entsprechende Verpflichtung des Diensteanbieters kennt, die Nutzung von Telemedien unter einem Pseudonym zu ermöglichen. Denn die Beklagte hat unter Ziffer 5 der besonderen Nutzungsbedingungen der Beklagten für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland (Anlage KTB 2) ausdrücklich die Geltung deutschen Rechts vereinbart (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 TMG). Auf das Vertragsverhältnis der Parteien findet deshalb grundsätzlich auch § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG Anwendung, soweit diese Bestimmung nicht durch den Anwendungsvorrang höherrangigen Rechts, insbesondere der seit dem 25.05.2018 in jedem Mitgliedstaat geltenden Datenschutzgrundverordnung, verdrängt wird.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann im Rahmen der getroffenen Rechtswahl nicht zwischen „vertraglichen“ und „datenschutzrechtlichen“ Gesetzesbestimmungen differenziert werden. Dem Wortlaut von Ziffer 5 der besonderen Nutzungsbedingungen für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland gemäß Anlage KTB 2 lässt sich eine solche Unterscheidung nicht entnehmen. Dies gilt umso mehr, als Ziffer 5 die in den allgemeinen Nutzungsbedingungen der Beklagten gemäß Anlage KTB 1 enthaltene Ziffer 15.1 vollständig ersetzen soll, so dass auch der Inhalt dieser Ziffer in die Auslegung miteinzubeziehen ist. Darin kommt insbesondere zum Ausdruck, dass die Gesetze der vereinbarten Rechtsordnung umfassend für alle Ansprüche, die möglicherweise zwischen dem Nutzer und der Beklagten entstehen, gelten sollen.
Unabhängig davon verpflichtet § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG den Diensteanbieter dazu, die Nutzung von Telemedien anonym oder unter einem Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und ihm zumutbar ist. Dieser Verpflichtung korrespondiert ein entsprechender Anspruch des Nutzers gegen den Diensteanbieter, weshalb die Bestimmung nach der Terminologie der Beklagten zumindest auch „vertraglichen“ Charakter trägt.
(2) Die Vorschrift des § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG wird entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht durch den Anwendungsvorrang der Datenschutzgrundverordnung verdrängt. Das liegt aber nur daran, dass ein Widerspruch zwischen den vorrangigen Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung und § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG jedenfalls durch die gebotene unionsrechtskonforme Auslegung dieser Vorschrift vermieden werden kann. Im Hinblick auf die zwingenden Vorgaben des europäischen Datenschutzrechts hat das Landgericht zu Unrecht festgestellt, dass es der Beklagten zumutbar sei, ihren Nutzern eine Anonymisierungs- bzw. Pseudonymisierungsmöglichkeit bereitzustellen.
(i) Seit dem 25. Mai 2018 ist die Datenschutzgrundverordnung in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union (Art. 99 Abs. 2 DSGVO). Nationale Datenschutzgesetze können lediglich nationale Ausführungs-, Durchführungs- und Spezialbestimmungen enthalten und gelten nur subsidiär (§ 1 Abs. 3 BDSG). Daraus folgt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber nicht, dass die nationalen Datenschutzvorschriften von vornherein keine Anwendung mehr fänden (vgl. hierzu und im Folgenden: BGH, Urteil vom 24.09.2019 - VI ZB 39/18, BGHZ 223, 168, juris Rn. 31 f. m.w.N.). Ein Anwendungsvorrang der Datenschutzgrundverordnung kommt vielmehr nur in Betracht, soweit zwischen dem unmittelbar anwendbaren Recht der Europäischen Union und dem nationalen deutschen Recht ein Widerspruch auftritt (BGH, Urteil vom 05.07.2007 - IX ZR 256/06, BGHZ 173, 129, juris Rn. 22 m.w.N.). Das supranational begründete Recht der Europäischen Union entfaltet gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht keine rechtsvernichtende (derogierende) Wirkung, sondern drängt nur dessen Anwendung soweit zurück, wie es die Verträge erfordern und es die durch das Zustimmungsgesetz erteilten Rechtsanwendungsbefehle erlauben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.07.2011 - 1 BvR 1916/09, BVerfGE 129, 78, Rn. 81). Dabei ist es Sache der innerstaatlichen Gerichte, die Vorschriften des nationalen Rechts soweit wie möglich derart auszulegen, dass sie in einer zur Verwirklichung des Unionsrechts beitragenden Art und Weise angewandt werden können (BGH, Urteil vom 24.09.2019 - VI ZB 39/18, BGHZ 223, 168, juris Rn. 32; EuGH, Urteil vom 11.11.2015 - C-505/14, ZfIR 2016, 164, Rn. 31 ff.).
(ii) § 13 Abs. 6 TMG ist als datenschutzrechtliche Regelung zu qualifizieren. Die im Hinweis der Berichterstatterin vom 17.07.2020 geäußerten Bedenken (a.a.O., S. 3) hält der Senat - wie bereits im Berufungstermin mitgeteilt - angesichts der zutreffenden Ausführungen der Beklagten zur Entstehungsgeschichte der Norm nicht aufrecht.
Eine Bestimmung mit entsprechendem Regelungsgehalt wurde erstmals im Jahre 1997 mit § 4 Abs. 1 des früheren Teledienstdatenschutzgesetzes (TDDSG) eingeführt. Ausweislich der Gesetzesbegründung verfolgte der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung das Ziel der Datenminimierung bzw. - vermeidung (BT-Drucks. 13/7385, S. 7, 23). Bei der Verabschiedung des Telemediengesetzes im Jahre 2006 wurden die Datenschutzvorschriften des Teledienstdatenschutzgesetzes unverändert in das neue Gesetz übernommen (BT-Drucks. 16/3078, S. 9, 12, 15). Der datenschutzrechtliche Charakter von § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG ergibt sich auch aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Abschnitt 4 - Datenschutz des Gesetzes.
Der Senat hält auch nicht an der im Hinweis vom 17.07.2020 geäußerten vorläufigen Auffassung fest, dass die Frage, ob der Nutzer einer Social-Media-Plattform die ihm angebotenen Dienste anonym oder unter einem Pseudonym nutzen könne, im Vorfeld der Datenverarbeitung angesiedelt sei. Denn mit der anonymen oder pseudonymen Nutzung von Telemedien verfolgt der Nutzer jedenfalls auch das Ziel, die Preisgabe seiner persönlichen Daten zu vermeiden bzw. zu minimieren. Damit unterfällt der Regelungsgehalt des § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG dem Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung.
Der Bundesgerichtshof hat zwar in seinem Urteil vom 23.06.2009 (Az.: VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328, „spickmich“) seine Auffassung bestätigt, dass dem Internet eine anonyme Nutzung immanent sei. Eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden könnten, sei mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar (BGH a.a.O., Rn. 38). Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG vorrangig dem Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit dienen soll. Der Bundesgerichtshof führt vielmehr aus, dass die Vorschriften der §§ 12 ff. TMG dem Schutz der Nutzerdaten gegenüber dem Diensteanbieter dienen (BGH a.a.O.).
(iii) Die durch § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG statuierte Verpflichtung des Diensteanbieters, grundsätzlich eine anonyme oder pseudonyme Nutzung von Telemedien zu ermöglichen, steht im Konflikt mit den Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung.
Die Datenschutzgrundverordnung enthält keine dem § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG entsprechende Bestimmung. Es bedarf keiner näheren Erörterung, ob dieser Umstand für sich genommen ausreichen würde, um einen Widerspruch zwischen der nationalen Gesetzesbestimmung und dem europäischen Datenschutzrecht zu begründen. Denn der von der Beklagten referierten Entstehungsgeschichte der Datenschutzgrundverordnung lässt sich entnehmen, dass der europäische Normgeber bewusst davon abgesehen hat, dem Anbieter von Telemedien die Verpflichtung aufzuerlegen, die Nutzung von Telemedien anonym oder unter einem Pseudonym zu ermöglichen.
Wie die Beklagte zutreffend ausführt, wurde im Rahmen des europäischen Normsetzungsverfahrens von deutscher Seite versucht, ein Recht auf pseudonyme Nutzung in die Verordnung aufzunehmen. Ein Arbeitspapier der deutschen Delegation vom 24.10.2014 zum Thema Pseudonymisierung in der Arbeitsgruppe „Informationsaustausch und Datenschutz“ des Rates der Europäischen Union (Dok. 14705/14) enthielt den Vorschlag für einen Art. 7a, der ausdrücklich ein „Right to use aliases in information society services“ vorsah. Des Weiteren sprach sich die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 14.10.2015 dafür aus, zum Schutz der Privatsphäre der Telemediennutzer eine Bestimmung aufzunehmen, die zumindest bei zu privaten Zwecken genutzten Telemedien innerhalb der Europäischen Union ein Recht auf pseudonyme Nutzung verbindlich statuiert (vgl. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 14.08.2015, Datenschutzrechtliche Kernpunkte für die Trilogverhandlungen zur Datenschutz-Grundverordnung, S. 15 Ziff. 14).
Die deutschen Vorschläge haben in die Datenschutzgrundverordnung allerdings keinen Eingang gefunden. Vielmehr wird die Pseudonymisierung in Art. 25 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 DSGVO nur als eine mögliche geeignete (technische und organisatorische) Maßnahme zur Datenminimierung oder für eine sichere Datenverarbeitung genannt, wobei die Entscheidung dem für die Datenverarbeitung Verantwortlichen übertragen und gerade keine diesbezügliche Verpflichtung begründet wird.
Im Hinblick auf den Gang des Normsetzungsverfahrens kann das Schweigen der Datenschutzgrundverordnung in Bezug auf ein Recht des Nutzers auf eine pseudonyme Nutzung von Telemedien mithin als „beredt“ angesehen werden. Dies hat zur Folge, dass auch insoweit von einer abschließenden Regelung der Materie durch die Datenschutzgrundverordnung auszugehen ist, welche grundsätzlich einer abweichenden nationalen Regelung entgegensteht.
(iv) Der Widerspruch zwischen der Regelung des § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG und den Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung kann jedoch durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der erstgenannten Vorschrift aufgelöst werden.
§ 13 Abs. 6 Satz 1 TMG verpflichtet den Anbieter von Telemedien nur insoweit dazu, deren Nutzung anonym oder unter einem Pseudonym zu ermöglichen, als ihm dies zumutbar ist. Die Zumutbarkeit ist im Rahmen einer auf den konkreten Fall bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu ermitteln, bei der das Interesse des Anbieters mit dem Recht des Nutzers auf informationelle Selbstbestimmung abzuwägen ist (Hullen/Roggenkamp in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl., 2018, § 13 TMG Rn. 41 m.w.N.).
Diese Abwägung fällt entgegen der Ansicht des Landgerichts zugunsten der Beklagten aus:
Das von der Beklagten mit der Verpflichtung der Nutzer zur Verwendung ihres wahren Namens verfolgte Interesse erschöpft sich nicht darin, Nutzer bei Verstößen gegen ihre Nutzungsbedingungen leichter identifizieren zu können. Angesichts eines mittlerweile weitverbreiteten sozialschädlichen Verhaltens im Internet - Cyber-Mobbing, Belästigungen, Beleidigungen und Hassrede - hat die Beklagte ein legitimes Interesse daran, bereits präventiv auf ihre Nutzer einzuwirken. Der Senat teilt die Ansicht der Beklagten, dass die Verpflichtung zur Verwendung des wahren Namens grundsätzlich geeignet ist, Nutzer von einem rechtswidrigen Verhalten im Internet abzuhalten. Bei der Verwendung eines Pseudonyms liegt die Hemmschwelle nach allgemeiner Lebenserfahrung deutlich niedriger. Hiergegen kann die Klägerin nicht einwenden, dass die Verpflichtung zur Verwendung des wahren Namens keine hemmende Wirkung entfaltet habe, weil das beschriebene negative Verhalten im Internet in den letzten Jahren trotz bestehender Klarnamenpflicht massiv zugenommen habe. Der Umstand, dass einzelne Nutzer auch unter Verwendung ihres eigenen Namens Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen begehen, rechtfertigt nicht den von der Klägerin gezogenen Schluss, dass die von der Beklagten verfolgte Klarnamenpflicht zur Verwirklichung der angestrebten Ziele von vornherein ungeeignet wäre.
Die Klägerin verweist zu Recht darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs auch anonyme oder unter einem Pseudonym abgegebene Äußerungen vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) umfasst werden und dem Internet eine anonyme Nutzung immanent ist (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2009 - VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328, juris Rn. 38). Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist allerdings zu berücksichtigen, dass es neben der Beklagten noch andere soziale Netzwerke gibt, die ein anderes Grundprinzip verfolgen und keine offene Kommunikation mit realen Namen und Daten verlangen, etwa Instagram, das ebenfalls von der „Facebook“- Unternehmensgruppe betrieben wird, oder YouTube.
In der Kommentarliteratur wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass bei sozialen Netzwerken mit vornehmlich privatem Charakter - „Facebook“ wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich genannt - eine Verpflichtung des Nutzers zur Verwendung seines Klarnamens nicht ohne weiteres mit der vermeintlichen Unzumutbarkeit einer anonymen oder pseudonymen Nutzung gerechtfertigt werden könne (vgl. Hullen/Roggenkamp in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 13 TMG Rn. 42 unter Verweis auf Hoeren/Sieber/Holznagel/Schmitz, Teil 16.2 Rn. 205; Spindler/Schuster, Elektron. Medien/Spindler/Nink, 3. Aufl. 2015, TMG, § 13 Rn. 22). Gerade im Social Web bestehe mitunter das legitime Bedürfnis, Äußerungen zumindest unter einem Pseudonym zu veröffentlichen. Ein Konflikt zwischen dem von § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG grundsätzlich gewährten Anspruch auf pseudonyme Nutzung von Telemedien und den Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung wird von Vertretern der letztgenannten Auffassung mit dem Argument verneint, dass gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO die Verarbeitung personenbezogener Daten auf das für den Zweck der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein müsse und gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO personenbezogene Daten in einer Form gespeichert werden müssten, welche die Identifizierung der betroffenen Personen nur so lange ermögliche, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet würden, erforderlich sei. Hieraus wird abgeleitet, dass auch nach der Datenschutzgrundverordnung eine anonyme oder zumindest pseudonyme Nutzung von Telemedien zu ermöglichen sei, wenn eine solche dem Diensteanbieter zumutbar sei (so Hullen/Roggenkamp a.a.O., Rn. 43 m.w.N.).
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Sie ignoriert den Gang des Normsetzungsverfahrens der Datenschutzgrundverordnung, dem sich entnehmen lässt, dass der europäische Normgeber entgegen den deutschen Vorschlägen den Nutzern sozialer Netzwerke bewusst keinen Anspruch auf die Verwendung eines Pseudonyms eingeräumt hat, und setzt sich nicht mit dem Umstand auseinander, dass die Pseudonymisierung in Art. 25 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 DSGVO nur als mögliche Maßnahme zur Datenminimierung bzw. für eine sichere Datenverarbeitung genannt, aber keine entsprechende Verpflichtung des Verantwortlichen begründet wird. Jedenfalls unter Berücksichtigung der Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung ist der Beklagten ein größerer Spielraum im Hinblick auf das in § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG enthaltene Kriterium der Zumutbarkeit zuzubilligen. Sie kann sich deshalb darauf berufen, dass es für sie unzumutbar ist, die Nutzung der von ihr angebotenen „Facebook“-Dienste im Widerspruch zu dem mit der Schaffung dieser Plattform verfolgten Kommunikationskonzept unter einem Pseudonym zu ermöglichen.
(3) Die streitgegenständliche Klausel schränkt schließlich auch keine wesentlichen Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrages ergeben, so ein, dass eine Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Die Natur eines Vertrages wird durch den Zweck und den Inhalt des Vertrages bestimmt. Bei nicht normierten Verträgen ist von dem durch die Verkehrsauffassung geprägten Leitbild des Vertrages auszugehen. Die verkehrsübliche Gestaltung ist aber nur insoweit maßgebend, als sie mit den Grundwerten der Rechtsordnung übereinstimmt. Soweit einschlägige Normen fehlen, muss der Richter auf die vertragstypischen Gerechtigkeitserwartungen des redlichen Geschäftsverkehrs abstellen und für den Vertragstyp ein normatives Leitbild herausarbeiten (Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, § 307 Rn. 34 m.w.N.).
Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag handelt es sich - wie oben dargelegt - um einen nicht normierten Vertrag sui generis. Für die von ihr angebotenen Dienste beansprucht die Beklagte keine Vergütung. Der Nutzer räumt der Beklagten aber eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare und weltweite Lizenz für die Nutzung jedweder IP-Inhalte ein, die er auf Facebook postet (vgl. Ziff. 1 der Nutzungsbedingungen für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland, Anlage KTB 2).
Dem Internet ist zwar nach der bereits mehrfach zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung eine anonyme Nutzung grundsätzlich immanent (BGH, Urteil vom 23.06.2009 - VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328, juris Rn. 38).
Aufgrund der dominierenden Stellung der Beklagten als Betreiberin von „Facebook“, der mit Abstand größten Social-Media-Plattform, wird die verkehrsübliche Gestaltung solcher Plattformen allerdings auch durch die von der Beklagten auf dieser Plattform verfolgte Klarnamenpolitik geprägt. Die Inanspruchnahme der von der Beklagten angebotenen spezifischen „Facebook“-Dienste ist auch nicht nur unter Verwendung eines Pseudonyms sinnvoll möglich.
Bei der Prüfung der Frage, ob die verkehrsübliche Gestaltung mit den Grundwerten der Rechtsordnung im Einklang steht, sind wiederum die Vorgaben der unmittelbar geltenden Datenschutzgrundverordnung zu berücksichtigen, die gerade keine Verpflichtung des Diensteanbieters zur Ermöglichung der pseudonymen Nutzung von Telemedien kennt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit auf die obigen Ausführungen unter lit. bb) verwiesen. Aus der Natur des mit der Beklagten abgeschlossenen Nutzungsvertrages kann der Kläger deshalb keinen Anspruch auf Verwendung eines Pseudonyms im Rahmen seines eigenen Profils ableiten.
1) Soweit die Klägerin in Bezug auf die Klarnamenpflicht das Fehlen einer wirksamen Einwilligung nach Art. 7, 4 Nr. 11 DSGVO in Abrede stellt, kann sie damit nicht gehört werden. Das Erfordernis einer spezifischen Einwilligung in Bezug auf die streitgegenständliche Klausel vermag der Senat nicht zu erkennen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass Art. 6 DSGVO außer der Einwilligung des Betroffenen noch weitere Zulässigkeitstatbestände für die Datenverarbeitung enthält, von denen angesichts der vorstehenden Erwägungen aufgrund der berechtigten Interessen der Beklagten jedenfalls Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO als einschlägig anzusehen wäre.
1) Inwiefern die von der Beklagten verfolgte Klarnamenpolitik gegen die guten Sitten verstoßen soll (§ 138 Abs. 1 BGB), hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt. Ein Sittenverstoß ist auch nicht ersichtlich.
1) Entgegen den im Hinweis vom 17.07.2020 geäußerten Bedenken können aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 16.01.2018, Az. 16 O 341/15, für den vorliegenden Rechtsstreit keine Rechtswirkungen, insbesondere keine Rechtskrafterstreckung nach § 11 UKlaG, abgeleitet werden.
Das Landgericht Berlin hatte seine Entscheidung in erster Linie auf das Erfordernis einer wirksamen Einwilligung nach §§ 4, 4a BDSG a.F. gestützt, welche seit Geltung der Datenschutzgrundverordnung nicht mehr in Kraft sind. Die Vorschrift des § 4 BDSG a.F. (Zulässigkeit der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung) wurde durch Art. 6 DSGVO und die Vorschrift des Art. 4a BDSG a.F. (Einwilligung) durch Art. 4 Nr. 11, Art. 7 DSGVO ersetzt. Die neue Regelung in Art. 6 DSGVO sieht wie bereits erwähnt außer der Einwilligung des Betroffenen nunmehr weitere Zulässigkeitstatbestände für die Datenverarbeitung vor, von denen im vorliegenden Fall jedenfalls Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO in Betracht kommt. Soweit die Rechtskraft Wirkungen für die Zukunft entfaltet, ist eine Rechtsänderung zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 33. Aufl. 2020, Vor § 322 Rn. 53), so dass eine Bindungswirkung an das Urteil des Landgerichts Berlin nicht mehr angenommen werden kann.
1) Die Befugnis der Beklagten zur Verhängung von Sperren gegen einen Nutzer, der gegen seine Vertragspflichten verstoßen hat, ergibt sich aus Ziffer 4.3 und Ziffer 14 der Nutzungsbedingungen (Anlage KTB 1). Zwar ist die Klausel in Ziffer 14 mit „Beendigung“ überschrieben. Entscheidend ist jedoch, dass die Beklagte sich in dieser Klausel die Befugnis vorbehält, auf einen Verstoß des Nutzers gegen den Inhalt dieser Erklärung hin „die Bereitstellung von Facebook […] ganz oder teilweise ein(zu) stellen“. Unabhängig davon wäre die temporäre Sperrung auch als milderes Mittel gegenüber einer Beendigung des Vertrags aus wichtigem Grund zulässig.
2. Da ein Anspruch der Klägerin auf Freischaltung ihres Nutzerkontos nicht besteht, hat auch die vom Landgericht ausgesprochene Verurteilung der Beklagten zur Zahlung anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten keinen Bestand.
III.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt … € besteht bereits deshalb nicht, weil die Beklagte mit der Sperre des klägerischen Nutzerkontos ihre vertraglichen Pflichten gegenüber der Klägerin nicht verletzt hat. Auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziffer II wird Bezug genommen.
2. Im Übrigen wäre ein Anspruch aber auch dann nicht gegeben, wenn die Sperre rechtswidrig erfolgt wäre:
2) Ein Schadensersatzanspruch, sei es aus § 280 Abs. 1 oder §§ 823 ff. in Verbindung mit § 249 ff. BGB, scheitert - ungeachtet aller übrigen Voraussetzungen - daran, dass die Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass ihr ein materieller Schaden in Höhe des geltend gemachten Betrages entstanden ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die Entstehung des Schadens und dessen Höhe trifft bei sämtlichen Haftungstatbeständen den Geschädigten (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, 280 Rn. 34; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 80 f.).
Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung im Termin vom 07.11.2018 (Bl… d.A.) selbst eingeräumt, dass sie keine unmittelbaren materiellen Schäden durch die Sperrung habe. Allein der zeitweiligen Einschränkung ihrer privaten Kommunikationsmöglichkeiten auf „Facebook“ und dem Verlust der Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten kommt - auch wenn ein solcher Verlust eingetreten sein sollte - für sich genommen kein Vermögenswert zu. Die Einschränkung des „Kontakts nach außen“ kann allenfalls im Rahmen des von § 823 Abs. 1 BGB als „sonstiges Recht“ geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. hierzu Palandt/Sprau a.a.O. § 823 Rn. 133 ff.) einen Vermögensschaden begründen. Wegen eines immateriellen Schadens kann gemäß § 253 Abs. 1 BGB Entschädigung in Geld nur in den gesetzlich bestimmten Fällen gefordert werden.
2) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schmerzensgeldanspruchs aus § 253 Abs. 2 BGB liegen offensichtlich nicht vor. Die Klägerin ist nicht in einem der in dieser Vorschrift genannten Rechtsgüter verletzt worden. Auf andere Rechtsgüter und absolute Rechte ist die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar (Palandt/Grüneberg a.a.O. § 253 Rn. 11).
2) Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) zu.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei der Kollision mit der Meinungs- bzw. Pressefreiheit einen Anspruch auf Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessenschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013 - VI ZR 211/12, NJW 2014, 2029, juris Rn. 38).
2) Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass das zwischen den Parteien bestehende Schuldverhältnis über § 241 Abs. 2 BGB durch die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte der Parteien geprägt wird, kann diese Rechtsprechung nicht ohne Weiteres auf Pflichtverletzungen im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses übertragen werden. Denn eine pflichtwidrige Einschränkung von Kommunikationsmöglichkeiten, die der Klägerin ohnehin nur aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrages zur Verfügung stehen, beeinträchtigt sie bereits nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den engeren persönlichen Lebensbereich und die Entfaltung seiner Grundbedingungen (BVerfGE 121, 69, 90). Es bietet Schutz gegen eine umfassende Einschränkung der personalen Entfaltung bzw. der Privatautonomie (BVerfGE 72, 115, 170). Insoweit geht es um die Grundbedingungen freier Selbstbestimmung und Entfaltung, während für einzelne Beeinträchtigungen der Privatautonomie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) einschlägig ist (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., Art. 2 Rn. 50 m.w.N.).
Die Klägerin kann das Recht, sich auf „Facebook“ zu äußern, ausschließlich aus dem mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrag ableiten. Die Sperrung des Profils der Klägerin stellt insoweit nur eine einzelne Beeinträchtigung ihrer Privatautonomie dar, die ihre allgemeine Handlungsfreiheit berührt. Mit einer umfassenden Einschränkung ihrer personalen Entfaltung im vorgenannten Sinne ist die Sperrung hingegen nicht verbunden, ein Anspruch auf Nutzung bestimmter Kommunikationsmittel für den Kontakt zu Dritten oder für das Äußern von Meinungen besteht nicht.
2) Unabhängig davon würde es auch an den weiteren Voraussetzungen für die Zubilligung einer Geldentschädigung, dass es sich um eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann, fehlen. Wenn die Beklagte mit der Sperrung eines Nutzers schuldhaft ihre Vertragspflichten gegenüber dem Nutzer verletzt, stehen diesem Ansprüche auf Unterlassung, Folgenbeseitigung und Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution zu, die gerichtlich - bei Vorliegen der prozessualen Voraussetzungen auch im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes - durchgesetzt werden können.
2) Ansprüche der Klägerin auf eine fiktive Lizenzgebühr kommen ebenfalls nicht in Betracht.
Die Klägerin hat mit Abschluss des Nutzungsvertrages die Einwilligung zur umfassenden Nutzung ihrer Beiträge und Daten erteilt, ohne einen Vorbehalt für den Fall vorübergehender Sperrung ihres Nutzerprofils zu erklären.
Die der Beklagten von ihren Nutzern gemäß Ziffer 2 der Nutzungsbedingungen (Anlage KTB 1) eingeräumte Lizenz an den eingestellten Inhalten stellt zwar die „Gegenleistung“ für die Inanspruchnahme der Facebook-Dienste dar. Daraus folgt aber noch nicht, dass es sich bei dem Nutzungsvertrag um einen gegenseitigen Vertrag im Sinne von §§ 320 ff. BGB handelt. Dagegen spricht insbesondere, dass dem Nutzer gemäß Ziffer 2 der Nutzungsbedingungen bzw. gemäß Ziffer 1 der Nutzungsbedingungen für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland (Anlage KTB 2) die von ihm eingestellten Inhalte „gehören“ und er die Lizenz jederzeit durch Löschen der Inhalte oder des Kontos beenden kann. Darüber hinaus lässt sich den vertraglichen Vereinbarungen nicht entnehmen, dass die Beklagte während einer Sperrung des Nutzers an der Nutzung der ihr eingeräumten Lizenz gehindert wäre. Die Lizenz lässt sich nämlich auch als Gegenleistung für die vor der Sperrung erfolgte Zurverfügungstellung der Facebook-Dienste begreifen, zumal neue Inhalte während der Sperre nicht hinzukommen können. Im Übrigen erscheint eine Quantifizierung von Leistung und Gegenleistung wegen der Natur des unentgeltlichen Nutzungsvertrages gar nicht möglich.
2) Schließlich scheidet auch ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO aus.
Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen. Die Verarbeitung der Daten der Klägerin durch die Beklagte verstieß aber nicht gegen die DSGVO, denn sie beruhte auf der vorab erteilten Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen der Beklagten im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO und auf Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO.
Im Übrigen gilt auch hier, dass ersatzfähig als Schaden alle Nachteile sind, die der Geschädigte an seinem Vermögen oder an sonst rechtlich geschützten Gütern erleidet (vgl. Kühling/Buchner/Bergt, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 82 Rn. 19). Ein solch immaterieller Schaden, der hier allenfalls an eine - ggf. auch weniger schwerwiegende - Verletzung des Persönlichkeitsrechts anknüpfen könnte (vgl. hierzu Becker in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Art. 82 DSGVO Rn. 4c; Wybitul, Immaterieller Schadensersatz wegen Datenschutzverstößen, NJW 2019, 3265, 3267), liegt jedoch wie dargelegt nicht vor. Die bloße Sperrung des klägerischen Nutzerprofils begründet einen solchen Schaden nicht.