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Bundeskartellamt: Geldautomaten - staatliche Regulierung der Fremdabhebeentgelte nicht sinnvoll

Das Bundeskartellamt hat Untersuchungen zu den Fremdabhebegebühren bei der Nutzung von Geldautomaten angestellt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine staatliche Regulierung der Fremdabhebeentgelte nicht sinnvoll ist.

Den Fallbericht des Bundeskartellamtes finden Sie hier:

Die Pressemitteilung des Bundekartellamtes:

Fremdabhebegebühren bei Geldautomaten - Sachstand

Das Bundeskartellamt hat eine umfassende Untersuchung zu der Frage der Entgelte bei Geldabhebungen an Automaten von fremden Geldinstituten abgeschlossen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Für die meisten Verbraucher ist es heute möglich, hohe Gebühren beim Geldabheben zu vermeiden, indem man entweder zur eigenen Bank geht, auf die bestehenden Verbundsysteme zurückgreift, einen anderen, preisgünstigeren Automaten benutzt, sich bei Tankstellen oder im Handel mit Bargeld versorgt oder auch eine Kreditkarte zum Abheben verwendet. Grundlegend dafür ist die 2011 eingeführte Kostentransparenz, also die Tatsache, dass der Verbraucher vor der Transaktion am Automaten über die anfallenden Kosten informiert wird und sich gegebenenfalls dann noch anders entscheiden kann.“

Das Bundeskartellamt ist der Auffassung, dass eine staatliche Regulierung der Fremdabhebeentgelte derzeit nicht zielführend wäre. Zu niedrig angesetzte Höchstgrenzen für die Entgelte könnten dazu führen, dass an bestimmten Standorten gar keine Automaten mehr unterhalten würden.

Andreas Mundt: „Wir werden den Markt aber weiter beobachten. Dabei behalten wir uns vor, in Einzelfällen, bei besonders hohen Fremdabhebegebühren an Geldautomaten, für die es weit und breit keine Alternative gibt, Preismissbrauchsverfahren einzuleiten. Außerdem spielen die bestehenden Geldautomatenverbünde eine wichtige Rolle. Aufgrund ihrer bedeutenden Marktposition sind diese verpflichtet, über die Aufnahme bzw. die Ablehnung neuer Mitglieder nach fairen, diskriminierungsfreien Kriterien zu entscheiden.“

Zur Zeit existieren in Deutschland vier verschiedene Geldautomatenverbünde: der Genossenschaftsbanken, der Sparkassenorganisation, einen Verbund mehrerer größerer Privatbanken (Cash-Group) sowie den kleinsten Verbund, dem Privatbanken und einige Banken, die dem Genossenschaftssektor zuzurechnen sind, angehören (Cash-Pool). Innerhalb der Geldautomatenverbünde fallen für die Kunden der Mitgliedsbanken keine oder nur sehr geringe Kosten für die Nutzung eines fremden Geldautomaten an."

BGH: Diverse pauschale Entgeltklauseln einer Sparkasse unwirksam

BGH
Urteil vom 12.09.2017
XI ZR 590/15


Die Pressemitteilung des BGH:

Unwirksamkeit mehrerer Entgeltklauseln einer Sparkasse

Der unter anderem für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass mehrere vorformulierte Entgeltklauseln einer Sparkasse unwirksam sind und deshalb gegenüber Verbrauchern nicht verwendet werden dürfen.

Sachverhalt

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein, der als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Er macht die Unwirksamkeit verschiedener Klauseln geltend, die die beklagte Sparkasse in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis gegenwärtig verwendet bzw. verwendet hat. Im Einzelnen beanstandet der Kläger folgende Regelungen:

- Klausel 1: eine Klausel, mit der die Beklagte für die berechtigte Ablehnung der Einlösung einer SEPA-Lastschrift ein Entgelt in Höhe von 5 € erhebt ("Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Einlösung einer SEPA-Basis-Lastschrift bei Postversand 5,00 €");

- Klauseln 2 und 3: zwei Klauseln, mit denen an zwei unterschiedlichen Stellen im Preis- und Leistungsverzeichnis die jeweils inhaltsgleiche Regelung getroffen wird, dass für die Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung einer Einzugsermächtigungs-/Abbuchungsauftragslastschrift bei fehlender Deckung ein Entgelt in Höhe von 5 € anfällt ("Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung (bei Postversand) einer Einzugsermächtigungs-/Abbuchungsauftrags-lastschrift mangels Deckung 5.00 €");

- Klausel 4: eine Klausel, mit der die Beklagte bei Überweisungen innerhalb Deutschlands und in andere Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) in Währungen eines Staates außerhalb des EWR (Drittstaatenwährung) sowie bei Überweisungen in Staaten außerhalb des EWR (Drittstaaten) für die Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung eines Überweisungsauftrages bei fehlender Deckung ein Entgelt in Höhe von 5 € berechnet ("Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung (bei Postversand) … eines Überweisungsauftrages mangels Deckung 5,00 €");

- Klausel 5: eine mit der Klausel 4 wortgleiche Regelung betreffend Überweisungen innerhalb Deutschlands und in andere Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) in Euro oder in anderen EWR-Währungen;

- Klausel 6: eine Klausel, mit der die Beklagte unter anderem für die Aussetzung und die Löschung eines Dauerauftrages bis zum 1. Juli 2013 auch von Verbrauchern ein Entgelt in Höhe von 2 € erhoben hat ("Dauerauftrag: Einrichtung/Änderung/Aussetzung/Löschung 2,00 €");

- Klausel 7: eine von der Beklagten bis zum 13. Dezember 2012 verwendete Klausel, wonach für die Führung eines Pfändungsschutzkontos ein monatliches Entgelt in Höhe von 7 € anfiel ("Pfändungsschutzkonto: Privat-/Geschäftsgirokonto; Privatgirokonto: Grundpreis je angefangenen Monat 7,00 €");

- Klausel 8: eine Klausel, mit der die Beklagte für die Änderung oder Streichung einer Wertpapierorder ein Entgelt in Höhe von 5 € in Rechnung stellt ("Änderung, Streichung einer Order 5,00 €").

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klauseln 1 bis 5 und 7 insgesamt, die Klausel 6 hinsichtlich der Varianten "Aussetzung" und "Löschung" sowie die Klausel 8 bezüglich der Alternative "Streichung einer Order" gegen § 307 BGB* verstoßen, und nimmt die Beklagte insoweit darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Privatkunden zu unterlassen.

Prozessverlauf

Die Unterlassungsklage hatte vor dem Landgericht überwiegend - mit Ausnahme der Klauseln 7 und 8 - Erfolg. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers auch in Bezug auf die beiden vorgenannten Klauseln, also umfassend stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Die Klauseln 1 bis 5 weichen von § 675f Abs. 4 Satz 2, § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB und damit von einer gesetzlichen Preisregelung ab, weil das darin jeweils vorgesehene Entgelt in Höhe von 5 € für die Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung einer SEPA-Lastschrift, einer Einzugsermächtigungs- oder Abbuchungsauftragslastschrift bzw. einer Überweisung auf der Grundlage des Prozessvortrags der Beklagten nicht an den hierfür tatsächlich anfallenden Kosten ausgerichtet ist.

Gemäß den - mit den eindeutigen Vorgaben der EU-Zahlungsdiensterichtlinie in Einklang stehenden - Vorschriften der § 675f Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 BGB § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB kann der Zahlungsdienstleister mit dem Zahlungsdienstnutzer im Rahmen des Zahlungsdiensterahmenvertrages (§ 675f Abs. 2 BGB) für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung eines Zahlungsauftrages ausnahmsweise ein Entgelt vereinbaren, das allerdings nach § 675f Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 BGB angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein muss. Hingegen müssen Kosten für die Entscheidung über die Ausführung eines Zahlungsauftrages - auch wenn diese der Ablehnung eines Zahlungsauftrages zwingend vorangeht - außer Betracht bleiben, weil die Berücksichtigung dieser Kosten sich weder mit dem klaren Gesetzeswortlaut noch mit den ausdrücklichen Richtlinienvorgaben vereinbaren lässt. Vorliegend ist das in den Klauseln 1 bis 5 vorgesehene Entgelt in Höhe von 5 € nicht an den Kosten der Beklagten für die Unterrichtung des Zahlungsdienstnutzers ausgerichtet. Vielmehr hat die Beklagte in erheblichem Umfang Kostenpositionen berücksichtigt, die ihren eigenen Erläuterungen zufolge lediglich im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Nichtausführung des Zahlungsauftrages stehen, nicht aber mit der Unterrichtung des Kunden hierüber.

Die Klausel 6 weicht hinsichtlich der Fallgruppen "Aussetzung" und "Löschung" eines Dauerauftrages ebenfalls von der gesetzlichen Preisregelung des § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB ab, weil die Beklagte in diesen Fällen kein Entgelt erheben darf.

Die Ausführung eines Dauerauftrages stellt gemäß § 675c Abs. 3 BGB iVm § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZAG einen Zahlungsdienst dar, für dessen Erbringung als vertragliche Hauptleistung der Zahlungsdienstleister gemäß § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB ein Entgelt verlangen kann. Die Aussetzung und Löschung eines Dauerauftrages zielen aber nicht auf dessen Ausführung, sondern im Gegenteil darauf ab, dass dieser nicht ausgeführt wird. Sie sind als Widerruf (§ 675p BGB) des auf Ausführung des Dauerauftrages gerichteten Zahlungsauftrages zu verstehen. Die Berücksichtigung dieses Widerrufs stellt eine gesetzliche Nebenpflicht der Beklagten dar, wie aus § 675f Abs. 4 Satz 2, § 675p Abs. 4 Satz 3 BGB folgt, weil für die Bearbeitung des Widerrufs nur im Falle von § 675p Abs. 4 Satz 1 BGBein Entgelt vereinbart werden darf. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass die Bearbeitung des Widerrufs im Regelfall unentgeltlich zu erfolgen hat. Die Klausel 6 entspricht jedoch nicht diesem Regel-/Ausnahmeverhältnis, sondern sieht unterschiedslos die Erhebung eines Entgelts in Höhe von 2 € vor.

Die Klausel 7 unterliegt ebenfalls der Inhaltskontrolle, weil sie für die Führung des Pfändungsschutzkontos ein Entgelt in Höhe von 7 € vorsieht, das nach den Vorgaben der Senatsurteile vom 13. November 2012 (XI ZR 500/11 und XI ZR 145/12; vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 191/2012) eine kontrollfähige Preisnebenabrede darstellt.

Bei der Klausel 8 handelt es sich im Hinblick auf die streitige Alternative der "Streichung einer Order" gleichfalls um eine der Inhaltskontrolle unterworfene Preisnebenabrede. Die Beklagte wälzt hiermit Aufwand zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht auf den Kunden ab. Erfolgt der Erwerb von Wertpapieren durch eine Bank im Kundenauftrag im Wege des Kommissionsgeschäfts, so ist Hauptleistungspflicht und damit die durch eine Preishauptabrede abzugeltende Hauptleistung des Kommissionärs das mit der gebotenen Sorgfalt zu erbringende Bemühen, dem Auftrag des Kommittenten entsprechende Kaufverträge abzuschließen. Diese Verpflichtung besteht bei der Streichung einer Wertpapierorder nicht fort und kann aus diesem Grunde nicht die zu vergütende Hauptleistung sein. Eine Bank, die die Streichung einer Wertpapierorder berücksichtigt, erbringt ferner keine rechtlich nicht geregelte Sonderleistung. Die Streichung einer Wertpapierorder stellt eine - bis zur Ausführung des Kommissionsgeschäfts jederzeit mögliche - Kündigung des Kommissionsvertrages dar. Damit geht die gesetzliche Nebenpflicht des Kommissionärs einher, dieser Kündigung Folge zu leisten und ihr im Verhältnis zum Kommittenten Rechnung zu tragen. Indem die Klausel 8 für diesen Fall ein Entgelt in Höhe von 5 € vorsieht, wälzt sie einen Aufwand der Beklagten zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht auf den Kunden ab und unterliegt damit als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle. Dass der Kunde Wertpapiere von seiner Bank auch im Wege des sogenannten Festpreisgeschäfts erwerben kann, von dem der Kunde sich nicht jederzeit einseitig lösen kann, ist unerheblich. Denn die Klausel 8 differenziert nicht zwischen einem Erwerb von Wertpapieren im Wege des Kommissionsgeschäfts oder des sogenannten Festpreisgeschäfts.

Der hiernach eröffneten Inhaltskontrolle halten die angegriffenen Klauseln nicht stand, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen, von denen abgewichen wird, nicht zu vereinbaren sind (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und die Kunden der Beklagten entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Dies gilt für die Klauseln 1, 2, 3, 5 und 6 (im angegriffenen Umfang der "Aussetzung" und "Löschung" eines Dauerauftrages) bereits deshalb, weil sie gegen die Vorgaben von § 675f Abs. 4 Satz 2, § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB verstoßen, von denen gemäß § 675e Abs. 1 BGB nicht zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers abgewichen werden darf.

Die Klausel 4 weicht von den gemäß § 675e Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BGB disponiblen Vorgaben der § 675f Abs. 4 Satz 2, § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB ab, wodurch die unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB* indiziert wird. Umstände, nach denen diese Vermutung als widerlegt anzusehen sein könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Klausel 7 hält nach den Vorgaben der Senatsurteile vom 13. November 2012 (XI ZR 500/11 und XI ZR 145/12; vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 191/2012) einer Inhaltskontrolle ebenfalls nicht stand.

Die Klausel 8 ist unwirksam, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht, da sie einen Aufwand der Beklagten für die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht auf den Kunden abwälzt. Zu den wesentlichen Grundgedanken auch des dispositiven Rechts gehört, dass jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Rechtspflichten zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Ein Anspruch hierauf besteht nur, wenn dies im Gesetz ausnahmsweise vorgesehen ist, was vorliegend nicht der Fall ist. Durch die Abweichung von den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung wird die unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB indiziert, ohne dass Umstände ersichtlich oder vorgetragen wären, die diese Vermutung widerlegen.

Im Hinblick auf die Verwendung der beanstandeten Klauseln besteht schließlich auch die erforderliche Wiederholungsgefahr.

Die auf Grund der Verwendung der Klauseln 1 bis 5 und 8 in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis vermutete Wiederholungsgefahr hat die Beklagte nicht widerlegt. Darüber hinaus ist bezüglich der Klausel 6 gleichfalls von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die Beklagte hat diese Regelung nicht nur außergerichtlich, sondern auch noch im Rechtsstreit verteidigt. Dass sie die Klausel mit Wirkung zum 1. Juli 2013 in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis geändert hat, reicht allein zur Widerlegung der Wiederholungsgefahr nicht aus. Unerheblich ist auch, ob die Aufnahme der Klausel 6 in das Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten - wie diese im Rechtsstreit geltend gemacht hat - auf einem redaktionellen Versehen beruht.

Eine Wiederholungsgefahr ist in Bezug auf die Klausel 7 ebenfalls nicht ausgeräumt. Abgesehen davon, dass allein die insoweit erfolgte Änderung des Preis- und Leistungsverzeichnisses der Beklagten zum 13. Dezember 2012 für sich gesehen die Wiederholungsgefahr nicht entfallen lässt, ist eine abweichende Beurteilung auch nicht unter Berücksichtigung des weiteren Umstandes veranlasst, dass dies in Reaktion auf die vorgenannten Senatsurteile vom 13. November 2012 (XI ZR 500/11 und XI ZR 145; vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 191/2012) erfolgt ist. Denn die Beklagte hat diese Klausel gegenüber dem Kläger noch vorgerichtlich in der Sache verteidigt und sich erst im Prozess darauf zurückgezogen, es sei keine Wiederholungsgefahr mehr gegeben. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist daher nicht entbehrlich. Darüber hinaus ist aufgrund der Änderung der Regelung mit Wirkung für die Zukunft nicht die Gefahr beseitigt, dass sich die Beklagte in der Abwicklung von Altfällen auf die unwirksame Klausel berufen könnte, da sie insoweit keine Maßnahmen getroffen hat, dieser Gefahr zu begegnen.

Vorinstanzen:

Landgericht Freiburg – Urteil vom 14. April 2014 – 2 O 48/13

OLG Karlsruhe – Urteil vom 2. Dezember 2015 – 13 U 72/14

Karlsruhe, den 12. September 2017

§ 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 675c BGB

(1) Auf einen Geschäftsbesorgungsvertrag, der die Erbringung von Zahlungsdiensten zum Gegenstand hat, sind die §§ 663, 665 bis 670 und 672 bis 674 entsprechend anzuwenden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Die Vorschriften dieses Untertitels sind auch auf einen Vertrag über die Ausgabe und Nutzung von elektronischem Geld anzuwenden.

(3) Die Begriffsbestimmungen des Kreditwesengesetzes und des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes sind anzuwenden.

§ 675 e BGB

(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf von den Vorschriften dieses Untertitels nicht zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers abgewichen werden.

(2) Für Zahlungsdienste im Sinne des § 675d Abs. 1 Satz 2 sind § 675q Abs. 1 und 3, § 675s Abs. 1, § 675t Abs. 2, § 675x Abs. 1 und § 675y Abs. 1 und 2 sowie § 675z Satz 3 nicht anzuwenden; soweit solche Zahlungsdienste in der Währung eines Staates außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums erbracht werden, ist auch § 675t Abs. 1 nicht anzuwenden. Im Übrigen darf für Zahlungsdienste im Sinne des § 675d Abs. 1 Satz 2 zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers von den Vorschriften dieses Untertitels abgewichen werden; soweit solche Zahlungsdienste jedoch in Euro oder in der Währung eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erbracht werden, gilt dies nicht für § 675t Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 3.

(3) …

(4) …

§ 675f BGB

Zahlungsdienstevertrag

(1) …

(2) Durch einen Zahlungsdiensterahmenvertrag wird der Zahlungsdienstleister verpflichtet, für den Zahlungsdienstnutzer einzelne und aufeinander folgende Zahlungsvorgänge auszuführen sowie gegebenenfalls für den Zahlungsdienstnutzer ein auf dessen Namen oder die Namen mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes Zahlungskonto zu führen. Ein Zahlungsdiensterahmenvertrag kann auch Bestandteil eines sonstigen Vertrags sein oder mit einem anderen Vertrag zusammenhängen.

(3) Zahlungsvorgang ist jede Bereitstellung, Übermittlung oder Abhebung eines Geldbetrags, unabhängig von der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung zwischen Zahler und Zahlungsempfänger. Zahlungsauftrag ist jeder Auftrag, den ein Zahler seinem Zahlungsdienstleister zur Ausführung eines Zahlungsvorgangs entweder unmittelbar oder mittelbar über den Zahlungsempfänger erteilt.

(4) Der Zahlungsdienstnutzer ist verpflichtet, dem Zahlungsdienstleister das für die Erbringung eines Zahlungsdienstes vereinbarte Entgelt zu entrichten. Für die Erfüllung von Nebenpflichten nach diesem Untertitel hat der Zahlungsdienstleister nur dann einen Anspruch auf ein Entgelt, sofern dies zugelassen und zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart worden ist; dieses Entgelt muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein.

(5) …

§ 675o BGB

Ablehnung von Zahlungsaufträgen

(1) Lehnt der Zahlungsdienstleister die Ausführung eines Zahlungsauftrags ab, ist er verpflichtet, den Zahlungsdienstnutzer hierüber unverzüglich, auf jeden Fall aber innerhalb der Fristen gemäß § 675s Abs. 1 zu unterrichten. In der Unterrichtung sind, soweit möglich, die Gründe für die Ablehnung sowie die Möglichkeiten anzugeben, wie Fehler, die zur Ablehnung geführt haben, berichtigt werden können. Die Angabe von Gründen darf unterbleiben, soweit sie gegen sonstige Rechtsvorschriften verstoßen würde. Der Zahlungsdienstleister darf mit dem Zahlungsdienstnutzer im Zahlungsdiensterahmenvertrag für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung ein Entgelt vereinbaren.

(2) …

(3) …

§ 675p BGB

Unwiderruflichkeit eines Zahlungsauftrags

(1) Der Zahlungsdienstnutzer kann einen Zahlungsauftrag vorbehaltlich der Absätze 2 bis 4 nach dessen Zugang beim Zahlungsdienstleister des Zahlers nicht mehr widerrufen.

(2) Wurde der Zahlungsvorgang vom Zahlungsempfänger oder über diesen ausgelöst, so kann der Zahler den Zahlungsauftrag nicht mehr widerrufen, nachdem er den Zahlungsauftrag oder seine Zustimmung zur Ausführung des Zahlungsvorgangs an den Zahlungsempfänger übermittelt hat. Im Fall einer Lastschrift kann der Zahler den Zahlungsauftrag jedoch unbeschadet seiner Rechte gemäß § 675x bis zum Ende des Geschäftstags vor dem vereinbarten Fälligkeitstag widerrufen.

(3) Ist zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und seinem Zahlungsdienstleister ein bestimmter Termin für die Ausführung eines Zahlungsauftrags (§ 675n Abs. 2) vereinbart worden, kann der Zahlungsdienstnutzer den Zahlungsauftrag bis zum Ende des Geschäftstags vor dem vereinbarten Tag widerrufen.

(4) Nach den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Zeitpunkten kann der Zahlungsauftrag nur widerrufen werden, wenn der Zahlungsdienstnutzer und sein Zahlungsdienstleister dies vereinbart haben. In den Fällen des Absatzes 2 ist zudem die Zustimmung des Zahlungsempfängers zum Widerruf erforderlich. Der Zahlungsdienstleister darf mit dem Zahlungsdienstnutzer im Zahlungsdiensterahmenvertrag für die Bearbeitung eines solchen Widerrufs ein Entgelt vereinbaren.

(5) …

§ 1 ZAG

Begriffsbestimmungen; Ausnahmen für bestimmte Zahlungsinstitute

(1) …

(2) Zahlungsdienste sind:

1. ….

2.die Ausführung von Zahlungsvorgängen einschließlich der Übermittlung von Geldbeträgen auf ein Zahlungskonto beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsdienstnutzers oder bei einem anderen Zahlungsdienstleister durch

a) …

b) die Ausführung von Überweisungen einschließlich Daueraufträgen (Überweisungsgeschäft),

c) …

ohne Kreditgewährung (Zahlungsgeschäft),



BGH: Jede smsTAN kostet 0,10 EURO - Weite Preisklausel für smsTAN in Sparkassen-AGB unzulässig und unwirksam

BGH
Urteil vom 25. Juli 2017
XI ZR 260/15


Der BGH hat entschieden, dass die Klausel "Jede smsTAN kostet 0,10 EURO" in den Sparkassen-AGB unzulässig und damit unwirksam ist. Der BGH rügt, dass die Gebühr auch dann anfällt, wenn die smsTAN nur versendet aber vom Kunden nicht verwendet wird. Dies ist - so der BGH - jedoch unzulässig. Grundsätzlich ist es jedoch zulässig, für smsTAN, die auch verwendet werden, ein Entgelt verlangt wird.

Bundesgerichtshof entscheidet über eine Preisklausel für sogenannte smsTAN

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die vorformulierte Klausel "Jede smsTAN kostet 0,10 € (unabhängig vom Kontomodell)" in Bezug auf Verträge über Zahlungsdienste zwischen einem Kreditinstitut und Verbrauchern unwirksam ist.

Sachverhalt:

Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, wendet sich mit der Unterlassungsklage nach § 1 UKlaG gegen eine von der beklagten Sparkasse verwendete Preisklausel für smsTAN. Der Kläger behauptet, die Beklagte verwende in ihrem Preisverzeichnis eine Klausel mit folgendem Wortlaut: "Jede smsTAN kostet 0,10 € (unabhängig vom Kontomodell)". Er ist der Ansicht, diese Klausel verstoße gegen § 307 BGB, und nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Privatkunden zu unterlassen. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, eine Preisklausel für smsTAN zu verwenden, bestreitet aber, dass diese den vom Kläger behaupteten Wortlaut hat.

Prozessverlauf:

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat eine Preisklausel mit dem vom Kläger behaupteten Wortlaut als nicht der AGB-Kontrolle unterliegende sogenannte Preishauptabrede eingeordnet und deshalb Feststellungen dazu, ob die Beklagte die beanstandete Klausel mit dem behaupteten Wortlaut in ihrem Preisverzeichnis tatsächlich verwendet, für entbehrlich erachtet. Der Bundesgerichtshof hat aufgrund der zugelassenen Revision des Klägers das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Unterlassungsklage für zulässig erachtet. Bei Klagen nach § 1 UKlaG muss der Klageantrag die beanstandeten Bestimmungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Wortlaut enthalten, anderenfalls ist die Klage unzulässig. Ist streitig, ob eine vom Kläger beanstandete Klausel in dieser Fassung vom Beklagten tatsächlich verwendet wird, reicht es für die Zulässigkeit der Klage aus, wenn unter Angabe des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts die Verwendung der bestimmten Klausel behauptet und deren konkreter Wortlaut im Klageantrag wörtlich wiedergegeben wird; ob die beanstandete Klausel in dieser Fassung tatsächlich Verwendung findet, ist demgegenüber eine Frage der Begründetheit der Klage. Den hiernach bestehenden Zulässigkeitsvoraussetzungen genügt vorliegend das Klagevorbringen.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterliegt die beanstandete Klausel - deren Verwendung mit dem vom Kläger behaupteten Wortlaut durch die Beklagte mangels entgegen stehender Feststellungen im Revisionsverfahren zu unterstellen war - gemäß § 307 Abs. 3 BGB der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, weil sie eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung enthält.

Die Klausel ist aufgrund ihres einschränkungslosen Wortlauts ("Jede smsTAN…") so auszulegen, dass sie ein Entgelt in Höhe von 0,10 € für jede TAN vorsieht, die per SMS an den Kunden versendet wird, ohne dass es darauf ankommt, ob diese im Zusammenhang mit der Erteilung eines Zahlungsauftrages eingesetzt wird. Die Beklagte beansprucht danach etwa für jede TAN ein Entgelt, die zwar per SMS an den Kunden übersendet, von ihm aber z. B. auf Grund eines begründeten "Phishing"-Verdachts oder wegen der Überschreitung ihrer zeitlichen Geltungsdauer nicht verwendet wird. Ferner fällt nach der Klausel ein Entgelt auch dann an, wenn die TAN zwar zur Erteilung eines Zahlungsauftrags eingesetzt werden soll, dieser aber der Beklagten wegen einer technischen Fehlfunktion gar nicht zugeht.

Mit dieser ausnahmslosen Bepreisung von "smsTAN" weicht die Klausel von § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB** ab. Danach kann ein Zahlungsdienstleister zwar für die Erbringung eines Zahlungsdienstes das vereinbarte Zahlungsentgelt verlangen. Zu den Zahlungsdiensten, für die ein Entgelt erhoben werden kann, gehört auch die Ausgabe von Zahlungsauthentifizierungsmitteln, wie es das Online-Banking mittels PIN und TAN darstellt. In diesem Rahmen kann die Ausgabe einer per SMS übersendeten TAN aber nur dann als Bestandteil der Hauptleistung mit einem Entgelt nach § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB bepreist werden, wenn sie auch tatsächlich der Erteilung eines Zahlungsauftrages dient und damit als Teil des Zahlungsauthentifizierungsinstruments "Online-Banking mittels PIN und TAN" fungiert, weil von der Beklagten nur in diesem Fall ein entgeltpflichtiger Zahlungsdienst erbracht wird.

Der danach eröffneten Inhaltskontrolle hält die Klausel nicht stand. Sie weicht entgegen dem Gebot des § 675e Abs. 1 BGB*** zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers von den Vorgaben des § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB ab.

Das Berufungsgericht wird nunmehr die bislang unterbliebenen Feststellungen dazu nachzuholen haben, ob die Beklagte die vom Kläger beanstandete Klausel "Jede smsTAN kostet 0,10 € (unabhängig vom Kontomodell)" tatsächlich verwendet.

Vorinstanzen:

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 17. Januar 2013 – 5 O 168/12

OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 29. Mai 2015 – 10 U 35/13

§ 307 BGB Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen kön-nen nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 675f BGB Zahlungsdienstevertrag



(4) Der Zahlungsdienstnutzer ist verpflichtet, dem Zahlungsdienstleister das für die Erbringung eines Zahlungsdienstes vereinbarte Entgelt zu entrichten. Für die Erfüllung von Nebenpflichten nach diesem Untertitel hat der Zahlungsdienstleister nur dann einen Anspruch auf ein Entgelt, sofern dies zugelassen und zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart worden ist; dieses Entgelt muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein.



§ 675e Abweichende Vereinbarungen

(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf von den Vorschriften dieses Untertitels nicht zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers abgewichen werden.

BGH: Zu den Anforderungen an die Widerrufsbelehrung bei einem Immobiliardarlehensvertrag - Formulierung zum Fristbeginn

BGH
Urteil vom 22.11.2016
XI ZR 434/15



Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof entscheidet über die Wirksamkeit einer Widerrufsinformation bei einem
Immobiliardarlehensvertrag

Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute im schriftlichen Verfahren darüber entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Darlehensgeber einen Verbraucher als Darlehensnehmer klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist informiert.

Sachverhalt:

Die Kläger schlossen als Verbraucher im August 2010 mit der beklagten Sparkasse einen Immobiliardarlehensvertrag über endfällig 273.000 € mit einer Laufzeit bis zum 30. November 2026. Sie schrieben für zehn Jahre eine Verzinsung in Höhe von 3,95% p.a. fest. Den effektiven Jahreszins gab die Beklagte mit 3,78% p.a. an. Sie erteilte unter Nr. 14 des Darlehensvertrags eine Widerrufsinformation, die unter anderem folgenden Satz (ohne Fußnote) enthielt:

"Die Frist [gemeint: die Widerrufsfrist] beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB* (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat".

Als Sicherheit bestellten die Kläger eine Grundschuld. Die Beklagte stellte den Klägern die Darlehensvaluta zur Verfügung. Mit Schreiben vom 29. August 2013 widerriefen die Kläger ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.

Prozessverlauf:

Ihre Klage auf Feststellung, dass sie der Beklagten "aus dem widerrufenen Darlehensvertrag" lediglich 265.737,99 € abzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 32.778,30 € seit dem 30. September 2013 schulden, und auf Leistung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat das Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dabei waren im Wesentlichen folgende Überlegungen leitend:

In Übereinstimmung mit dem Senatsurteil vom 23. Februar 2016 (XI ZR 101/15, WM 2016, 706 Rn. 24 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ, vgl. Pressemitteilung Nr. 48/2016), das dasselbe Formular des Deutschen Sparkassenverlags betraf, hat das Berufungsgericht geurteilt, die äußere Gestaltung der Widerrufsinformation habe den gesetzlichen Anforderungen genügt.

Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, die Widerrufsinformation sei inhaltlich klar und verständlich gewesen. Die Wendung, die Widerrufsfrist beginne "nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat", informierte für sich klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist. Die von der Beklagten zur Erläuterung des Verweises auf § 492 Abs. 2 BGB in einem Klammerzusatz angefügten Beispiele entsprachen zwar nicht den gesetzlichen Vorgaben, weil sie mit den Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags und der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde "Pflichtangaben" benannten, die für den Immobiliardarlehensvertrag der Kläger nicht einschlägig waren. In der Angabe dieser beiden zusätzlichen Pflichtangaben lag indessen das von den Klägern angenommene vertragliche Angebot der Beklagten, das Anlaufen der Widerrufsfrist von der zusätzlichen Erteilung dieser beiden Angaben im Immobiliardarlehensvertrag abhängig zu machen.

Das Berufungsurteil hatte gleichwohl keinen Bestand, weil die Beklagte im Immobiliardarlehensvertrag keine Angaben zu der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde gemacht und damit nicht sämtliche Bedingungen erfüllt hat, von denen sie selbst das Anlaufen der Widerrufsfrist abhängig gemacht hat.

Das Berufungsgericht wird nach Zurückverweisung der Sache nunmehr der Frage nachzugehen haben, ob sich die Kläger im Zusammenhang mit der Ausübung des Widerrufsrechts rechtmissbräuchlich verhalten haben und welche Rechtsfolgen der Widerruf der Kläger – seine Wirksamkeit unterstellt – hat.

§ 492 BGB Schriftform, Vertragsinhalt



(2) Der Vertrag muss die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche enthalten.



Vorinstanzen:

LG Heidelberg – Urteil vom 14. Oktober 2014 – 2 O 168/14

OLG Karlsruhe – Urteil vom 25. August 2015 – 17 U 179/14


BGH: Regelung über pauschales Mindestentgelt für geduldete Kontoüberziehungen in AGB von Banken und Sparkassen unzulässig

BGH
Urteile vom 12.05.2016 - Urteil vom 25. Oktober 2016
XI ZR 9/15 und XI ZR 387/15


Der BGH hat entschieden, dass eine Regelung in den AGB von Banken oder Sparkassen, die ein pauschales Mindestentgelt für geduldete Kontoüberziehungen vorsieht, den Bankkunden unangemessen benachteiligt und somit unwirksam ist.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof entscheidet über Zulässigkeit eines pauschalen Entgelts für geduldete Überziehungen

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei im wesentlichen Punkt parallel gelagerten Revisionsverfahren entschieden, dass vorformulierte Bestimmungen über ein pauschales "Mindestentgelt" für geduldete Überziehungen (§ 505 BGB*) zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher unwirksam sind.

In dem Verfahren XI ZR 9/15 (vgl. dazu die Pressemitteilung Nr. 156/2016) heißt es in den von der beklagten Bank verwendeten "Bedingungen für geduldete Überziehungen" auszugsweise wie folgt:

"5. Die Höhe des Sollzinssatzes für geduldete Überziehungen, der ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfällt, beträgt 16,50 % p. a. (Stand August 2012). Die Sollzinsen für geduldete Überziehungen fallen nicht an, soweit diese die Kosten der geduldeten Überziehung (siehe Nr. 8) nicht übersteigen.

(…)

8. Die Kosten für geduldete Überziehungen, die ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfallen, betragen 6,90 Euro (Stand August 2012) und werden im Falle einer geduldeten Überziehung einmal pro Rechnungsabschluss berechnet. Die Kosten für geduldete Überziehung fallen jedoch nicht an, soweit die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen diese Kosten übersteigen."

Der Kläger, ein Verbraucherschutzverein, ist der Ansicht, dass die Regelung unter Ziffer 8 Satz 1 der Bedingungen Verbraucher unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB benachteiligt, und nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung dieser Klausel in Anspruch. Während die Klage in erster Instanz keinen Erfolg hatte, hat ihr das Berufungsgericht stattgegeben.

In dem Verfahren XI ZR 387/15 (vgl. Pressemitteilung Nr. 157/2016) begehrt der klagende Verbraucherschutzverein von der Beklagten, einer Geschäftsbank, die Unterlassung der Verwendung folgender Klausel:

"[Die Bank] berechnet für jeden Monat, in welchem es auf dem Konto zu einer geduldeten Überziehung kommt, ein Entgelt von 2,95 €, es sei denn, die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen übersteigen im Berechnungsmonat den Entgeltbetrag von 2,95 €. Die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen werden nicht in Rechnung gestellt, wenn sie im Berechnungsmonat den Entgeltbetrag von 2,95 € unterschreiten."

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klausel wegen einer unangemessenen Benachteiligung von Verbrauchern unwirksam sei. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in dem Verfahren XI ZR 9/15 die Revision der beklagten Bank zurückgewiesen. In dem Verfahren XI ZR 387/15 hat er auf die Revision des Klägers der Klage stattgegeben.

Die jeweils in Streit stehenden Bestimmungen über das pauschale "Mindestentgelt" für eine geduldete Überziehung unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen der gerichtlichen Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und halten dieser nicht stand, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichen und die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Die Klauseln sind nicht als sogenannte Preishauptrede einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entzogen. Vielmehr handelt es sich um Preisnebenabreden, die einer Inhaltskontrolle unterliegen. Denn in den Fällen, in denen das Mindestentgelt erhoben wird, wird mit diesem unabhängig von der Laufzeit des Darlehens ein Bearbeitungsaufwand der Bank auf den Kunden abgewälzt. Die angegriffenen Klauseln weichen damit von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. Denn der Preis für eine geduldete Überziehung, bei der es sich um ein Verbraucherdarlehen handelt, ist dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB folgend ein Zins und damit allein eine laufzeitabhängige Vergütung der Kapitalüberlassung, in die der Aufwand für die Bearbeitung einzupreisen ist.

Die Klauseln benachteiligen die Kunden der Beklagten auch in unangemessener Weise, zumal sie gerade bei niedrigen Überziehungsbeträgen und kurzen Laufzeiten zu unverhältnismäßigen Belastungen führen. Denn bei einer geduldeten Überziehung von 10 € für einen Tag und dem hierfür in Rechnung zu stellenden Betrag von 6,90 € in dem Verfahren XI ZR 9/15 bzw. von 2,95 € in dem Verfahren XI ZR 387/15 wäre ein Zinssatz von 25.185% p.a. bzw. von 10.767,5% p.a. zwischen den Parteien zu vereinbaren.

Urteil vom 25. Oktober 2016 – XI ZR 9/15

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 21. Juni 2013 – 12 O 345/12

OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 4. Dezember 2014 – 1 U 170/13

und

Urteil vom 25. Oktober 2016 – XI ZR 387/15

LG Düsseldorf – Urteil vom 9. April 2014 – 12 O 71/13

OLG Düsseldorf – Urteil vom 16. Juli 2015 – 6 U 94/14

§ 505 BGB

Geduldete Überziehung

(1) Vereinbart ein Unternehmer in einem Vertrag mit einem Verbraucher über ein laufendes Konto ohne eingeräumte Überziehungsmöglichkeit ein Entgelt für den Fall, dass er eine Überziehung des Kontos duldet, müssen in diesem Vertrag die Angaben nach Artikel 247 § 17 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche auf einem dauerhaften Datenträger enthalten sein und dem Verbraucher in regelmäßigen Zeitabständen auf einem dauerhaften Datenträger mitgeteilt werden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn ein Darlehensgeber mit einem Darlehensnehmer in einem Vertrag über ein laufendes Konto mit eingeräumter Überziehungsmöglichkeit ein Entgelt für den Fall vereinbart, dass er eine Überziehung des Kontos über die vertraglich bestimmte Höhe hinaus duldet.

(2) Kommt es im Fall des Absatzes 1 zu einer erheblichen Überziehung von mehr als einem Monat, unterrichtet der Darlehensgeber den Darlehensnehmer unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger über die sich aus Artikel 247 § 17 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ergebenden Einzelheiten. Wenn es im Fall des Absatzes 1 zu einer ununterbrochenen Überziehung von mehr als drei Monaten gekommen ist und der durchschnittliche Überziehungsbetrag die Hälfte des durchschnittlichen monatlichen Geldeingangs innerhalb der letzten drei Monate auf diesem Konto übersteigt, so gilt § 504a entsprechend. Wenn der Rechnungsabschluss für das laufende Konto vierteljährlich erfolgt, ist der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 der jeweilige Rechnungsabschluss.

(3) Verstößt der Unternehmer gegen Absatz 1 oder Absatz 2, kann der Darlehensgeber über die Rückzahlung des Darlehens hinaus Kosten und Zinsen nicht verlangen.

(4) Die §§ 491a bis 496 und 499 bis 502 sind auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge, die unter den in Absatz 1 genannten Voraussetzungen zustande kommen, nicht anzuwenden.

§ 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 488 Abs. 1 BGB

Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag

(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

(2) (…)

(3) (…)

Volltext der BGH-Entscheidung zur Farbmarke Rot der Sparkassen liegt vor - Zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung durch ein demoskopisches Gutachten

BGH
Beschluss vom 21. Juli 2016 - I ZB 52/15
Sparkassen-Rot
MarkenG § 8 Abs. 3, § 50 Abs. 1 und 2 Satz 1, § 97


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Farbmarke Rot der Sparkasse wird nicht gelöscht - Verkehrsdruchsetzung im relevanten Zeitpunkt der Entscheidung über Löschungsantrag über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Im Rahmen einer Befragung zur Erstellung eines demoskopischen Gutachtens zur Verkehrsdurchsetzung ist mit der Eingangsfrage zu ermitteln, ob der Befragte das in Rede stehende Zeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen schon einmal wahrgenommen hat. Erst im Anschluss daran kann bei dem Personenkreis, der das Zeichen kennt, nachgefragt werden, ob er es als Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen sieht. Dabei darf die Eingangsfrage den herkunftshinweisenden Charakter des Zeichens nicht bereits suggerieren.

b) Steht fest, dass mehrere Dienstleistungen unterschiedlicher Art typischerweise von einem einzigen Unternehmen erbracht werden (hier: Bankdienstleistungen für Privatkunden) und der angesprochene Verkehr erwartet, wenn er die wichtigste dieser Dienstleistungen in Anspruch nimmt (hier: Führung eines Girokontos), dass das Unternehmen auf Anfrage weitere
Dienstleistungen (hier: Ausgabe von Debit- und Kreditkarten, Kredite, Geldanlagen usw.) anbietet, kann dieses Dienstleistungsbündel Gegenstand einer einzigen Befragung zur Verkehrsdurchsetzung eines Zeichens sein, das hierfür Geltung beansprucht.

c) Ein demoskopisches Gutachten kann den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung erbringen, wenn es keine grundlegenden methodischen Mängel aufweist und nach Abschlägen einen Kennzeichnungsgrad von über 50% ergibt.

d) Ein demoskopisches Gutachten ist nicht geeignet, die Verkehrsdurchsetzung eines Zeichens zu widerlegen, wenn auf sein Ergebnis wegen methodischer Mängel Aufschläge gemacht werden müssen, die dazu führen, dass für das in Frage stehende Zeichen ein Kennzeichnungsgrad von über 50% erreicht wird.

e) Ebenso wie größere Zeiträume zwischen Anmeldetag und Zeitpunkt der Erstattung eines demoskopischen Gutachtens regelmäßig die Annahme ausschließen, das Gutachtenergebnis könne auf den Anmeldetag zurückbezogen werden, stehen größere Zeiträume zwischen der Erstattung eines demoskopischen Gutachtens und der Entscheidung über den Löschungsantrag im Regelfall dessen Verwertung im Rahmen der Prüfung einer Verkehrsdurchsetzung
im Entscheidungszeitpunkt entgegen.

BGH, Beschluss vom 21. Juli 2016 - I ZB 52/15 - Bundespatentgericht

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Bundeskartellamt: Gemeinsame App für Girokonten der Sparkassen kartellrechtlich nicht zu beanstanden - Yomo

Das Bundeskartellamt hat entschieden, dass die gemeinsame App für Girokonten der Sparkassen (Yomo) kartellrechtlich nicht zu beanstanden ist.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

Bundeskartellamt hat keine Einwände gegen App-basiertes Girokonto der Sparkassen

Mehrere Sparkassen planen derzeit unter dem Projektnahmen „Yomo“ („Your Money“) eine gemeinsame App zu entwickeln, die eine Kontoeröffnung und Kontoführung über das Mobiltelefon ermöglicht. Da die einzelnen regionalen Sparkassen bei einem solchen bundesweit verfügbaren Angebot im Wettbewerb zueinander stehen, hat sich das Bundeskartellamt mit dem Vorhaben befasst.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die Sparkassen haben uns vorab über ihre Pläne informiert. In der uns vorgelegten Ausgestaltung haben wir keine wettbewerblichen Bedenken gegen das Vorhaben. Die Zusammenarbeit der Sparkassen ermöglicht es insbesondere auch kleineren Instituten, ein eigenes App-basiertes Girokonto anzubieten und junge Kunden anzusprechen. Dadurch dürfte der Wettbewerb auf dem Markt für Girokonten eher belebt werden.“

Über die App wird der Kunde die Möglichkeit haben, unter den teilnehmenden Sparkassen ein kontoführendes Institut auszuwählen. Das Angebot soll die grundlegenden Funktionen eines normalen Girokontos bieten, u.a. soll der Kunde auch eine übliche Girocard zum Geldabheben und Bezahlen erhalten. In dieser Version soll das Konto kostenlos sein. Sollte der Kunde weitere Dienstleistungen wünschen, etwa eine Kreditkarte oder einen Dispositionskredit, werden die teilnehmenden Sparkassen die Konditionen hierfür unabhängig voneinander selbst festlegen.

Mit einem Angebot, das sich an Kunden innerhalb Deutschlands unabhängig von seinem Wohnort wendet, stehen die teilnehmenden Sparkassen im Wettbewerb zueinander. Die gemeinsame Vereinbarung der Sparkassen darüber, die Basisversion des App-Kontos kostenlos anzubieten, könnte eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung darstellen.

Im Rahmen seines Aufgreifermessens hat das Bundeskartellamt entschieden, kein Verfahren gegen die teilnehmenden Sparkassen einzuleiten. Das gemeinsame Vorgehen der Sparkassen erscheint in diesem Fall gerechtfertigt, da so insbesondere auch kleinere Institute die Möglichkeit haben, über die App Neukunden zu gewinnen. Darüber hinaus erscheint es in dem derzeitigen Marktumfeld unumgänglich, die Basisversion eines App-Kontos kostenfrei anzubieten, so dass die Vereinbarung – wenn überhaupt – den Wettbewerb nur geringfügig beschränkt.

BGH: Farbmarke Rot der Sparkasse wird nicht gelöscht - Verkehrsdruchsetzung im relevanten Zeitpunkt der Entscheidung über Löschungsantrag

BGH
Beschluss vom 21.07.2016
I ZB 52/15
Sparkassen-Rot


Der BGH hat entschieden, dass die Farbmarke Rot der Sparkassen nicht gelöscht wird. In dem für die Entscheidung relevanten Zeitpunkt, nämlich der Entscheidung über den Löschungsantrag, hatte die Marke Verkehrsgeltung erlangt.

Bundesgerichtshof entscheidet über den Bestand der roten Farbmarke der Sparkassen

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass die rote Farbmarke der Sparkassen nicht im Markenregister zu löschen ist.

Der Markeninhaber ist der Dachverband der Sparkassen-Finanzgruppe. Für ihn ist die am 7. Februar 2002 angemeldete und am 11. Juli 2007 eingetragene abstrakte Farbmarke "Rot" (HKS 13) als verkehrsdurchgesetztes Zeichen für die Dienstleistungen "Finanzwesen, nämlich Retail-Banking (Bankdienstleistungen für Privatkunden)" registriert.

Die Antragstellerinnen sind Unternehmen der spanischen Santander-Bankengruppe, die in Deutschland Dienstleistungen im Bereich des Privatkundengeschäfts der Banken erbringen und für ihren Marktauftritt die Farbe Rot verwenden. Sie haben beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Farbmarke beantragt. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Löschungsanträge zurückgewiesen.

Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen hat das Bundespatentgericht das Verfahren ausgesetzt und ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet, der hierüber mit Urteil vom 19. Juni 2014 entschieden hat. Anschließend hat das Bundespatentgericht die Löschung der Farbmarke angeordnet.

Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hat der Bundesgerichtshof den Beschluss des Bundespatentgerichts aufgehoben und die Beschwerde gegen die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts zurückgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das absolute Schutzhindernis mangelnder Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt. Abstrakte Farbmarken sind im Allgemeinen nicht unterscheidungskräftig und deshalb nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht eintragungsfähig, weil der angesprochene Verkehr eine Farbe regelmäßig als dekoratives Element und nicht als Produktkennzeichen wahrnimmt. Besondere Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigten, lagen nicht vor.

Das Bundespatentgericht hatte angenommen, die Farbmarke habe sich für die in Rede stehenden Dienstleistungen weder im Zeitpunkt der Anmeldung im Jahr 2002 noch der Entscheidung über den Löschungsantrag im Jahr 2015 im Verkehr im Sinne von § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt. Diese Sichtweise hat der Bundesgerichtshof nicht gebilligt. Ausreichend für eine Verkehrsdurchsetzung von abstrakten Farbmarken ist wie bei anderen Markenformen auch, dass der überwiegende Teil des Publikums in der Farbe ein Kennzeichen für die Waren oder Dienstleistungen sieht, für die die Marke Geltung beansprucht. Der Markeninhaber und die Antragstellerinnen haben im Verfahren eine Vielzahl von Meinungsforschungsgutachten zur Frage der Verkehrsdurchsetzung vorgelegt. Diese Gutachten belegen zwar keine Verkehrsdurchsetzung der Farbmarke zum Zeitpunkt der Markenanmeldung im Jahr 2002, sie rechtfertigen jedoch die Annahme der Verkehrsdurchsetzung zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag im Jahr 2015. In einem derartigen Fall darf die Farbmarke gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG nicht gelöscht werden.

Bundespatentgericht, Beschluss vom 19. März 2013 - 33 W (pat) 33/12, GRUR 2013, 844

EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-217 und 218/13, GRUR 2014, 776

Bundespatentgericht, Beschluss vom 8. Juli 2015 - 25 W (pat) 13/14, GRUR 2015, 796

Karlsruhe, den 21. Juli 2016

§ 8 Abs. 2 MarkenG

Von der Eintragung ausgeschlossen sind Marken,

1.denen für die Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt,



§ 8 Abs. 3 MarkenG

Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn die Marke sich vor dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung infolge ihrer Benutzung für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt hat.

§ 50 Abs. 2 MarkenG

Ist die Marke entgegen §§ 3, 7 oder 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 eingetragen worden, so kann die Eintragung nur gelöscht werden, wenn das Schutzhindernis auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Löschung besteht. …


Bundeskartellamt: Beschränkung von Online-Bezahldiensten durch die deutsche Kreditwirtschaft verstößt gegen Kartellrecht

Das Bundeskartellamt hat entschieden, dass die Beschränkung von Online-Bezahldiensten durch die deutsche Kreditwirtschaft kartellrechtswidrig ist.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamts:

Beschränkung von Online-Bezahldiensten durch die deutsche Kreditwirtschaft verstößt gegen das Kartellrecht

Das Bundeskartellamt hat bestimmte Regelungen der Online-Banking-Bedingungen der Deutschen Kreditwirtschaft für rechtswidrig erklärt. Die Behörde ist der Ansicht, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken den Wettbewerb der verschiedenen Anbieter von Bezahlverfahren im Internet beschränken und gegen deutsches und europäisches Kartellrecht verstoßen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die Online-Banking-Bedingungen der Deutschen Kreditwirtschaft führen zu einer Behinderung von neuen und innovativen Dienstleistungsangeboten auf dem wachsenden Markt für Bezahlverfahren im Internethandel. Im Kern geht es darum, ob auch bankenunabhängige Bezahlverfahren PIN und TAN nutzen dürfen. Wir haben uns intensiv mit dem berechtigten Anliegen der Kreditwirtschaft auseinandergesetzt, dass Sicherheit im Online-Banking gewährleistet sein muss. Die derzeit verwendeten Regelungen lassen sich aber nicht als notwendigen Teil eines konsistenten Sicherheitskonzepts der Banken einstufen und behindern bankunabhängige Wettbewerber.“

Die Deutsche Kreditwirtschaft sowie die in ihr vereinten Verbände Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V. (DSGV) sowie Bundesverband deutscher Banken e.V. (BdB) verwenden seit vielen Jahren gemeinsam abgestimmte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), zu denen auch die „Sonderbedingungen für das Online-Banking“ zählen. Die AGB werden in der Deutschen Kreditwirtschaft beschlossen und von den ihr angeschlossenen Spitzenverbänden gegenüber ihren Mitgliedern zur Nutzung empfohlen. Sie werden flächendeckend von den in Deutschland tätigen Kreditinstituten verwendet.

Die festgestellte Rechtswidrigkeit bezieht sich auf die in den „Sonderbedingungen für das Online-Banking“ dem Online-Banking-Kunden auferlegten Vorgaben beim Umgang mit den personalisierten Sicherheitsmerkmalen PIN (Persönliche Identifikationsnummer) und TAN (Transaktionsnummer). Demnach dürfen Online-Banking-Kunden im Internethandel im Rahmen der Nutzung bankenunabhängiger Bezahlverfahren ihre PIN und TAN nicht als Zugangsinstrumente bei Dritten, zu denen auch sogenannte Zahlungsauslösedienste gehören, eingeben.

Durch diese Regelung wurde und wird die Nutzung von bankenunabhängigen und innovativen Bezahlverfahren beim Einkauf im Internet erheblich behindert. Die Anbieter dieser Bezahlverfahren haben ein Dienstleistungsangebot entwickelt, das eine preisgünstigere Alternative zu den bereits am Markt etablierten Bezahlverfahren darstellt und ein Bedürfnis von Online-Kunden und Online-Händlern nach einer preiswerten und schnellen Zahlungsoption deckt.

Das Bundeskartellamt hat sich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Klauseln beschränkt und auf Antrag der Beteiligten die sofortige Vollziehung ausgesetzt. Damit wird der Handlungsspielraum der Beteiligten bei der Umsetzung des Beschlusses und der Abstellung des beanstandeten Verhaltens nicht durch kartellbehördliche Vorgaben und enge Fristen eingeschränkt. Andererseits werden die klaren kartellrechtlichen Grenzen dieses Handlungsspielraums aufgezeigt. Die parallel anhängigen und zwischenzeitlich zum Teil ausgesetzten Zivilverfahren sowie die Überlegungen zu einer gesetzlichen Neuregelung dieses Bereichs werden durch die ausführliche Begründung der Rechtsauffassung des Bundeskartellamtes auf der Grundlage eines im Wege der Amtsermittlung aufgeklärten Sachverhalts befördert.

Hintergrund:
Die Regelungen für die Tätigkeit von bankenunabhängigen Bezahlverfahren unterliegen aktuell einem europäischen Gesetzgebungsprozess: Die für diesen Bereich relevante europäische Zahlungsdiensterichtlinie (PSD) wurde 2015 novelliert und ist bis Anfang 2018 in nationales Recht umzusetzen. Mit dieser Umsetzung wird ein einheitlicher Rechtsrahmen geschaffen, in dem Zahlungsauslösedienste einer staatlichen Aufsicht unterliegen und einheitliche technische Regulierungsstandards bei der Erbringung ihrer Dienstleistungen einhalten müssen.


BGH: Keine Pflicht zur Hervorhebung der Widerrufsbelehrung in Verbraucherdarlehensvertrag - Ankreuzoption ebenfalls zulässig

BGH
Urteile vom 23. Februar 2016
XI ZR 549/14
XI ZR 101/15


Der BGH hat entschieden, dass keine Pflicht zur Hervorhebung der Widerrufsbelehrung in einem Verbraucherdarlehensvertrag besteht. Auch eine Ankreuzoption ist nach Ansicht des BGH ebenfalls zulässig. Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverband gegen die Gestaltung in Sparkassenverträgen.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof entscheidet zur Gestaltung von Widerrufsinformationen bei Verbraucherdarlehensverträgen

Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat heute in zwei Verfahren (XI ZR 549/14 und XI ZR 101/15) über Klagen eines Verbraucherschutzverbandes entschieden, mit denen die beklagten Sparkassen auf Unterlassung im Zusammenhang mit von diesen bei Verbraucherdarlehensverträgen erteilten Widerrufsinformationen in Anspruch genommen wurden.

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die in den von den Beklagten verwendeten Darlehensvertragsformularen enthaltenen Widerrufsinformationen nicht deutlich genug hervorgehoben seien. In dem Verfahren XI ZR 101/15 hat er außerdem beanstandet, dass die Information mit Ankreuzoptionen versehene Hinweise unabhängig davon enthalte, ob diese für den konkreten Einzelfall eine Rolle spielten. Dadurch werde vom Inhalt der Information abgelenkt.

Die Revisionen des Klägers gegen die klageabweisenden Berufungsurteile waren erfolglos.

Zu der erstgenannten Frage hat der XI. Zivilsenat entschieden, dass jedenfalls seit dem 11. Juni 2010 keine Pflicht zur Hervorhebung der in einen Verbraucherdarlehensvertrag aufzunehmenden Pflichtangaben zum Widerrufsrecht besteht. Nach dem zu diesem Zeitpunkt im Zusammenhang mit der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie eingeführten Art. 247 § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB* müssen diese Pflichtangaben lediglich klar und verständlich sein, ohne dass damit deren Hervorhebung angeordnet wird. Eine Pflicht zur Hervorhebung ergibt sich auch nicht aus Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB*. Diese Vorschrift spricht zwar von einer hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form. Dies betrifft aber lediglich diejenigen Fälle, in denen es, anders als vorliegend, um die Erlangung der Gesetzlichkeitsfiktion durch die freiwillige Verwendung des in der Vorschrift genannten Musters für eine Widerrufsinformation gemäß Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB geht.

Zu den Ankreuzoptionen hat der XI. Zivilsenat entschieden, dass diese dem Gebot der klaren und verständlichen Gestaltung einer formularmäßigen Widerrufsinformation in einem Verbraucherdarlehensvertrag nicht entgegenstehen.

Urteil vom 23. Februar 2016 - XI ZR 549/14

LG Ulm - Urteil vom 17. Juli 2013 - 10 O 33/13 KfH

OLG Stuttgart - Urteil vom 24. April 2014 - 2 U 98/13

und

Urteil vom 23. Februar 2016 - XI ZR 101/15

LG Stuttgart - Urteil vom 26. Mai 2014 - 44 O 7/14 KfH

OLG Stuttgart - Urteil vom 5. Februar 2015 - 2 U 81/14

Karlsruhe, den 23. Februar 2016

Art. 247 § 6 EGBGB Vertragsinhalt

(1) Der Verbraucherdarlehensvertrag muss klar und verständlich folgende Angaben enthalten:

1. die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 14 und Abs. 4 genannten Angaben,

2. …

(2) Besteht ein Widerrufsrecht nach § 495 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, müssen im Vertrag Angaben zur Frist und zu anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie ein Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers enthalten sein, ein bereits ausgezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten. Der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag ist anzugeben. Enthält der Verbraucherdarlehensvertrag eine Vertragsklausel in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form, die dem Muster in Anlage 7 entspricht, genügt diese den Anforderungen der Sätze 1 und 2. …

BGH: Zu den Beweisgrundsätzen bei streitigen Zahlungsaufträgen im Online-Banking - Anscheinsbeweis bei PIN und smsTAN möglich

BGH
Urteil vom 26.01.2016
XI ZR 91/14


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit den Beweisgrundsätzen bei streitigen Zahlungsaufträgen im Online-Banking befasst und entschieden, dass trotzt bestehender Sicherheitsbedenken beim Verwendung von PIN und smsTan ein Anscheinsbeweis zu Gunsten der Bank / Sparkasse bestehen kann. Voraussetzung ist - so der BGH - jedoch, dass das eingesetzte Sicherungssystem im Zeitpunkt der Vornahme des Zahlungsvorgangs im Allgemeinen praktisch unüberwindbar war, im konkreten Einzelfall ordnungsgemäß angewendet worden ist und fehlerfrei funktioniert hat. Der BGH hat die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof entscheidet zu Beweisgrundsätzen bei streitigen Zahlungsaufträgen im Online-Banking

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass § 675w Satz 3 BGB* die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises im Online-Banking bei Erteilung eines Zahlungsauftrags unter Einsatz der zutreffenden PIN und TAN nicht verbietet. Es muss aber geklärt sein, dass das eingesetzte Sicherungssystem im Zeitpunkt der Vornahme des strittigen Zahlungsvorgangs im Allgemeinen praktisch unüberwindbar war und im konkreten Einzelfall ordnungsgemäß angewendet worden ist und fehlerfrei funktioniert hat. Bei einer missbräuchlichen Nutzung des Online-Bankings spricht kein Beweis des ersten Anscheins für ein grob fahrlässiges Verhalten des Kontoinhabers.

Die beklagte GmbH unterhielt bei der klagenden Sparkasse u.a. ein Geschäftsgirokonto, mit dem sie seit März 2011 am Online-Banking teilnahm. Der Geschäftsführer der Beklagten erhielt dazu eine persönliche Identifikationsnummer (PIN), mit der er u.a. auf das Geschäftsgirokonto zugreifen konnte. Zur Freigabe einzelner Zahlungsvorgänge wurde das smsTAN-Verfahren (Übermittlung der Transaktionsnummer durch SMS) über eine Mobilfunknummer des Geschäftsführers der Beklagten vereinbart. Nachdem es zu Störungen im Online-Banking-System der Klägerin gekommen war, wurden am 15. Juli 2011 aus nicht geklärten Umständen dem Geschäftskonto der Beklagten fehlerhaft Beträge von 47.498,95 EUR und 191.576,25 EUR gutgeschrieben. Die Klägerin veranlasste am 15. und 17. Juli 2011 entsprechende Stornierungen, die aufgrund des Wochenendes erst am Montag, dem 18. Juli 2011, ausgeführt wurden. Am Freitag, dem 15. Juli 2011, um 23:29 Uhr wurde unter Verwendung der zutreffenden PIN und einer gültigen smsTAN eine Überweisung von 235.000 EUR vom Konto der Beklagten zugunsten des Streithelfers der Klägerin – eines Rechtsanwalts – in das Online-Banking-System der Klägerin eingegeben. Die Überweisung wurde am Montagmorgen, dem 18. Juli 2011, mit dem ersten Buchungslauf ausgeführt. Da zeitgleich die fehlerhaften Gutschriften berichtigt wurden, ergab sich ein Sollbetrag auf dem Geschäftskonto der Beklagten.

Nachdem die Klägerin die Beklagte erfolglos zum Ausgleich des Kontos aufgefordert hatte, kündigte sie die Geschäftsbeziehung fristlos und fordert mit der vorliegenden Klage den Schlusssaldo von 236.422,14 € nebst Zinsen. Sie hatte in beiden Tatsacheninstanzen Erfolg.

Der XI. Zivilsenat hat auf die Revision der Beklagten das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dabei waren im Wesentlichen folgende Überlegungen maßgeblich:

Ist die Zustimmung (Autorisierung) des Kontoinhabers zu einem Zahlungsvorgang strittig, hat das ausführende Kreditinstitut (Zahlungsdienstleister) bei Verwendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments (hier das Online-Banking-Verfahren) nach § 675w Satz 2 BGB nachzuweisen, dass dieses einschließlich seiner personalisierten Sicherheitsmerkmale (hier: PIN und smsTAN) genutzt und dies mithilfe eines Verfahrens überprüft worden ist. Diesen Nachweis hat die klagende Bank nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts geführt. Dies genügt aber nach § 675w Satz 3 BGB "nicht notwendigerweise", um den dem Zahlungsdienstleister obliegenden Beweis der Autorisierung des Zahlungsvorganges durch den Zahlungsdienstnutzer (hier: Kontoinhaberin) zu führen. Das schließt nicht aus, dass sich der Zahlungsdienstleister auf einen Anscheinsbeweis berufen kann. Dem Wortlaut des § 675w Satz 3 BGB ist nämlich genügt, da die Grundsätze des Anscheinsbeweises weder eine zwingende Beweisregel noch eine Beweisvermutung begründen.

Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises auf die Autorisierung eines Zahlungsvorgangs bei Verwendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments ist aber die allgemeine praktische Sicherheit des eingesetzten Authentifizierungsverfahrens und dessen Einhaltung im konkreten Einzelfall. Zudem bedarf die Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht zwingend der Behauptung und ggf. des Nachweises technischer Fehler des dokumentierten Authentifizierungsverfahrens durch den Kontoinhaber.

Trotz allgemein bekannt gewordener, erfolgreicher Angriffe auf Sicherheitssysteme des Online-Bankings fehlt nach Auffassung des Senats nicht in jedem Fall eine Grundlage für die Anwendung des Anscheinsbeweises, da entsprechende Erkenntnisse nicht zu allen im Online-Banking genutzten Authentifizierungsverfahren vorliegen.

Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht verkannt und die notwendigen Feststellungen zur praktischen Unüberwindbarkeit des konkret eingesetzten Sicherungssystems sowie zu den zur Erschütterung eines eventuell eingreifenden Anscheinsbeweises vorgetragenen Umständen nicht getroffen, weshalb das Berufungsurteil aufzuheben war.

Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend dar.

Die Grundsätze der Anscheinsvollmacht finden zulasten der Beklagten keine Anwendung. Es fehlt jedenfalls an einer Erkennbarkeit des Handelns des vermeintlichen Vertreters durch den Zahlungsdienstleister sowie bei einem einmaligen Missbrauchsfall im Online-Banking an der erforderlichen Dauer und Häufigkeit des Handelns des Scheinvertreters.

Auch ein Anscheinsbeweis für eine grob fahrlässige Verletzung einer Pflicht aus § 675l BGB** durch die Beklagte und damit ein Anspruch der Klägerin aus § 675v Abs. 2 BGB** scheiden auf Grundlage der bisherigen Feststellungen aus. Im Falle des Missbrauchs des Online-Bankings besteht angesichts der zahlreichen Authentifizierungsverfahren, Sicherungskonzepte, Angriffe und daran anknüpfender denkbarer Pflichtverletzungen des Nutzers kein Erfahrungssatz, der auf ein bestimmtes typisches Fehlverhalten des Zahlungsdienstnutzers hinweist.

Vorinstanzen:

Landgericht Lübeck - Urteil vom 7. Juni 2013 - 3 O 418/12

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht in Schleswig - Beschluss vom 22. Januar 2014 - 5 U 87/13

Karlsruhe, den 26. Januar 2016

§ 675w BGB

Nachweis der Authentifizierung

Ist die Autorisierung eines ausgeführten Zahlungsvorgangs streitig, hat der Zahlungsdienstleister nachzuweisen, dass eine Authentifizierung erfolgt ist und der Zahlungsvorgang ordnungsgemäß aufgezeichnet, verbucht sowie nicht durch eine Störung beeinträchtigt wurde. Eine Authentifizierung ist erfolgt, wenn der Zahlungsdienstleister die Nutzung eines bestimmten Zahlungsauthentifizierungsinstruments, einschließlich seiner personalisierten Sicherheitsmerkmale, mit Hilfe eines Verfahrens überprüft hat. Wurde der Zahlungsvorgang mittels eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments ausgelöst, reicht die Aufzeichnung der Nutzung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments einschließlich der Authentifizierung durch den Zahlungsdienstleister allein nicht notwendigerweise aus, um nachzuweisen, dass der Zahler

1. den Zahlungsvorgang autorisiert,

2. in betrügerischer Absicht gehandelt,

3. eine oder mehrere Pflichten gemäß § 675l verletzt oder

4. vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen eine oder mehrere Bedingungen für die Ausgabe und Nutzung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments verstoßen hat.

** § 675l BGB

Pflichten des Zahlers in Bezug auf Zahlungsauthentifizierungsinstrumente

Der Zahler ist verpflichtet, unmittelbar nach Erhalt eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die personalisierten Sicherheitsmerkmale vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Er hat dem Zahlungsdienstleister oder einer von diesem benannten Stelle den Verlust, den Diebstahl, die missbräuchliche Verwendung oder die sonstige nicht autorisierte Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments unverzüglich anzuzeigen, nachdem er hiervon Kenntnis erlangt hat.

*** § 675v BGB

Haftung des Zahlers bei missbräuchlicher Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments

(…)

(2) Der Zahler ist seinem Zahlungsdienstleister zum Ersatz des gesamten Schadens verpflichtet, der infolge eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs entstanden ist, wenn er ihn in betrügerischer Absicht ermöglicht hat oder durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung

1. einer oder mehrerer Pflichten gemäß § 675l oder

2. einer oder mehrerer vereinbarter Bedingungen für die Ausgabe und Nutzung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments herbeigeführt hat.

(...)

Volltext der BGH-Entscheidung in Sachen Sparkasse gegen Bank Santander um die Farbmarke Rot liegt vor

BGH
Urteil vom 23.09.2015
I ZR 78/14
Sparkassen-Rot/Santander-Rot
ZPO §§ 148, 301; MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3, § 23 Nr. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH verweist Rechtsstreit zwischen Sparkassen und Bank Santander um Farbmarke Rot zurück an das OLG - es könnten markenrechtliche Ansprüche der Sparkassen bestehen" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Bei der Frage, ob ein Markenverletzungsverfahren im Hinblick auf ein gegen die Klagemarke gerichtetes Löschungsverfahren auszusetzen ist, ist im Rahmen der Abwägung zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, ob durch die während der Verfahrensaussetzung andauernde Verwendung des angegriffenen Zeichens mit einer Schwächung der Klagemarke zu
rechnen ist und ob der Kläger noch weitere Ansprüche aufgrund anderer Kennzeichenrechte verfolgt, die durch das Löschungsverfahren nicht betroffen sind.

b) Werden in einem Rechtsstreit zwei Streitgenossen gemeinsam verklagt und setzt das Gericht den Rechtsstreit gegen einen Streitgenossen gemäß § 148 ZPO aus, ist ein Teilurteil gegen den anderen Streitgenossen nicht zulässig, wenn dadurch die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen begründet wird. Das ist der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass es für die Ansprüche gegen beide Streitgenossen auf den Bestand, die Kennzeichnungskraft und Bekanntheit der Klagemarke ankommt.

c) Die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Unterlassungsantrags unterscheiden sich bei der vorbeugenden Unterlassungsklage regelmäßig nicht von denjenigen einer Verletzungsunterlassungsklage.

d) Bei der Verwendung eines Zeichens in einer reinen Imagewerbung eines Unternehmens kann eine Zeichenbenutzung für Waren oder Dienstleistungen zu verneinen sein.

e) Wird ein Kollisionszeichen ausschließlich als Unternehmenskennzeichen eingesetzt, ist ein Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG mangels markenmäßiger Benutzung nicht gegeben. Es kommt jedoch ein Unterlassungsanspruch in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG in Betracht, wenn es sich bei dem verletzten Zeichen um eine bekannte Marke handelt.

BGH, Urteil vom 23. September 2015 - I ZR 78/14 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




BGH verweist Rechtsstreit zwischen Sparkassen und Bank Santander um Farbmarke Rot zurück an das OLG - es könnten markenrechtliche Ansprüche der Sparkassen bestehen

BGH
Urteil vom 23.09.2015
I ZR 78/14


BGH hat den Rechtsstreit zwischen den Sparkassen und der Bank Santander um die Farbmarke Rot zurück an das OLG Hamburg verwiesen. Es könnten markenrechtliche Ansprüche der Sparkassen bestehen. Entsprechende Feststellungen muss nun das OLG Hamburg treffen.

Die Pressemitteilung des BGH:

"Streit zwischen den Sparkassen und dem Bankkonzern Santander wegen Verletzung der Farbmarke Rot – Zurückverweisung an das OLG

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass der Streit um die Verwendung der Farbe Rot durch die Bank Santander vor dem Oberlandesgericht neu verhandelt werden muss.

Der Kläger, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, ist der Dachverband der Sparkassen-Finanzgruppe, zu der die Sparkassen gehören, die in Deutschland 16.000 Geschäftsstellen betreiben und Bankdienstleistungen für Privatkunden erbringen. Die Sparkassen setzen seit Jahrzehnten in Deutschland die rote Farbe im Rahmen ihres Marktauftritts ein. Der Kläger ist seit 2002 Inhaber der als verkehrsdurchgesetztes Zeichen eingetragenen deutschen Farbmarke "Rot" (HKS-Farbe 13), die für Bankdienstleistungen für Privatkunden eingetragen ist.

Die Beklagte zu 2 ist die Muttergesellschaft des international operierenden spanischen Finanzkonzerns Santander, der größten Finanzgruppe im Euroraum. Sie unterhält eine Zweigniederlassung in Frankfurt am Main und besitzt die Erlaubnis, in Deutschland Bankgeschäfte zu betreiben. Ihre Tochtergesellschaft, die Beklagte zu 1, unterhält in Deutschland etwa 200 Bankfilialen. Die Beklagte zu 2 verwendet seit Ende der 1980er Jahre in zahlreichen Ländern bei ihrem Marktauftritt einen roten Farbton. Die Beklagte zu 1 setzt seit dem Jahr 2004 ebenfalls die rote Farbe ein. Die Logos der Beklagten enthalten auf rechteckigem rotem Grund ein weißes Flammensymbol und daneben den in Weiß gehaltenen Schriftzug "Santander CONSUMER BANK" oder "Santander" (bei der Beklagten zu 1) oder "Grupo Santander" (bei der Beklagten zu 2). Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt wies im Jahr 2009 den Antrag der Beklagten zu 2 zurück, einen roten Farbton als Gemeinschaftsmarke mit Schutz für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in das Markenregister einzutragen.

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagten durch die Verwendung der roten Farbe im Rahmen ihres Marktauftritts das Recht des Klägers an der konturlosen Farbmarke Rot in Deutschland verletzen.

Das Landgericht hat der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage überwiegend stattgegeben und die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat durch Teilurteil das landgerichtliche Urteil bestätigt, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 2 abgewiesen worden ist, und hat den Rechtsstreit gegen die Beklagte zu 1 vorläufig bis zur Entscheidung über den von den Beklagten beim Deutschen Patent- und Markenamt gestellten Antrag auf Löschung der Farbmarke Rot ausgesetzt. Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 8. Juli 2015 die Löschung der Farbmarke Rot des Klägers angeordnet. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Gegen den Beschluss des Bundespatentgerichts ist beim Senat das Rechtsbeschwerdeverfahren anhängig.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil, mit dem die Vorinstanz die Klage gegen die Beklagte zu 2, die spanische Muttergesellschaft, abgewiesen hat, aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Er hat eine Aussetzung des vorliegenden Verletzungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag der Beklagten, die Farbmarke Rot des Klägers zu löschen, abgelehnt, weil der Ausgang des Löschungsverfahrens offen ist. Er hat angenommen, dass das Berufungsgericht über die Klage gegen die Beklagte zu 2 nicht isoliert entscheiden durfte, weil sich im weiteren Verfahren gegen beide Beklagten zum Teil dieselben Rechtsfragen stellen und der Rechtsstreit deshalb einheitlich gegenüber beiden Beklagten entschieden werden muss, um widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden.

Weiter hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass marken- und kennzeichenrechtliche Unterlassungsansprüche, insbesondere aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3 sowie Abs. 5 MarkenG*, mit der vom Oberlandesgericht gegebenen Begründung nicht vollständig verneint werden können. Er hat die Annahme des Oberlandesgerichts nicht gebilligt, wegen der Zurückweisung des Antrags, den roten Farbton als Gemeinschaftsmarke einzutragen, drohe keine Verwendung der roten Farbe durch die Beklagte zu 2 in Deutschland. Der Bundesgerichtshof hat Ansprüche des Klägers für möglich gehalten, soweit die Beklagte zu 2 ihr in roter und weißer Farbe gestaltetes Logo bei der Formel-1-Veranstaltung "Großer Preis Santander von Deutschland 2010" und bei ihrem Internetauftritt eingesetzt hat. Zwar hat die Beklagte zu 2 die rote Farbe in ihrem Logo nicht isoliert benutzt, sondern den roten Farbton in einem aus mehreren Elementen bestehenden Kombinationszeichen verwendet. Das Oberlandesgericht hat jedoch nicht geprüft, ob die abstrakte Farbmarke des Klägers eine in Deutschland bekannte Marke ist, mit der das Logo der Beklagten zu 2 im Rahmen ihres Internetauftritts verwechselt werden kann. Ist die rote Farbe eine bekannte Marke, kann der Kläger sich selbst wenn keine Verwechslungsgefahr bestehen sollte gegen die Verwendung des roten Farbtons durch die Beklagte zu 2 bei der Bandenwerbung und beim Internetauftritt wenden, wenn der angesprochene Verkehr das Logo der Beklagten zu 2 gedanklich mit der Farbmarke des Klägers verknüpft und die Klagemarke als Element des Marktauftritts des Klägers durch den Einsatz des roten Farbtons als Hausfarbe der Beklagten zu 2 beeinträchtigt wird. Die hierzu notwendigen Feststellungen muss das Oberlandesgericht nachholen.

OLG Hamburg - Urteil vom 6. März 2014 - 5 U 82/11

LG Hamburg - Urteil vom 24. Februar 2011 - 315 O 263/10

Karlsruhe, den 23. September 2015

* § 14 MarkenG

(1) …

(2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr

1.

ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt,

2.

ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird, oder

3.

ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke Schutz genießt, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.



(5) Wer ein Zeichen entgegen den Absätzen 2 bis 4 benutzt, kann von dem Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht."



OLG Frankfurt: Bezeichnung einer Bank als "Schmuddelkind der Branche" durch Presseorgan einer Bankengruppe als unlautere Herabsetzung und gezielte Behinderung

OLG Frankfurt
Urteil vom 18.06.2015
6 U 46/14


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Presseorgan, dass sich selbst "als Sprachrohr" einer bestimmten Bankengruppe versteht, eine andere Bank nicht als "Schmuddelkind der Branche" bezeichnen und auch nicht die Beendigung der Zusammenarbeit mit dieser Bank fordern darf. Vielmehr ist dies eine wettbewerbswidrige unlautere Herabsetzung sowie eine gezielte Behinderung in Form eines Boykottaufrufs.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die von der Leitung der Redaktion „X“ an den A und an den ...verein B gerichteten Schreiben (Anlagen K 1 und K 2) sind geschäftliche Handlungen. Sie stehen in einem objektiven Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes von Mitbewerbern der Klägerin, nämlich der Sparkassen und der Genossenschaftsbanken.

Der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG erforderliche „objektive Zusammenhang“ zwischen einer in Rede stehenden Handlung und der Förderung des Absatzes eines Drittunternehmens ist nur gegeben, wenn die Handlung bei objektiver Betrachtung aus Sicht eines verständigen Empfängers jedenfalls auch darauf gerichtet ist, fremden Absatz zu fördern (BGH GRUR 2013, 945 Tz. 17 - Standardisierte Mandatsbearbeitung).
Für diesen sog. Drittabsatzförderungszusammenhang genügt es, wenn zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder für das eines Dritten zu erreichen versucht, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselbeziehung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (vgl. BGH GRUR 2014, 1114, Tz. 32 - nickelfrei). Die Förderung muss nicht auf ein bestimmtes Unternehmen gerichtet sein. Es genügt die Förderung einer Unternehmensvereinigung oder eines Wirtschaftszweiges (Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., Rn 54 zu § 2 UWG).


Allerdings muss im Falle der Medienberichterstattung über Unternehmen im Hinblick auf die grundgesetzlich geschützte Pressefreiheit äußerste Zurückhaltung bei der Bejahung eines solchen Drittabsatzförderungszusammenhangs angewandt werden. Dies gilt auch für solche Äußerungen eines Presseorgans, die - wie hier - der Vorbereitung einer entsprechenden Berichterstattung dienen. Selbst eine unsachliche und überzogene Kritik lässt nicht ohne weiteres darauf schließen, dass das Presseunternehmen in den Wettbewerb zwischen dem kritisierten Unternehmen und dessen Mitbewerber eingreifen will (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., Rn. 66 zu § 2 UWG m. w. N.; Senat vom 31.07.2014 - 6 U 74/14 = WRP 2014, 1483, 1484).

[...]

Da sich die Beklagte zu 1) in dem Schreiben an den A als „publizistisches Sprachrohr“ zahlreicher Sparkassen und Genossenschaftsbanken bezeichnet und den Präsidenten des A auffordert, diese „nicht im Regen stehen zu lassen sondern sich mit ihnen zu solidarisieren“, wird für einen verständigen Leser des Schreibens deutlich, dass sich die begehrte Überprüfung der Werbeverträge durch den A auch auf die Wettbewerbsposition der Klägerin gegenüber den Sparkassen und Genossenschaftsbanken bei der Neukundenwerbung auswirken soll. Es spielt deshalb keine Rolle, dass die Beklagte zu 1) die Genossenschaftsbanken und Sparkassen nicht unmittelbar als alternative Werbepartner präsentiert und es ist auch irrelevant, ob die Beklagte zu 1) für ihr Engagement von dort aus eine Gegenleistung erhält.

Auch das Schreiben an den …verein B e.V. ist in gleicher Weise zu verstehen. Die Beklagte zu 1) präsentiert sich dort zwar nicht ausdrücklich als „publizistisches Sprachrohr“ der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, tritt aber in gleicher Weise auf, indem sie diese dem Empfänger des Schreibens als „seriöse Wettbewerber in der deutschen Bankenlandschaft“ präsentiert, denen die Klägerin mit ihrer (staatlich subventionierten) Werbung Kunden abspenstig macht. Da die Beklagte zu 1) gleichzeitig die Frage aufwirft, warum die B e.V. als „seriöser Verein“ eine Geschäftsbeziehung mit der Klägerin als dem „Schmuddelkind der Bankenbranche“ fortführen will, wird ein verständiger Leser auch diesem Schreiben entnehmen, dass von dem Verein erwartet wird, sich um der eigenen Reputation willen nicht weiter mit einem „unseriösen“ Sponsor wie der Klägerin zusammenzutun, was deren Position bei der Neukundenwerbung gegenüber den Sparkassen und Genossenschaftsbanken schwächen soll.

Schließlich spricht für den Drittabsatzförderungszusammenhang, dass die Aussage, die Klägerin sei das „Schmuddelkind der Bankenbranche“, eine in der Form besonders grobe Herabsetzung der Klägerin darstellt (vgl. dazu BGH GRUR 1995, 270 - Dubioses Geschäftsgebahren, Tz. 40 bei juris).

Umgangssprachlich steht „Schmuddel“ für Schmutz und Unsauberkeit, „Schmuddelei“ für Sudelei (OLG Hamburg, NJW 1996 1002, 1003). Ein „Schmuddelkind“ ist ein schmutziges Kind, das sich auf der Straße herumtreibt. In Bezug auf im Finanzinstitut wird „Schmuddelkind“ nicht verniedlichend verstanden, sondern enthält die abschätzige Bewertung fehlender Seriosität (die bei Finanzinstituten ihr „überlebenswichtiges Kapital“ darstellt).

Die Äußerung „… mit diesem Schmuddelkind der Bankenbranche …“ ist bei verständiger Würdigung so zu verstehen, dass sich die Klägerin quasi im Wege einer Alleinstellung als zutiefst unseriöses Finanzinstitut außerhalb des Kreises der seriösen Wettbewerber bewegt und damit eine negative Alleinstellung einnimmt.

Die inkriminierende Äußerung wird in dem Schreiben vom 05. März 2013 nur vordergründig in einen Gesamtzusammenhang mit einer sachthemenbezogenen Kritik an der Klägerin gestellt. Die Beklagte zu 1) zählt zwar Mitarbeiterentlassungen bei der Klägerin, die Sicherstellung des Fortbestandes des Kreditinstituts durch Steuermittel und die aus ihrer Sicht unzulässige Werbestrategie des „Girokonto-Eröffnungsbonus“ als Kritikpunkte auf.

Diese Kritikpunkte können aber weder noch sollen sie den Vorwurf des „Schmuddelkindes der Bankenbranche“ begründen. Dass es als Folge der Finanzmarktkrise und des zweifelhaften Geschäftsgebarens in der Bankenbranche zu Entlassungen gekommen ist, kann als allgemeinkundig unterstellt werden. Dass neben der Klägerin auch andere Banken, darunter zahlreiche Landesbanken, durch Steuermittel gestützt werden mussten, gehört ebenfalls zum Allgemeinwissen, so dass die Hervorhebung der Klägerin als „das Schmuddelkind“ erkennbar zum Ziel hat, sie gegenüber allen anderen Finanzinstituten „auszusondern“. Darin liegt eine Herabsetzung, die mit einer sachbezogenen Auseinandersetzung über die Aktivitäten der Klägerin nichts mehr zu tun hat."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Sparkasse gegen Santander Bank - Farbmarke Rot für Bankdienstleistungen - Marke muss vor Anmeldung durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt haben

EuGH
Urteil vom 19.04.2014
C‑217/13 und C‑218/13


In diesem Rechtsstreit stritten die Sparkassen und die Santander Bank um die Eintragung der konturlosen Farbmarke Rot für Bankdienstleistungen. Die Sparkassen hatten eine entsprechende Marke angemeldet. Der EuGH hat entschieden, dass eine Eintragung in Betracht kommt, wenn die Marke vor der Anmeldung durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat.

Tenor der Entscheidung:

1. Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass er einer Auslegung des nationalen Rechts entgegensteht, wonach es in Verfahren, in denen fraglich ist, ob eine konturlose Farbmarke infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat, stets erforderlich ist, dass eine Verbraucherbefragung einen Zuordnungsgrad dieser Marke von mindestens 70 % ergibt.

2. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2008/95 ist, wenn ein Mitgliedstaat von der in Satz 2 dieser Bestimmung vorgesehenen Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat, dahin auszulegen, dass im Rahmen eines Verfahrens zur Ungültigerklärung einer nicht originär unterscheidungskräftigen Marke bei der Beurteilung, ob diese Marke infolge Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat, zu prüfen ist, ob die Unterscheidungskraft vor der Anmeldung der Marke erworben wurde. Unerheblich ist insoweit, dass der Inhaber der streitigen Marke geltend macht, sie habe jedenfalls nach der Anmeldung, aber noch vor ihrer Eintragung, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt.

3. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2008/95 ist, wenn ein Mitgliedstaat von der in Satz 2 dieser Bestimmung vorgesehenen Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat, dahin auszulegen, dass er es nicht verbietet, die streitige Marke im Rahmen eines Löschungsverfahrens für ungültig zu erklären, sofern sie nicht originär unterscheidungskräftig ist und ihr Inhaber nicht den Nachweis erbringen kann, dass die Marke vor der Anmeldung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hatte.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: