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OLG Dresden: Auch einmalige Zusendung einer E-Mail mit Sponsoringanfrage ist unzulässige E-Mail-Werbung und begründet Unterlassungsanspruch

OLG Dresden
Hinweisbeschluss vom 24.06.2024
4 U 168/24


Das OLG Dresden hat in einem Hinweissbeschluss im Rahmen eines Berufungsverfahrens ausgeführt, dass auch die einmalige Zusendung einer E-Mail mit einer Sponsoringanfrage unzulässige E-Mail-Werbung ist und einen Unterlassungsanspruch begründet.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die negatorische Feststellungsklage ist jedoch unbegründet. Der Beklagten steht gegen die Klägerin ein Anspruch auf Unterlassung der Zusendung der beanstandeten Email wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, § 831 BGB.

a) Ein Unterlassungsanspruch kann hier allerdings nicht auf § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG gestützt werden, auch wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen. Denn von einem Verstoß gegen diese Regelung betroffene Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer sind nach der abschließenden Regelung des § 8 Abs. 3 UWG nicht berechtigt, selbst Ansprüche auf Unterlassung gemäß § 8 Abs. 1 UWG geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2017 – VI ZR 721/15 –, BGHZ 214, 204-219, Rn. 10ff – juris m.w.N.).

3. Das von der Klägerin veranlasste Zusenden der E-Mail stellt aber einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht der Beklagten am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.

a) Die Maßstäbe des § 7 UWG kommen zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch im Rahmen der Prüfung eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB zur Anwendung (vgl. BGH, a.a.O. m.w.N., BGH Urteil vom 21. April 2016 - I ZR 276/14, GRUR 2016, 831 Rn. 16; Urteil vom 20. Mai 2009 - I ZR 218/07, GRUR 2009, 980 Rn. 14; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 7 Rn. 14; Koch in Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 7 Rn. 359).

b) Die streitgegenständliche Email der Klägerin fällt unter den Begriff der Werbung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 Fall 3, Abs. 3 UWG. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG i.d.F.v. 10.8.2021 ist davon umfasst jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke und digitale Inhalte, Dienstleistungen sind auch digitale Dienstleistungen, als Dienstleistungen gelten auch Rechte und Verpflichtungen (vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17 –, BGHZ 219, 233-242, Rn. 17 – 18 m.w.N.). Ihrem Inhalt nach ist die Email vom 03.02.2023 auf Absatzförderung von Dienstleistungen der Klägerin im Rahmen der Veranstaltung am 09.03.2023 in Leipzig gerichtet, für die die Klägerin Sponsoren einwerben wollte. Die Beklagte sollte die Shopify-Veranstaltung der Klägerin mittels Zurverfügungstellung kostenfreier Getränke fördern und unterstützen, wofür die Klägerin im Gegenzug anbot, Werbemittel der Beklagten aufzustellen zu wollen. Das Angebot der Klägerin lässt den Werbecharakter der Email nicht entfallen. Werbemittel aufzustellen stellt keine – erst recht nicht adäquate - Bezahlung einer Getränkeliefererung der Beklagten dar. Zudem ist in der Email mehrfach von einem „Sponsoring“ der Veranstaltung der Klägerin die Rede. Mit dem Begriff wird im allgemeinen Sprachgebrauch die kostenfreie Unterstützung fremder Zwecke bezeichnet, hier konkret die von der Klägerin entsprechend ihrem Unternehmenszweck angebotenen Dienstleistungen. Hinzu kommt, dass auch die Beklagte E-Commerce betreibt und die Shopify-Veranstaltung der Klägerin auf in diesem Bereich tätige Unternehmen abzielte. Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, mit ihrem Angebot zur Aufstellung von Werbemitteln habe sie lediglich eine Geschäftsbeziehung im Sinne eines gegenseitigen Vertrages beabsichtigt, da Werbung im Zusammenhang mit dem Abschluss von Verträgen über Waren und Dienstleistungen unter die obige Legaldefinition fällt. Vor diesem Hintergrund kann der Werbecharakter der Email der Klägerin nicht in Zweifel gezogen werden.

c) Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, aus der vom Landgericht zitierten Rechtsprechung des BGH folge nicht, dass auch in der unverlangten einmaligen E-Mail-Versendung ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb liegen könne. Vielmehr wird in der Entscheidung vom 20.05.2009 – I ZR 218/07 – ausdrücklich klargestellt:

„In Rechtsprechung und Schrifttum ist die Frage umstritten, ob die unverlangte Zusendung von E-Mails mit Werbung an Gewerbetreibende einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt. Zum Teil wird ein rechtswidriger Eingriff in das geschützte Rechtsgut des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs jedenfalls bei einer einmaligen Zusendung einer E-Mail mit Werbung verneint (AG Dresden NJW 2005, 2561; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 7 Rdn. 199; Ohly in Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., § 7 Rdn. 22; Baetge, NJW 2006, 1037, 1038). Die überwiegende Ansicht in der Rechtsprechung und ein Teil des Schrifttums bejahen dagegen auch bei einer einmaligen E-Mail-Versendung eine entsprechende Rechtsverletzung (KG MMR 2002, 685; GRUR-RR 2005, 66; OLG München MMR 2004, 324; OLG Düsseldorf MMR 2004, 820; OLG Bamberg MMR 2006, 481; OLG Naumburg DB 2007, 911; LG Berlin NJW 2002, 2569; Fezer/Mankowski, UWG, § 7 Rdn. 97; Koch in Ullmann, jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 7 Rdn. 189). Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen. ...“

Diese Auffassung hat der BGH auch nochmals mit Urteilen vom 12.09.2013 und vom 10.07. 2018 ( – I ZR 208/12 –, Rn. 15ff; – VI ZR 225/17 –, beide juris) bestätigt.

d) Ebenso ohne Erfolg bleibt der Einwand der Berufung, es habe sich nicht um eine massenhafte Versendung einer Werbeemail bspw. mittels Newsletter, sondern um eine auf einen konkreten Anlass – die Veranstaltung am 09.03.2023 - bezogene Sponsorenanfrage gehandelt, für deren Unterbindung keine weitere Maßnahme wie ein Widerspruch erforderlich gewesen sei, so dass die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze im vorliegenden Fall nicht anwendbar seien. Abgesehen davon, dass bei der Beklagten als Getränkelieferant Sponsorenanfragen häufig eingehen dürften, kann bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um massenhaft auftretende Werbung und welche Folgen diese nach sich zieht, nicht auf den Absender und dessen konkrete Handhabung des Einsatzes von Werbeemails abgestellt werden. Vielmehr ist für die Frage der Zulässigkeit nur der Empfänger und die bei ihm eintretenden Störungen des Betriebsablaufs maßgeblich sowie die Frage, welche Folgen eine Sanktionslosigkeit des Werbeemailversands für ihn hat. Gegenstand des Schutzes ist die Verhinderung des Eindringens des Werbenden in die geschäftliche Sphäre, insbesondere die Ungestörtheit der Betriebsabläufe des sonstigen Marktteilnehmers; es soll verhindert werden, dass dem Marktteilnehmer Werbemaßnahmen gegen seinen erkennbaren und mutmaßlichen Willen aufgedrängt werden (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.). Verhindert werden soll darüber hinaus, dass die belästigende Werbung zu einer Bindung von Ressourcen des Empfängers führt (BGH, Urteil vom 1. Juni 2006 - I ZR 167/03, GRUR 2007, 164 Rn. 9). Unverlangt zugesendete E-Mail-Werbung erfolgt betriebsbezogen und beeinträchtigt den Betriebsablauf im Unternehmen des Empfängers. Das Verwenden von E-Mails mit unerbetener Werbung, die der Empfänger jeweils einzeln sichten muss führt daher zu einer nicht unerheblichen Belästigung, auch wenn kein Widerspruch erforderlich ist, um eine weitere Zusendung zu unterbinden. Es kann daher nicht darauf ankommen, ob der Emailversand für die Klägerin einmalig und anlassbezogen gewesen ist – wovon der Senat allerdings auch nicht ausgeht, da Sponsorensuche, Veranstaltungsorganisation sowie Werbung von und für E-Commerce Kunden u.a. zum Geschäftsfeld der Klägerin gehören dürften.

e) Der Eingriff in das Recht der Beklagten am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist auch im Übrigen rechtswidrig. Die aufgrund seines Charakters als Rahmenrecht erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien geht zu Lasten der Klägerin aus, wie schon der Wertung des § 7 Abs. 2 UWG zu entnehmen ist. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 UWG - jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten (dazu unter f) stets eine unzumutbare Belästigung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 20.05.2009, a.a.O.; OLG Frankfurt, Urteil vom 24.11.2016 – 6 U 33/16 –, Rn. 19 - 21, juris). Zwar ist einerseits zu berücksichtigen, dass die unerwünschte Werbung die Interessen der Beklagten nur vergleichsweise geringfügig beeinträchtigte, zumal sie die Sponsorenanfrage einfach ignorieren konnte. Andererseits musste sich die Beklagte mit der Anfrage zumindest gedanklich beschäftigen. Zwar mag sich der Arbeitsaufwand bei einer einzelnen E-Mail in Grenzen halten. Mit der häufigen Verwendung von solchen Anfragen ist aber dann zu rechnen, wenn eine Sponsorensuche per Email zulässig ist, auch wenn sie mit einem allgemeinen Angebot, die Veranstaltung selbst für werbliche Zwecke zu nutzen, verbunden ist. Denn im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierungsmöglichkeit

arbeitssparende Versendungsmöglichkeit und ihrer günstigen Werbewirkung ist mit einem Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen (so auch BGH, a.a.O.). Eine bei isolierter Betrachtung unerhebliche Belästigung kann Mitbewerber zur Nachahmung veranlassen, wobei durch diesen Summeneffekt eine erhebliche Belästigung entstehen kann. Das Interesse der Beklagten an Unterlassung überwiegt daher das Interesse der Klägerin, der Beklagten Werbung mit elektronischer Post ohne ihr Einverständnis zuzuleiten. Auch hier gilt, dass der Schutz der geschäftlichen Sphäre, insbesondere die Ungestörtheit der Betriebsabläufe, vorrangig gegenüber dem wirtschaftlichen Gewinnstreben von anderen Unternehmen oder Gewerbetreibenden ist und dass die berechtigten Interessen der gewerblichen Wirtschaft, ihre Produkte werbemäßig anzupreisen, es angesichts der Vielfalt der Werbemethoden nicht erfordern, mit der Werbung in die internen Betriebsabläufe einzudringen (vgl. BGH, a.a.O. und Urteil vom 27.01.2000 - I ZR 241/97, GRUR 20, 818, 819 zu Telefonwerbung).

f) Die Klägerin konnte auch nicht davon ausgehen, dass die Zusendung der Email von einer vorherigen Einwilligung der Beklagten gedeckt war, da die Kontaktaufnahme über die auf der Webseite der Beklagten veröffentlichte Email-Anschrift erfolgt ist oder die Beklagte bereits zuvor im Bereich des Sponsoring aktiv gewesen sein sollte.

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG sind die dort aufgeführten Maßnahmen der Direktwerbung, zu denen auch die E-Mail - Werbung gehört, stets als unzumutbare Belästigung anzusehen, wenn nicht die vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Der Begriff der "Einwilligung" muss richtlinienkonform dahingehend bestimmt werden, dass es sich um eine Willensbekundung handelt, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt (Köhler/Bornkamm aaO., Rn 185 zu § 7 UWG). Mit dem Merkmal "für den konkreten Fall" soll ausgeschlossen werden, dass die Veröffentlichung einer E-Mail-Adresse oder eines Fax-Anschlusses als "Generaleinwilligung" in die Zusendung von Werbemitteilungen bewertet wird (OLG Frankfurt, a.a.O.).

aa) Bei Werbung durch elektronische Post reicht eine mutmaßliche Einwilligung des Adressaten nicht aus, allenfalls eine konkludente. Bei der Frage, ob eine solche Einwilligung vorliegt, ist lediglich im Falle von E-Mails, mit denen gegenüber einem Gewerbetreibenden eine Nachfrage geäußert wird, ein großzügiger Maßstab anzulegen, da es Sinn und Zweck eines Unternehmens ist, eine Nachfrage zu befriedigen (vgl. Seichter in: Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 7 UWG (Stand: 12.12.2023), Rn. 250). Eine ausdrückliche oder zumindest konkludente Einwilligung ergibt sich aber noch nicht daraus, dass der umworbene Händler auf seiner Homepage auch seine E-Mail-Anschrift angibt, wenn sich diese Angabe erkennbar nur an Endkunden richtet (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25. Oktober 2007 – 4 U 89/07 –, juris). Bei der Klägerin handelte es sich nicht um eine Endkundin, sie konnte daher aufgrund der auf der Webseite der Beklagten eröffneten Kontaktmöglichkeit nicht davon ausgehen, dass sie ihre Sponsorenanfrage über diese Email-Adresse der Beklagten übermitteln konnte.

bb) Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte in der Vergangenheit bereits im Bereich des Sponsoring tätig gewesen sei, abgesehen davon, dass der - bestrittene - Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren verspätet sein dürfte. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, lässt ein offenbar zeitlich zurückliegendes Sponsoring einer Veranstaltung der Uni Leipzig erkennbar nicht den Schluss darauf zu, dass die Beklagte zukünftig damit einverstanden gewesen wäre, auch von anderen Firmen Sponsorenanfragen per Email zu erhalten. Auch im Rahmen der Abwägung lässt eine frühere Sponsorentätigkeit die Rechtswidrigkeit der Emailzusendung nicht entfallen.

4. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch das festgestellte rechtsverletzende Verhalten der Klägerin indiziert (BGH, Urteil vom 15.12.2015 - VI ZR 134/15, AfP 2016, 149 Rn. 23; BGH, Urteil vom 12. September 2013 - I ZR 208/12, VersR 2014, 1462 Rn. 25 f. mwN - Empfehlungs-E-Mail). Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hat die Klägerin abgelehnt.




OLG Hamm: Werbevertrag mit nordrhein-westfälischer Großstadt ist kein Scheingeschäft

OLG Hamm
Urteil vom 25.09.2020
12 U 91/18


Die Pressemitteilung des Gerichts:

Werbevertrag mit nordrhein-westfälischer Großstadt ist kein Scheingeschäft

Der Werbevertrag einer nordrhein-westfälischen Großstadt mit einem Bochumer Unternehmen stellt kein Scheingeschäft dar. Dies hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm heute entschieden.

Die klagende Großstadt aus Nordrhein-Westfalen schloss mit der Beklagten, die ihren Sitz in Bochum hat und sich mit der Überlassung von gesponserten Kraftfahrzeugen an Leistungssportler und Funktionäre befasst, im Jahr 2004 einen mit “Werbevertrag“ überschriebenen Vertrag.

Mit diesem Vertrag verpflichtete sich die Beklagte, alle über die Kfz-Zulassungsstelle der klagenden Großstadt zugelassenen Kraftfahrzeuge mit einem 30 cm x 5 cm großen Werbeaufkleber der klagenden Großstadt, den diese zur Verfügung stellen sollte, zu versehen. Die Beklagte sollte für jedes während der Vertragslaufzeit über die Kfz-Zulassungsstelle der Beklagten zugelassene Kfz, das mit einem entsprechenden Werbeaufkleber versehen worden ist, 8,70 Euro netto erhalten. Die Beklagte ließ bis Anfang des Jahres 2016 Fahrzeuge über die Kfz-Zulassungsstelle der Klägerin zu.

Die klagende Großstadt verlangt in dem vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten die Rückzahlung von in den Jahren 2013, 2014 und 2015 nach diesem Werbevertrag geflossenen Zahlungen von insgesamt gut 225.000 €. Ihre Forderung begründet sie damit, dass die Beklagte die von ihr zugesagten und in diesen Jahren abgerechneten Werbeleistungen nicht erbracht habe, weil die Werbeaufkleber auf den zugelassenen Fahrzeugen nicht angebracht worden seien.

Dagegen hat sich die Beklagte auf den Standpunkt gestellt, der Werbevertrag sei nur der Form halber aufgesetzt worden, um die Zahlungen an sie als Kostenposition haushaltsmäßig besser darstellen zu können.

Die klagende Großstadt habe vom hohen Wiedererkennungswert der typischen Nummernschilder für die Stadt profitieren wollen und auch ein Interesse gehabt, die Einnahmen aus den Zulassungskosten von etwa 26,00 € pro Fahrzeug, insgesamt also bis zu einer Viertelmillionen Euro pro Jahr, zu erhalten. Die Aufkleber seien nur eine zusätzliche Idee gewesen, um die Leistungspflicht der Beklagten nach außen und für den schriftlichen Vertrag etwas handfester und griffiger definieren zu können. Allein aus der Tatsache, dass die Klägerin über viele Jahre hinweg Quartal für Quartal Rechnungen in jeweils vier- bis fünfstelliger Höhe erhalten und anstandslos bezahlt habe, obwohl sie gewusst habe, keine weiteren Aufkleber mehr geliefert zu haben, ergebe sich, dass die Aufkleber von untergeordneter Bedeutung gewesen seien und die klagende Großstadt stets davon ausgegangen sei, die Beklagte habe lediglich die Pflicht gehabt, die Fahrzeuge in der Großstadt zuzulassen.

Das Landgericht Bochum hat die zunächst nur auf die Zahlungen für die Jahre 2013 und 2014 gerichtete Klage mit Urteil vom 06.06.2018 abgewiesen (Az. I-13 O 13/17). Zur Begründung hat es ausgeführt, der “Werbevertrag“ aus dem Jahr 2004 habe nicht den tatsächlich getroffenen Vertragsabsprachen entsprochen. Insbesondere sei die Regelung zur Anbringung der Werbeaufkleber – wie sich aus den Aussagen von vernommenen Zeugen ergebe – nur zum Schein getroffen worden, um eine nach dem Gebührenrecht unzulässige Reduzierung der gesetzlich bundesweit vorgeschriebenen Zulassungsgebühren zu verschleiern.

Die Berufung der klagenden Großstadt gegen dieses Urteil hatte ganz überwiegend Erfolg. Die Großstadt könne – so der Senat – die Rückzahlung von insgesamt gut 225.000 € für die Jahre 2013 bis 2015 verlangen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts handele es sich bei dem “Werbevertrag“ aus dem Jahr 2004 nicht um ein zum Schein abgeschlossenes Geschäft.

Dass die Vereinbarung „Vergütung gegen Aufkleber“ nicht dem wirklichen Willen der Parteien entsprochen habe, sei insbesondere den Aussagen der bereits vom Landgericht vernommenen Zeugen nicht zu entnehmen. Vielmehr spreche unter anderem die Bestellung von 13.200 Aufklebern zu Beginn des Vertragsverhältnisses eher dafür, dass der abgeschlossene “Werbevertrag“ – jedenfalls zunächst – tatsächlich gelebt worden sei. Dass das Anbringen der Aufkleber später eingestellt worden oder eingeschlafen sei, lasse keinen Rückschluss auf den Willen der Parteien bei Abschluss des Vertrags zu.

Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Abschluss des “Werbevertrags“ gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe oder sittenwidrig sei. Insbesondere ein zur Unwirksamkeit des Werbevertrags führendes gesetzliches Verbot, Zulassungsgebühren nicht unterhalb der in der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr festgesetzten Gebühren zu erheben, sei nicht zu erkennen. Soweit sich bei einer wirtschaftlichen Betrachtung eine geringere Zahlungspflicht der Beklagten ergeben habe, sei es den Parteien zwar offensichtlich darum gegangen, der Beklagten einen finanziellen Anreiz zu schaffen, ihre Fahrzeuge bei der Klägerin zuzulassen. Dieser Anreiz sei aber über den Werbevertrag geschaffen worden, dessen Inhalt an sich nicht gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung verstoße und dessen (indirekte) Koppelung an die Zulassung nicht im krassen Widerspruch zum Gemeinwohl stehe. Der klagenden Großstadt seien die Zulassungsgebühren im gesetzlich festgesetzten Umfang zugekommen und der gezahlten Vergütung habe nach dem Vertrag eine (Werbe-)Leistung gegenübergestanden.

Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25.09.2020 (Az. 12 U 91/18, OLG Hamm)


OLG Frankfurt: Es verstößt nicht gegen Vorgaben der DSGVO wenn Teilnahme an Gewinnspiel von Zustimmung zum Erhalt von Werbung abhängig gemacht wird

OLG Frankfurt
Urteil vom 27.06.2019
6 U 6/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass es nicht gegen die Vorgaben der DSGVO verstößt, wenn die Teilnahme an einem Gewinnspiel von der Zustimmung zum Erhalt von Werbung abhängig gemacht wird. Auch in einem solchen Fall ist die Einwilligung "freiwillig" im Sinne der DSGVO.




VG Köln: Fernsehsender VOX muss Trailer für Live-Tournee des Moderators der Sendungen Der V.I.P. Hundeprofi und Der Hundeprofi unterwegs als Werbung kennzeichnen

VG Köln
Urteil vom 31.03.2016
6 K 4476/14


Das VG Köln hat enstschieden, dass der Fernsehsender VOX Trailer für eine Live-Tournee des Moderators der Sendungen "Der V.I.P. Hundeprofi" und "Der Hundeprofi unterwegs" als Werbung kennzeichnen muss.

Die Pressemitteilung des VG Köln:

VOX muss Trailer für Live-Tourneen des Hundeprofis Martin Rütter als Werbung kennzeichnen

Das Verwaltungsgericht Köln hat mit einem heute verkündeten Urteil die Klage des Fernsehsenders VOX gegen eine Beanstandung der beklagten Landesanstalt für Medien abgewiesen. Diese hatte zwei von VOX ausgestrahlte Trailer mit der Begründung beanstandet, in ihnen sei für Live-Tourneen von Martin Rütter geworben worden, ohne dies – wie im Rundfunkstaatsvertrag vorgeschrieben – als Werbung zu kennzeichnen.

Die beanstandeten Trailer wurden 2013/2014 im Programm von VOX im Umfeld der von Martin Rütter moderierten Sendungen „Der V.I.P. Hundeprofi“ und „Der Hundeprofi unterwegs“ ausgestrahlt. Die ca. 15-sekündigen Trailer zeigten u.a. kurze Dialoge mit Martin Rütter. Eingeblendet war u.a. auch eine Telefonnummer für „Tickets und Infos“. Die Beklagte beanstandete mit Entscheidung vom 17. Juli 2014 die mangelnde Kennzeichnung der Trailer als Werbung.

Die für Medienrecht zuständige 6. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die dagegen gerichtete Klage des Senders VOX abgewiesen. Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass beide Trailer sich nicht auf kennzeichnungsfreie programmbegleitende Hinweise beschränkten, sondern in der gebotenen Gesamtwürdigung kennzeichnungspflichtige Werbung für die Tourneen von Martin Rütter seien. Dafür spreche die eingeblendete Hotline für Tickets und Infos. Das Gericht wies auch darauf hin, dass die Trailer nicht innerhalb eines Werbeblocks ausgestrahlt worden seien. Für den durchschnittlichen Zuschauer sei der Werbeblock jeweils nach den Programmhinweisen auf weitere VOX-Sendungen und mit Einblendung des Senderlogos beendet gewesen. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, Ausstrahlungen anderer Sender seien möglicherweise ebenfalls nicht hinreichend als Werbung gekennzeichnet worden.

Gegen das Urteil kann ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden, über den das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheidet.