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BVerwG legt EuGH Fragen zur Kennzeichnung von Arzneimitteln beim Parallelimport zur Vorabentscheidung vor

BVerwG
Beschluss vom 20.03.2025
3 C 9.23


Das BVerwG hat dem EuGH Fragen zur Kennzeichnung von Arzneimitteln beim Parallelimport zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Parallelimport von Arzneimitteln: Gerichtshof der Europäischen Union soll Fragen zur Kennzeichnung der Behältnisse des Arzneimittels klären

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig holt eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu der Frage ein, unter welchen Voraussetzungen Abweichungen von den Vorschriften über die Kennzeichnung von Arzneimitteln insbesondere beim Parallelimport von Arzneimitteln nach Unionsrecht möglich sind.

Die Klägerin ist Inhaberin einer Zulassung zum Inverkehrbringen eines Arzneimittels in Deutschland, das zur Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms dient. Es besteht aus zwei Fertigspritzen, die jeweils in einer durch Folie verschlossenen Schalenverpackung liegen. Nach dem Öffnen der Schalenverpackung sollen die Spritzen sofort zubereitet und verwendet werden.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erteilte der Beigeladenen im Jahr 2010 – unter Bezug auf die Zulassung der Klägerin – eine Zulassung für den Parallelimport des Arzneimittels aus Italien und verlängerte diese im Jahr 2014 unter Erweiterung auf Importe aus Rumänien und Polen. Der Verlängerungsbescheid weist darauf hin, dass die Schalenverpackung des Arzneimittels nicht geöffnet werden solle, um die Spritzen – wie von § 10 Abs. 1 und Abs. 8 Satz 3 des Arzneimittelgesetzes (AMG) verlangt – in deutscher Sprache unter anderem mit der Angabe "subkutane Anwendung" zu kennzeichnen, da hierdurch die Haltbarkeit des Medikaments beeinträchtigt würde. Die Beigeladene müsse aber sicherstellen, dass bestimmte Mindestangaben in lateinischer Schrift auf den Spritzen vorhanden seien. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage der Klägerin blieb vor dem Verwaltungsgericht und in der Berufungsinstanz erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass die Frage, ob die Zulassung des Parallelimports unter Abweichung von den Kennzeichnungsvorschriften des Arzneimittelgesetzes rechtswidrig sei, dahinstehen könne, weil die Klägerin hierdurch jedenfalls nicht in eigenen Rechten verletzt werde.


Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Dem liegt zugrunde, dass die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Klägerin könne bei einem Verstoß gegen § 10 Abs. 1 und Abs. 8 Satz 3 AMG nicht in eigenen Rechten verletzt sein, gegen Bundesrecht verstößt. Die Vorschriften über die Zulassung eines Arzneimittels sind in Verbindung mit den Kennzeichnungsvorgaben in § 10 Abs. 1 und Abs. 8 Satz 3 AMG auch dazu bestimmt, den Inhaber einer Arzneimittelzulassung davor zu schützen, dass unter Bezugnahme auf seine Zulassung das Inverkehrbringen eines parallel importierten Arzneimittels gestattet wird, dessen Primärverpackung nicht den Vorschriften entsprechend in deutscher Sprache gekennzeichnet ist. Zur Beurteilung, ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt, kommt es daher darauf an, ob die Beklagte bei der Erteilung der Zulassung von den Kennzeichnungsvorgaben des Arzneimittelgesetzes abweichen durfte. Während das nationale Recht hierfür keine Möglichkeit vorsieht, könnte sich eine Abweichungsmöglichkeit aus Art. 63 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (in der Fassung der Richtlinie 2012/26/EU vom 25. Oktober 2012) ergeben. Hiernach können die nationalen Behörden für Arzneimittel, die nicht dazu bestimmt sind, direkt an den Patienten abgegeben zu werden, von bestimmten Kennzeichnungsvorschriften absehen, unter anderem von der Verwendung der Sprache des Mitgliedstaats, in dem das Arzneimittel in Verkehr gebracht werden soll. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht den Gerichtshof der Europäischen Union um Klärung folgender Fragen gebeten:


1. Finden die Kennzeichnungsvorgaben der Art. 54, 55 Abs. 3 und Art. 63 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG auf ein Arzneimittel Anwendung, für das in einem Mitgliedstaat eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde und dessen Einfuhr in einen anderen Mitgliedstaat im Verhältnis zu einem in diesem zweiten Mitgliedstaat bereits zugelassenen Arzneimittel einen Parallelimport darstellt?


2. Ist Art. 63 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG dahingehend auszulegen, dass ein Arzneimittel nicht dazu bestimmt ist, direkt an den Patienten abgegeben zu werden, wenn es als Arzneimittel eingestuft ist, das der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegt?


3. Kommt Art. 63 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG unmittelbare Wirkung zu, so dass sich ein Wirtschaftsteilnehmer, der ein Arzneimittel aus einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland importieren möchte, vor den deutschen Gerichten gegenüber der beklagten Bundesrepublik Deutschland, die die Vorschrift nicht bzw. nicht vollständig in ihr nationales Recht umgesetzt hat, auf die Vorschrift berufen kann?


4. Stehen Art. 34 und 36 AEUV der Anwendung von Vorschriften des nationalen Rechts und des Unionsrechts, die die Kennzeichnung von Primärverpackungen mit bestimmten Mindestangaben in der Sprache des Einfuhrmitgliedstaats verlangen, auf ein parallel importiertes Arzneimittel entgegen, wenn eine zur Erfüllung dieser Kennzeichnungsvorgaben erforderliche Umetikettierung der Primärverpackung des parallel importierten Arzneimittels wegen einer damit einhergehenden wesentlichen Beeinträchtigung seiner Haltbarkeit nicht möglich ist?

BVerwG 3 C 9.23 - Beschluss vom 20. März 2025

Vorinstanzen:

VG Köln, VG 7 K 3695/15 - Urteil vom 31. Mai 2016 -

OVG Münster, OVG 9 A 1531/16 - Urteil vom 14. Dezember 2021 -


BGH: Zur rechtserhaltenden Benutzung, wenn Marke mit Zusatz in fremder Sprache verwendet wird, der Produkt in dieser Sprache beschreibt - Pinar Sosis

BGH
Urteil vom 17.11.2014
I ZR 114/13
PINAR
MarkenG § 26 Abs. 3 Satz 1

Leitsätze des BGH:


a) Bei der Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung in einer von der Eintragung der Marke abweichenden Form im Sinne von § 26 Abs. 3 MarkenG können ausnahmsweise die für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr
entwickelten Grundsätze zu einer gespaltenen Verkehrsauffassung herangezogen werden. Dies ist gerechtfertigt, wenn feststellbar ist, dass der Gebrauch des Kennzeichens gegenüber einem objektiv abgrenzbaren Verkehrskreis erfolgt, wie dies bei einem bestimmten Sprachkreis der Fall ist.

b) Wird die eingetragene Marke mit einem Zusatz verbunden, der in der türkischen Sprache das vertriebene Produkt beschreibt (hier: Sosis), ist von einer rechtserhaltenden Nutzung durch das zusammengesetzte Kennzeichen (hier: Pinar Sosis) auszugehen, wenn die Produkte in Deutschland weit überwiegend in türkischen Lebensmittelgeschäften an der türkischen Sprache mächtige Kunden vertrieben werden.

BGH, Urteil vom 17. November 2014 - I ZR 114/13 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Berlin: WhatsApp muss deutschen Nutzern deutschsprachige AGB zur Verfügung stellen und Impressum nachbessern - vzbv erfolgreich gegen Messengerdienst

LG Berlin
Versäumnisurteil vom 09.05.2014
15 O 44/13
WhatsApp


Das LG Berlin hat im Wege eines Versäumnisurteil entschieden, dass der Messengerdienst WhatsApp seinen deutschen Nutzern auch deutschsprachige AGB zur Verfügung stellen muss. Zudem muss WhatsApp das Impressum nachbessern, da dieses lediglich aus einer Email-Adresse bestand.

Da sich der Messengerdienst gezielt auch an deutsche Nutzer wendet, ist das Urteil wenig überraschend. Es bleibt abzuwarten, ob WhatsApp Einspruch gegen das Versäumnisurteil einlegt.


Der Volltext der Entscheidung:

In dem Rechtsstreit

des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.,

gegen

die WhatsApp Inc., vertreten durch den Chief Executive Off. Jan Boris Koum. 3561 Homestead Road, Santa Clara, CA 95051, Vereinigte Staaten,

hat die Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin in Berlin - Mitte, Littenstraße 12-17,10179 Berlin, im schriftlichen Vorverfahren am 9. Mai 2014 durch [...] und für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an dem Chief Executive Offiver, zu unterlassen,

a) im Rahmen geschäftlicher Handlungen auf der Webseite www.whatsapp.com
- den Vertretungsberechtigten der Beklagten,
- die geographische Anschrift, unter der die Beklagte niedergelassen ist,
- einen zweiten Kommunikationsweg neben der E-Mail-Adresse,
- das öffentliche Register, in das die Beklagte eingetragen ist sowie die in diesem Register verwendete Kennung
nicht leicht, unmittelbar und ständig verfügbar zu machen
und / oder

b) im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern in Deutschland Produkte und Dienstleistungen unter http://www.whatsapp.com anzubieten und hierbei Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu verwenden, die nicht in deutscher Sprache verfügbar sind.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 200,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Juli 2013 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand:

Der Kläger ist der Dachverband unter anderem der deutschen Verbraucherzentralen und in die Liste nach § 4 Unterlassungsklagegesetz (UKIaG) eingetragen. Die Beklagte betreibt die Webseite www.whatsapp.com und bietet dort auch für Verbraucher in Deutschland ein Kommunikationsprogramm an. Die Webseite ist, wenn sie von Deutschland aus aufgerufen wird, fast ausschließlich in deutscher Sprache abgefasst Die Beklagte hält die in dem Urteilstenor zu 1. genannten Informationen auf ihrer Webseite nicht bereit. Allgemeine Geschäftsbedingungen bietet sie dort nur in englischer Sprache an. Auf entsprechende Abmahnungen des Klägers vom 19. Juli 2012 und 9 Oktober 2012 hat die Beklagte nicht reagiert.

Das Gericht hat die Klage nebst Übersetzung förmlich am Sitz der Beklagten zustellen lassen mit dem Ergebnis, dass dort am 23. Juli 2013 die Entgegennahme amtlicher Dokumente verweigert wurde.

Der Kläger beantragt, wie erkannt.
Die Beklagte hat keine Verteidigungsabsicht angezeigt.
-
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Es war durch Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren zu entscheiden, § 331 Abs. 3 ZPO. Die Klage gilt als am 23. Juli 2013 wirksam zugestellt. Die Beklagte konnte dies nicht dadurch vereiteln, dass sie sich geweigert hat, die ihr damals angebotene förmliche Zustellung entgegenzunehmen.

Der Kläger kann nach §§ 8 Abs.1 und Abs. 3 Nr. 3, 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verfangen, dass die Beklagte die hier nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 Telemediengesetz (TMG) vorgeschriebenen Informationspflichten erfüllt und ihre unzureichende Anbieterkennzeichnung ergänzt.

Nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1, 2 UKlaG hat der Kläger fernen einen Anspruch darauf, dass die Beklagte es unterlässt, deutschen Verbrauchern ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nur in englischer Sprache anzubieten. Nach § 305 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) müssen AGB von den Verbrauchern in zumutbarer Weise zur Kenntnis genommen werden können. Das ist nicht gewährleistet, wenn Verbraucher in Deutschland, die von dem Anbieter im Übrigen in deutscher Sprache angesprochen werden und von denen - wie hier - nicht überwiegend erwartet werden kann, dass sie AGB in englischer (Rechts-) Sprache ohne Werteres verstehen, die AGB nur in englischer Sprache aufrufen können (vergleiche AG Köln -114 C 22/12 -, Urteil vom 24.- September 2012).

Die Verstöße begründen eine Wiederholungsgefahr. Deren Beseitigung ist nicht erkennbar. Die Beklagte war daher antragsgemäß zur Unterlassung zu verurteilen.

Der Kläger hat ferner Anspruch auf Erstattung seiner berechtigten Abmahnkosten in Höhe einer angemessenen Pauschale nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit, § 12 Abs. 1 S. 2 UWG, §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 2 ZPO.

Die Pressemitteilung des vzbv finden Sie hier: