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EuGH: Zugang der Polizei zu auf Mobiltelefonen gespeicherten personenbezogenen Daten nicht nur auf Bekämpfung schwerer Kriminalität beschränkt

EuGH
Urteil vom 04.10.2024
C-548/21
Bezirkshauptmannschaft Landeck
(Zugriffsversuch auf die auf einem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten)


Der EuGH hat entschieden, dass sich der Zugang der Polizei zu auf Mobiltelefonen gespeicherten personenbezogenen Daten nicht nur auf Bekämpfung schwerer Kriminalität beschränkt.

Tenor der Entscheidung:
1. Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates ist im Licht der Art. 7 und 8 sowie von Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die den zuständigen Behörden die Möglichkeit gibt, zum Zweck der Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten im Allgemeinen auf die auf einem Mobiltelefon gespeicherten Daten zuzugreifen, nicht entgegensteht, wenn diese Regelung
– die Art oder die Kategorien der betreffenden Straftaten hinreichend präzise definiert,
– die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gewährleistet und
– die Ausübung dieser Möglichkeit, außer in hinreichend begründeten Eilfällen, einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterwirft.

2. Die Art. 13 und 54 der Richtlinie 2016/680 sind im Licht von Art. 47 und von Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte
dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es den zuständigen Behörden gestattet, zu versuchen, auf Daten zuzugreifen, die auf einem Mobiltelefon gespeichert sind, ohne die betroffene Person im Rahmen der einschlägigen nationalen Verfahren über die Gründe, auf denen die von einem Gericht oder einer unabhängigen Verwaltungsstelle erteilte Gestattung des Zugriffs auf die Daten beruht, zu informieren, sobald die Übermittlung dieser Informationen die den Behörden nach der Richtlinie obliegenden Aufgaben nicht mehr beeinträchtigen kann.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Der Zugang der Polizei zu den auf einem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten ist nicht zwingend auf die Bekämpfung schwerer Kriminalität beschränkt

Er bedarf jedoch der vorherigen Genehmigung durch ein Gericht oder eine unabhängige Behörde und muss verhältnismäßig sein.

Der Zugang der Polizei zu den auf einem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen kann einen schwerwiegenden oder sogar besonders schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Person darstellen. Gleichwohl ist er nicht zwingend auf die Bekämpfung schwerer Kriminalität beschränkt. Der nationale Gesetzgeber muss die bei einem solchen Zugang zu berücksichtigenden Gesichtspunkte, wie die Art oder die Kategorien der betreffenden Straftaten, definieren. Um sicherzustellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in jedem Einzelfall durch eine Gewichtung aller relevanten Gesichtspunkte dieses Falles gewahrt wird, muss der Zugang zudem, außer in hinreichend begründeten Eilfällen, von einer vorherigen Genehmigung durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle abhängig gemacht werden. Die betroffene Person muss über die Gründe für die Genehmigung informiert werden, sobald die Übermittlung dieser Informationen die Ermittlungen nicht mehr beeinträchtigen kann.

Die österreichische Polizei stellte das Mobiltelefon des Adressaten eines Pakets sicher, nachdem im Zuge einer Suchtmittelkontrolle festgestellt wurde, dass sich in diesem Paket 85 g Cannabiskraut befanden. Sodann versuchte sie vergeblich, das Mobiltelefon zu entsperren, um Zugang zu den darauf gespeicherten Daten zu erlangen. Sie verfügte nicht über eine Genehmigung der Staatsanwaltschaft oder eines Richters, dokumentierte ihre Entsperrungsversuche nicht und informierte den Betroffenen nicht über sie.

Der Betroffene erhob bei einem österreichischen Gericht Beschwerde gegen die Sicherstellung seines Mobiltelefons. Erst im Rahmen dieses Verfahrens erlangte er Kenntnis von den Entsperrungsversuchen. Das österreichische Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob die österreichische Regelung, die nach seinen Angaben1 der Polizei diese Vorgehensweise ermöglicht, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Es führt aus, dass die dem Betroffenen zur Last gelegte Straftat mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht sei und daher nur ein Vergehen darstelle.

Der Gerichtshof stellt zunächst klar, dass die einschlägige Unionsregelung entgegen dem Vorbringen einiger Regierungen nicht nur für den Fall eines erfolgreichen Zugriffs auf die auf einem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten gilt, sondern auch für einen Versuch, Zugang zu ihnen zu erlangen.

Sodann stellt er fest, dass der Zugang zu allen auf einem Mobiltelefon gespeicherten Daten einen schwerwiegenden oder sogar besonders schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Person darstellen kann. Solche Daten, die Nachrichten, Fotos und den Verlauf der Navigation im Internet umfassen können, lassen nämlich unter Umständen sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben dieser Person zu. Außerdem können zu ihnen auch besonders sensible Daten gehören.

Die Schwere der Straftat, die Gegenstand der Ermittlungen ist, stellt einen der zentralen Parameter bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines solchen schwerwiegenden Eingriffs dar. Falls nur die Bekämpfung schwerer Kriminalität den Zugang zu auf einem Mobiltelefon gespeicherten Daten rechtfertigen könnte, würden jedoch die Ermittlungsbefugnisse der zuständigen Behörden unangemessen eingeschränkt. Daraus würde sich eine erhöhte Gefahr der Straflosigkeit von Straftaten im Allgemeinen und damit eine Gefahr für die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der Union ergeben. Ein solcher Eingriff in das Privatleben und den Datenschutz muss allerdings gesetzlich vorgesehen sein; dies impliziert, dass der nationale Gesetzgeber die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte, insbesondere die Art oder die Kategorien der betreffenden Straftaten, hinreichend präzise definieren muss.

Ein solcher Zugang muss ferner von einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle abhängig gemacht werden, außer in hinreichend begründeten Eilfällen3 . Diese Kontrolle muss für einen gerechten Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen, die sich aus den Erfordernissen der Ermittlungen im Rahmen der Kriminalitätsbekämpfung ergeben, und den Grundrechten auf Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten sorgen.

Schließlich muss die betroffene Person über die Gründe, auf denen die Genehmigung des Zugriffs auf ihre Daten beruht, informiert werden, sobald die Übermittlung dieser Informationen die Ermittlungen nicht mehr beeinträchtigen kann .


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

KG Berlin: Amtspflichtverletzung durch Äußerungen eines Staatsanwalts auf einer Pressekonferenz zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren - Anspruch auf Geldentschädigung

KG Berlin
Urteil vom 20.12.2022
9 U 21/21


Das KG Berlin hat in diesem Fall entschieden, dass die Äußerungen eines Staatsanwalts auf einer Pressekonferenz zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eine Amtspflichtverletzung darstellen und somit wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein Anspruch auf Geldentschädigung besteht.

Aus den Entscheidungsgründen;:
Die Kläger zu 1) und 2) haben gegen den Beklagten jeweils einen Anspruch auf Leistung von Geldentschädigung für immaterielle Schäden, die ihnen aus schuldhaften Amtspflichtverletzungen des Beklagten erwachsen sind. Diese Ansprüche sind begründet aus der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 839 Absatz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 34 Satz 1 GG.

Denn die für den Beklagten handelnden Beamten haben die ihnen den Klägern zu 1) und 2) gegenüber obliegenden Amtspflichten (a) rechtswidrig und schuldhaft (b) und dadurch auch das Persönlichkeitsrecht der Kläger zu 1) und 2) verletzt, wodurch ihnen kausal ein immaterieller Schaden erwachsen ist (c, d), für den der Beklagte an sie eine Geldentschädigung zu leisten hat (e, f).

a) Die von den Klägern beanstandeten Äußerungen des für den Beklagten handelnden Leitenden Oberstaatsanwalt ... auf der Pressekonferenz vom ... waren amtspflichtwidrig.

aa) Bei Presseäußerungen hat die Staatsanwaltschaft in ihrem Bereich die erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Geheimhaltungsinteresse) des jeweils Betroffenen (Artikel 5 Absatz 1 GG einerseits, Artikel 1 Absätze 1, 2 Absatz 1 GG andererseits; BVerfG, Urteil vom 5. Juni 1973 – 1 BvR 536/72 –, juris, Rn. 45; BGH, Urteil vom 15. April 1980 – VI ZR 76/79 –, Rn. 9, juris; BGH Urteil vom 13. November 1990 – VI ZR 104/90 –, Rn. 12, juris; BGH, Urteil vom 12. Oktober 1993 – VI ZR 23/93 –, Rn. 19, juris; BGH, Urteil vom 17. März 1994 – III ZR 15/93 –, Rn. 21, juris) vorzunehmen. Entscheidend ist nicht der reine Wortlaut der Auskunft, sondern der Eindruck, den eine solche zur Veröffentlichung in der Presse bestimmte Auskunft bei den Kreisen hervorrufen muss, an die die Presse sich wendet. Ganz besondere Vorsicht ist aber am Platze, wenn es sich wie hier um eine Auskunft im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens handelt: Ein solches Verfahren wird bereits auf Verdacht hin eröffnet; wird die Auskunft gar noch - wie hier - in einem Stadium erteilt, in dem die Ermittlungen zwar begonnen, aber bei weitem noch nicht zu einem abschließenden Ergebnis geführt haben, so ist sorgfältig darauf zu achten, dass die Öffentlichkeit durch die Auskunft kein falsches Bild von der Belastung des Betroffenen erhält, zumal der juristisch nicht vorgebildete Laie allzu leicht geneigt ist, die Eröffnung eines solchen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens beinahe mit dem Nachweis der zur Last gelegten Tat gleichzusetzen. Das unkritische Vertrauen, dass die Bevölkerung dem gedruckten Wort entgegenbringt, zwingt die Staatsanwaltschaft, wenn sie Auskünfte an die Presse gibt, im Interesse des Ehrenschutzes des Beschuldigten gerade im Anfangsstadium der Ermittlungen alle Formulierungen zu vermeiden, die geeignet sein können, in der Öffentlichkeit den Gegenstand der Ermittlungen belastender erscheinen zu lassen, als es dem wirklichen Gehalt der dem Beschuldigten gemachten Vorwürfe entspricht (BGH, Urteil vom 29. Mai 1958 – III ZR 38/57 –, juris, Rn. 10; BGH, Urteil vom 7. Dezember 1999 – VI ZR 51/99 –, juris, Rn. 19).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe, die auch in die Presserichtlinien für die Berliner Justiz in der hier maßgeblichen Fassung vom ... (JustV IA 2) wie auch Nr. 23 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) vom 1. Januar 1977 eingearbeitet waren, werden die Äußerungen des ehemaligen Leitenden Oberstaatsanwaltes ... den Anforderungen an eine amtspflichtgemäße Information der Öffentlichkeit nicht gerecht. Denn sie waren zum Teil nicht zutreffend (bb), zum Teil unpräzise (cc), im Gesamteindruck vorverurteilend (dd) und in unzulässiger Weise reißerisch formuliert (ee).

bb) Die Informationen der Öffentlichkeit, welche öffentlich verlautbart wurden, waren zum Teil nicht zutreffend, und zwar auch nicht auf der Grundlage der zum damaligen Zeitpunkt nur vorläufigen Ermittlungsergebnisse. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer staatsanwaltschaftlichen Presseinformation ist zunächst überhaupt das Vorliegen eines Mindestbestandes an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2019 – VI-Kart 7/18 (V) –, Rn. 145, juris) und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Dies setzt voraus, dass der Verfasser der Presseinformation eine hinreichend sorgfältige Recherche über den Wahrheitsgehalt angestellt hat, wobei die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht umso höher anzusetzen sind, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird (BGH, Urteil vom 7. Dezember 1999 – VI ZR 51/99 –, juris, Rn. 20; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12 –, Rn. 28; OLG Hamm, Urteil vom 14. November 2014 – I-11 U 129/13 –, Rn. 38, juris). Daran fehlte es hier. Angesichts der Schwere der erhobenen Vorwürfe, welche das Strafgesetzbuch zum Teil sogar im Bereich der Gewaltverbrechen ansiedelt, war dabei ein besonders hoher Sorgfaltsmaßstab anzulegen:

(1) Wenn der Leitende Oberstaatsanwalt ... informierte „alles das, was wir in dem Bereich schwerpunktmäßig neben anderen gewalttätigen Straftaten hier ermittelt haben, ...“, so ist diese Aussage sachlich unzutreffend. Denn es lagen der Staatsanwaltschaft des beklagten Landes keine validen, einer gerichtlichen Überprüfung im Sinne eines hinreichenden Tatverdachtes standhaltenden Ermittlungsergebnisse zu Gewalttaten vor. Dementsprechend wurden schon die Haftbefehle gegen die Kläger zu 1) und 2) vom ... in keiner Weise auf Gewalttaten gestützt, diese Ermittlungen vielmehr fallen gelassen, was den Eindruck erweckt, dass schon die Staatsanwaltschaft selbst keine (vor dem Maßstab des Gesetzes ausreichenden) Anhaltspunkte hatte. Er vertieft die Unrichtigkeit, wenn er äußert „... das System der Prostitution in gewalttätigen... Umfeld bestätigen und unterstützen...“ Sachlich falsch ist auch die Behauptung „... sind Prostituierte ausgebeutet worden, ist Gewalt ausgeübt worden...“ Unzutreffend ist auch die Behauptung, dass es nach den „Ermittlungen, die wir bisher geführt haben, ganz direkte Bezüge zu den hier in ... ansässigen ..., die dort auch ihr Geschäft weitergemacht haben...“ [gebe]. Diesen Verdacht mag die Staatsanwaltschaft (insgeheim) gehegt haben, er mag von der vor der Razzia am ... vernommenen Zeugin ... sehr vage geäußert worden sein, die von einem „sehr, sehr gut[en]“ Verhältnis der Kläger zu 1) und 2) zu den ... sprach, von Absprachen nichts wusste, eine Geschäftsbeziehung verneinte, von Menschenhandel oder Zwang zur Prostitution nichts wusste, lediglich meinte, sie würde sich auch nicht wundern. Die Zeugin verneinte, dass Prostituierte für die Kläger zu 1) und 2) arbeiteten und hatte selbst keinen Arbeitsvertrag unterschrieben. Bestätigen ließ sich der Verdacht aber nicht und war schon gar nicht im Zeitpunkt der Pressekonferenz ausreichend erhärtet. Beruht eine mit einer so erheblichen Ehrenkränkung verbundene Behauptung auf einer derart dürftigen Tatsachen- und Ermittlungsgrundlage, wie dies vorliegend der Fall ist, gebietet eine an den verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern ausgerichtete Abwägung der Interessen, die betroffene Person, hier die Kläger, nicht "an den Pranger zu stellen" (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12 –, Rn. 33 anders als hier unter voller Namensnennung).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Landesdatenschutzbeauftragter RLP: Datenschutzrechtliches Aufsichtsverfahren wegen Nutzung von Kontaktdaten aus der LUCA-App durch die Staatsanwaltschaft Mainz

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz hat ein datenschutzrechtliches Aufsichtsverfahren wegen Nutzung von Kontaktdaten aus der LUCA-App durch die Staatsanwaltschaft Mainz eingeleitet.

Die Pressemitteilung des Landesdatenschutzbeauftragten RLP

Nach Erhebung und Nutzung von Kontaktdaten aus der LUCA-App durch die Staatsanwaltschaft – Datenschutzbeauftragter leitet aufsichtsrechtliche Verfahren ein

Nachdem der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz davon Kenntnis erlangte, dass die Staatsanwaltschaft Mainz zusammen mit der lokalen Polizeibehörde und dem örtlichen Gesundheitsamt über die LUCA-App erfasste Kontaktdaten von Besuchern einer Mainzer Gastwirtschaft zu Ermittlungszwecken erhoben und genutzt hat, hat er umgehend aufsichtsrechtliche Verfahren eingeleitet. Dabei sollen insbesondere die Umstände geklärt werden, die ungeachtet der eindeutigen Rechtslage zu der datenschutzrechtlich unzulässigen Abfrage und Nutzung der ausschließlich zu Infektionsschutzzwecken erfassten Kontaktdaten geführt haben. Entsprechende Informationsersuchen wurden bereits versendet.

Hintergrund ist ein Vorfall aus dem November 2021. Nachdem vor einer Mainzer Gastwirtschaft ein 39-jähriger Mann mit schwersten Kopfverletzungen aufgefunden wurde, ersuchten die zuständigen Strafermittlungsbehörden das Gesundheitsamt um Bereitstellung der über die LUCA-App von dem Betreiber der Gastwirtschaft zu dem vermuteten Tatzeitpunkt erfassten Kontaktdaten. Das Gesundheitsamt kam der Aufforderung nach und übermittelte die Daten von 21 Personen, die der Behörde auf Anfrage von dem App-Betreiber zur Verfügung gestellt wurden. Die Betroffenen wurden dann von der Polizei kontaktiert und zu dem Vorfall befragt. Mittlerweile haben die beteiligten Behörden die Unzulässigkeit der erfolgten Datenverarbeitung eingeräumt.

„Für mich ist es zunächst einmal besorgniserregend, dass sowohl Staatsanwaltschaft als auch Gesundheitsamt die bereits vor einiger Zeit geänderte Rechtslage im Infektionsschutzgesetz und damit zusammenhängende datenschutzrechtliche Bestimmungen offensichtlich nicht kannten oder sich darüber hinweg gesetzt haben“, kommentiert der Landesbeauftragte Prof. Dr. Kugelmann den Vorfall. Aus § 28a Abs. 4 Satz 3 des Infektionsschutzgesetzes geht eindeutig hervor, dass zum Zwecke des Infektionsschutzes erfasste Kontaktdaten lediglich zur Kontaktnachverfolgung verarbeitet werden dürfen und eine anderen Zwecken dienende Datenverwendung unzulässig ist. „Das Vorgehen erschüttert das Vertrauen der Bürger in die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns und ist gerade in Zeiten einer die Gesellschaft als Ganzes herausfordernden Pandemie das völlig falsche Signal.“ Kugelmann kündigt an, nach Aufklärung des Sachverhaltes die Ausübung sämtlicher ihm datenschutzrechtlich zur Verfügung stehender Befugnisse zu prüfen.

BGH: E-Mail-Anbieter Tutanota muss Ermittlungsbehörden nach 100a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO Möglichkeit zur Überwachung von zwei verschlüsselten E-Mail-Postfächern einräumen

BGH
Beschluss vom 28.04.2021
2 BJs 366/19-9 VS-NfD


Der BGH hat entschieden, dass Bder E-Mail-Anbieter Tutanota den Ermittlungsbehörden nach 100a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO die Möglichkeit zur Überwachung von zwei verschlüsselten E-Mail-Postfächern einräumen muss.




OVG Münster: Gericht durfte Christoph Metzelder in Pressemitteilung über Anklageerhebung unter Hinweis auf Unschuldsvermutung namentlich nennen aber keine Details aus Anklageschrift verbreiten

OVG Münster
Beschluss vom 04.02.2021
4 B 1380/20


Das OVG Münster hat entschieden, dass das Amtsgericht Düsseldorf den ehemaligen Profifußballer Christoph Metzelder in einer Pressemitteilung über eine Anklageerhebung unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung namentlich nennen aber keine Details aus Anklageschrift verbreiten drufte.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

OVG untersagt Amtsgericht Pressemitteilung mit Details aus Anklageschrift

Das Amtsgericht Düsseldorf war und ist nicht berechtigt, Details aus einer bei ihm eingegangenen Anklage gegen einen ehemaligen Profifußballspieler per Pressemitteilung öffentlich bekannt zu machen. Es war und ist dem Amtsgericht im konkreten Fall aber erlaubt, Medienvertreter wahrheitsgemäß unter Namensnennung über die Anklageerhebung und den Tatvorwurf in abstrakter Form unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung zu unterrichten. Dies hat das Oberverwaltungsgericht heute in einem Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes entschieden und den vorausgegangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf teilweise geändert.

Kurz nachdem die Staatsanwaltschaft per Pressemitteilung über die Anklageerhebung in anonymisierter Form und ohne Nennung des Strafvorwurfs informiert hatte, gab das Amtsgericht wegen zahlreicher Medienberichte und -anfragen ebenfalls hierüber eine Pressemitteilung heraus, die auch im Internet veröffentlicht wurde. Sie enthielt den Namen des Angeschuldigten und offenbarte Details der Anklage, die zuvor nicht öffentlich bekannt waren. Der daraufhin vom Antragsteller beim Verwaltungsgericht Düsseldorf gestellte Eilantrag blieb erfolglos. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte nun teilweise Erfolg.

Zur Begründung seines Beschlusses hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts verletze die Pressemitteilung das Recht des Antragstellers auf ein faires Verfahren und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Die öffentliche Berichterstattung über den Strafvorwurf greife erheblich in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers ein. Medieninformationen der Pressestelle des Amtsgerichts über das Strafverfahren, denen amtliche Authentizität zukomme, müssten mit Blick auf die Unschuldsvermutung und die Auswirkungen auf das Strafverfahren gerade zu seinem Beginn mit der gebotenen Sachlichkeit, Objektivität und Zurückhaltung erfolgen. Die Pressemitteilung des Amtsgerichts in diesem frühen Verfahrensstadium hätte danach nicht ohne vorherige Anhörung des Antragstellers erfolgen dürfen und gehe über den zulässigen Inhalt hinaus. Außerdem habe die in Rechte des Antragstellers eingreifende Pressemitteilung nicht für die Allgemeinheit im Internet zugänglich gemacht werden dürfen, weil es dafür keine Ermächtigungsgrundlage gebe.

Der Antragsteller müsse es aber wegen der Besonderheiten des Einzelfalles hinnehmen, wenn das Amtsgericht die Medien, die sich auf die Pressefreiheit berufen könnten, durch sorgfältig formulierte Informationen wahrheitsgemäß und unter Namensnennung über den Tatvorwurf in abstrakter Form unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung unterrichte. Für eine solche Information liege der erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen vor. Dabei sei nach vorheriger Anhörung des Antragstellers gegebenenfalls knapp und ohne nähere Einzelheiten mitzuteilen, dass dieser den Vorwürfen entgegen trete.

In Bezug auf das weitergehende Begehren, dem Amtsgericht bestimmte Vorgaben für seine künftige Pressearbeit zu dem Strafverfahren zu machen, blieb die Beschwerde erfolglos. Der Antragsteller könne hier keinen - nur ausnahmsweise zulässigen - vorbeugenden Rechtsschutz beanspruchen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 4 B 1380/20 (I. Instanz: VG Düsseldorf 20 L 1781/20)



VG Düsseldorf: Amtsgericht Düsseldorf durfte Christoph Metzelder in Pressemitteilung über Anklageerhebung namentlich nennen

VG Düsseldorf
Beschluss vom 14.09.2020
20 L 1781/20


Das VG Düsseldorf hat entschieden, dass das Amtsgericht Düsseldorf Christoph Metzelder in einer Pressemitteilung über Anklageerhebung namentlich nennen durfte.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Pressemitteilung des Amtsgerichts Düsseldorf vom 4.9.2020 darf weiter verbreitet werden

Die durch das Amtsgericht Düsseldorf veröffentlichte Pressemitteilung vom 4.9.2020 über die Anklageerhebung gegen einen ehemaligen Fußballnationalspieler darf weiter verbreitet werden. Auch entsprechende mündliche Erklärungen gegenüber Medienvertretern dürfen abgegeben werden. Das hat die 20. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Beschluss vom heutigen Tag, der den Beteiligten bekannt gegeben worden ist, entschieden und damit einen Eilantrag des früheren Nationalspielers abgelehnt. Dieser wollte im Wege der einstweiligen Anordnung erreichen, dass dem Amtsgericht untersagt wird, im Rahmen von Presseinformationen – insbesondere mit der Pressemitteilung vom 4.9.2020 – Auskünfte zu der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf zu erteilen.

Ausgehend von § 4 des Landespressegesetzes hatte das Gericht eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Informationsfreiheit der Presse auf der einen und des Persönlichkeitsschutzes des Betroffenen auf der anderen Seite vorzunehmen. Bei einer umfassenden Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles verdient das öffentliche Interesse an der durch das Amtsgericht erteilten Information den Vorrang gegenüber dem privaten Interesse, weder namentlich noch mit den angeklagten Straftatbeständen und Tathandlungen genannt zu werden, so die Kammer. Unsachliche Formulierungen enthält der Text der Pressemitteilung ebenso wenig wie eine unzulässige Vorverurteilung.

Das weitere Begehren, dem Amtsgericht eine vergleichbare Information der Öffentlichkeit zu untersagen, wenn die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens gefallen ist, ist ebenfalls erfolglos geblieben. Auch insoweit hat die Kammer entschieden, dass das Amtsgericht zur Unterrichtung der Medien unter Namensnennung und Darlegung etwaiger Tatvorwürfe berechtigt ist.

Gegen den Beschluss kann der Antragsteller Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster einlegen.

Aktenzeichen: 20 L 1781/20


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:





VGH München: Staatsanwaltschaft muss bei Pressearbeit den Grundsatz der Waffengleichheit zwischen Staatsanwaltschaft und Beschuldigten bzw. das Recht auf ein faires Verfahren beachten

VGH München
Beschluss vom 20.08.2020
7 ZB 19.1999


Der VGH München hat entschieden, dass die Staatsanwaltschaft bei ihrer Pressearbeit den Grundsatz der Waffengleichheit zwischen Staatsanwaltschaft und Beschuldigten bzw. das Recht auf ein faires Verfahren beachten muss.

Leitsätze des Gerichts:

1. Der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen Staatsanwaltschaft und Beschuldigten, der sich aus dem Recht auf ein faires Verfahren ergibt, ist auch außerhalb des Strafprozesses im Rahmen der Pressearbeit der Staatsanwaltschaft zu berücksichtigen.

2. Will die Staatsanwaltschaft die Presse kurz nach Zuleitung der Anklageschrift an das Gericht über die Anklageerhebung unterrichten, muss sie dem Beschuldigten zuvor die vollständige Anklageschrift übermitteln und ihm zeitlich die Möglichkeit einräumen, angemessen auf das behördliche Informationshandeln reagieren zu können. Die hierfür erforderliche Zeitspanne hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BayObLG: Staatsanwaltschaft muss gespeicherte personenbezogene Daten nach Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO nicht löschen solange Verjährungsfrist noch läuft

BayObLG
Beschluss v. 27.01.2020
203 VAs 1846/19

Das BayobLG hat entschieden, dass die Staatsanwaltschaft gespeicherte personenbezogene Daten nach Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO nicht löschen, solange die Verjährungsfrist noch läuft.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 23 Abs. 1 und 2 EGGVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, ein Vorschaltverfahren (§ 21 StVollstrO) ist entbehrlich. In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg.

Der Antragsteller hat weder Anspruch auf Berichtigung, noch auf Löschung der durch die Staatsanwaltschaft Coburg gespeicherten Daten (§ 500 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StPO i.V.m. §§ 75 Abs. 1, Abs. 2 BDSG, 489 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 3 StPO).

1. Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679 ist am 26.11.2019 in Kraft getreten (BGBl. I 2019, S. 1774 ff.). § 500 Abs. 1 StPO erklärt hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten Teil 3 des Bundesdatenschutzgesetzes für entsprechend anwendbar. Insoweit handelt es sich um eine eigenständige Normierung ohne Verweis auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO); auch das Bayerische Datenschutzgesetz (BayDSG) ist damit grundsätzlich nicht anwendbar.

Der Antragsteller hat danach gemäß § 500 Abs. 1 StPO i.V.m. § 75 Abs. 1 BDSG einen Berichtigungsanspruch, wenn gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig oder unvollständig sind. Er hat nach § 500 Abs. 1 StPO i.V.m. § 75 Abs. 2 BDSG, § 500 Abs. 2 Nr. 1 StPO i.V.m. § 489 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 3 StPO (als ergänzende Sonderregelungen) einen Löschungsanspruch hinsichtlich gespeicherter personenbezogener Daten, wenn das Ermittlungsverfahren erledigt ist, d.h. bei einer Einstellung, die die Wiederaufnahme (wie bei § 170 Abs. 2 StPO) nicht hindert, mit Eintritt der Verjährung.

2. Es besteht kein Berichtigungsanspruch, da die gespeicherten Daten nicht unrichtig und nicht unvollständig sind:

a) Der Tatvorwurf ist zu Recht gespeichert. Der Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens muss zweifelsfrei erfasst sein, insbesondere auch um den Eintritt der Verjährung konkret bestimmen zu können, der - wie vorgehend dargestellt - maßgeblich ist für den Zeitpunkt der Löschung. Der Senat erachtet es deshalb nicht für zielführend, gespeicherte Datensätze mit Phantasieparagraphen (§ 999 StGB) zu verfälschen. Das Interesse der Strafverfolgungsbehörden an der Speicherung der Daten geht dem Interesse des Beschuldigten an der Vermeidung einer Stigmatisierung vor.

Der Senat folgt nicht dem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 20.07.2010 (Az.: 3 VAs 19/10). Von einer Speicherung des urpsrünglichen Deliktsvorwurfes wurde dort nur wegen der „Besonderheiten“ des Falles abgesehen; welche „Besonderheiten“ dies sein sollen, ist jedoch nicht ersichtlich. Vorliegender Fall weist dagegen von vorneherein keine Besonderheiten auf. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, weil - wie in vielen Ermittlungsverfahren - kein konkreter Tatnachweis geführt werden konnte, und nicht etwa wegen erwiesener Unschuld, was eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte.

b) Gespeichert ist, dass das Verfahren am 26.11.2018 eingestellt wurde, da Tatbestand, Rechtswidrigkeit oder Schuld nicht nachweisbar sind. Es ist nicht erforderlich, dass die Vorschrift des § 170 Abs. 2 StPO auch noch ausdrücklich genannt wird, da die gewählte Formulierung eindeutig ergibt, dass eine Sachbehandlung nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgt ist.

2. Es besteht auch kein Löschungsanspruch:

Wie oben ausgeführt, ist eine Löschung erst dann vorzunehmen, wenn das Ermittlungsverfahren erledigt ist, d.h. bei einer Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO mit Eintritt der Verjährung. Totschlag verjährt nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 StGB in dreißig Jahren. Während des Laufs der Verjährungsfrist ist die Datenspeicherung zur Aufgabenerfüllung der Staatsanwaltschaft erforderlich, weil während dieses Zeitraums neue Beweismittel auftauchen könnten, die Anlass zur Wiederaufnahme der Ermittlungen geben. Eine Einstellung nach § 170 Abs, 2 StPO steht einer solchen Wiederaufnahme der Ermittlungen nicht entgegen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Frankfurt: Keine Geldentschädigung für Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger wegen staatsanwaltlicher Ermittlungen in Sommermärchenaffäre

OLG Frankfurt
Urteil vom 08.02.2018
1 U 112/17


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger wegen staatsanwaltlicher Ermittlungen in der Sommermärchenaffäre keine Geldentschädigung enthält. Es fehlt an einer Amtspflichtverletzung.

Die Pressemitteilung des OLG Frankfurt:

Kein Schmerzensgeld für ehemaligen DFB-Präsidenten

Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) bestätigt, dass Ermittlungsverfahren gegen ehemaligen DFB-Präsidenten wegen schwerer Steuerhinterziehung keine Amtspflichtverletzung darstellt. Schmerzensgeldansprüche bestehen nicht.

Der Kläger war 2004 bis 2012 Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB) und bis September 2006 auch Vizepräsident des Weltmeisterschafs-Organisationskomitees (WM-OK). Er begehrt vom Land Hessen Schadensersatz wegen eines gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main ermittelt seit Ende 2015 gegen den Kläger wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall. In diesem Zusammenhang wurde die Wohnung des Klägers durchsucht; zudem gelangten Informationen aus der Ermittlungsakte an die Presse.

Hintergrund des Ermittlungsverfahrens ist eine Überweisung i.H.v. 6,7 Mio. € an die FIFA, welche der Kläger für das WM-OK 2005 freigegeben hatte. Der Verwendungszweck dieser Zahlung bezog sich auf eine „FIFA-Gala“. Diese fand nie statt. Ob die Zahlung der Rückführung eines Darlehens gegenüber Robert D. dienen sollte, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Betrag wurde im Jahr 2006 als steuermindernde Betriebsausgabe gebucht und im Rahmen der Bilanzaufstellung als Betriebsausgabe erfasst. Die Steuererklärung für das Jahr 2006 wurde nicht vom Kläger unterzeichnet.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat die auf den Vorwurf der Amtspflichtverletzung gestützte Klage auf Zahlung von mindestens € 25.000,00 abgewiesen. Dies bestätigte das OLG mit heute veröffentlichtem Urteil. Das OLG bekräftigte, dass der Kläger keine Geldentschädigung verlangen könne.

Die Einleitung und Fortführung des Ermittlungsverfahrens stelle keine Amtspflichtverletzung dar. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungsmaßnahmen seien im Amtshaftungsprozess nur darauf
überprüfbar, ob sie „vertretbar“ erschienen. Unvertretbar seien sie nur, „wenn bei Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege das staatsanwaltschaftliche Verhalten nicht mehr verständlich erscheint“, betont das OLG. Dies könne hier nicht festgestellt werden. Vielmehr sei es nach kriminalistischer Erfahrung nicht unvertretbar, aus der seitens des Klägers freigegebenen und steuermindernd berücksichtigten Betriebsausgabe „FIFA-Gala“ einen Anfangsverdacht für eine Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall abzuleiten.

Auch aus der Durchsuchung könne keine Amtspflichtverletzung hergeleitet werden. Sie habe dem Auffinden von Beweismitteln gedient und stünde „im Hinblick auf den Vorwurf der schweren Steuerhinterziehung ... nicht außer Verhältnis zu dem Tatvorwurf“, wertet das OLG.

Schließlich könne der Kläger nicht Schadensersatz verlangen, soweit Informationen aus dem Ermittlungsverfahren an die Presse gelangt seien. Es fehle an einer schwerwiegenden Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Der hier maßgebliche Bericht in einem bundesweiten Boulevardblatt habe sich nur am Rande mit dem Kläger befasst. Es sei allein mitgeteilt worden, dass gegen den Kläger ermittelt werde. Dies sei der Öffentlichkeit jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen Monatsfrist mit der Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof angegriffen werden.

Das Urteil ist in Kürze unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de im Volltext abrufbar.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 08.02.2018, Az.: 1 U 112/17
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 22.03.2017, Az. 2-04 O 328/16)


Aufgepasst - Betrug durch Fake-Abmahnungen im Namen von Waldorf Frommer und SKW Schwarz und Schutt Waettke wegen Filesharing

Aufgepasst. Derzeit werden betrügerische Fake-Abmahnungen per Email verschickt. Darin werden den Empfängern Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing vorgeworfen und insbesondere die Zahlung hoher Schadensersatzforderungen verlangt.

Derzeit werden gefälschte Abmahnungen im Namen der Kanzleien

Waldorf Frommer

SKW Schwarz

Schutt Waettke



verschickt. Den dort enthaltenen Link sollten Empfänger auf keinen Fall anklicken.

Abmahnungen können grundsätzlich auch per Email verschickt. Die Fake-Abmahnungen der vorliegenden Betrugswelle lassen sich jedoch schnell identifizieren. So handelt sich erkennbar um Massenmails ohne individuelle Ansprache.

Betrug - Fake-Massenabmahnungen durch angebliche Kanzlei Schmidt aus Berlin für abbywinters.com BV

Aktuell werden Fake-Massenabmahnungen durch eine angebliche "Kanzlei Schmidt [Urheber- und Wettbewerbsrecht]“ mit Sitz am Kurfürstendamm 234 in 10719 Berlin wegen der angeblichen Verbreitung des Pornofilms "Girl & Girl Pee Marigold & Christiana" für die abbywinters.com BV verschickt. In den Abmahnschreiben wird die Zahlung eines Vergleichsbetrages vom 950 EURO verlangt. Es handelt sich um eine Betrugsmasche. Die Kanzlei existiert nicht. Die Rechtsanwaltskammer Berlin hat eine entsprechende Warnung als Pressemitteilung veröffentlicht. Betroffene sollten auf keinen Fall zahlen.

Polizei geht erfolgreich gegen Fake-Shops im Internet vor und veröffentlicht Liste der genutzten Domains - Vorkassebetrug

Polizei und Staatsanwaltschaft Göttingen sind erfolgreich gegen Betreiber von Fake-Shops im Internet vorgegangen und haben auch eine List der genutzten Domains veröffentlicht. Die Täter hatten diverse Online-Shops eingerichtet und nach Vorkasse nie geliefert.

Die Liste mit den Fakeshops finden Sie auf der Seite der Polizeidirektion Göttingen.

Aus der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Göttingen:

"Die Beschuldigten hatten seit Ende 2012 Onlineshops ins Internet gestellt, in denen sie neben hochwertigen Kaffeevollautomaten, Elektronikartikeln und Motorrollern zuletzt auch Spielekonsolen und Smartphones zu scheinbar konkurrenzlos günstigen Preisen anboten. Erst nach Aufgabe der Bestellung erfuhren die Kunden, dass sie zunächst in Vorleistung treten müssten, bevor eine Lieferung möglich sei. Es sind mindestens 663 Überweisungen von Geschädigten bekannt geworden, nicht selten über mehrere Hundert Euro. Die Ware wurde in keinem einzigen Fall geliefert."

Aus der Pressemitteilung der Polizeidirektion Göttingen:

"Ermittlungserfolg gegen Betreiber betrügerischer Onlineshops

Wie aus der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Göttingen vom 06.08.2015 entnommen werden kann, führte die Zentrale Kriminalinspektion der Polizeidirektion Göttingen in Zusammenarbeit mit der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Internet- und Computerkriminalität in Göttingen ein Umfangverfahren wegen gewerbsmäßigen Betrugs gegen zwei Betreiber so genannter Online-Fakeshops. Die Täter wurden am 14.04.2015 in Berlin festgenommen und befanden sich zunächst in Untersuchungshaft, bevor beide ein Geständnis zum jeweiligen Tatvorwurf ablegten. Im gesamten Ermittlungszeitraum konnten insgesamt 26 Domains festgestellt werden, die einzelnen Fakeshops zuzuordnen sind.

Weiterführende Ermittlungen und Auswertungen haben ergeben, dass längst nicht alle Taten durch die Geschädigten bei der Polizei angezeigt worden sind. Geschädigte Kunden, die bisher noch keine Anzeige erstattet haben, werden durch die ZKI der PD Göttingen ermutigt bzw. aufgefordert, dies auch bei länger zurückliegenden Geschehen noch nachzuholen! Entsprechende Strafanzeigen nimmt jede Polizeidienststelle im Bundesgebiet entgegen."

LG Hamburg: Veröffentlichung von Verfahrensdokumenten im Internet im Fall Gustl Mollath durch Verteidiger kann nicht durch Sicherstellung verhindert werden

LG Hamburg
Beschluss vom 02.09.2013
629 Qs 34/13


Das LG Hamburg hat entschieden, dass die Veröffentlichung von Verfahrensdokumenten im Internet im Fall Gustl Mollath durch den Verteidiger nicht durch die Staatsanwaltschaft im Wege der Sichersterstellung der streitgegenständlichen Daten und des Servers verhindert werden kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Weder die streitgegenständlichen Daten noch der Server der STRATO AG sind der Sicherstellung im Rahmen der StPO zugänglich.
[...]
Die Kammer muss nach allem nicht entscheiden, ob überhaupt eine vorsätzliche Straftat gem. § 353d Nr. 3 StGB und mithin ein Tatverdacht im Raum stehen. Für schwierig und diskussionswürdig hält diese Kammer die Frage, solange es nur um die fünf o.g. Dokumente geht, allein im Zusammenhang mit dem Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft vom 18. März 2013 (dazu unter c). Bei dem "Einstellungsbescheid" (dazu unter a) und den Dokumenten aus dem Strafvollstreckungsverfahren (dazu unter b) dürften die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit gem. § 353d Nr. 3 StGB jedenfalls nicht vorliegen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Gefälschte Abmahnung im Umlauf, die angeblich von der Wettbewerbszentrale stammen

Wie die Wettbewerbszentrale berichtet, sind derzeit gefälschte Abmahnungen im Umlauf, die angeblich von der Wettbewerbszentrale stammen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits.

Die vollständige Pressemitteilung der Wettbewerbszentrale finden Sie hier: "Gefälschte Abmahnung im Umlauf, die angeblich von der Wettbewerbszentrale stammen" vollständig lesen

kino.to wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur gewerblichen Begehung von Urheberrechtsverletzungen geschlossen

Wie einer Pressemitteilung der GVU zu entnehmen ist, sind das Streamingportal kino.to und zahlreiche Streamhoster nach einer Polizeiaktion unter Leitung der Generalstaatsanwaltschaft Dresden nunmehr offline.

Aus der Pressemitteilung des GVU:
"Allein in Deutschland durchsuchten über 250 Polizisten und Steuerfahnder sowie 17 Datenspezialisten bundesweit zeitgleich über 20 Wohnungen und Geschäftsräume und Rechenzentren. 13 Personen wurden verhaftet. Nach einer Person wird gefahndet. Die Polizei hat die Domain "kino.to" beschlagnahmt. Mehrere so genannte Streamhoster, bei denen die auf den Portalen verlinkten Raubkopien abgelegt sind, wurden von den Behörden vom Netz genommen. Anlass der Maßnahme ist der "Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur gewerblichen Begehung von Urheberrechtsverletzungen", wie die Generalstaatsanwaltschaft Dresden in ihrer Presseinformation mitteilt."