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BGH: Zur Zulässigkeit des offiziellen Stadtportals der Stadt München muenchen.de unter dem Gesichtspunkt der Staatsferne der Presse

BGH
Urteil vom 13.07.2023
I ZR 152/21
muenchen.de
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 28 Abs. 2 Satz 1; UWG § 3 Abs. 1, §§ 3a, 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Zulässigkeit des offiziellen Stadtportals der Stadt München muenchen.de unter dem Gesichtspunkt der Staatsferne der Presse befasst. Die Sache wurde an das OLG München zurückverwiesen.

Leitsätze des BGH:
a) Zu der mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse zulässigen Öffentlichkeitsarbeit der Kommune gehören grundsätzlich auch das Stadtmarketing und die Tourismusförderung.

b) Eine Anzeigenwerbung ist in einer kommunalen Publikation nur als fiskalisch motivierte Randnutzung zulässig. Für die Bestimmung einer zulässigen Randnutzung ist auf den Umfang der Anzeigenschaltung abzustellen. Die Randnutzung muss als Annextätigkeit eine untergeordnete, quantitativ nachgeordnete Tätigkeit in innerem Zusammenhang mit der Hauptnutzung bleiben (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - I ZR 112/17, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 41] - Crailsheimer Stadtblatt II).

c) Nach allgemeinen Regeln unzulässige geschäftliche Handlungen der öffentlichen Hand sind bei der Prüfung eines Verstoßes gegen das Gebot der Staatsferne der Presse nicht in die Gesamtwürdigung einzubeziehen. Wettbewerbsverstöße dieser Art sind nach den allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Regelungen, wie zum Beispiel § 4 Nr. 4, §§ 4a, 5 Abs. 1 oder § 5a Abs. 4 Satz 1 UWG, zu beurteilen; sie können zudem nur zu einem Verbot des jeweils konkret angegriffenen Beitrags, nicht aber der kommunalen Publikation in der konkreten Verletzungsform insgesamt führen.

BGH, Urteil vom 13. Juli 2023 - I ZR 152/21 - OLG München - LG München I

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG München: Offizielles Stadtportal der Stadt München muenchen.de verstößt gegen Grundsatz der Staatsferne der Presse - kommerzielle Gestaltung unzulässig

OLG München
Urteil vom 30.09.2021
6 U 6754/20


Das OLG München hat entschieden, dass das offizielle Stadtportal der Stadt München muenchen.de gegen den Grundsatz der Staatsferne der Presse verstößt. Das OLG München kommt zu dem Ergebnis, dass das Portal eine zu kommerzielle Gestaltung aufweist. Rubriken wie "Shopping" oder "Restaurants" sowie das Veranstaltungs- und Kinoprogramm seien unzulässig und begründen einen zu kommerziellen Charakter. Das Gericht hat die Revision zum BGH zugelassen.


LG München: Offizielles Stadtportal der Stadt München muenchen.de verstößt gegen Grundsatz der Staatsferne der Presse

LG München
Urteil vom 17.11.2020
33 O 16274/19


Das LG München hat entschieden, dass das offizielle Stadtportal der Stadt München muenchen.de gegen den Grundsatz der Staatsferne der Presse. Es enthält zu viele redaktionelle Inhalte.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Online-Stadtportal verstößt gegen das Gebot der Staatsferne der Presse

Heute hat die unter anderem auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb spezialisierte 33. Zivilkammer des Landgerichts München I der Klage einiger Münchner Zeitungsverlage gegen das Stadtportal der Landeshauptstadt München, www.muenchen.de, stattgegeben (33 O 16274/19).

Der Internetauftritt www.muenchen.de ist das im Jahr 2004 in der heute abrufbaren Form aufgeschaltete offizielle Stadtportal für die Landeshauptstadt München. Er ist mit bis zu rund 2,9 Millionen Besuchen und 12 Millionen Seitenaufrufen im Monat nach der Selbstpräsentation das mit Abstand meistbesuchte Münchner Serviceportal und gleichzeitig eines der erfolgreichsten deutschen Stadtportale. Das Portal umfasst mehr als 173.000 Seiten.

Zur Überzeugung der Kammer ist das Angebot von muenchen.de in der konkret beanstandeten Form mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der „Staatsferne der Presse“ gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes unvereinbar und deshalb wettbewerbswidrig.

In ihrem Urteil nahm die 33. Zivilkammer eine umfassende Interessenabwägung zwischen der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, und der Garantie des Instituts der freien Presse, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, andererseits vor. Für ihre Entscheidung zog die Kammer hierbei vor allem jene Beurteilungsmaßstäbe heran, die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung Crailsheimer Stadtblatt II (Urteil vom 20.12.2018, I ZR 112/17) aufgestellt hat. Diese Entscheidung ist zwar zu einem zeitungsmäßig aufgemachten Druckwerk ergangen. Die Kammer hielt sie aber für übertragbar auf das in Streit stehende Internetportal.

Da im Internet aber andere Nutzergewohnheiten gelten als bei einem Printmedium, sieht das Gericht die Grenzen des Zulässigen im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung etwas weiter, als dies bei einem klassischen Presseprodukt geboten wäre.

Den zulässigen Bereich der Berichterstattung überschreitet das Portal www.muenchen.de jedoch in einer Gesamtschau aus folgenden Gründen deutlich:

Der Internetauftritt des Portals biete in der zur Entscheidung gestellten Ausgestaltung den Lesern eine Fülle von Informationen, die den Erwerb einer Zeitung oder Zeitschrift – jedenfalls subjektiv – entbehrlich mache. Es werden in Quantität und Qualität deutlich Themen besetzt, deretwegen Zeitungen und Zeitschriften gekauft werden. Die Beklagte beschränke sich hier nicht auf Sachinformationen. In zahlreichen Beiträgen werde über das gesellschaftliche Leben in München berichtet, sie beträfen sämtlich keine gemeindlichen Aufgaben oder zumindest Aktivitäten und bewegten sich nicht mehr innerhalb der zulässigen Themenbereiche, so das Gericht. Auch im Layout bediene sich www.muenchen.de einer derart (boulevard-) pressemäßigen Illustration mit Überschriften, Zwischenüberschriften, Bildern, Zitaten und unterhaltsamem Text, dass die verfassungsmäßigen Zulässigkeitsgrenzen überschritten seien.

Es sei vielmehr insgesamt nicht mehr erkennbar, dass das Stadtportal eine staatliche Publikation darstelle, so die Kammer.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Klarstellender Hinweis:

Das Landgericht München I hatte über www.muenchen.de in der ihm zur Entscheidung gestellten konkreten Ausgestaltung zu urteilen, nicht über das Stadtportal per se.