Skip to content

AG Wesel: 500 Euro Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wenn ein Steuerberater eine Steuererklärung versehentlich an die alte Adresse seines Mandanten schickt

AG Wesel
Urteil vom 23.07.2025
30 C 138/21

Das AG Wesel hat entschieden, dass ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 500 Euro aus Art. 82 DSGVO besteht, wenn ein Steuerberater eine Steuererklärung versehentlich an die alte Adresse seines Mandanten schickt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Kläger haben gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO, dies jedoch nur in Höhe von jeweils 500,00 EUR.

Die sachliche, räumliche und zeitliche Anwendbarkeit der DSGVO ergibt sich aus den Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 99 Abs. 2 DSGVO.

Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

Die Beklagte zu 1) ist als juristische Person, die im Rahmen ihrer Tätigkeit über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet, Verantwortliche im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Die Haftung der Beklagten zu 2) bis 6) als Gesellschafter der Beklagten zu 1) ergibt sich aus § 721 BGB.

Die Beklagte zu 1) hat jedenfalls gegen Art. 5 Abs. 1 lit. d) DSGVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift müssen personenbezogene Daten sachlich richtig und erforderlichenfalls auf dem neuesten Stand sein; es sind alle angemessenen Maßnahmen zu treffen, damit personenbezogene Daten, die im Hinblick auf die Zwecke ihrer Verarbeitung unrichtig sind, unverzüglich gelöscht oder berichtigt werden („Richtigkeit“). Gegen diese Vorgabe haben die Beklagten verstoßen, indem sie die ehemalige Adresse der Kläger nicht vollumfänglich aus dem Datenbestand gelöscht haben. Hierbei ist unerheblich, dass die Adresse durch ein Programm automatisch eingefügt wurde. Nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 1 lit. d) DSGVO hatte die Beklagte gerade dafür Sorge zu tragen, dass die Adresse im System überhaupt nicht mehr hinterlegt ist. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz der Datenverarbeitung stellt zugleich eine unrechtmäßige Datenerarbeitung dar, die geeignet ist, die Schadensersatzpflicht gemäß Art. 82 DSGVO auszulösen (BGH, Urteil vom 18.11.2024 - VI ZR 10/24 m.w.N.).

Den Klägern ist infolge des Verstoßes auch ein Schaden entstanden.

Der Begriff des „immateriellen Schadens“ ist in Ermangelung eines Verweises in Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten im Sinne dieser Bestimmung autonom unionsrechtlich zu definieren (stRspr, BGH a.a.O. m.w.N.). Der Begriff ist mit Blick auf die Zielsetzung der Verordnung weit auszulegen und nicht von dem Überschreiten einer Bagatell-Grenze abhängig (EuGH, Urteil vom 20.06.2024 - C-590/22; BGH a.a.O.).

Dennoch stellt der Schaden ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal des Art. 82 Abs. 1 DSGVO dar, der nicht mit dem Verstoß gegen die Verordnung gleichgesetzt werden kann und über den reinen Verstoß hinausgehen muss (EuGH a.a.O., BGH a.a.O.).

Sowohl der Gerichtshof als auch der BGH haben klargestellt, dass schon der kurzzeitige Verlust der Kontrolle über personenbezogene Daten einen immateriellen Schaden darstellen kann, ohne dass dieser Begriff des „immateriellen Schadens“ den Nachweis zusätzlicher spürbarer negativer Folgen erfordert (EuGH a.a.O., BH a.a.O.). Dies wird insbesondere auf den ersten Satz des 85. Erwägungsgrunds der DSGVO gestützt, in dem es heißt, dass „(e)ine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten … – wenn nicht rechtzeitig und angemessen reagiert wird – einen physischen, materiellen oder immateriellen Schaden für natürliche Personen nach sich ziehen (kann), wie etwa Verlust der Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten.“ Diese Formulierung spiegelt auch die zu unterscheidenden Tatbestandsmerkmale des Art. 82 DSGVO: Die in Art. 82 Abs. 1 DSGVO vorausgesetzte Datenschutzverletzung, kann, muss aber nicht zu einem die Ersatzpflicht auslösenden Schaden führen; dieser ist gesondert festzustellen, kann aber beispielsweise in dem Kontrollverlust, der mögliche, aber nicht zwingende Folge des Verstoßes ist, liegen. Der Anspruchsteller muss aus diesem Grund lediglich den eingetretenen Kontrollverlust, diesen aber vollumfänglich, beweisen.

Einen derartigen Kontrollverlust haben die Kläger bereits mit der Versendung der Unterlagen an ihre ehemalige Adresse und dem dortigen Zugang erlitten. Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die von der Beklagten abgesandte Erklärung an der ehemaligen Adresse der Kläger eingegangen und von den Zeugen A in Empfang genommen worden ist. Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden und glaubhaften Bekundungen der Zeugen im Rahmen ihrer Vernehmung.

Infolge der durch die Beklagte vorgenommenen und kausal durch den Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 lit. d) DSGVO erfolgten, irrtümlichen Versendung war den Klägern die Kontrolle darüber entzogen, welchem Personenkreis die den Beklagten zur Verfügung gestellten und in der Steuererklärung aufgegriffenen personenbezogenen Daten zugänglich waren. Ob die Zeugen den von der Beklagten in Gang gesetzten Kausalverlauf durch das eigenmächtige Öffnen des Briefs unterbrochen haben, ist für den Schadenseintritt unerheblich, da dieser bereits zuvor mit der Versendung des Briefs eingetreten war. Bereits in diesem Zeitpunkt waren die Daten dem Verfügungskreis der Kläger entzogen. Aus diesem Grund ist für das Vorliegen des Schadens nach Maßgabe der vom Gerichtshof aufgestellten und vom BGH aufgegriffenen Grundsätze auch unerheblich, ob und inwieweit die Zeugen von dem Inhalt des Briefs Kenntnis genommen haben. Dieser Umstand ist für den Umfang des Schadens relevant, nicht aber für den Eintritt des Schadens als solcher. Die Kläger hatten mit der Versendung des Briefs nicht mehr in der Hand, welcher Personenkreis von ihren Daten Kenntnis nehmen und diese verwenden kann. Dies allein stellt eine negative Folge des Datenschutzverstoßes dar, die einen immateriellen Schaden begründet.

Der Umfang des eingetretenen Schadens liegt aber erheblich unterhalb der von den Klägern angegebenen Größenordnung.

Die Ausgleichsfunktion des Art. 82 DSGVO gebietet eine vollständige und wirksame Entschädigung in Geld, eine Abschreckungs- oder Straffunktion soll der Anspruch aber gerade nicht erfüllen (EuGH a.a.O., BGH a.a.O.). Weder die Schwere des Verstoßes noch die Anzahl der Verstöße gegen die Verordnung oder ein diesbezüglicher Vorsatz des Verantwortlichen finden bei der Bemessung des Schadens Berücksichtigung (EuGH, Urteil vom 20.06.2024 - C-182/22, C-189/22; BGH a.a.O.).

Ist nach den Feststellungen des Gerichts allein ein Schaden in Form eines Kontrollverlusts an personenbezogenen Daten gegeben, weil weitere Schäden nicht nachgewiesen sind, hat der Tatrichter bei der Schätzung des Schadens insbesondere die etwaige Sensibilität der konkret betroffenen personenbezogenen Daten und deren typischerweise zweckgemäße Verwendung zu berücksichtigen. Weiter hat er die Art des Kontrollverlusts (begrenzter/unbegrenzter Empfängerkreis), die Dauer des Kontrollverlusts und die Möglichkeit der Wiedererlangung der Kontrolle in den Blick zu nehmen (BGH a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hält das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von jeweils 500,00 EUR für angemessen, aber auch ausreichend, § 287 ZPO. Auf Seiten der Kläger ist allein der oben genannte Kontrollverlust bei der Ermittlung der Schadenshöhe zu berücksichtigen und anhand der vorgenannten Kriterien zu bemessen. Denn der Beweis eines darüberhinausgehenden Nachteils ist den Klägern nicht gelungen. Die Aussagen der Zeugen waren insofern unergiebig, da sich aus diesen gerade nicht positiv ergibt, dass die Zeugen von Details der Steuerklärung und den hierin enthaltenen Daten Kenntnis genommen haben. Erst recht bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Daten, wie die Kläger befürchten, über die Zeugen einen noch größeren Personenkreis erreicht haben.

Zu beachten war, dass die betroffenen Daten naturgemäß sensibel sind. Aus einer Steuererklärung sind eine Vielzahl von Daten ersichtlich, die Rückschlusse auf verschiedene Lebensbereiche der betroffenen Person ermöglichen und die üblicherweise Außenstehenden verborgen bleiben. Auch gibt es für die Kläger keine vergleichbare Möglichkeit wie etwa im Falle der ungewollten Veröffentlichung einer Telefonnummer oder E-Mail-Adresse, die gewechselt werden kann. Begrenzt wird der Anspruch jedoch durch den Umstand, dass über den reinen Kontrollverlust hinaus keine weiteren negativen Folgen erkennbar sind und die Daten an einen begrenzten Empfängerkreis, anders als etwa bei einem unzureichenden Schutz von Daten im Netz, gelangt sind. Die Sensibilität der Daten erfordert den zugesprochenen Ausgleich, ein Schmerzensgeld von mehr als 500,00 EUR ist aber nicht gerechtfertigt, da nicht festgestellt werden konnte, dass überhaupt ein Dritter von den Daten Kenntnis genommen hat.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BAG: 200 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wenn Arbeitgeber datenschutzwidrig personenbezogene Echtdaten an eine Konzerngesellschaft für die Personalverwaltung überträgt

BAG
Urteil vom 08.05.2025
8 AZR 209/21

Das BAG hat entschieden, dass dem Betroffenen im vorliegenden Fall 200 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO zusteht, da der Arbeitgeber datenschutzwidrig personenbezogene Echtdaten an eine Konzerngesellschaft für die Personalverwaltung übertragen hatte. Insbesondere war die Datenweitergabe nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit.. f DSGVO nicht zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Schadenersatz nach Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) - Betriebsvereinbarung - Workday

Ein Arbeitnehmer kann einen Anspruch auf Schadenersatz wegen einer Verletzung der Datenschutz-Grundverordnung haben, wenn der Arbeitgeber personenbezogene Echtdaten innerhalb des Konzerns an eine andere Gesellschaft überträgt, um die cloudbasierte Software für Personalverwaltung „Workday“ zu testen.

Die Beklagte verarbeitete personenbezogene Daten ihrer Beschäftigten ua. zu Abrechnungszwecken mit einer Personalverwaltungs-Software. Im Jahr 2017 gab es Planungen, konzernweit Workday als einheitliches Personal-Informationsmanagementsystem einzuführen. Die Beklagte übertrug personenbezogene Daten des Klägers aus der bisher genutzten Software an die Konzernobergesellschaft, um damit Workday zu Testzwecken zu befüllen. Der vorläufige Testbetrieb von Workday war in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Danach sollte es der Beklagten erlaubt sein, ua. den Namen, das Eintrittsdatum, den Arbeitsort, die Firma sowie die geschäftliche Telefonnummer und E-Mail-Adresse zu übermitteln. Die Beklagte übermittelte darüber hinaus weitere Daten des Klägers wie Gehaltsinformationen, die private Wohnanschrift, das Geburtsdatum, den Familienstand, die Sozialversicherungsnummer und die Steuer-ID.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO ein immaterieller Schadenersatz wegen einer Verletzung der ab dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung iHv. 3.000,00 Euro zu. Die Beklagte habe die Grenzen der Betriebsvereinbarung überschritten.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit Beschluss vom 22. September 2022 (- 8 AZR 209/21 (A) – BAGE 179, 120) hatte der Senat das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um die Beantwortung von Rechtsfragen betreffend die Auslegung des Unionsrechts ersucht. Der EuGH hat diese mit Urteil vom 19. Dezember 2024 (- C-65/23 – [K GmbH]) beantwortet.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO iHv. 200,00 Euro. Soweit die Beklagte andere als die nach der Betriebsvereinbarung erlaubten personenbezogenen Daten an die Konzernobergesellschaft übertragen hat, war dies nicht erforderlich iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO und verstieß damit gegen die Datenschutz-Grundverordnung. Der immaterielle Schaden des Klägers liegt in dem durch die Überlassung der personenbezogenen Daten an die Konzernobergesellschaft verursachten Kontrollverlust. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass er sich nicht weiter darauf beruft, auch die Übertragung der von der Betriebsvereinbarung erfassten Daten sei nicht erforderlich gewesen. Der Senat hatte daher nicht zu prüfen, ob die Betriebsvereinbarung so ausgestaltet war, dass die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung erfüllt wurden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. Mai 2025 – 8 AZR 209/21
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 2021 – 17 Sa 37/20

Hinweise:

Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO lautet:

Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:



f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Art. 82 Abs. 1 DSGVO lautet:

(1) Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.


BGH: Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO wegen Kontrollverlustes wenn eine Behörde die Personalakten nicht selbst verwaltet

BGH
Urteil vom 11.02.2025
VI ZR 365/22
DSGVO Art. 82 Abs. 1

Der BGH hat entschieden, dass ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO wegen Kontrollverlustes besteht. wenn eine Behörde die Personalakten nicht selbst verwaltet.

Leitsatz des BGH:
Zum Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei der Verwaltung von Personalakten durch hierzu nicht befugte Dritte.

BGH, Urteil vom 11. Februar 2025 - VI ZR 365/22 - OLG Celle LG Hannover

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Der geltend gemachte Feststellunganspruch ist auch begründet, Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) erfordert ein Schadensersatzanspruch im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung, das Vorliegen eines materiellen oder immateriellen Schadens sowie einen Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verstoß, wobei diese drei Voraussetzungen kumulativ sind (EuGH, Urteile vom 4. Oktober 2024 - C-507/23, K&R 2024, 730 Rn. 24 - Patērētāju tiesību aizsardzības centrs; vom 11. April 2024 - C-741/21, NJW 2024, 1561 Rn. 34 - juris; vom 25. Januar 2024 - C-687/21, NJW 2024, 2009 Rn. 58 - MediaMarktSaturn). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a) Ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung liegt nach den getroffenen Feststellungen vor. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten bis zum Erlass der Organisationsverfügung vom 22. August 2019 geübte Praxis, die Verwaltung der Personalakten von Bundesbeamten wie der Klägerin durch Bedienstete des Landes Niedersachsen vornehmen zu lassen, als von § 111a BBG aF i.V.m. § 26 BDSG i.V.m. Art. 88 DSGVO nicht gedeckte Verarbeitung personenbezogener Daten durch Dritte und damit als Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (der Sache nach: gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 28 DSGVO) gewertet. Die Beklagte sei selbst von der offensichtlichen Rechtswidrigkeit dieser Praxis ausgegangen und habe weder näher zu den Einzelheiten der geübten Personalaktenverwaltung vorgetragen noch eine vorherige Zustimmung der obersten Dienstbehörde behauptet. Hiergegen wendet die Beklagte auch mit der Revisionserwiderung nichts ein; Rechtsfehler sind insoweit auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen und nicht mit Gegenrügen angegriffenen Feststellungen im Übrigen nicht ersichtlich.

b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen durch diesen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung verursachten Schaden der Klägerin verneint. Der Schaden liegt hier bereits in dem durch die Überlassung ihrer Personalakte an Bedienstete des Landes verursachten vorübergehenden Verlust der Kontrolle der Klägerin über ihre in ihrer Personalakte enthaltenen personenbezogenen Daten.

aa) Schon der bloße Kontrollverlust kann, wie der Senat in Umsetzung der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile vom 4. Oktober 2024 - C-200/23, juris Rn. 145, 156 i.V.m. 137- Agentsia po vpisvaniyata; vom 20. Juni 2024 - C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 33 - PS GbR; vom 11. April 2024 - C-741/21, NJW 2024, 1561 Rn. 42 - juris; vgl. zuvor bereits EuGH, Urteile vom 25. Januar 2024 - C-687/21, NJW 2024, 2009 Rn. 66 - MediaMarktSaturn; vom 14. Dezember 2023 - C-456/22, NZA 2024, 56 Rn. 17-23 - Gemeinde Ummendorf sowie - C-340/21, NJW 2024, 1091 Rn. 82 - Natsionalna agentsia za prihodite) entschieden hat, einen ersatzfähigen immateriellen Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen (Senat, Urteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, WM 2024, 2301 Rn. 30 mwN). Anders als das Berufungsgericht meint, muss der Verpflichtung zum Ausgleich keine über diesen Kontrollverlust hinausgehende "benennbare und insoweit tatsächliche Persönlichkeitsrechtsverletzung gegenüberstehen"; auch muss der Beeinträchtigung des Betroffenen kein besonderes "Gewicht" zukommen, das "über eine individuell empfundene Unannehmlichkeit hinausgeht oder das Selbstbild oder Ansehen ernsthaft beeinträchtigt" (vgl. Senat, aaO Rn. 29 mwN).

bb) Nach diesen Grundsätzen liegt der Schaden hier ohne Weiteres darin, dass die Beklagte auch nach dem 25. Mai 2018 die personenbezogenen, in deren Personalakte enthaltenen Daten der Klägerin hierzu nicht berechtigten Dritten, nämlich Bediensteten des Landes Niedersachsen, zur Bearbeitung überlassen und diese Praxis erst mit Organisationsverfügung vom 22. August 2019 beendet hat. Der vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang angeführte Umstand, dass auch die mit Personalangelegenheiten betrauten Bediensteten des Landes Niedersachsen zur Verschwiegenheit verpflichtet waren, steht der Annahme eines Schadens insoweit dem Grunde nach nicht entgegen, sondern wird erst bei Bemessung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes (§ 287 ZPO) zu berücksichtigen sein (s. zu den Bemessungskriterien weiterführend Senat, aaO Rn. 92 ff., insb. 99).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat weder eine Abschreckungsfunktion noch eine Straffunktion sondern ausschließlich eine Ausgleichsfunktion

BGH
Urteil vom 28.01.2025
VI ZR 183/22
DSGVO Art. 82 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass eim Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO weder eine Abschreckungsfunktion noch eine Straffunktion sondern ausschließlich eine Ausgleichsfunktion hat. Aus diesem Grund dürfen - so der BGH - auch die Schwere des Verstoßes und Verschuldensfragen bei der Bestimmung der Höhe des Anspruchs nicht berücksichtigt werden.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Zwar sind die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht den immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO mit 500 € bemessen hat, rechtsfehlerhaft. Entgegen der Ansicht der Revision hätte das Berufungsgericht bei der Bemessung des Schadensersatzes einer abschreckenden Wirkung aber nicht noch größeres Gewicht einräumen müssen. Es hätte diese vielmehr überhaupt nicht, sondern ausschließlich eine Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes berücksichtigen dürfen. Dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten ausgewirkt hätte, ist aber nicht ersichtlich.

1. Der Begriff des "immateriellen Schadens" ist in Ermangelung eines Verweises in Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten im Sinne dieser Bestimmung autonom unionsrechtlich zu definieren (st. Rspr., EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 - C-590/22, DB 2024, 1676 Rn. 31 - PS GbR; Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 28; jeweils mwN). Dabei soll nach ErwG 146 Satz 3 DSGVO der Begriff des Schadens weit ausgelegt werden, in einer Art und Weise, die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht (Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 28).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union kommt dem in Art. 82 Abs. 1 DSGVO niedergelegten Schadensersatzanspruch ausschließlich eine Ausgleichsfunktion zu. Er erfüllt - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der Revision - keine Abschreckungs- oder gar Straffunktion (EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 - C-182/22 und C-189/22, NJW 2024, 2599 Rn. 23 - Scalable Capital; Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 18; jeweils mwN).

In Anbetracht der Ausgleichsfunktion des in Art. 82 DSGVO vorgesehenen Schadensersatzanspruchs, wie sie in ErwG 146 Satz 6 DSGVO zum Ausdruck kommt, ist eine auf Art. 82 DSGVO gestützte Entschädigung in Geld als "vollständig und wirksam" anzusehen, wenn sie es ermöglicht, den aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung konkret erlittenen Schaden in vollem Umfang auszugleichen (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Juni 2024 - C-182/22 und C-189/22, NJW 2024, 2599 Rn. 24 - Scalable Capital; Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 96 mwN). Da der Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO weder eine Abschreckungs- noch eine Straffunktion erfüllt, darf weder die Schwere des Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung, durch den der betreffende Schaden entstanden ist, berücksichtigt werden, noch der Umstand, ob schuldhaft gehandelt wurde (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2024 - VI ZR 10/24, DB 2024, 3091 Rn. 96 mwN).


Leitsatz des BGH:
Zur Frage des immateriellen Schadens im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO.

BGH, Urteil vom 28. Januar 2025 - VI ZR 183/22 - OLG Koblenz LG Koblenz

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: