BGH
Beschluss vom 01.03.2023 XII ZB 228/22
ZPO §§ 85 Abs. 2, 130 d, 233 E, 236 C; FamFG §§ 113 Abs. 1 Satz 2, 117 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 5
Der BGH hat entschieden, dass ein Wiedereinsetzungsantrag wegen eines Computerdefekts Darlegungen zu Defekt und Behebung enthalten muss. Eine Wiedereinsetzung ist abzulehnen, wenn die Möglichkeit eines Bedienfehlers des Anwalts besteht.
Leitsätze des BGH:
a) Wird ein Wiedereinsetzungsantrag auf einen vorübergehenden Funktionsausfall eines Computers gestützt, bedarf es näherer Darlegungen zur Art des Defekts und seiner Behebung (im Anschluss an BGH Beschluss vom 17. Mai 2004 - II ZB 22/03 - NJW 2004, 2525).
b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten bzw. seinem Verfahrensbevollmächtigten verschuldet war (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 6. April 2011 - XII ZB 701/10 - NJW 2011, 1972).
BGH, Beschluss vom 1. März 2023 - XII ZB 228/22 - OLG Rostock - AG Neubrandenburg
Das OVG Münster hat entschieden, dass Rechtsanwälte zusätzlich einen mobilen Internet-Hotspot vorhalten müssen, um bei Ausfall des stationären Internets Schriftsätze fristwahrend als elektronisches Dokument per beA bei Gericht einreichen zu können
Aus den Entscheidungsgründen: Nach dem seit dem 1. Januar 2022 geltenden § 55d Satz 1 VwGO (eingefügt durch Gesetz vom 10. Oktober 2013, BGBl. I S. 3786) sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 55d Satz 3 VwGO). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 55d Satz 4 VwGO).
Die am 23. März 2022 beim Oberverwaltungsgericht eingegangene Beschwerdeschrift vom 22. März 2022 entspricht nicht den Vorgaben des § 55d Satz 1 VwGO, weil sie nicht als elektronisches Dokument, sondern per Telefax übermittelt worden ist.
Hierbei handelt es sich auch nicht um eine nach § 55d Satz 3 VwGO zulässige Ersatzeinreichung, weil der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers nicht entsprechend § 55d Satz 4 Halbsatz 1 VwGO glaubhaft gemacht hat, dass die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich gewesen ist. Soweit er hierzu vorträgt, "Die Störung der Telefon- und Internetverbindung des Unterzeichners ist von der Deutschen Telekom bisher nicht beseitigt worden; ein Bautrupp hat sich für den 30. März 2022 angesagt, so dass hier lediglich ein Faxgerät von Dritten zur Verfügung steht. Dies wird anwaltlich versichert.", ist mit diesem Vortrag, ungeachtet der Frage, ob die hierzu von ihm abgegebene anwaltliche Versicherung als Mittel der Glaubhaftmachung ausreichend ist,
vgl. R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 55d Rn. 10, wonach für die Glaubhaftmachung die Regelung des § 294 ZPO maßgeblich ist; ebenso AG Hamburg, Beschluss vom 21. Februar 2022 - 67h IN 29/22 -, juris, Rn. 10, und Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 43. Auflage 2022, § 130d Rn. 2 jeweils in Bezug auf die inhaltsgleiche Regelung in § 130d ZPO,
schon nicht dargetan, dass die Übermittlung nur vorübergehend nicht möglich i. S. v. § 55d Satz 3 VwGO gewesen ist. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers dessen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Schriftsatz vom 11. Februar 2022) dem Verwaltungsgericht entgegen § 55d Satz 1 VwGO nicht als elektronisches Dokument, sondern per Telefax übermittelt und dies ebenfalls damit begründet, dass die Störung der Telefon- und Internetverbindung von der Deutschen Telekom bisher nicht beseitigt worden sei, so dass ihm lediglich ein Faxgerät von Dritten zur Verfügung stehe, was anwaltlich versichert werde. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass sich der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers bei der Übermittlung der Beschwerdeschrift am 23. März 2022, also mehr als fünf Wochen nach Stellung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, noch mit Erfolg auf das Vorliegen einer vorübergehenden (Hervorhebung durch den Senat) Unmöglichkeit der Übermittlung infolge einer technischen Störung berufen kann. Denn die Regelung des § 55d Satz 3 VwGO entbindet professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 31. März 2022 - 19 A 448/22.A -, juris, Rn. 4 unter Bezugnahme auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 17/12634 vom 6. März 2013, S. 28 (zur Parallelvorschrift des § 130d ZPO) und vom 9. Mai 2022 - 16 B 69/22 -, juris, Rn. 4.
Dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers jedenfalls dem zuletzt genannten Erfordernis, etwa durch ein Hinwirken auf eine schnellere Behebung der von ihm geltend gemachten Störung oder die Beschaffung und Verwendung eines mobilen Hotspots, nachgekommen ist, hat er schon nicht dargelegt.
Die Beschwerde ist zudem auch deshalb unzulässig, weil der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers seiner Verpflichtung aus § 55d Satz 4 Halbsatz 2 VwGO, auf gerichtliche Aufforderung ein elektronisches Dokument nachzureichen, nicht nachgekommen ist. Er ist mit hiesiger Verfügung vom 30. März 2022 aufgefordert worden, die Beschwerdeschrift so bald wie möglich als elektronisches Dokument nachzureichen. Obwohl er in diesem Fall verpflichtet ist, eine Einreichung zusätzlich in elektronischer Form vorzunehmen,
vgl. R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 55d Rn. 11 unter Bezugnahme auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 17/12634 vom 6. März 2013, S. 28,
ist er dieser Aufforderung nicht nachgekommen, obwohl ihm dies schon nach seinem eigenen Vortrag jedenfalls nach dem 30. März 2022 möglich gewesen sein müsste.
AG Aschaffenburg
Urteil vom 17.04.2019 130 C 60/17
Das AG Aschaffenburg hat entschieden, dass ein eBay-Nutzer darlegen und beweisen muss, wenn die Gebotsabgabe / der Kauf angeblich auf einer technischen Fehlfunktion des Smartphones beruht.Der pauschale Vortrag, die Displaysperre habe nicht funktioniert, reicht nicht aus.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 2.499,00 €.
1. Zwischen den Parteien kam zunächst ein wirksamer Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug zustande. Insbesondere kann der Beklagte sich nicht auf eine Fehlfunktion seines Handys berufen.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt eine Anwendung des § 105 Abs. 2 BGB vorliegen nicht in Betracht, da weder für eine direkte noch für eine entsprechende Anwendung die Voraussetzungen vorlagen.
b) Der Beklagte hat ein Angebot des Klägers auf Abschluss eines Kaufvertrages über das Fahrzeug angenommen, so dass ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte das Angebot abgeben wollte. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte. Nach dem Empfängerhorizont hat aber der Beklagte ein Angebot über einen Sofortkauf angenommen (LG Kiel, Beschluss vom 11.02.2004 - 1 S 153/03, BeckRS 2007, 01398; so im Ergebnis auch Palandt, BGB, 76. Auflage, § 130 BGB, Rn. 4).
c) Der Beklagte beruft sich darauf, den Vertrag jedenfalls wirksam angefochten zu haben. Der Beklagte ist dabei für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes darlegungs- und beweisbelastet. Der Beklagte beruft sich hier auf eine Fehlfunktion seines Handys dahingehend, dass sich das Telefon trotz Drückens der Sperrtaste nicht gesperrt habe. Die Klagepartei hat substantiiert dazu vorgetragen, dass jedenfalls noch eine zweimalige Bestätigung des Kaufs erforderlich ist, auch wenn der Nutzer bei Ebay bereits eingeloggt ist und den Artikel bereits aufgerufen hat. Das pauschale Bestreiten des Beklagten ist unbeachtlich. Der Beklagte hat jedoch nicht dazu vorgetragen, wie es dazu gekommen sein soll, dass das - unterstellt - nicht gesperrte Handy selbständig zweimal den Kauf bestätigt.
d) Im Übrigen ergäbe sich auch dann, wenn man von einer wirksamen Anfechtung des Kaufvertrags ausgeht, eine Schadensersatzpflicht des Beklagten. Der Beklagte hätte dann gemäß § 122 Abs. 2 BGB dem Kläger das negative Interesse, begrenzt durch das Erfüllungsinteresse zu erstatten.
2. Der Kläger forderte den Beklagten unstreitig mehrfach zur Abholung des Fahrzeugs sowie zur Zahlung des Kaufpreises auf. Der Beklagte hat dies abgelehnt. Der Kläger durfte gemäß §§ 433, 323 Abs. 1 BGB vom Kaufvertrag zurücktreten.
3. Der ersatzpflichtige Schaden des Klägers beläuft sich auf 2.499,00 €.
a) Beim Verkauf des Fahrzeugs hat der Kläger unstreitig lediglich 17.500,00 € erlöst anstelle der im Kaufvertrag mit dem Beklagten vereinbarten 19.999,00 €, so dass ein Verlust in Höhe von 2.499,00 € eingetreten ist. Ein Mitverschulden ist dem Kläger nicht anzurechnen. Die Beweislast für das Mitverschulden bzw. einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht trägt der Schädiger (Looschelders in: BeckOGK, Stand: 01.03.2019, § 254 BGB, Rn. 336). Soweit die maßgeblichen Umstände in der Sphäre des Geschädigten liegen, hat dieser im Rahmen des Zumutbaren an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (BeckOGK, a.a.O.).
b) Der Vorwurf, das Fahrzeug nicht möglichst schnell zu einem möglichst guten Preis verkauft zu haben, kann dem Kläger nicht gemacht werden. Zwar hat der Kläger den Nachweis, dass das Fahrzeug nach dem ersten Einstellen bei ebay „verbrannt“ gewesen sei, nicht führen können, da dies nach nachvollziehbarer und schlüssiger Feststellung des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. Christof einer sachverständigen Feststellung nicht zugänglich ist. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers im Rahmen seiner informatorischen Anhörung hat dieser jedoch das Fahrzeug nach dem hier streitgegenständlichen Verkauf bei ebay Kleinanzeigen, bei mobile.de und bei Auto-Scout zum Preis von 19.999,00 € inseriert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug unstreitig nicht um ein gängiges Fahrzeug handelt, sondern ein solches, welches nur einen begrenzten Käuferkreis ansprechen dürfte. Dass ein anderer Käufer vorhanden und bereit gewesen wäre, einen Preis von 19.999,00 € für das Fahrzeug zu zahlen, ist nicht dargetan. Auch ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger für das Fahrzeug nach dem gescheiterten Verkauf eine Garage anmieten musste, was mit weiterem Zeitablauf zu weiteren Kosten geführt hätte.
b) Auch ist am Fahrzeug kein vom Kläger zu vertretender Wertverlust eingetreten, der gegen den Mindererlös aufzurechnen wäre. Nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag des Klägers hat dieser mit dem Fahrzeug nach Erstellung des Wertgutachtens im Jahr 2014 dieses nur wenig genutzt und sodann zwischen dem Verkauf am 10.04.2016 und dem Weiterverkauf am 16.05.2016 lediglich rund 2 km bis zu einer angemieteten Garage zurückgelegt. Das Gericht hat zum Marktwert des Fahrzeugs im Jahr 2016 ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Christof eingeholt. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass ein Marktwert von mindestens 19.999,00 € auf Grundlage der vorhandenen Anknüpfungstatsachen bestätigt werden könne. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass der Sachverständige das Fahrzeug nicht in Augenschein nehmen konnte und daher seine Ausführungen ausschließlich nach Aktenlage getätigt hat. Sofern zwischenzeitlich Verschlechterungen am Fahrzeug, beispielsweise durch Unfall, eingetreten sind, ergebe sich ggf. eine andere Beurteilung. Diese Ausführungen hat der Sachverständige auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung zur Erläuterung des Gutachtens vom 13.03.2019 bestätigt. Ausdrücklich hat der Sachverständige dabei auch darauf hingewiesen, dass der konkrete Marktwert nicht zu bestimmen gewesen sei; aufgrund der Fragestellung im Beweisbeschluss habe er auf Grundlage der vorliegenden Anknüpfungstatsachen jedoch den Mindestwert von 19.999,00 € bestätigen können. Die Ausführungen des Sachverständigen sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die mündlichen Angaben des Sachverständigen haben die Feststellungen aus dem schriftlichen Gutachten bestätigt. Die Parteien haben zuletzt keine Einwände gegen die Ausführungen des Sachverständigen vorgebracht. Das Gericht hat an der Sachkunde des Sachverständigen keine Zweifel und schließt sich dessen Ausführungen vollumfänglich an. Auf Grundlage dessen geht das Gericht davon aus, dass das Fahrzeug im Jahr 2016 noch einen Marktwert von mindestens 19.999,00 € hatte. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass nicht auszuschließen ist, dass zwischenzeitlich aufgrund eines Unfalls oder sonstiger Beschädigungen o.ä. lediglich noch ein niedrigerer Marktwert gegeben war. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es zu einer solchen Verschlechterung tatsächlich gekommen ist, trägt er jedoch nicht vor.