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BVerwG: Klage gegen allgemeine Praxis der strategischen Telekommunikationsüberwachung durch BND mangels konkretem Feststellungsinteresse zurückgewiesen

BVerwG
Urteil vom 28.05.2014
6 A 1.13


Die Pressemitteilung des BVerwG:

"Klage gegen strategische Telekommunikationsüberwachung durch den BND im Jahre 2010 erfolglos

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig hat heute die Klage eines Rechts­an­walts ab­ge­wie­sen, der sich gegen die stra­te­gi­sche Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­über­wa­chung im Jahre 2010 durch den Bun­des­nach­rich­ten­dienst ge­wandt hat.

Nach dem Ge­setz zur Be­schrän­kung des Brief-, Post- und Fern­mel­de­ge­heim­nis­ses ist der Bun­des­nach­rich­ten­dienst im Rah­men sei­ner Auf­ga­ben be­rech­tigt, die Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on zu über­wa­chen und auf­zu­zeich­nen. Bei der so­ge­nann­ten stra­te­gi­schen Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­über­wa­chung wer­den be­stimm­te in­ter­na­tio­na­le Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­zie­hun­gen an­hand vor­her fest­ge­leg­ter Such­be­grif­fe durch­sucht. Nach dem Be­richt des Par­la­men­ta­ri­schen Kon­troll­gre­mi­ums wur­den dabei auf­grund der im Jahre 2010 ver­wen­de­ten Such­be­grif­fe (3 752 Such­be­grif­fe im Be­reich „In­ter­na­tio­na­ler Ter­ro­ris­mus“, 26 147 Such­be­grif­fe im Be­reich „Pro­li­fe­ra­ti­on und kon­ven­tio­nel­le Rüs­tung“ sowie 634 Such­be­grif­fe im Be­reich „Il­le­ga­le Schleu­sung“) 37 Mio. „Tref­fer“ er­zielt, die wei­ter be­ar­bei­tet wur­den. Sie be­tra­fen fast aus­schließ­lich den E-Mail-Ver­kehr. Von den so­ge­nann­ten Tref­fern wur­den schließ­lich 213 (davon zwölf E-Mails) als nach­rich­ten­dienst­lich re­le­vant ein­ge­stuft.

Der Klä­ger ist Rechts­an­walt und Mit­glied ver­schie­de­ner (deut­scher und in­ter­na­tio­na­ler) An­walts­or­ga­ni­sa­tio­nen. Nach sei­nen An­ga­ben kom­mu­ni­ziert er seit vie­len Jah­ren per E-Mail häu­fig mit aus­län­di­schen Man­dan­ten, Kol­le­gen und an­de­ren Ge­sprächs­part­nern, viel­fach in An­ge­le­gen­hei­ten, die dem An­walts­ge­heim­nis un­ter­lie­gen. Er müsse damit rech­nen, dass auch seine an­walt­li­che Kor­re­spon­denz er­fasst und ge­le­sen wor­den sei. Der Klä­ger hält die Vor­schrif­ten des Ge­set­zes zur Be­schrän­kung des Brief-, Post- und Fern­mel­de­ge­heim­nis­ses für ver­fas­sungs­wid­rig, so­weit sie die stra­te­gi­sche Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­über­wa­chung be­tref­fen, weil sie nicht ge­eig­net seien, die Menge ins­be­son­de­re der er­fass­ten E-Mails wirk­sam auf das Maß zu be­gren­zen, das für eine le­gi­ti­me Aus­lands­auf­klä­rung er­for­der­lich sei. Je­den­falls hät­ten die im Jahre 2010 ver­wen­de­ten Such­be­grif­fe wegen ihrer Weite eine un­ver­hält­nis­mä­ßi­ge Er­fas­sung des E-Mail-Ver­kehrs zur Folge ge­habt. Der Klä­ger hat des­halb beim erst­in­stanz­lich zu­stän­di­gen Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Klage er­ho­ben und die Fest­stel­lung be­an­tragt, dass der Bun­des­nach­rich­ten­dienst durch die stra­te­gi­sche Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­über­wa­chung im Jahre 2010 ins­be­son­de­re be­zo­gen auf den E-Mail-Ver­kehr sein Fern­mel­de­ge­heim­nis ver­letzt hat.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Klage als un­zu­läs­sig ab­ge­wie­sen. Nach der Ver­wal­tungs­ge­richts­ord­nung muss die Fest­stel­lungs­kla­ge sich auf einen kon­kre­ten, ge­ra­de den Klä­ger be­tref­fen­den Sach­ver­halt be­zie­hen. Mit der Fest­stel­lungs­kla­ge kann nicht all­ge­mein, also los­ge­löst von einer ei­ge­nen, kon­kret fest­ste­hen­den Be­trof­fen­heit die Recht­mä­ßig­keit be­hörd­li­cher Maß­nah­men einer ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Über­prü­fung zu­ge­führt wer­den. Die er­ho­be­ne Fest­stel­lungs­kla­ge wäre des­halb nur zu­läs­sig ge­we­sen, wenn der Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­kehr des Klä­gers, ins­be­son­de­re sein E-Mail-Ver­kehr im Jahre 2010 im Zuge der stra­te­gi­schen Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­über­wa­chung durch den Bun­des­nach­rich­ten­dienst tat­säch­lich er­fasst wor­den wäre. Hin­ge­gen ge­nügt es nicht, wenn sich nur die Mög­lich­keit nicht aus­schlie­ßen lässt, dass auch von ihm ver­sand­te oder an ihn ge­rich­te­te E-Mails von der Über­wa­chung er­fasst waren. Dass der E-Mail-Ver­kehr des Klä­gers im Jahre 2010 von der stra­te­gi­schen Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­über­wa­chung tat­säch­lich er­fasst war, hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt nicht fest­stel­len kön­nen. Die Wahr­schein­lich­keit einer Er­fas­sung des Klä­gers war zudem be­grenzt, weil die stra­te­gi­sche Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­über­wa­chung durch den Bun­des­nach­rich­ten­dienst frag­men­ta­risch ist.

Auf­grund der ein­schlä­gi­gen Vor­schrif­ten des Ge­set­zes zur Be­schrän­kung des Brief-, Post- und Fern­mel­de­ge­heim­nis­ses, die für sich ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu be­an­stan­den sind, sind alle 2010 er­fass­ten, aber nach­rich­ten­dienst­lich ir­re­le­van­ten E-Mails, ge­löscht. Das­sel­be gilt für die Daten über die vor­ge­schrie­be­ne Pro­to­kol­lie­rung die­ser Lö­schung. Zwar gerät ein Klä­ger durch die Heim­lich­keit der Über­wa­chung ei­ner­seits, die ge­setz­li­chen Lö­schungs­vor­schrif­ten an­de­rer­seits in eine Be­weis­not, für den Fall sei­ner tat­säch­li­chen Be­trof­fen­heit diese be­le­gen zu kön­nen. Den­noch ist es nicht zur Ge­wäh­rung ef­fek­ti­ven Rechts­schut­zes aus­nahms­wei­se ge­bo­ten, von dem Er­for­der­nis ab­zu­se­hen, dass die kon­kre­te Be­trof­fen­heit des Klä­gers selbst als Vor­aus­set­zung einer zu­läs­si­gen Klage fest­ste­hen muss. Weil sich die bloße Mög­lich­keit einer Be­trof­fen­heit schwer­lich aus­schlie­ßen lässt, würde damit letzt­lich eine all­ge­mei­ne Kon­trol­le durch die Ver­wal­tungs­ge­rich­te er­öff­net. Diese Kon­trol­le wird je­doch nach dem Ge­setz zur Be­schrän­kung des Brief-, Post- und Fern­mel­de­ge­heim­nis­ses schon durch die un­ab­hän­gi­ge und mit ef­fek­ti­ven Kon­troll­be­fug­nis­sen aus­ge­stat­te­te G-10-Kom­mis­si­on des Bun­des­ta­ges ge­währ­leis­tet.

BVerwG 6 A 1.13 - Ur­teil vom 28. Mai 2014"